Kongreß der Initiative
Sozialistisches Forum Freiburg
Antideutsche Wertarbeit
Der Wert
Das Kapital
Die Kritik
29. - 31.3 2002 in Freiburg
Einladung
Das Ganze ist das Falsche ist: das ist mit Sicherheit nicht die Erkenntnis
der Saison. Daß es etwas gibt, das die vergesellschaftete Gattung im Innersten
ihrer Verkehrung zusammenhält, ein synthetisches „Prinzip“, das den vollendeten
Antagonismus der kapitalisierten Gesellschaft nicht nur als Totalität und als
Einheit darstellt, sondern diese Einheit als objektiver Widersinn ist – dieser
Einsicht eignet in all ihrem Avantgardismus doch etwas Elementares, etwas
derart Schlichtes, daß es Linke gibt, die sich mit den Konsequenzen des Satzes
von der Totalität, die ganz falsch ist, so sehr langweilen, daß sie die Notwendigkeit
abtun, den Dogmatismus des Werts zu kritisieren. Antiautoritär und undogmatisch
sind sie – gegen die Kritik der politischen Ökonomie, gegen den, wie aus
postmodernen Cliquen verlautet, „negativistischen Ableitungsmarxismus der
Wertkritik, der das Erbe Marx’ und Adornos beansprucht“, ein Erbe, das ihrer
Meinung nach in den Eintopf aus Amüsement, Grauen & Co. gehört, den
Soziologie, Postmoderne und Kulturindustrie anrühren. Lieber vergnügt man sich
an der unendlichen Komplexität, delektiert sich an der bunten Vielfalt
gesellschaftlicher Strukturen, von denen für jedes akademische Projekt eine
Fußnote sich abschneiden läßt, statt mit mausgrauer Totalität und der ewigen
Wiederkehr des Immergleichen, des Kapitals, sich anzuöden. Und andere gibt es, sogar
Genossen darunter, die einerseits gut operaistisch und aller Erkenntnis zum
Hohn den Klassenkampf zum Prinzip erklären und daher Totalität höchstens dem
Namen nach, jedoch nicht als Kategorie wahrhaben wollen, und die andererseits,
aller Geschichte zum Spott, die mit Notwendigkeit antideutschen Konsequenzen
der materialistischen Kritik der politischen Ökonomie nicht ziehen wollen, sie
vielmehr als „neue deutsche Wertkritik“ belächeln. Ganz zu schweigen von der
neuesten deutschen Ideologie, die gerne als „kritische Kritik“ verhöhnte
materialistische nicht nur als ein von der Geschichte überholtes Relikt
abzutun, sondern sie als „ultradeutschen“ Standpunkt und gar „negativen
Nationalismus“ zu diffamieren, um so den „amerikanischen Kapitalismus“ als die
zu sich selbst gekommene, reine Form des Werts ob seiner immanenten
Selbstzerstörungsdynamik und Zusammenbruchslogik als Ursache allen Übels
bekämpfen zu können: unter Ausblendung auch nur der Denkmöglichkeit der
negativen, barbarischen Aufhebung des Kapitals. Die Lehre vom Klassenkampf wird
darin, affirmativ aufgefaßt, zur Rechtfertigung, zum Instrument der Abwehr, der
Verleugnung und Verdrängung, die die Volksgemeinschaft als ebenso
klassenübergreifendes wie die Klassen negativ aufhebendes Mordkollektiv hervorbrachte;
und die „Klassenlinke“, erpicht darauf, die revolutionäre Unschuld zu geben,
entwickelt sich zum linken Flügel der Nation.
