BRD: Zur Debatte um Antideutsche Positionen
Beitrag zur Debatte um Antideutsche Positionen und dem Anschlag auf das
WTC
Kritische Antworten auf die kriegsorientierte Bewegung
Das Papier "Kritische Fragen an den friedensbewegten Protest"
verschiedener Gruppen zu den Ereignissen in Amerika hat in unseren
Zusammenhängen zu weitreichenden Diskussionen geführt. Wir wollen
verschiedene, der darin vertreten Positionen thematisieren und
kritisieren, da sie unserem Politikverständnis grundlegend widersprechen
und wir eine andere Art der politische Auseinandersetzung für
wünschenswert und notwendig halten. Der Text der unterzeichneten
"antideutschen Gruppen" bietet dafür eine Reihe von Anknüpfungspunkten.
Es geht uns jedoch nicht nur um das Papier an sich, sondern auch um eine
Debatte über grundsätzliche Fragen. Deshalb wollen wir unsere Kritik
zwar anhand des Textes formulieren, darüber hinaus aber auch auf uns
wichtige Punkte näher eingehen.
Um Menschen, die den Text nicht vorliegen haben das Lesen zu erleichtern
(und natürlich auch denen, die ihn noch gar nicht kennen), haben wir vor
jeden der von uns geschriebenen Abschnitte den Teil des Papiers gesetzt,
auf den wir uns im Folgenden beziehen.
Uns ist aufgefallen, dass die AutorInnen in ihrer Schrift lediglich die
männliche Form verwenden. Es ist uns allerdings zu arbeitsintensiv, dies
jedes Mal als Fehler zu markieren.
" Kritische Fragen an den friedensbewegten Protest
1.) Wenn es richtig ist, daß die Attentäter von New York und Washington
"die Juden und ihre Schutzmacht Amerika" gleichermaßen gehasst haben
(Spiegel, 24.9.01); wenn Bin Ladens Organisation "Al Qaeda" jetzt zur
Ermordung von Amerikanern und Juden aufruft "wo immer (sie) sich
befinden" (FR, 26.9.01); wenn es zu den Essentiales islamistischer
Ideologie gehört, die Wallstreet, New York und die US-Ostküste überhaupt
als Hort der "zionistischen Weltverschwörung" auszumachen - weshalb wird
der Anschlag dann nicht als das benannt was es ist: nämlich ein
faschistisches Massaker von eliminatorischen Antisemiten, welche die
Juden, die USA und die westliche Zivilisation als Einheit betrachten und
vernichten wollen?
Würde diese Charakterisierung zum eigenen Antiamerikanismus nicht
passen?"
zu 1.) Der Text ?Kritische Fragen an den friedensbewegten Protest" setzt
sich aus Thesen zusammen die aufeinander aufbauen und aus denen heraus
Fragen entwickelt werden. Dabei ergeben sich für uns mehrere Probleme.
Zum einen erschien das Papier zu einem Zeitpunkt, an dem noch gar nicht
bekannt war, wer für die Anschläge verantwortlich ist. Es war nicht
bekannt, aus welchen Motiven heraus der Anschlag verübt wurde und so
waren Spekulationen darüber, wer dafür die Verantwortung trägt eben nur
Spekulationen und keine Gewissheit. Dies ist wichtig, weil die Kritik
dieser antideutschen Gruppen voraussetzt, dass die TäterInnen bekannt
sind und damit andere denkbare Motive generell ausschließt. Zum anderen
werden Spekulationen in dem Papier zu Tatsachen erklärt: ?...weshalb
wird der Anschlag dann nicht als das denunziert, was er IST". Was zu
Anfang des ersten Abschnitts noch vorsichtig formuliert wird ("WENN es
richtig ist, ...") wird im weiteren Verlauf des Textes zunehmend zur
Grundlage der Kritik an dem "friedensbewegten Protest" herangezogen
(siehe auch Abs. 6.). Das Papier benennt nicht die Möglichkeit, dass
verschiedene Gruppen für die Ausführung des Anschlages in Frage kommen.
