Russland: Der Redakteur des russischen Indymedia muss abgesetzt werden!
Erklärung der TeilnehmerInnen des russischen Indymediaprojektes
Im Dezember 2000 wurde unter der Adresse russia.indymedia.org die Seite des russischen Indymedia ins Netz gestellt - der russischsprachige Ableger des weltweiten Netzwerks der anti-korporativen unabhängigen Medienzentren. Wladimir Wiedemann (Gusmann) gründete die Seite und wurde ihr erster Redakteur. Er wohnt in Berlin und arbeitet als Korrespondent des Britischen Radiosenders BBC. Die Gründung des russischen Indymedia war nicht die Folge einer öffentlichen Absprache zwischen AktivistInnen aus Russland und anderen Ländern, in denen russisch gesprochen wird, sondern eine persönliche Initiative seines ersten Redakteurs. Seitdem haben sich viele AktivistInnen anarchistischer, ökologischer, Menschenrechts- und anderer sozialer Bewegungen aus Russland, der Ukraine und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion beteiligt.
Im Sommer 2001 erschienen auf der russischen Indymediaseite Texte mit nationalistischen Inhalten - Material aus der Zeitung "Savtra", aus der Feder des Redakteurs und bekannten "Nationalpatrioten" Alexander Prochanov, sowie Texte des bekannten Ideologen der russischen "Neuen Rechten" Alexander Dugin und dergleichen mehr. Die Versuche der russischen Indymedia-AktivistInnen, dem Redakteur zu erklären, dass derartige Materialien nicht dem Geist des internationalen Mediennetzwerks Indymedia entsprächen, stießen auf Unverständnis. Als Antwort richtete Wiedeman auf der Seite eine sogenannte "Diskussion über die Einführung von Zensur" ein, die die Absicht hatte, die Motive der KritikerInnen zu verzerren und sie als GegnerInnen des freien Wortes zu diskreditieren. Wie uns vor kurzem bekannt wurde, lud Vladimir Videmann bereits im Frühjahr 2001 die "neurechten" AktivistInnen auf der Seite des Dugin-Verlags "Arctogeja" dazu ein, am russischen Indymediaprojekt teilzunehmen.
Im September 2000 erhielten wir klare Beweise für die ideologischen und organisatorischen Beziehungen des Redakteurs der russischen Indymedia-Seite Wladimir Wiedemann zu der russischen und europäischen Neuen Rechten anhand der Zeitschrift der Russischen Nazis 'Ahnenerbe' und der eigenen Zeitschrift Wiedemanns 'Imperativ' (siehe Text 'Russische Indymedia in der Händen der Rechten' von L.M., am 28.09. im Netz veröffentlicht).
Angesichts dessen halten wir eine weitere Zusammenarbeit mit dem gegenwärtigen Redakteur der russischen Indymedia für unmöglich.
Wir hoffen, dass das internationale Indymedia ein Mittel findet, um Wladimir Wiedemann den Zugriff auf die Kontrolle und Gestaltung der www.russia.indymedia.org zu entziehen und dem neuen Kollektiv aus MitarbeiterInnen des russischen IMC aus Kasimov, Kiev, St. Petersburg, Moskau und anderen Städten der ehemaligen UdSSR zu übertragen.
Uns beunruhigt die im Zusammenhang mit Wiedemann deutlich gewordene Infiltration der internationalen Bewegung für soziale Gerechtigkeit durch die Neue Rechte unter dem Deckmantel der 'Anti-Globalisierungsbewegung' und wir werden uns gegen diese Infiltration wehren. Die Mehrheit der internationalen Seiten von indymedia.org vertritt das Prinzip der Publikation unterschiedlichster Meinungen (Open Posting). Wir respektieren dieses Prinzip der Offenheit, weisen aber darauf hin, dass es vor allem in Ländern mit gesellschaftlichen Initiativen und starken sozialen Bewegungen gut funktioniert, jedoch nicht auf Russland und andere Ländern der ehemaligen Sowjetunion übertragbar ist. Leider herrschen in unserem Falle starke konservative, nationalistische und faschistische Tendenzen in Gesellschaft und Politik, denen wir unbedingt Widerstand leisten müssen und die wir bekämpfen, was einige von uns deshalb auch in die Reihen der GlobalisierungsgegnerInnen geführt hat.
Die historische Erfahrung zeigt, das Totalitaristen (und Faschisten vor allem) keinen andere Überzeugung dulden. Wenn Faschisten heute Zugang zu Indymedia erhalten, werden wir Indymedia morgen verlieren. An die Stelle unabhängiger Media würde eine tendenziöse, ideologisch beschränkte Informationsverbreitung treten.
Halten wir fest, dass auch in einigen Ländern wie Deutschland, Quebec und Kolumbien mit einer starken extremen Rechten das Prinzip der offenen Publikation durch Redaktionskollektive beschränkt wird.
In Anbetracht der außerordentlichen Aktivität der Rechten in Russland und in anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion, sowie der internationalen Erfahrung von IMCs, fordern wir die Übertragung der Kontrolle der Veröffentlichungen, nach der Absetzung des jetzigen Redakteurs, auf die Redaktion der Seite. Der Mechanismus dieser Kontrolle soll, so schlagen wir vor, in Zukunft in Zusammenarbeit mit anderen IMCs ausgearbeitet werden.
TeilnehmerInnen des russischen Indymediaprojektes:
Maksim Butkevic (Kiev)
Ute Weinmann (Moskau)
Pavel Golubovskij (Kiev)
Aleksej Koslov (Voronesch)
Ljolik Kuzenko (Kiev)
Julia Kuzenko (Kiev)
Sergej Lukaschov (Kiev)
Sergej Hedosekov (Kiev)
Nastja Osipova (Kiev)
Pavel Skurenevskij (Kiev)
Andrej Tvardijevic (Kiev)
Julia Tichomirova (St. Petersburg)
Vlad Tupikin (Moskau)
Jevgenij Fajsullin (St. Petersburg)
Grigorij Feldman (Moskau)
Tuuli Hakulinen (St. Petersburg)
Michail Zovma (Moskau)
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