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Hamburg: Redebeitrag bei der Demo am 9.10.01

Redebeitrag der Gruppe LOTTA dos bei der Demo in Hamburg am 9.10.2001:

Es wird behauptet, dass die Bombardierungen von Afghanistan, die
Zerstörungen ein Vergeltungsschlag seien, Vergeltung für die Zerstörung am
11.9. in New York. Wir sagen, dies ist kein Vergeltungsschlag. Der 11.9. war
ein willkommener Anlass für die Regierungen der USA und Westeuropas Ihren
globalen Machtanspruch weltweit auch bzw. wieder einmal militärisch zu
manifestieren. Krieg herrscht seit Jahrzehnten, wir meinen den globalen
Wirtschaftskrieg, in dem keine Opfer gezählt werden, in dem nur eines zählt:
der Börsenkurs und die Konjukturdaten. Dies mag altmodisch klingen aber es
ist brandaktuell.

Während sich in den letzten Wochen die Waffenarsenale der USA ins
Rampenlicht und in Stellung gebracht haben, um bedingungslose Kampf- und
Kriegsbereitschaft zu demonstrieren, hat in den letzten Wochen parallel
bereits ein Feldzug unter Aufbietung anderer Waffen stattgefunden, gemeint
sind politische Erpressung, auch mit wirtschaftlichen und finanziellen
Mitteln. Um irgendwie verschont zu bleiben oder aus der aktuellen Situation
Profit zu ziehen, haben sich die Regierungen Pakistans, Indiens, Saudi
Arabiens, Ägyptens, Usbekistan, Russland, Oman, usw. von G.W. Bush und co.
über den Tisch bzw. in das Boot der sogenannten Terrorismusbekämpfer ziehen
lassen. Dieser Feldzug war wahrscheinlich weltpolitisch von wesentlich
größerer Bedeutung als die tatsächliche Bombardierung Afghanistans, denn
diese Regierungen, die genau wie die Bush-Regierung nichts anderes als den
eigenen Machterhalt im Kopf haben, haben sich damit selbst noch mehr an die
Kette der Vereinigten Staaten von Amerika gelegt. Hierfür werden Sie in
ihren Ländern zu jeglicher Art innenpolitischer Repression gegen Aufbegehren
und Widerstand bereit sein.

Nach den Bildern des gestrigen Abends sagen wir heute: Diese Zivilisation,
die jetzt im Namen der Freiheit Afghanistan bombardiert, ist keine
Zivilisation. Denn Zivilisationen, die zu recht als solche bezeichnet werden
dürfen, verfügen über Konfliktlösungsstrategien im sozialen und
wirtschaftlichen Bereich, verfügen über Mechanismen des
Interessensausgleichs und über Respekt gegenüber den Menschen.

Im Namen des Christentums wurden diese Zivilisationen weltweit zerstört, in
Nord-, Mittel- und Südamerika zum Beispiel. Die Welt steht vor einem
Trümmerhaufen, auf ihm werden Frauen in Katalogen zum Kauf angeboten,
verhungern Menschen während Nahrungsmittel an Tiere verfüttert werden,
verdienen globale Syndikate und legale Drogenhändler an dem seelischen Elend
nicht nur im westlichen Teil der Welt, werden Kriege angezettelt um die
Rüstungsindustrie am Laufen zu halten.

Keine Regierung der Welt hat, wie es scheint, auch nur ansatzweise eine
Strategie des Ausgleichs und der Humanität anzubieten. Diejenigen, die dies
in der Vergangenheit versuchten, wurden mit unterschiedlichen Mitteln und
Unterstützung aus dem Wilden Westen der USA und Europas gestürzt.

In Ihrer Einstellung der afghanischen Bevölkerung gegenüber stehen sich die
Bush-Regierung und die Taliban in nichts nach: das Schicksal der Bevölkerung
interessiert sie nicht. Lebensmittel der USA für Flüchtlinge in Afghanistan
haben nur einen einzigen Zweck: sie sind Futter für uns, hier, in diesem
Moment. Propagandistisches Futter um Kritikerinnen den Mund zu stopfen, uns
mundtot zu machen, damit uns die Argumente ausgehen. Aber wir dürfen eines
nicht vergessen: an den Zielen der US-amerikanischen Politik hat sich nichts
geändert. (Wer dies nicht glaubt, muss nur einen Blick in die Geschichte
wagen. Wir sehen dort: sie sind heute die gleichen wie z.B. am 11.September
1973, als Pinochet mit Unterstützung der CIA in Chile an die Macht gepuscht
wurde.)

Die bundesdeutsche Regierung sagt seit Wochen, sie würde gerne, kann aber
noch nicht mit machen im globalen Krieg. SoŽn bisschen Rasterfahndung ist
zwar innenpolitisch ganz interessant, besonders unter dem Aspekt, was man
sich denn so alles erlauben kann, ohne ernsthafte Legitimationsprobleme zu
bekommen. Aber sobald die ersehnte Anfrage aus Washington kommt, wird alles
in Bewegung gesetzt damit der Pelz, den Schröder gewaschen haben will, nicht
zu Schaden kommt.

Es ist an der Zeit, dass wir uns in ausserparlamentarischen Bewegungen
organisieren und uns weltweit aufeinander beziehen. Viele haben damit schon
begonnen. Wir brauchen eine Kultur des Widerstands, in der wir die
Menschenverachtung und Kaltblütigkeit, mit der die Anschläge des 11.9.2001
für die Machthaber des Westens ausgenutzt werden, ans Tageslicht bringen.
Wir brauchen ein Kultur des Widerstands, die unsere Sehnsüchte nach
Solidarität und einem menschenwürdigen Leben praktisch werden lassen. Wir
brauchen eine Kultur des Widerstands, in der unsere Vielfältigkeit und
unsere unterschiedlichen Standpunkte Raum haben. Die Motivationen,
Widerstand zu entwickeln und eine entsprechende, vielfältige Kultur zu leben
zu wollen, mögen unterschiedlich sein: Frauenkämpfe, Kämpfe gegen Rassismus,
gegen Ausgrenzung, antikapitalistische Kämpfe, internationalistische Kämpfe
wie die der Antiglobalisierungs-Bewegung und viele andere brauchen darin
ihren Platz.

Kontaktadresse:
Gruppe LOTTA dos, p.A. Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg


 

14.10.2001
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