Berlin: 1. 12. Etwas besseres als die Nation... Aufruf
Etwas besseres als die Nation...
Gegen Faschismus und Krieg – Naziaufmarsch verhindern!
Am 28.11.2001 wird die überarbeitete Ausstellung
„Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht
1941-1945” in Berlin eröffnet. Gegen diese Ausstellung
wollen am 1. Dezember NPD und unabhängige
Kameradschaften mit über 3000 Nazis durch Berlin-Mitte
demonstrieren. Ihr Motto: „Unsere Väter waren keine
Mörder!”
Damit wollen sie an einen ihrer größten Erfolge der
letzten Jahre anknüpfen, bei dem es ihnen gelang, im
Bündnis mit Konservativen und Rechtsnationalen eine
vorläufige Schließung der Ausstellung zu bewirken.
Diese Demonstration reiht sich in ein
gesellschaftliches Klima ein, das sich durch ein neues
nationales Selbstbewusstsein und eine immer
unbefangenere Artikulation antisemitischer
Ressentiments in der Öffentlichkeit auszeichnet. In
beeindruckender Geschwindigkeit hat es Deutschland in
den letzten 10 Jahren geschafft, sich durch die
Integration der Vergangenheit der Grauen des Holocaust
zu entledigen, um nun als voll anerkannter
militärischer Bündnispartner seine Soldaten mit nach
Afghanistan zu schicken.
No Wehrmacht – no Holocaust
Bei ihrer erstmaligen Schau im Jahr 1997 hatte die
Wehrmachts-Ausstellung für Furore gesorgt. Mit der
Dekonstruktion des Mythos der sauberen Wehrmacht fiel
die bis dahin im gesellschaftlichen Konsens gültige
Trennung zwischen der „bösen” SS und den
Wehrmachtsoldaten, die sich als reine Befehlsträger an
den Verbrechen des Faschismus nicht schuldig gemacht
hätten.
Die Wehrmacht war neben der SS und dem SD das
ausführende Organ des einzigartigen
Vernichtungswillens des Nationalsozialismus, der in
der systematischen Ermordung der europäischen Juden
gipfelte und einen rassistisch strukturierten
Großwirtschafsraum Europa unter der Herrschaft
deutscher Kapitalisten und Herrenmenschen zum Ziel
hatte. Sie war in den Jahren 1933 - 1945 aktiv an den
Verbrechen des Faschismus beteiligt und führte
insbesondere im Osten einen Vernichtungskrieg, dem
allein in der Sowjetunion 22 Millionen Menschen zum
Opfer fielen. Während sie an den Fronten und in den
besetzten Gebieten wütete, rauchten in dem von ihr
gesicherten Hinterland die Schornsteine von Auschwitz.
Die Wehrmachts-Ausstellung löste mit der Benennung der
Verbrechen eine erregte Diskussion aus, in der sich
verschiedenste Facetten nationalistischen und
antisemitischen Denkens widerspiegelten. Die
Bandbreite reichte von der schlichten Leugnung der
Verbrechen der Wehrmacht bis zur Einordnung in ein
totalitäres Geschichtsbild, in dem die Wehrmacht mit
der Roten Armee gleichgesetzt wurde, was sich in der
Formel „Gegen Krieg und Gewaltherrschaft” verdichten
sollte.
Die Rezeption der Wehrmachtsausstellung
oder: Das neue Selbstbewusstsein
Die falsche Beschriftung einiger Fotographien der
Ausstellung wurde zum gefundenen Fressen ihrer Gegner,
ihre Glaubwürdigkeit insgesamt zu diskreditieren. Auf
der Bezichtigung der Lüge aufbauend mobilisierten in
München Neonazis und CDU/CSU – Kreise 5000 Anhänger zu
einer der größten Nazidemonstrationen der
Nachkriegsgeschichte. Die vorläufige Schließung und
Überarbeitung der Ausstellung wurde von konservativen
und faschistischen Kräften als Erfolg gefeiert. Was
als gesellschaftlicher Konflikt begonnen hatte,
wandelte sich mit der Schließung der Ausstellung als
Form eines Zugeständnisses in Versöhnung zwischen dem
alten und dem neuen Deutschland der rotgrünen
Regierungskoalition um.
In der politischen Rezeption der Ausstellung dienten
die Diskussionen um die Verbrechen der Wehrmacht der
Herausbildung eines neuen nationalen
Selbstverständnisses: Nichts eignete sich als
ideologische Neuorientierung besser als das Einbauen
der Anerkennung der historischen Schuld in das neue
Nationalbewußtsein.
Mit der Wiederaneignung und Neuformulierung der
Lehren, die aus dem Faschismus zu ziehen seien und der
Aneignung der politischen Macht durch die Vertreter
der 68iger Generation setzt sich eine neue Qualität
der Nivellierung seiner Verbrechen durch. Jung, stark
und reingewaschen kommt das neue Deutschland daher und
vereint in seinem neuen Selbstbewusstsein bislang
gegensätzliche politische Meinungen und Widersprüche:
Man darf wieder deutsch sein. „Das Deutschland, das
wir repräsentieren, wird unbefangen sein, in einem
guten Sinn vielleicht sogar deutscher sein”
(Schröder). Bedient wird in dieser Formulierung sowohl
die in Teilen der Gesellschaft durchaus authentische
emotionale Betroffenheit über die Verbrechen des
Faschismus und die gleichzeitige Sehnsucht nach
nationaler Identitätsstiftung; berechtigte Vorbehalte
anderer Länder deutschem Einfluß- und Machtstreben
gegenüber erfahren Beschwichtigung. Es gelang die
Wideraufnahme des geläuterten Deutschlands in die
Reihen der Großen und Mächtigen der internationalen
Gemeinschaft, um sich wie eh und je im Namen der
Zivilisation um die Sicherung und Ausdehnung der
eigenen nationalen Interessen zu kümmern.