Im weiteren Verlauf des Textes hat dies zur Folge, dass die Aussagen
anderer Gruppen (wie die von kein Mensch ist illegal) nur aus dem
Blickwinkel, die TäterInnen bereits zu kennen, betrachtet und kritisiert
werden. Dazu jedoch später mehr. Behandeln wir zunächst weiter den
ersten Absatz.
Hier werden Begriffe verwendet, die wir als ideologisch vorbelastet
begreifen, wie der der "westlichen Zivilisation" oder der des
"Islamismus". Denn diese Begriffe werden auch und gerade von
bürgerlichen und konservativen MedienvertreterInnen, PolitikerInnen u.a.
als Kampfbegriffe eingesetzt. Sollten in einer kritische Analyse diese
Begrifflichkeiten nicht inhaltlich eingrenzt oder kommentiert werden, um
eine differenzierte Auseinandersetzung zu ermöglichen? Die Eingrenzung
des Begriffes ?Islamismus" nimmt der Text nur vor, indem festgestellt
wird, dass es sich bei den "IslamistInnen" um AntisemitInnen handele:
"wenn es zu den Essentiales islamistischer Ideologie gehört, die
Wallstreet, New York und die US-Ostküste überhaupt als Hort der
?zionistischen Weltverschwörung" auszumachen (...)". Kein Wort davon,
dass der Begriff ?Islamismus" unzutreffend ist (der Islam als Religion
ist nicht explizit antisemitisch), kein Wort davon, dass der Begriff
nur eine sehr kurze Geschichte aufzuweisen hat (er entstand erst nachdem
das Feindbild des "Kommunismus" durch die Veränderung der
weltpolitischen Lage nicht mehr tauglich war). Wenn mit ?Islamismus"
eine Form des Fundamentalismus gemeint sein sollte, warum wird das dann
nicht so gesagt, sondern statt dessen ein rassistischer Kampfbegriff
unkommentiert übernommen? Eine derartige, rassistische Argumentation hat
für uns nichts mehr mit linker Politik zu tun.
Zudem ist die verwendete Sprache polarisierend und unzutreffend, weil
Begriffe verwendet werden, die uns (zunächst) nicht an die Ereignisse in
Amerika erinnern: "ein faschistisches Massaker von eliminatorischen
Antisemiten" ist ein Ausdruck, der uns an den Faschismus in Deutschland,
den industriellen Massenmord denken lässt. Die gewählten Worte zu
nutzen, um die Anschläge auf das WTC und das Pentagon zu beschreiben,
halten wir für eine Relativierung und Verschleierung des Holocaust mit
seiner unfassbaren Brutalität und Menschenverachtung. Dieses in Kauf zu
nehmen, um die eigene Position deutlich zu machen, halten wir für sehr
gefährlich. Es erinnert an die Kriegshetze während des Kosovo-Krieges,
mit dem Unterschied, dass es damals noch PolitikerInnen waren, die den
Kriegseinsatz der Bundeswehr als Lehre aus dem Holocaust verkauften. Zu
dieser Zeit wurde diese Kriegshetze von vielen als revisionistische
Argumentationsweise eingestuft.
Was in Amerika passiert ist, war extrem menschenverachtend. Das ist
nicht zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, gleichgültig welche
Motivation hinter den Attentaten steht. Dazu später mehr.
Der Abschnitt schließt mit der Suggestivfrage, ob diese
Charakterisierung nicht zum eigenen Antiamerikanismus passen würde.
