Zittau/ Sachsen: Chronik einer Verharmlosung oder Brown-Town
Chronik ab Januar 2001 - Zittau's Toleranz gegenüber Nazis
28.September 2001
Es gab Kritik an der Entscheidung des Zittauer Stadtrates. Peter Porsch
(Fraktionsvorsitzender der PDS-Sachsen), der sich im Frühjahr 2001
schon einmal über das Zittauer Integrierungskonzept aufgeregt hatte
(siehe hier) und sich dann vom Ex-OB Jürgen Kloß beruhigen ließ, so
dass er wieder hinter dem Konzept stand, kritisierte wieder einmal den
Stadtrat: "Die Stadt lässt sich offenkundig durch die Drohungen einer
Nazi-Organisation erpressen". Auch auch die DGB-Jugend Sachsen
kritisierte die Entscheidung.
26.Septmber 2001
Der Zittauer Stadtrat hat sich mit 21 Ja und lediglich 3 Gegenstimmen
(selbst die PDS-Stadträte haben mehrheitlich für das Nazishaus
gestimmt) für das Nazihaus des NJB in der Südstraße 8 ausgesprochen.
Die Argumente sprechen Bände, zeigen sie doch, wie Zittau mit Nazis
umgeht, da werden wieder einmal die bösen Linken ins Spiel gebracht und
den Nazis werden die besseren Karten in die Hände gespielt ("Die Jungs
haben leider Gottes die besseren Karten", CDU-Fraktionsvorsitzender
Andreas Johne). So werden die Nazis hoffähig gemacht und ihr Image in
Zittau gestärkt, ganz nach dem Motto: Geben wir den Nazis ein Haus,
dann machen die Jungs keinen Stress.
Ganz anders wäre der Umzug der Nazis in die Lessingstraße (Privathaus):
das wäre ja ein Horror für die dort lebenden ZittauerInnen und dann
haben wir keine Chance mehr Sozialarbeiter einzuschleusen, die dort für
Reine machen sorgen. Insgesamt seie der Weg der Stadt richtig, "dass
Ruhe war in der Stadt, dass sich die Linken und die Rechten nicht den
Schädel eingeschlagen haben" so CDU-Fraktionsvorsitzender Andreas
Johne. Das die Südstraße Ausgangspunkt für faschistische Übergriffe ist
und die Südstraße als überregionale Anlaufpunkt für Neonazis ist,
bleibt hier auch unberücksichtigt (dort "stören sie niemanden" Georg
Bielaß [Freie Bürger]).
Ganz andere und vor allem überraschende Ansichten hatte da Klaus
Zimmermann (SPD). Seiner Meinung nach ist die Einflussnahme der
Sozialarbeit auf den NJB gründlich fehlgeschlagen. "Wir brauchen in
dieser Stadt keinen Hort rechten Gedankenguts", sagte er in einer
persönlichen Erklärung. "Keine öffentliche Mark dürfe dafür ausgegeben
werden". Der Erhalt des Hauses in der Südstraße ist seiner Meinung nach
kein konstruktiver Beitrag für das Zurückdrängen des Rechtsextremismus
in Zittau.
Außerdem soll dem NJB auch das Grundstück auf der Südstraße vermietet
werden, dass die Stadt gegen zwei städtische Grundstücke mit der
Wohnungsbaugesellschaft mbH tauschte um noch mehr "Einflussnahme" auf
den NJB zu nehmen. Das Kloß- Double Arnd Voigt soll dann die endgültige
Fassung des Beschlusses vorlegen.
22.September 2001
In der SZ-Löbau erscheint ein Artikel über rechtsextremistische
Aktivitäten vor allem in Zittau. Dieser liegt einer Pressemitteilung
der Opferperspektive Ostsachsen zu Grunde. Unter anderem wurde dem NJB
Zittau eine klare faschistische Grundeinstellung bescheinigt und auch
über andere faschistische Organisationen in der Region wurde berichtet.
Was komisch anmutet ist, dass der Artikel nicht in der SZ-Zittau
veröffentlicht wurde. Vielleicht deshalb, weil die SZ-Zittau seinen
LeserInnen nicht die Vorstellung geben wollte, in einer braunen Gegend
zu wohnen.
