Türkei: Wir haben gesehen...
IKM
Izolasyon Iskencesine Karsi Mücadele Komitesi
Komitee gegen Isolationshaft
Comitee for Struggle against Torture through Isolation
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Hamburg, 20.11.01
DIE JENIGEN, DIE DAS MASSAKER UND DEN WIDERSTAND ERLEBT
HABEN ERZÄHLEN:
"Wir haben gesehen, wie unsere Freunde verbrannt wurden."
Ihre Vorgesetzter schoss am meisten. Sie schossen auf bestimmte
Personen, besonders auf Sultan. Sie jedoch ging zur Tür. "Es soll geschehen,
was geschehen soll." sagte sie. Sie stand an der Tür. Sie sagte: "Ich werde
sie nicht hereinlassen." Sie rief: "Beschützt unsere Widerstandskämpfer!"
Auch sie tat diese Aufgabe. Die da draußen riefen unter Gelächter "Kommt,
kommt doch her und holt euch eure Genossen"
Ich habe Haydar gesehen. Er befand sich mitten in Flammen. Dann gingen
die Flammen aus. Als ein Polizist einen Molotowcocktail auf ihn warf, entflammte
er wieder... Ich habe Baris gesehen, er lief auf den Panzer zu.
An dem Moment sah ich wie Bülent und Baris auf den Boden fielen. Wir
gingen um Baris zu holen. Lächelnd sagten wir ihm "Steh, stehe doch bitte
auf, der Widerstand geht weiter." Wir konnten ihn nicht auf die Beine bringen,
denn wir merkten, dass er an seinem Rücken und Magen schwer verletzt war.
Die folgenden Erzählungen gehören denjenigen, die in Armutlu das Massaker
erlebt haben. Manche waren Augenzeugen, manche nahmen an dem Widerstand
teil. Ihre Namen sind uns bekannt.
Augenzeuge Nr. 1: Ein Freund kam laufend her. Er sagte, der Panzer
ist gekommen, er fuhr hinter uns her. Als wir in Richtung des Hauses liefen,
verfuhr er sich in ein großes Loch auf der Straße, währenddessen die Freunde
Steine auf ihn warfen. An diesem Moment wurden mehrere Gasbomben auf uns
zugeworfen. Wir konnten nicht mehr sehen. Dabei wurde Baris ohnmächtig
und fiel auf den Boden. Er wurde aufgehoben. Nochmals warfen sie Gasbomben
und
feuerten dazu mit ihren Waffen. Es hagelte überall Bleikugeln und die
Gruppe ging auseinander. Dann sah ich Haydar. Er befand sich mitten in
Flammen. Dann gingen die Flammen aus. Als ein Polizist auf sein Kopf einen
Molotowcocktail warf, ging er wieder in Flammen auf. An diesem Moment fiel
ich ohnmächtig auf den Boden und kann mich an das weitere nicht mehr
erinnern.
Augenzeuge Nr.2: Wir befanden uns an der Barrikade. Es wurde
gesagt, dass die Panzer kommen. Als wir in der Richtung hinguckten, sahen
wir drei Panzer auf uns zufuhren. Wir fingen an um die Widerstandshäuser
zusätzliche Barrikaden zu errichten. Sie warfen Gasbomben und uns unbekannte
Bomben auf uns zu. An diesem Moment trat Haydar vor und sagte, dass er
sich opfern
wird. Die Zahl der Polizisten nahm zu. Alle waren Scharfschützen. Als
Haydar sich opferte, lief er auf die Polizisten zu. Sie schlugen ihn mit
den Ziegelsteinen aufs Kopf und traten ihn mit ihren Füßen. Wir liefen
auf sie zu und die Polizisten flohen. Dann warfen sie einen Molotowcocktail
auf
unseren Widerstandskämpfer zu. Der Molotowcocktail platzte aus und
Haydar ging wieder in Flammen auf. Eine Gasbombe wirkte auf mich ein. Als
ich meine Augen aufmachte, sah ich Sultan Yildiz auf dem Boden liegen.