Derlei Symptome zeigen, daß es den Marxisten der Gegenwart trotz allem darum
zu tun ist, eine blitzblanke Theorie ihr eigen zu nennen, eine Theorie, die
sich vom „wissenschaftlichen Sozialismus“ der sozialdemokratischen und
bolschewistischen Tradition gar nicht so sehr unterscheidet, eine Theorie,
deren immanente Logik wie geschaffen ist für die Bedürfnisse einer immer irgendwie
aufs Akademische schielenden linksdeutschen Intelligenz. „Theorie“ ist das
Mittel und der Vorwand, um Begriff und Sache der Kritik links liegen lassen zu
können. Daß der linke Zeitgeist in seiner Materialismusverachtung derart
zwischen puterstolz geltungssüchtiger Postmoderne, eitel militantem Operaismus
und politikantenhafter Krisentheorie oszilliert, bevor man, wie stets, in die
Spähren gehobener Ideologieproduktion sich verflüchtigt, zeigt an, daß der Rat
Bertolt Brechts, die Kommunisten, die auf alles immer nur die eine Antwort zu
geben wüßten, sollten endlich einmal einen Katalog offener Fragen aufstellen,
heute nur zur faulen Skepsis, zum Antidogmatismus als leerer Attitüde
ermuntert.
Gegen den linken Neoliberalismus in Wahrheitsfragen tut das Gegenteil not,
nämlich ein Katalog des nicht mehr Theoretisierbaren, des vielmehr definitiv
Kritikwürdigen. Die Marxisten haben die Welt nur verschieden interpretiert; es
kommt aber darauf an, sie zu kritisieren. Dazu will der Kongreß der ISF Antideutsche
Wertarbeit: Der Wert. Das Kapital. Die Kritik einen Beitrag leisten. Das
Ergebnis steht dabei von vorneherein fest, und Karl Marx hat es 1844
aufgeschrieben: „Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings! ... Mit ihnen im
Kampf ist die Kritik keine Leidenschaft des Kopfes, sie ist der Kopf der
Leidenschaft. Sie ist kein anatomisches Messer, sie ist eine Waffe. Ihr
Gegenstand ist der Feind, den sie nicht widerlegen, sondern vernichten
will.“
Programmübersicht
Freitag, 29. März
Theatersaal der Alten Universität,
Bertoldstr. 17
19 Uhr Eröffnungsveranstaltung: Begriff des Kapitals
Die Implikationen der marxschen Kritik der politischen Ökonomie
Podiumsdiskussion mit Michael Heinrich, Nadja Rakowitz (angefragt) und
Manfred Dahlmann
Moderation: Joachim Bruhn
Samstag, 30. März
Theatersaal der Alten Universität,
Bertoldstr. 17
10 Uhr: Begriff des Subjekts
Marx, Freud, Adorno und der Wert des Ich
Uli Krug
13 Uhr: „Logik des Antisemitismus“
Die soziologische Reduktion des Wertbegriffs und ihre Folgen
Joachim Bruhn
16 Uhr: Begriff des Faschismus
Marx und die negative Aufhebung des Kapitals
Clemens Nachtmann
19 Uhr: Deutschland und das Kapital
Kann es einen Materialismus geben, der nicht antideutsch ist?
Streitgespräch zwischen Ulrich Enderwitz und Gerhard Scheit
Moderation: N.N.
Sonntag, 31. März
KTS, Basler Landstr. 103
11 Uhr: Begriff der Kritik (1)
Karl Marx und die gesellschaftliche Reflexion der Hegelschen
Systemphilosophie
Iris Harnischmacher
14 Uhr: Begriff der Kritik (2)
Horkheimer, Adorno und die gesellschaftliche Reflexion der Marxschen
Ökonomiekritik
Hans-Georg Backhaus
17 Uhr: Der Wert und die Ideale
(Un-)Moralische Perspektiven
Manfred Dahlmann
19.30 Uhr: Abschlußveranstaltung ( Begriff des Kommunismus
Notwendigkeiten der staaten- und klassenlosen Weltgesellschaft nach dem 11.