Mitte September
Helmar-Leo Blech, Chef des "Netzwerkes Sachsen gegen
Rechtsradikalismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit", bringt's auf den
Punkt, die Gleichgültig gegenüber Nazis ist in Zittau wesentlich
vorhanden. In anderen Städten haben sich im Laufe des nie
stadtgefundenen "Aufstand der Anständigen" sog. Bürgerallianzen
gegründet, in Zittau jedoch nichts dergleichen. Endlich mal einer der
sich offen gegen ein Nazihaus in Zittau einsetzt. Vielleicht hat er da
die "Augenauf" übersehen, aber die machen ja eh nichts, trauern sich
über die armen Amis aus, ... - Am 27.09.2001 findet der Zittauer
Stadtrat statt in dem höchstwahrscheinlich über das wie des Nazihauses
entschieden werden wird.
Anfang September
Bei einer Diskussionsrunde unter dem Motto "Gegen Hass und Gewalt - für
gute Nachbarschaft!" während des "Tages der Sachsen" in Zittau sagte
SPD-Stadtrat Klaus Zimmermann, dass dem NJB das Gebäude weiterhin für
den gleichen mickrigen Preis vermietet wird (Erbpachtvertrag - Der NJB
zahlte 80 DM im Monat für ein großes Haus). Der Oberbürgermeister
dementierte diese Aussage, gab aber zu, dass seine Überlegung in die
selbe Richtung verlaufen. Der Stadtrat werde sich auf seiner nächsten
Sitzung mit dem Thema beschäftigen.
Mitte August
Der neue OB Arnd Voigt (Freie Wähler), der sich einst noch dafür
ausgesprochen hat, "den rechten Kern zu isolieren", hat angekündigt,
den Nazis ihr Haus auf der Südstraße zu überlassen. Außerdem will er
über ein Sanierungskonzept nachdenken. Bedingung dafür, dass von ihnen
keine rechtsextremistische Aktivitäten ausgehen. Aber das hatte der
alte OB Kloß (CDU) auch immer behauptet. Damit schlägt Voigt keinen
anderen Weg als sein Vorgänger ein, der gleiche Kurs der Akzeptanz
gegenüber den Südstraßennazis. Wieder mal ein weiterer Etappensieg für
die Nazis in Zittau, die wohl auch in Zukunft nichts ernstes zu
befürchten haben müssen. Die Nazis haben angekündigt mit beim
renovieren zu helfen. Nationalsozialistische Blut-und Ehrensache halt!
Ende Juli
Die Kündigungsfrist von der Zittauer Wohnbaugesellschaft mbH ist auf
den 31.10.2001 verlängert worden, auf Bitten von Vize-Landrat Michael
Schweinert. Diesem wurde auch stattgegeben. Ex-OB Kloß hatte diese
Aufgabe (also die Suche nach einer neuen Naziherberge) an den 2.
Bürgermeister Jürgen Löffler (für Jugendarbeit zuständig) abgegeben.
Schweinert findet, dass das Problem nicht bei den Nazis liegt, sondern
bei den Linken, die gelegentlich mal Scheiben einschießen - deshalb
hatten die Nazis das Gebäude nämlich verbarrikadiert. Aber im Prinzip
sind sich alle einig, ein neues Haus müsste für die Nazis gefunden
werden, damit sie nicht auf der Straße abhängen müssen. Außerdem wollen
sie den Draht zu den Nazis nicht verlieren (den sie noch nie hatten)
und so sicherlich eine akzeptierende Jugendarbeit weiterbetreiben.
Auch Schweinert ist der Meinung, dass die Rechten in einem
Haus "punktuell zu erfassen" sind. Dieser Schritt ist als weiterer Sieg
für die Nazis in Zittau zu werten, niemanden stört das aber, weil die
ZittauerInnen ja so denken: "die Rechten sind mir Lieber als die
Linken", und das versteht ja auch jeder, was ist eine eingeschmissene
Scheibe schon gegen ein Menschenleben? Eine andere Option ist diese,
dass das Haus renoviert wird, wozu es ja im Herbst 2000 schon einmal
Verhandlungen gegeben hatte (diese waren gescheitert). Der designierte
OB Arnd Voigt sagte bisher nichts, was die Südstraße anbelangt. Jetzt
ist schon klar, dass die Nazis zum "Tag der Sachsen" mobilisieren
werden. Nazis aus Dresden und Leipzig erwarten die Zittauer Kameraden
schon.
Die Nazis von "störtebecker-net" feiern die Worte von Vize-Landrat
Schweinert und solidarisieren sich mit dem NJB. Diesen stellen sie in
die Opferrolle, denn die Stadt wolle dem "nationalen Jugendleben ein
Ende bereiten", so steht da geschrieben.