Das letzte Wort von Baris Kas war: "Falls ein Angriff auf die Häuser gestartet
wird, werde ich es nicht zulassen. Ich werde meinen Körper zu einer Barrikade
vor ihnen
verwandeln." Wir zogen uns in das Widerstandshaus der Frauen zurück.
Der Widerstand ging dann dort weiter.
Augenzeuge Nr.3: ...Wir bewarfen sie mit den Steinen. Sultan
kam aus dem Widerstandshaus heraus. Baris befand sich auch dort. Baris
wurde durch die Gasbombe ohnmächtig und wir hoben ihn auf. Überall gab
es Rauch und so fingen sie an zu feuern. Haydar zündete sich an und lief
auf die Polizisten zu. Er sagte: "Ich opfere mein Leben für mein Volk und
meine Genossen! Es
lebe die völlig unabhängige Türkei!" und so lief er auf die Polizisten
los.
Als er bei ihnen ankam, wurde er von ihnen auf den Boden geschleudert
und getreten. Dann liefen sie von ihm weg und einer der Polizisten schleuderte
an diesem Moment einen Molotowcocktail auf ihn zu und traf ihn am Kopf.
Haydar stand wieder auf den Beinen und ging einpaar Schritte in ihrer Richtung
mit dem Siegeszeichen mit der Hand. Dann fiel er wiederum auf den Boden.
An diesem Moment fingen die Polizisten an auf ihn zu schießen. Bei diesen
Schüssen fiel auch ein Freund an der Barrikade auf den Boden. Als ein anderer
Freund diesen zu holen versucht, bekam auch dieser eine Wunde an den Kopf.
Ich sah Sultan zum Widerstandshaus gehen. Da blickte ich kurz woanders
hin und dann sah sie auf dem Boden liegen. Ich sah auch Baris, wie er auf
den Panzer loslief...
Augenzeuge Nr.4: Wir zogen uns zu den Widerstandshäusern zurück
zum Zwecke der Verteidigung. Dann sahen wir die Spezialeinheiten , Sondertruppen
und Polizisten vor dem Haus mit ihren Waffen und Bomben. Wir warfen Steine
auf sie. Sie feuerten mit Bleikugeln zurück. In diesem Moment sahen wir
einen Freund auf den Boden fallen. Wir wurden zorniger. Da reagierte Haydar
und führte seine Veropferungsaktion durch. Sie schossen massiv. Sie warfen
Gasbomben auf uns. Sultan stärkte unsere Moral. "Habt keine Angst!",
"Zögert nicht!" An diesem Moment stand sie unter massiver Gasbombenwirkung.
Aber sie stand entschlossen vor der Tür und rief uns zu: " Ich werde sie
nicht hereinlassen. Wir sind entschlossen. Schon unsere Haltung reicht
aus." An diesem Moment sah ich Bülent und Baris auf den Boden fallen.
Wir gingen um
Baris zu holen. Lächelnd sagten wir ihm: "Steh, stehe doch bitte auf,
der Widerstand geht weiter." Wir konnten ihn nicht aufheben, denn er hatte
an seinem Rücken und an seinem Magen schwere Verletzungen. Sie kamen näher.
Zuletzt sah ich noch Sultan vor der Tür stehen. Ich bekam eine Schusswunde
während ich Baris hoch hieb. Wir konnten nicht alle mitnehmen. Wir haben
gesehen, wie die Spezialeinheiten unsere Freunde mit den Gasflaschen
verbrannt haben. Sie versuchten dort durch die Glasscheiben das Dach aufzureißen.
