Berlin/Moskau: Indymedia-Rußland in den Händen der Neuen Rechten
Wie sich herausgestellt hat, wird die russische Indymedia Seite (www.russia.indymedia.org) von dem in neurechten und rechtsradikalen Kreisen bekannten Wladimir Wiedemann alias Wladimir Guzman zusammengestellt. Gerade das liefert eine plausible Erklärung, wieso der Redakteur die im open posting auf dieser Seite veröffentlichte neuerechte Texte konsequent in Schutz nimmt.
Wladimir Wiedemann hat sich durch seine Vorträge bei den "Europäischen Synergien", einem internationalen Netzwerk der Neuen Rechten, durch die Herausgabe einer eigenen, ebenso neurechten Zeitschrift sowie seine Kontakte selbst zu den radikalsten Kreisen der russischen Neonazis eindeutig als Rechtsradikaler positioniert. Da dies in der Antiglobalisierungsbewegung offenbar nicht bekannt war, ist es Wiedemann gelungen, sich unter vermutlich "falscher Flagge" als Gestalter der russischen Indymedia-Seite anzubieten und diese Seite seit Januar 2001 zu betreiben.
Wiedemann stellt mit seinem Wohnsitz in Berlin, seinen Sprachkenntnissen und vielfältigen Verbindungen ein wichtiges Bindeglied zwischen der russischen und westeuropäischen Neuen Rechten dar. Die Neue Rechte ist eine Strömung der extremen Rechte, die versucht, sich selbst als außerparteiliche Intellektuelle darzustellen und den Einfluß in unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Diskurses zu bekommen, um diese nach rechts zu verschieben. Sie greifen mit Vorliebe auf präfaschistische Ideologen vor allem der "konservativen Revolution" zurück und vermeiden den offenen Bezug auf den deutschen Nationalsozialismus, unterhalten jedoch Kontakte auch zum militanten neonazistischen Spektrum.
Die Neue Rechte arbeiten seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion an globalen Strategien geopolitischer Bündnisse zwischen Rußland/"Eurasien" und Europa mit dem Ziel der Errichtung eines streng hierarchisch gegliederten "kontinentalen Imperiums" ("von Dublin bis Wladiwostok"). Für diese Strategie ist es von außerordentlich großer Bedeutung, wenn es gelänge, der zunehmend einflußreichen Antiglobalisierungsbewegung einen primär antiamerikanischen Charakter zu verleihen und so die angestrebte geopolitische Konfrontation "EuroEurasiens" und der USA zu forcieren.
Daß Wiedemann ein wichtiger Ideologe dieser neurechten Strategie ist, beweist seine Teilnahme an der Tagung der "Europäischen Synergien" im April 1999. Bei diesem unter dem Motto "Die Achse Berlin-Moskau: Chancen und Probleme für Europa" stattfindenden Treffen referierte Wiedemann über "Optionen für einen gemeinsamen europäisch-russischen Rechtsraum". Der Text wurde später in der neurechten Zeitschrift "Hagal" (3/2000) und in Wiedemanns eigener Zeitschrift "Imperativ" (5/1999) abgedruckt.
Als wichtigste Autoren seiner Zeitschrift nennt Wiedemann in einem Interview Reinhold Oberlercher und Josef Schüsslburner, die beide als führende Autoren in einschlägigen rechtsextremen Zeitschriften wie "Staatsbriefe" und "Criticon" veröffentlichen. Eine weitere Liste der Autoren und Artikel z.B. von Nr. 4 und 5 der Zeitschrift "Imperativ" unterstreicht die autoritär-imperiale Ausrichtung des Projekts. Die in rechtsextremen Kreisen bedeutende Autoren wie Wolfgang Strauss (der Rußlandexperte dieses Spektrums), Rigolf Hennig (der Prediger der Reichsgedanken), Alexej Mitrofanov und Alexander Dugin versuchen, die neurechte Gemeinsamkeiten für eine Zusammenarbeit insbesondere Deutschlands und Rußlands als historisch wie geopolitisch begründet darzustellen.