Suggestiv deshalb, weil die Frage in ihrer Konstruktion schon
voraussetzt, dass der/ die LeserIn "antiamerikanisch" eingestellt ist
und somit zu einer Positionierung gezwungen wird - eine Positionierung,
die für jedeN LinkeN einfach ist. Rhetorisch schön gemacht: Am Ende des
ersten Abschnittes bleibt das Gefühl die Frage richtig beantwortet zu
haben und damit irgendwie zu "den Guten" zu gehören. Der Effekt ist die
Einbindung des/ der LeserIn, aber nicht (nur) durch Überzeugung sondern
durch den Einsatz von Rhetorik. Schade finden wir daran, dass Rhetorik
normalerweise eingesetzt wird, um die eigene Position durchzusetzen,
indem gewisse Tricks verwendet werden. Linke Politik sollte aber doch
auf einen Austausch von Meinungen abzielen und jedem Menschen die
Möglichkeit einer wirklich eigenen Positionierung eröffnen. Netter wäre
es unserer Meinung nach gewesen, eine differenzierte Antwort zu
ermöglichen. So hätte die Frage am Ende des ersten Abschnittes auch
lauten können, dass Mensch sich selbst fragen solle, wie die eigene
Positionierung in Bezug auf Amerika aussieht. Dies hätte Raum gelassen
sich unter verschiedenen Aspekten mit den USA auseinander zusetzen
(wirtschaftlich, militärisch, politisch, historisch, systemtheoretisch,
kulturell etc) und dabei auch eine mögliche Parallele zwischen
Antiamerikanismus und Antisemitismus konstruktiv zu hinterfragen.
"2.) Trägt das Objekt antisemitischer Projektionen (sei es die Stadt New
York als Verkörperung des Kosmopolitischen, die USA oder die hinter
alldem vermuteten Juden selbst) eine Verantwortung für diese? Analog
hierzu: Sind Juden in Israel selber schuld, wenn sie von
palästinensischen Selbstmordkommandos in die Luft gesprengt werden?"
Zu 2.) Diesen Absatz finden wir positiv, weil er deutlich macht, dass
das Objekt einer antisemitischen Projektion für diese nicht selbst
verantwortlich ist. Dies gilt für die USA ebenso, wie für den jüdischen
Menschen in Israel. Antisemitische Projektionen zeichnen sich durch
Zuschreibungen von Außen aus, deren Inhalte nicht von der uns umgebenden
Welt abhängen, sondern deren Ursprung eine Ideologie ist.
"3.) Wenn es stimmt, daß die barbarischen Anschläge gegen die "Symbole
der mammonistischen Weltherrschaft" (Horst Mahler) irgendwie in
Zusammenhang mit globalen Verelendungsprozessen stehen, mithin einen
"verzweifelten Ausdruck von Unterdrückung" (Flugblatt von Kein Mensch
ist illegal, Wuppertal u.a.) darstellen, heißt das dann, daß die
Verelendeten und Ohnmächtigen automatisch zu antisemitischen Amokläufern
werden müssen?"
Zu 3.) Wir finden es richtig beschissen und völlig inakzeptabel, Horst
Mahler und kein Mensch ist illegal in einem Atemzug zu nennen, als wäre
es das selbstverständlichste der Welt. Weil Horst Mahler in den
Anschlägen einen Angriff auf die "Symbole der mammonistischen
Weltherrschaft" sieht und kein Mensch ist illegal Wuppertal einen
Zusammenhang zwischen den Attentaten und Unterdrückung sieht, meinen sie
also das gleiche? Der Staat USA als Teil des kapitalistischen Systems
verfügt über eine nicht zu bestreitende Macht. Die Politik von
Institutionen wie die des IWF oder der Weltbank, die zu einem nicht
unbedeutenden Teil von Repräsentantinnen der USA getragen wird, hat
reale und verheerende Auswirkungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika
haben aufgrund ihrer Politik mehr Feinde und KritikerInnen als nur
AntisemitInnen. Auch kein Mensch ist illegal wussten zu dem Zeitpunkt,
als das Flugblatt verfasst wurde nicht, wer hinter den Anschlägen steht.