07.07.2001
Etwa 80 Nazis marschierten durch Zittau, Auflagen waren gering, über 30
Antifas gingen in Polizeigewahrsam weil sie sich der 100m Marke
näherten. Niemand macht in Zittau Anstalten sich den Nazis zu
widersetzen. Der Sieg der Nazis an diesem Tag, wird nur durch die
geringe Resonanz getrübt. Die Polizei sperrte Zittau weiträumig ab und
kontrollierte bereits an den Zufahrtsstraßen. Platzverweise wurden
mündlich ausgesprochen. Das Ziel war erreicht, außer den lokalen Medien
berichtete niemand über die Nazidemo, der "Tag der Sachsen 2001" in
Zittau soll ja ein Erfolg werden.
[Mehr zum Aufmarsch]
03.07.2001
"Augen-Auf" fordern von der Stadt den "Holger-Müller-Gedenkmarsch", der
am 07.07.2001 stattfinden wird, einfach zu verbieten. In einem Flyer
fordern sie alle ZittauerInnen auf, sich mit auch mit diesem Anliegen
an die Stadt zu treten. Weitere Aktivitäten Fehlanzeige. In dem Aufruf
heißt es "Zittau könnte sich das nicht leisten".
24.06.2001
Arnd Voigt wird neuer OB von Zittau.
etwa 20.06.2001
Ein Zittauer Nazi wird zu 6 Jahren und 7 Monaten für einen brutalen
Überfall einen 26-jährigen in Mittelherwigsdorf. Dieser wurde schwer
verletzt. Am folgenden Tag wird ein 30-jähriger Mann von 3 Nazis leicht
verletzt. Die Tat wird erst nach dem 07.07.2001 veröffentlicht,
aus "ermittlungstaktischen Gründen", wie Horbaschk angab.
Mitte Juni
Ein privater Immobilienbesitzer will den Nazis ein Haus auf der
Lessingstraße ab dem 1. August 2001 vermieten. OB Kloß ist allerdings
dagegen, weil die Gegend problematisch für ein "Jugendhaus" wäre, da es
dicht besiedelt sei. In der Lessingstraße war bis
zur "Reichspogromnacht" am 09.November 1938 die Zittauer Synagoge. Dass
wurde nicht mit in die Argumentation hineingebracht. Kloß sucht weiter
nach einer geeigneteren Bleibe.
Ende Mai
In einem SZ-Interview zu den Anstehenden Kommunalwahlen, in denen die
ZittauerInnen auch einen neuen OB wählen, geben die Kandidaten ihre
Meinung zur Südstraße ab. OB Kloß (CDU), sagt dass das Konzept nicht
gescheitert wäre. Erstmals gibt er zu, dass er zusammen mit dem
Landratsamt nach einem neuen Nazihaus sucht. Arnd Voigt (Frei Wähler)
wolle den Harten Kern isolieren und die Mitläufer in andere
Jugendangebote integrieren. Der Kandidat der PDS ist unentschlossen.
18-20.05.2001
Beim "Augen Auf" - Wochenende schützen 215 PolizistInnen die
Veranstaltungen. Etwa 20 Nazis trauten sich auf den Zittauer
Marktplatz, wurden allerdings von Punks verjagt, was der
Polizeisprecher nicht "tolerant" findet. Mehrere Leute werden von Nazis
angepöbelt, einige mussten sogar fliehen. Etwa 150 Nazis aus Zittau,
Löbau, aus der Sächsischen Schweiz und anderen Städten feierten ihr
rassistisches Stelldichein in der Südstraße.
Zittau's OB Jürgen Kloß sagt bei der Eröffnungsrede, dass Intoleranz
nicht nur aus der rechten kommt. Am Sonntag bei einer Veranstaltung
der "Opferperspektive Ostsachsen", kamen auch Nazis, diesen wurde der
Zutritt verweigert und sie konnten sich draußen mit den anderen Leuten
unterhalten.
Die OrganisatorInnen und die Polizei waren zufrieden.
[Unsere Meinung zu "Augen Auf"]
Anfang Mai
Dem NJB wird das Haus auf der Südstraße 8 gekündigt. Begründung für die
Wohnungsbaugesellschaft mbH, die offensichtliche Baufälligkeit des
Hauses. Räumungstermin 31.07.2001.
