Deutsche Opferlogik in Dresden -
Volkstrauertag mit Neo-Nazis am 13. Februar
Alljährlich legen
Rechtsextremisten am Vormittag des 13. Februar auf dem Dresdner Heidefriedhof
ihre Kränze nieder. Jahr für Jahr marschieren dann abends Jung- und Alt-Nazis
mit wachsender Teilnehmerzahl durch die sächsische Landeshauptstadt. Das
bürgerliche Dresden hat damit keine Probleme. Trauern doch alle gemeinsam,
Neo-Nazis und Dresdendeutsche, um die am 13. Februar 1945 durch die Alliierten
im Kampf gegen Nazi-Deutschland bombardierte Stadt. Kein Wort von
Nazi-Verbrechen trübt die Stimmung, hier sind alle nur Opfer. Der 13. Februar
wird seit Jahren in Dresden mehr und mehr zum gemeinsamen Volkstrauertag von
Bürgern und neuen Tätern, eine Inkarnation grotesk nationalen Opfertums.
Für 2002 hat wiederum
die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen" den braunen Marsch - mit
anschließender Kranzniederlegung und Mahnwache am Denkmal der Trümmerfrau vorm
Rathaus - von 18.30 Uhr bis 21.30 Uhr angemeldet. Treffpunkt für die Jung- und
Alt-Nazis ist am 13. Februar hinter der Semperoper. Mobilisiert wird für diesen
Nazi-Marsch im wohl bisher größten Stil. Zu erwarten sind zirka 1.000
Teilnehmer der braun-obskuren Veranstaltung, teilweise vermischt mit trauernden
Dresdendeutschen. Nur die deutschnationale Trauer zählt an diesem Abend, nur
die Trauer um die eigene Opferrolle. Wer für diese Trauer voranschreitet, ist
in Dresden schon wieder egal.
Alle Fraktionen des
Stadtrates schweigen ebenso zum Nazi-Aufmarsch am 13. Februar wie
Oberbürgermeister Roßberg. Ein Oberbürgermeister, der noch in seinem Wahlkampf
offensiv gegen Rechtsextremismus auftreten wollte. Ein Stadtrat, der einen
zweiseitigen Bericht über rechtsextremistische Aktivitäten in den Jahren nach
1989 in Dresden als hinreichendes Alibi betrachtet - und entsprechend
nichtcouragiert handelt. Allein im Jahr 2000 gab es in Dresden zehn
Neonazi-Demonstrationen. In dieser Stadt fände ein Fraktionsantrag für eine
Gedenkstunde zum 13. Februar im Stadtrat unter Gastteilnahme der "Jungen
Landsmannschaft Ostpreußen" oder der NPD beziehungsweise Freier
Nationalisten eine ebenso dumpfe Aufmerksamkeit wie der jährliche Aufmarsch von
rund 1.000 Neo-Nazis.
Es ist nur eine Frage
der Zeit, bis in Dresden offizielle, bürgerliche und nationalsozialistische
Veranstaltungen am 13. Februar ineinander aufgehen werden, Abgrenzungen sind schon
jetzt kaum noch zu erkennen.
Damit die Stadt einer
Auseinandersetzung aus dem Weg gehen kann, hat sie auch 2002 eine bezeichnende
Allgemeinverfügung zum "Schutz für Gedenkveranstaltungen am 13.
Februar" erlassen. Darin wird trotz der inhaltlichen Ähnlichkeit zur
Neo-Nazi-Gedenk-Argumentation eine Pseudo-Distanz und damit eine vorgegaukelte
Ablehnung der Nazis erreicht. Zumindest verkauft die Stadt es so in der
Öffentlichkeit.
Die Allgemeinverfügung liest sich dann auch wie aus der Feder eines der Anmelder
geflossen. Allerdings fehlt - noch - die Übernahme derer Forderung, den 13.
Februar zum Nationalen Gedenktag zu erheben. Dafür schützt ja die Stadt seit
Jahren den Neo-Nazi-Umzug und schweigt dazu. Auch die Gleichsetzung der
Bombardierung Dresdens mit dem Holocaust durch die aufmarschierenden
Rechtsextremisten macht niemanden in Dresden betroffen. Warum auch?
Offizielle - vor allem
kirchliche und linke Gruppen - sprechen stets davon, dass die Bombardierung
Dresdens der Sturm war, der auf Deutschland zurückkam. Schlussendlich heißt
diese Argumentation nichts anderes, der Vernichtungskrieg, den die Wehrmacht im
Osten führte, sei als weitaus heftigerer Vernichtungskrieg der Alliierten auf
Nazi-Deutschland zurück gekommen. Der Unterschied in der Argumentation zu den
Neo-Nazis ist in diesem Fall sprachlicher Natur - sie nennen es
Bombenholocaust. Die Allgemeinverfügung der Stadt spricht vom
"Bombenterror des 13.und 14. Februar 1945". Alle wollen hier nur
Opfer sein.
Die Stadt führt in
ihrer Verbotsverfügung des weiteren an: "Ein besonders hohes Maß an
Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit für die Gedenkveranstaltung ergibt
sich daraus, dass deren Charakter des stillen Gedenkens bereits durch verbale
Auseinandersetzungen empfindlich gestört würde." Das heißt letztendlich
nichts anderes, dass Widerspruch nicht erlaubt ist und dafür das Recht der
Meinungsäußerung mit einem Maulkorb außer Kraft gesetzt wird.
Der
Neo-Nazi-Gedenkauftakt zum 13. Februar 2002 fand am 9. Februar im Dresdner Club
'Müllerbrunnen' statt. Dort versammelten sich zirka 70 Rechtsextremisten,
darunter bekannte Neo-Nazi-Kader. Der Club Müllerbrunnen wird übrigens von der
Stadt Dresden finanziell nicht unerheblich unterstützt. In dieser Stadt ist es
nicht überraschend, dass sich Neo-Nazis, zumal mit ihrem vorgeblichen Gedenken
zum 13. Februar, problemlos in einem von der Stadt unterstützten Jugendclub
versammeln können. Alle sind hier nur Opfer.
Es
gibt keinen Frieden und keine Versöhnung mit dem Nationalsozialismus!
Deutsche Täter sind keine Opfer.
11. Februar 2002, ART
Dresden