Wenn sie schreiben, dass eine mögliche Ursache für Attentate auf das WTC
und das Pentagon die Auswirkungen des globalisierten Kapitalismus sein
könnte, so haben sie damit eine mögliche Motivation benannt. Sie haben
damit nicht gesagt, dass Verelendung eine Rechtfertigung für
Antisemitismus ist. Dass die Taten von AntisemitInnen begangen wurden
war ebenfalls denkbar, aber eben nicht die einzige Möglichkeit. Hier
wird wieder als Gewissheit verkauft, was im ersten Abschnitt noch
vorsichtig formuliert wurde.
"4.) Ist es nicht vielmehr so, daß die Zivilisation durch Herrschaft und
Ausbeutung zwar beständig Haß hervorbringt, die Leidenden aber immer
noch die Entscheidung treffen müssen, ob sie diesen mit in der Tat
barbarischen Ideologien wie dem klerikalfaschistischen Islamismus
antisemitisch wenden oder aber emanzipatorisch gegen die Grundlage des
Leidens, die Vergesellschaftung durch Kapital und Staat, richten?"
Zu 4.) Abgesehen davon, dass wir die Wortwahl für völlig
unemanzipatorisch halten ("klerikalfaschistischer Islamismus"), sind
auch wir durchaus der Meinung, dass Menschen für Ideen die sie sich zu
eigen machen und für jede ihrer Handlungen einigenverantwortlich sind.
Aber hat denn hier irgendjemand behauptet, dass Herrschaft und
Ausbeutung zwangsläufig zum Antisemitismus führe? An wen richtet sich
dieser Denkanstoß? Oder war das wieder eine der Fragen, bei der wir mit
dem Gefühl weiterlesen dürfen, eben doch irgendwie zu "den Guten" zu
gehören?
"5.) Wenn das Leiden an der Zivilisation keine Rechtfertigung für
antisemitische Mordtaten sein kann, weshalb wird in der
Antikriegsbewegung dann fast durchgängig die "Politik der USA, Europa,
des IWF usw." als "Ursache" (Flugblatt von Kein Mensch ist illegal,
Wuppertal u.a. ) für die Anschläge ausgemacht?"
Zu 5.) Hier wird Rechtfertigung gleichgesetzt mit Ursache. Die Begriffe
bedeuten aber nicht das gleiche. In Abs. 4.) steht, dass "Zivilisation
durch Herrschaft und Ausbeutung (...)beständig Haß hervorbringt", wenn
sich dieser Hass in irgendeiner Form entlädt, so kann dieser
Zusammenhang als eine mögliche Ursache benannt werden. Das bedeutet
jedoch nicht, dass die Form in der sich der Hass entlädt zu
rechtfertigen ist.
Viel schlimmer an diesem Abschnitt ist jedoch, dass hier kein Mensch ist
illegal Wuppertal vorgeworfen wird, faschistische Morde zu
rechtfertigen. Hier werden zwei völlig unterschiedliche Ansätze
zusammengeworfen. Die Annahme, es handele sich um einen antisemitischen
Anschlag (was durchaus sein kann) wird mit der Annahme, es handele sich
um einen Anschlag der im Zusammenhang mit der Politik des IWF etc.
steht, verknüpft. Die Begriffe Rechtfertigung und Ursache werden
beliebig ausgetauscht. Daraus entsteht die Unterstellung an kMii, sie
würden Antisemitismus durch die Politik des IWF u.a. rechtfertigen. Eine
sehr propagandistische und gefährliche Art der Politik und bestimmt
keine linke. Falls dies von den AutorInnen wenig durchdacht und
unglücklich formuliert gewesen sein sollte, wäre eine Richtigstellung an
kMii Wuppertal sicherlich angebracht.
"6.) Erzwingt die Tatsache, daß von islamistischer Seite nach dem
gleichen Ursache-Wirkung-Schema der Anschlag vom 11.9. (sowie die Aktion
von Hamas, Islamischem Jihad usw. in Israel) rationalisiert wird, nicht
notwendig den Schluß, daß Antikriegsbewegung und die expliziten
Apologeten des islamistischen Terrors geistig miteinander verwand sind?