Alexej Mitrofanov besitzt als Parlamentsabgeordneter der faschistoiden LDPR Schirinovskijs und Vorsitzender des Geopolitischen Ausschuß des russischen Parlaments eine Schlüsselposition für offizielle Kontakte zu den europäischen Rechtsradikalen. Alexander Dugin und sein Thinktank Arktogeja stellen die wichtigste Struktur für die Entwicklung einer breiten neofaschistisch-neototalitären ideologischen Synthese dar, die antiliberale Elemente der russisch-sowjetischen Tradition mit eben solchen Elementen der westlichen radikalen Rechten verbindet. Gerade in Dugins Zeitschrift "Elementy" wurde seit Beginn der 1990er Jahre beinahe das gesamte Spektrum europäischer rechtsradikaler, vor allem neurechten Ideologien erstmals einer breiteren Leserschaft in Rußland vorgestellt.
Wichtig ist, daß Wiedemann/Guzman schon 1994 für eine Popularisierung Dugins im Westen sorgte, indem er eine Ausstellung mit Texten Dugins und anderer Neuer Rechter, aber auch so bekannter Intellektueller wie Boris Groys in Düsseldorf mitorganisierte. Eine Aufsatzsammlung dieser Ausstellung, die eine Verbindung von klassizistischer Kunst und autoritärer Politik als untrennbare Ideale herzustellen versucht, ist 1994 unter der Bezeichnung "Steinernes Gesicht" erschienen. Daß die Verbindung Dugin-Wiedemann nach wie vor existiert, zeigt sich durch die Veröffentlichung Wiedemanns Texte auf "Arctogaia"-Seite sowie durch die Einladung an Teilnehmer der "Arctogaia"-Diskussionsforen zur russischen Indymedia-Seite, welche Wiedemann als der Redakteur der letzten erteilte.
Den wohl klarsten Beweis für die extrem rechte Einstellung Wiedemanns liefert ein Interview, das er der russischen, neonazistischen Zeitschrift "Nasledije Predkov" (7/1999) gab, die, ins Deutsche übersetzt, "Ahnenerbe" heißt. Diese Zeitschrift veröffentlicht regelmäßig auch Interviews westlicher Neonazis (wie Jürgen Rieger) und fällt durch Artikel zur Rassenforschung und Eugenik auf. In "Ahnenerbe" bezeichnet sich Wiedemann (ebenso wie Dugin oder andere neofaschistische Intellektuelle) als Traditionalist und unterstreicht die Führungsrolle der nordischen Völker bei der Aufrechterhaltung allgemeiner Rechtsvorstellungen traditionalistischer Gesellschaften. Weiterhin spricht Wiedemann in der Semantik traditionalistischer Faschisten von der Existenz eines sakralen Imperiums, das nicht nur das jetzige politische Europa, sondern den gesamten Kontinent mit einschließe.
In bezug auf die deutsch-russische Zusammenarbeit wird er dann ganz unmißverständlich deutlich: "Hier sollte man die Erfahrungen der russischen Diplomatie berücksichtigen. Sie strebte immer danach, die Widersprüche von gegnerischen Parteien auszuspielen, um daraus maximalen Nutzen zu ziehen. Das heißt, daß wir in diesem Fall die Widersprüche zwischen Deutschland und dem Westen ausnutzen können, um einen gemeinsamen Nenner für die deutsch-russische Zusammenarbeit zu finden. Ich persönlich weiß, daß in Deutschland sehr einflußreiche ökonomische und politische Kreise existieren, die an einer Verdrängung der USA aus Europa und der Annäherung an Rußland interessiert sind. Nur die Annäherung an Rußland gibt Deutschland die Chance einer Wiedererrichtung seiner territorialen Ganzheit, seinen Einfluß in Europa zu bewahren, indem die geopolitischen Einflußsphären mit Rußland geteilt werden."
Die neurecht-faschistische Positionen Wiedemanns sind offensichtlich. Es bleibt zu hoffen, daß Indymedia sich nicht weiter als Instrument geopolitischer Sandkastenspiele der Neuen Rechten mißbrauchen läßt. Wir gehen davon aus, daß angesichts dieser Informationen die Indymedia-Strukturen, die Wladimir Wiedemann die Betreibung der Indymedia-Rußland anvertraut haben, diese Entscheidung rückgängig machen.
L.M.
(Nachfragen bitte an nofascistsnowhere@yahoo.com. Dort kann auch Material abgefragt werden, das diesen Text belegt)
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