Wie weit die Rückbesinnung auf die Nation sich mit
einer neuen Form antisemitischen Denkens verbunden
hat, zeigte die Walser –Debatte. In seiner Rede zur
Entgegennahme des Friedenspreises im Oktober 1998 ließ
er sich über Auschwitz „als jederzeit einsetzbares
Einschüchterungsmittel und Moralkeule” und einem
aggressiv vorgetragenen Wunsch nach nationaler
„Normalität” aus. Die anschließende Debatte geriet zu
einem Katalysator antisemitischer
Hemmschwellenüberscheitung, die den verlogenen
Betroffenheitsgestus der üblichen Gedenkansprachen
konterkarierte. Dies Verhältnis zeigt sich deutlich an
den nach wie vor in geringem Maß erfolgten
Entschädigung der ZwangsarbeiterInnen und Überlebenden
des Nationalsozialismus.
Aus der wiedergewonnen Normalität ließ sich leicht der
Ruf nach der Übernahme von mehr Verantwortung
ableiten, die scheinheilig als selbstlose
Verpflichtung aus dem gewachsenen Einfluß Deutschlands
dargestellt wird. So hat sich ein neuer nationaler
Konsens von Rotgrün bis ganz Rechts etabliert.
Deutschland und der Krieg
Deutschland wird wieder Krieg führen - und hat es
damit tatsächlich geschafft, sich der Grauen seiner
Geschichte zu entledigen. Im Golf- und mehr noch im
Kosovokrieg befand sich die deutsche Position noch in
der Testphase - es wurde austariert, wie weit dem
neuen Image der „erwachsenen Nation” (Schröder) als
tonangebende Macht im vereinten Europa Glaubwürdigkeit
entgegengebracht wurde. Und es wurde. Die Gewährung
militärischer Beteiligung Deutschlands im Rahmen der
WEU ist einzureihen in die seit Anfang der 90iger
Jahre forcierten Bemühungen, seine Vormachtstellung in
Europa nicht nur ökonomisch, sondern deutsche
Interessen in der gesamten Welt auch militärisch
durchzusetzen.
Seit den Anschlägen auf das World Trade Centre am 11.
September findet eine abermalige Verdichtung der
bewährten Linie statt, im Namen von Frieden,
Gerechtigkeit und Freiheit Zivilisation in der
„vormodernen” Welt militärisch durchzusetzen. Die
totalitaristische Losung „Gegen Krieg und
Gewaltherrschaft” findet nun im Kampf gegen den
„Terrorismus” ihre Entsprechung, worunter sich
sämtliche Gefahrenpotentiale für die kapitalistische
Ordnung subsumieren lassen.
Auf der Welle der gesellschaftlichen Empörung und
Angst schwimmend, die die Anschläge in der westlichen
Welt ausgelöst haben, nutzen Politiker aller Couleur
die Situation, um die Militarisierung der eigenen
nationalen Interessen voranzutreiben. Nun kann sich
das souveräne Deutschland als der rettende Helfer des
in Not geratenen großen amerikanischen Bruders
präsentieren und damit Gleichwertigkeit markieren -
und als Beweis der „uneingeschränkten Solidarität”
(Schröder) seine Soldaten und militärisches Know-how
in fremde Länder schicken. Nachdem es am Anfang den
Anschein machte, als würde die lange erprobte
anglo-amerikanische Waffenbrüderschaft im Alleingang
ihren Krieg führen und Deutschland sich mit einer
Vermittlerrolle in der schwierigen Allianz der
„zivilisierten” Staaten begnügen müssen, so findet in
dem Aufdrängen deutscher Beteiligung die Zuspitzung
militärischer Außeneinsätze der Bundeswehr der letzten
10 Jahre statt. Das langsame Heranpirschen über
„humanitäre Friedenseinsätze” hatte sich gelohnt.
Seinen Sieg hat Deutschland mit der Kriegsbeteiligung
errungen: Im europäischen Formierungsprozess bedeutet
die Anerkennung und Durchsetzung der eigenen
militärischen Macht den letzten Schritt zur nationalen
Souveränität und unbestrittenen Ausbau seines
Führungsanspruches.
Wenn sich nun die Nazis auch gegen den Krieg in
Afghanistan wenden, so geschieht dies aus ihren
völkisch-nationalitischen Denkmustern heraus, in denen
zum einen der Opfermythos der Deutschen in der Parole
„Kein deutsches Blut für fremde Interessen”
hochstilisiert, zum anderen in der antisemitischen
Haltung islamistischer Fanatiker eine
Gesinnungsgemeinschaft festgestellt wird. Hier reiht
sich ihre Hetze gegen den Inhalt der
Wehrmachtsausstellung ein Und den gilt es, unabhängig
von seinen politischen Rahmenbedingungen, gegen
Angriffe und Verleug- nungen von Rechts zu
verteidigen.
Deutsche Täter sind keine Opfer und werden es auch nie
sein!
Gegen die “Entsorgung der Geschichte”!
Gegen Faschismus und Krieg!
Etwas besseres als die Nation...
Kein Naziaufmarsch am 1. Dezember
Kundgebung: Ab 10.30 Uhr Hackescher Markt
Anschließend: Demonstration zum S-Bhf Friedrichstraße
& Naziaufmarsch verhindern
Da mit Auflagen oder Verlegungen der Routen gerechnet
werden muß: Beachtet aktuelle Ankündigungen!
Antifaschistische Aktion Berlin
Aktuelle Infos: http://www.antifa.de
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