Werden nicht beiderseits die negativen Folgen der objektiv abstrakten
Prozesse der globalisierten Kapitalakkumulation personalisiert und auf
die USA als Sitz der "zionistischen Weltverschwörung" bzw. des
"internationalen Finanzkapitals" projiziert?"
Zu 6.) Ufff... wo anfangen? Das gleiche Ursache-Wirkungs-Schema? Die
Antikriegsbewegung (wie auch immer ihr jetzt auf die kommt) soll also
die USA als Sitz der zionistischen Weltverschwörung sehen? Gibt es dafür
irgendwelche Hinweise? Oder ist das mal eben eine Annahme eurerseits?
Sicherlich will niemand von uns die Personalisierung von abstrakten
Prozessen (z.B. Kapitalismus an die USA zu koppeln). Dennoch ist eine
Personalisierung des "internationalen Finanzkapitals" nicht
gleichzusetzen mit der Annahme, es gebe eine "zionistische
Weltverschwörung". Internationales Finanzkapital ist ein Begriff, der
eine Wirklichkeit beschreibt. Im Gegensatz dazu ist die "zionistische
Weltverschwörung" definitiv nicht existent. Es gibt keine "zionistische
Weltverschwörung". Wenn diese Begriffe als gleichbedeutend verwendet
werden, so erweckt dies jedoch den Eindruck, als seien beide Begriffe
entweder falsch oder wahr. Birgt diese Kopplung der Ausdrücke nicht
selbst antisemitische Züge?
Noch mal: Der Text wurde zu einer Zeit geschrieben, in der unklar war,
wer die TäterInnen sind. Zu dieser Zeit die Anschläge vom 11.9. mit den
Anschlägen in Israel zu vergleichen, zeigt auf, dass die TäterInnen für
die antideutschen AutorInnen bereits feststanden. Hier ist eine weitere
Unstimmigkeit. Wie bereits ausgeführt, lässt die Tatsache, dass das WTC
zerstört wurde, die Möglichkeit zu, dass es sich um antisemitische
Anschläge handelt. Allerdings lässt sie nicht den Rückschluss zu, dass
es sich zwangsläufig (!) um antisemitische Anschläge handeln muss.
Dieser Rückschluss, der hier dennoch vorgenommen wird, ist explizit
antisemitisch, da die AutorInnen eine zwingende Verbindung zwischen dem
Welthandelszentrum und jüdischen Menschen herstellen. Diese Projektion,
die auch die antideutsche Bewegung als antisemitisch einstuft, machen
sich die AutorInnen dennoch zu eigen. Hierzu ist noch zu sagen, dass wir
uns durchaus vorstellen können, dass diese Projektion nicht gewollt ist.
Ein Grund mehr, nächstes Mal eine deutlichere Ausdrucksweise zu wählen,
um diesen Unstimmigkeiten vorzubeugen.
"7.) Was spricht prinzipiell dagegen, klerikalfaschistische Terrorregime
wie die Taliban zu beseitigen und damit den ihnen (noch) Unterworfenen
ein erträglicheres Leben zu ermöglichen und zudem die Gefährdung von
Juden im Nahen Osten durch den Islamismus zu mindern?
Wäre im gegenwärtigen Konflikt die Verteidigung der westlichen
Zivilisation und des ihr immanenten Glücksversprechens von Emanzipation
und Wohlstand nicht die Vorraussetzung dafür, eben dieses in
kommunistischer Absicht gegen die kapitalistischen Verhältnisse selbst
zu wenden und damit auch ihre barbarische Kehrseite, den Antisemitismus
jedweder Provenienz, perspektivisch durch Revolution zu beseitigen?"
Zu 7.) Prinzipiell spricht nichts dagegen Regime zu beseitigen. Frage
ist nur, was bedeutet beseitigen, wer beseitigt, aus welchen Interessen
heraus wird wer beseitigt, wer bestimmt was Terrorregime sind und was
nicht und durch was soll explizit dieses überhaupt ersetzt werden? Aber
prinzipiell spricht da erst mal nichts gegen(...). Im Gegensatz dazu
spricht etwas dagegen Regime auf Menschen zu projizieren und diese zu
beseitigen.