September
Podiumsdiskussion mit Horst Pankow, Stephan Grigat (angefragt) und Joachim
Bruhn
Moderation: Felix Kurz
22 Uhr: Party
Das Konzept
Materialismus
Von der Initiative Sozialistisches
Forum Freiburg
„Statt unnütze Systeme für das Wohl der
Völker aufzustellen,
will ich mich darauf beschränken, die Gründe ihres Unglücks zu untersuchen.“
Giammaria Ortes, Della Economia Nazionale (1774),
zitiert nach Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie (1867)
„Hier handelt es sich nicht mehr um ein
Problem, das es zu lösen gilt,
hier handelt es sich ganz einfach um einen Feind, der geschlagen werden muß.“
Karl Marx an Vera Sassulitsch (1881)
Wunder gibt es immer wieder. Im Falle des Kapitalismus ereignen sie sich
täglich und stündlich. Das Kapital selbst ist ein einziges blaues Wunder und
ein böses Rätsel: das sich selbst verschleiernde Geheimnis der in sich
verkehrten Gesellschaft. Der allseitige Zusammenhang von nichts als freien
Willen, von nichts als Subjekten, stellt zugleich sich dar als totale
Vergesellschaftung nach Maßgabe der Akkumulation des Kapitals. Diese Totalität
bestimmt sich in allen ihren Elementen so, „als ob“ das Ganze diktatorisch
seinen Teilen vorgeordnet wäre; und doch verhält es sich so, daß es aus weiter
nichts besteht denn aus eben diesen Teilen. Das Ganze ist die Summe seiner
Elemente, die es ins Integral seiner Autonomie überschreitet. Das Erstaunliche
daran, das zutiefst Befremdliche, ist nicht, wie dies Ganze, das das bestimmt
Falsche ist, funktioniert, sondern warum es überhaupt zu funktionieren vermag.
Denn daß der Kapitalismus überhaupt funktioniert, daß die Ausbeutung des
Menschen durch den Menschen und daß die Herrschaft des Menschen über den Menschen
als nichts denn Anthropologie erscheint, daß, wie die Akkumulation des
Kapitals, so die Zentralisation der Souveränität mit der unerbittlichen
Präzision eines Automaten voranschreitet, daß die Einheit der falschen
Gesellschaft durch die Krisen der Verwertung und der sozialen Integration und
daß ihre fatale Synthesis durch die permanente Produktion des
gesellschaftlichen Elends nicht nur keineswegs von Grund auf erschüttert,
sondern, ganz im Gegenteil, durch diese Krisen hindurch ständig aufs Neue an Schwung
und Durchschlagskraft gewinnt, daß schließlich keine historische Erfahrung,
schon gar nicht die des Nazifaschismus, denkbar ist, die dieses zum autonomen
System wie zum autarken Subjekt formierte Kapital nur irgend in Verlegenheit
stürzen würde – darin besteht das ganze Rätsel dieser widersinnigen
Produktionsweise, ihr Geheimnis und ihr ans Okkulte grenzende Mysterium. Kein
Wunder daher, daß es Ökonomen gibt, die sich diese gesellschaftliche
Veranstaltung nur als Ergebnis der mildtätigen Intervention übersinnlicher
Kräfte denken können, heißen sie nun „unsichtbare Hand“ oder Gleichgewicht von
Angebot und Nachfrage, kein Wunder auch, daß es Soziologen gibt, die sich ihren
Begriff mühsam aus Arbeit und Interaktion zusammenklauben müssen, kein Wunder
schließlich, daß der sogenannte „Marxismus“ aller Schattierungen und Fraktionen
nichts ist als der potenzierte Abhub von Ökonomie und Soziologie: kritisch
auftrumpfende Affirmation. Im „Marxismus“ hat das bedingungslose Bedürfnis nach
Theorie über den materialistischen Begriff gesiegt, den die zu begreifende
Sache von sich selber zu haben hätte: den des objektiven Widersinns, dessen
theoretischer Begriff einzig in seiner praktischen Abschaffung besteht. Denn
die Einheit dieser sinnlich-übersinnlichen Produktionsweise gründet auf
Atomisierung, die gesellschaftliche Synthesis, die sie schafft, fußt auf
begriffsloser Vielheit, die totalitäre Zusammenfassung des Besonderen zu einem
alles andere als abstrakt Allgemeinen speist sich aus dem gesellschaftlichen
Charakter des Besonderen selbst. Das böse Wunder der kapitalistischen
Produktionsweise, das Rätsel, das es macht, daß die Produktion des Kapitals mit
der Reproduktion des kapitalistischen Produktionsverhältnisses (wie vermittelt
auch immer, so doch jedenfalls) identisch ist, das Geheimnis, daß kein
Widerspruch zum Antagonismus sich steigern kann, sondern auf einfachen
Gegensatz reduziert wird – darin besteht der Gegenstand der von Karl Marx,
Alfred Sohn-Rethel, Theodor W. Adorno u.a. formulierten materialistischen Idee
der
Kritik der politischen Ökonomie.