Die Nazis reagieren sofort, hängen Transparente auf, verteilen
Flugblätter mit eindeutigen Gewaltprophezeiungen nach der Räumung
(unter anderem auch beim "Eine Welt Laden") - alle sind empört. Der NPD-
Kreisverband Löbau/Zittau veröffentlicht erst den Aufruf, löscht ihn
jedoch wieder und gibt widersinnig zu, dass sie den NJB nicht kenne.
OB Kloß versucht das politisch auszunutzen: "Ich bin nicht mehr bereit,
eine Vereinsarbeit in einem städtischen Haus zu dulden, die sich
offensichtlich nicht an demokratische Spielregeln hält"
Kreisrat Günter Vallentin (CDU) ist für ein neues Nazishaus und will an
der akzeptierenden Jugendarbeit festhalten.
Die Stadt mach sie Sorgen um das "Augen Auf"-Wochende, die Polizei
bereitet sich auf einen Großeinsatz vor, die Nazis kündigen ein "Augen
Auf - gegen Links" an.
Anfang März
Die Verhandlungen zwischen MuK und NJB sind gescheitert, da sie, wie
schon vorher zu erwarten auf keine gemeinsame Ebene kamen. Kloß sagte
daraufhin der SZ: Auch junge Tschechen und Polen hätte sich der OB als
tatkräftige Helfer in dem Projekt vorstellen können. Das hätte dem Haus
seinen neonazistischen Charakter genommen und dem NJB ein Stück
Glaubwürdigkeit gegenüber dem Verfassungsschutz verschafft.
Mitte Februar
Peter Porsch (Fraktionsvorsitzender der PDS im Landtag) und die Löbauer
PDS-Landtagsabgeordnete Bettina Simon haben sich bei OB Jürgen Kloß
über die Südstraße informiert und sind zum Schluss gekommen, dass das
Zittauer Konzept der Akzeptanz gegenüber Nazis richtig ist. Sie finden
die Annäherung von MuK und NJB richtig, so können vielleicht in Zukunft
ein offenes nationales Jugendhaus gewährleistet werden und so "Toleranz
für den anderen geweckt werden", sagte OB Kloß. Der NJB werden alles
unternehmen um nicht mehr im Verfassungsschutz zu stehen.
08.01.2001
Der Spiegel veröffentlicht einen Artikel zu Zittau ("Wie fahrlässig und
gedankenlos die Stadt Zittau ihre Skins und Neonazis unterstützt",
Spiegel 08.01.2001), wo die allgemeine Akzeptanz gegenüber den Nazis
von Seiten der Stadt und der Bevölkerung dargestellt wird. Peter Porsch
(Fraktionsvorsitzender der PDS im Landtag) reagierte kurz danach und
ließ verlauten: "Das Haus für rechte Jugendliche in Zittau würde für
uns nur dann akzeptabel sein, wenn es dem 'Entzug' dient. Wenn dies
nicht der Fall sein sollte, müsste man das Projekt als gescheitert
betrachten". Wohl auch ein Befürworter der akzeptierenden Jugendarbeit.
Der NJB lädt daraufhin zu einer Diskussionsrunde ein.
Thema: "Diskussionsrunde über Vorstellungen zur baulichen Veränderung
der Südstraße 8", eingeladen sind Vizelandrat Schweinert, Eggert und
andere Zuständige. "Der Landkreis darf, will und kann keinen Verein
fördern, der im Verfassungsschutzbericht auftaucht", sagte Schweinert
und tritt damit in den allgemeinen Mainstream. So seie die Stadt nicht
bereit noch länger den Verein zu unterstützen. Der NJB antwortete mit
Polemik Marke: "Ohne uns wäre der Verfassungsschutz arbeitslos". Der
Vertreter des Multikulturellen Zentrums (MuK) Mike Wohne schlug vor,
dass die Nazis ihr Haus selbst renovieren sollten, er nennt
das "Arbeitsweltenprojekt". Die ewige Forderung an den NJB, er solle
das Haus für alle Jugendliche öffnen, doch das haben die
Verantwortlichen schon immer gefordert.
01.01.2001
Während eines Fußballturniers an dem 16 Mannschaften teilnehmen, zeigt
die Mannschaft vom NJB den Hitlergruß. Das Tournier stand unter dem
Motto "Kicken statt Kloppen". Eine Aktion in der Nazis eingebunden
werden sollen, so heißt es offiziell.
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