Wenn USA und NATO ein Regime beseitigen wollen, so liegt dies weder
daran, dass sie Unterworfenen ein erträglicheres Leben ermöglichen
wollen, noch daran, dass sie die Gefährdung Israels durch AntisemitInnen
mindern wollen. Es geht hier um Interessen, die herzlich wenig mit
Menschlichkeit zu tun haben. Für uns stellt sich die Frage, ob die
Interessen und die Politik der westlichen Allianz nicht sogar die
Gefährdung Israels steigert.
Auch zu dem Zeitpunkt, an dem der Text geschrieben wurde, war bereits
klar, dass die Ankündigung der ?Beseitigung" des Talibanregimes einen
Krieg begründet. Bedeutet damit nicht die Frage, was gegen eine
?Beseitigung" spricht, eigentlich die Frage, was gegen einen Krieg
spricht? Es könnte so verstanden werden. Explizit wird hier nicht der
NATO-Krieg befürwortet, die Vorgehensweise der Kriegsherren wird aber
dennoch argumentativ unterstützt.
Gegen Krieg zu protestieren heißt nicht, sich mit einem Terrorregime zu
solidarisieren, sondern sogenannte "Kollateralschäden" (also die
Ermordung von Menschen) nicht hinzunehmen und sich mit den Menschen die
dort leben und selbst unter dem Regime leiden, zu solidarisieren. Gegen
den Krieg zu protestieren kann auch heißen, darauf aufmerksam zu machen,
wer von dem Krieg am stärksten betroffen ist. Die Beseitigung des
Talibanregimes durch (bisher) USamerikanische und britische Soldaten hat
nichts mit einer Revolution von unten zu tun sondern ist Durchsetzung
eigener Machtinteressen und der eigenen Weltanschauung.
Selbst wenn es etwas wie die "westlichen Zivilisation" (zivilisiert vs.
unzivilisiert? die eine ?westliche Zivilisation"?) geben würde, wäre
dieser Krieg nicht ihre Verteidigung, sondern das Aufzwingen der eigenen
Werte. Dies ist durch nichts gutzuheißen, selbst wenn es so wäre, dass
nur aus der sog. "westlichen Zivilisation" der Kommunismus hervorgehen
könnte. Diese Annahme zu wissen, wie andere Menschen leben müssen und
was das beste System für sie ist, ist sehr eurozentristisch. Mal
abgesehen davon, dass die in den westlichen Staaten verbreiteten Werte
nicht bessere Vorraussetzungen für eine emanzipatorische Revolution
bieten als irgendwelche anderen.
Fight power not people!
Himbeereis für alle!
S.P.U.N.K. - antifa aachen
P.S. An Teile der antideutschen Gruppen in NRW: Setzt doch bitte nicht
immer das Lesen der Bahamas voraus. Diese hat aus vielen Gründen (z.B.
Vergewaltiger/Sexismus-Debatte) ihre Relevanz für Linke/linksradikale
Diskurse verloren bzw. sich vollständig diskreditiert.
P.P.S. Unsere Kritik bezieht sich nicht nur auf dieses Papier, sondern
genauso auf die nachfolgenden Texte der UnterzeichnerInnen. Wir werden
uns weiterhin nicht mehr mit dieser Art der undifferenzierten Kritik
auseinandersetzen. Wir sehen hier eine deutliche Überschreitung der
Schmerzgrenze. Über eine Richtigstellung, auch bei den angesprochenen
Gruppen, würden wir uns freuen und halten sie für angebracht.
P.P.P.S. Zum Thema Auseinandersetzung mit Antisemitismus in der Linken
gibt es bereits gute Ansätze, die wir als sehr wichtig erachten und
unterstützen, eure Herangehensweise ist unserer Meinung
http://www.antifa-aachen.de
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