Denn Ausbeutung und Herrschaft hatte es immer schon gegeben. Aber niemals
war eine Organisation der Gesellschaft auch nur für denkbar gehalten worden,
wie sie dann mit der bürgerlichen Revolution und der Installation des Kapitals
als des A und ( des Ganzen in die Welt kam. Die Kapitalisierung der
Gesellschaft wurde machbar, weil sie undenkbar war. Sie wurde Praxis, weil sie
im Jenseits von Theorie und Philosophie lag. Sie wurde zum Alltag, weil sie
dies Jenseits brachte, gerade weil ihr die Transsubstantiation der nützlichen
Dinge in Ware & Geld & Kapital so mühelos gelang wie noch nie einer
Religion die Verwandlung des Weins in das Blut Christi: Eine Gesellschaft, die
sinnliche, nützliche Dinge in Geld und damit abstrakten Reichtum so verwandeln
kann wie nur Jesus das Wasser in den Wein, eine Gesellschaft, die zwar verkehrt
ist und so falsch wie alle ihre Vorläufer, deren synthetisches Prinzip sich
jedoch durch diese Verkehrung hindurch auf sich selbst bezieht, eine
Gesellschaft, die zwar so unwahr und falsch war wie die Geschichte, aus der sie
entband, deren Falschheit jedoch als die dogmatisch geltende Wahrheit ihrer
selbst autoritär sich bezeugt – eine Gesellschaft mithin, die es irgendwie
fertig bringt, ihre logische Unmöglichkeit als historisch praktische
Wirklichkeit zu setzen. Und als gesellschaftspraktische, alltägliche
Wirklichkeit nicht in einem spirituell verschwiemelten Sinne, wie es die Rede
vom „Prinzip“ nahelegt, sondern in der genauen Bedeutung, daß die unmittelbare
physische Selbsterhaltung des Individuums und die gesellschaftliche
Reproduktion des verkehrten Ganzen als Kapital unmittelbar und unvermittelt in
der dinglichen Realabstraktion des Geldes greifbar auf der Hand liegt. Im Geld
als der ersten, so sinnlich gegebenen wie unmittelbar erscheinenden Form des
Kapitals sahen Karl Marx & Genossen denn auch das aufzuklärende Geheimnis
der gesellschaftlichen Synthesis, das Realparadox also, das sie mit den Namen
Wert & Realabstraktion
belegten. Für Marx, Adorno & Genossen ist „Wert“ daher kein Begriff,
schon gar keiner im alltagsideologischen oder bürgerlich-wissenschaftlichen
Sinne des Wortes, kein Begriff, der ein Verhältnis zur unter ihm befaßten Sache
dergestalt unterhielte wie eine Schublade zu ihrem wie immer disparaten Inhalt.
„Wert“ ist vielmehr bestimmt als der Name eines Etwas, dessen gesellschaftlich
spezifische und dessen uneinholbar besondere Qualität in nichts anderem als
eben darin besteht, nicht denkbar zu sein, und das heißt: nicht an sich selbst
und also für andere nach den Maßgaben humaner Vernunft intelligibel zu sein,
daher ein selbstbezügliches Verhältnis absolutistischer Selbstbegründung und
Selbstsetzung zu sein. Das, was „Wert“ ist, besticht durch seine
Unableitbarkeit, besticht insbesondere durch seine Unableitbarkeit aus Arbeit.