Sie zerschlugen die Fensterscheiben und riefen uns unter Gelächter zu:
"Kommt, kommt doch her und holt euch eure Genossen." Dann fingen sie an
Salvenschüsse abzufeuern. Wir erwiderten mit Steinwürfen. Durch das Fenster
schossen sie mit einem rohrförmigen Gebilde. Damit warfen sie etwas Feuerball
ähnliches auf unsere Widerstandskämpfer. Sie zielten auf Sultan. Ja, sie
feuerten gezielt auf sie. Wir befanden uns unter enormer Gaseinwirkung,
welches unser Inneres zum einengen brachte, als ob unser
ganzer Körper aufplatzen würde. Unter Gelächter schossen sie aus dem
Zimmerfenster von Arzu herein. Sie hatten das Haus umzingelt und ließen
keine Medien in die Nähe kommen. Sie machten selbst Kameraaufnahmen. Ich
habe gesehen, wie sie mit ihren Füßen auf Baris trampelten. Besonders ihr
Vorgesetzter schoss massiv. Er schoss auf bestimmte Personen, als ob er
es vorher geplant hätte. Besonders auf Sultan. Sultan ging zur Tür und
sagte: "Es solle geschehen, was
geschehen soll." Dann rief sie: " Beschützt unsere Widerstandskämpfer!"
Auch sie tat dies. Baris sagte: " Wir leisten hier Widerstand und
werden es bis zum Schluss leisten. Notfalls werde ich meinen Körper vor
den Panzern zur Barrikade verwandeln." Dann sah ich Haydar. Er
stand in Flammen. Er machte Siegeszeichen mit der Hand. Er rief die Parole
"Tod oder Sieg" Sie schossen und warfen einen Molotowcocktail auf ihn.
Ich sah Bülent zusammengekrümmt am Husten. Ich rief
zu ihm "zieh dich zurück!" Sultan war vor der Tür. Wir haben versucht,
sie zu holen. Als wir uns nach unten zurückzogen, waren Sultan, Bülent
und einpaar Freunde dabei. Dort gab es sehr konzentrierten Gasrauch. Die
gasmaskierten Einheiten häuften sich dort. Sie ließen uns und konzentrierten
sich auf die Tür, soweit wir von dieser Entfernung beobachten konnten...
Die
Panzer richteten sich auf die Häuser, dahinter die Spezialeinheiten,
die Sondertruppen dann die offiziellen Polizisten und dahinter die Feuerwehr.
Auch die Feuerwehrmänner warfen Steine auf uns. Es gab auch welche in Ärztekleidung,
die Steine auf uns warfen.
Die Widerstandskämpfer erklären:
Hüseyin Akpinar: Vier unserer Freunde sind gefallen, wurden
ermordet. Manche unserer Freunde sind schwer verletzt davon gekommen. Während
der Operation befanden wir uns in diesem Haus. Wir konnten aufgrund der
Position unseres Hauses nichts sehen. Sie waren wieder mal gekommen "um
Leben zu retten". Wir kennen ihre Lebensrettung vom 19. Dezember her. Wir
kennen sie sehr gut an unseren abgerissenen Händen, Beinen, ermordeten
Genossen. Das ist die Realität dieses Staates. Sie haben viele Lügen und
Intrigen u.ä. Alles was sie sagen ist eine Lüge. Ich wende mich nicht mehr
an diejenigen, die nichts gesehen und gehört haben wollen, denn jeder hat
unseren Widerstand gesehen und gehört. Jeder soll jetzt endlich hinsehen
und hinhören. Wir werden bis
zum Sieg Widerstand leisten.
Özkan Güzel: Das erste Haus, das sie angriffen war Senay´s Haus.
Dort befanden sich fünf unserer Widerstandsgenossen. Sie bombten, schossen,
brannten nieder und zerstörten alles. Auch am 19. Dezember haben wir dieses
erlebt. Auch dort sagten sie, sie kämen ums Leben zu retten. Dieser
Widerstand wurde nirgends wo auf der ganzen Welt und nirgends wann
in der Geschichte so erlebt. Und wir wissen, sind fest davon überzeugt,
dass dieser Widerstand auf jeden Fall mit dem Sieg enden wird. Sie mögen
so viele Morde, Massaker, Operationen machen, alles verdrehen und lügen
wie sie wollen, und gleich wie lange es andauern wird, werden wir diesen
Widerstand auf jeden
Fall mit dem Sieg krönen.
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