(Der Wert ist nicht, wie die Marxismen glauben machen wollten, die entfremdete
Selbstdarstellung der Arbeit). Nicht intelligibel, nicht theoretisierbar und
also nur ideologisierbar ist der Wert, weil kein vernünftiger Grund – es sei
denn ein geschichtsphilosophischer: eben das ist dann „Marxismus“ als
Systemphilosophie – dafür angegeben werden kann, daß sich die menschliche
Gattung in den Selbstwiderspruch ihrer Spaltung in Herrscher und Beherrschte,
Ausbeuter und Ausgebeutete hat stürzen sollen, weil kein Satz der Vernunft
beigebracht werden kann, der die Spaltung der Menschheit in Individuen, die nur
phänomenal Mensch sind, und Subjekte, die es auch funktional sind, zu
rechtfertigen vermöchte, kein Satz, der, „marxistisch“ gesprochen, die Spaltung
in konkrete Zeit und „gesellschaftlich notwendige durchschnittliche
Arbeitszeit“ begreifbar machte. Nicht intelligibel, nicht theoretisierbar, also
nur ideologisierbar ist der Wert, weil er nichts anderes darstellt als die
logische Kategorie der Vermittlung in einem gesellschaftlichen Zustand des
totalen Antagonismus und der absoluten Vermittlungslosigkeit, eine Kategorie
der gesellschaftlichen Objektivität und damit eine gesellschaftlich objektive
Kategorie: Vermittlung als Ding, gesellschaftliche Synthesis als Sache,
paradoxale Einheit, die im Geld materialisiert und im Kapital zum Prozeß wird.
„Im geraden Gegensatz zur sinnlich groben Gegenständlichkeit der Warenkörper
geht kein Atom Naturstoff in ihre Wertgegenständlichkeit ein“, schreibt Marx im
Kapital, und nichts anderes meint die reine Gesellschaftlichkeit des Werts als
die bestimmte Qualität nützlicher Dinge, die im gesellschaftlichen Zustand der
Spaltung der Gattung erzeugt wurden und diese ihre Konstitution in Wert, Geld
und Kapital als ihr Kainsmal hervorkehren, daß sie, anders ausgedrückt, in
ihrer Materialität wie zur paradoxalen „Erscheinungsform von Schwere“ (Marx) so
zur konkreten Darstellung von Ausbeutung und Herrschaft werden. Daraus folgt,
daß „Wert“ allererst keine ökonomische Kategorie ist, daß der unter den
„Marxisten“ üblichen ökonomischen Reduktion des Wertbegriffs zu widersprechen
ist: „Wert“ bezeichnet das Etwas der Vermittlung durch die Spaltung hindurch,
das die Identität von Ausbeuten und Herrschen erst als die gleichursprünglichen
Dualismen von Wertform und Rechtsform, von Ökonomie und Politik, von Kapital
und Staat setzt. (Der „Überbau“ ist daher keine „Ableitung“ der „Basis“,
sondern Ausdruck der Verdoppelung des Werts in „Basis“ und „Überbau“).
„Gesellschaftlichkeit“ bedeutet dem Materialismus daher nicht, wie der
Soziologie, einen leeren Relationsbegriff, sondern meint die bestimmte Qualität
von Gesellschaft, d. h. ein kategorisches Urteil. Der Charakter der Begriffe,
in denen dies Urteil sich expliziert, verweist darauf, daß die
gesellschaftliche Abstraktion vom Konkreten eine Qualität des Konkreten selber
ist, daß also der „Gebrauchswert“ im „Tauschwert“ nur die ausbeuterische und
herrschaftliche Qualität seiner eigenen Produktion sich selbstnegatorisch als
Quantität entgegenstellt. Weil das Wesen dieser Gesellschaft das Unwesen ist,
weil die erste Bestimmung dieses Unwesens darin besteht, erscheinen zu müssen,
weil diese Erscheinungsform nur so beschaffen sein kann, daß die Qualität des
Unwesens zur Quantität einer unwesentlichen Sache sich verkehrt, weil also das
Herrschen und das Ausbeuten nur in den Formen von Recht und Geld, von
Souveränität und Kapital als das Gegenteil, und genauer: als die Aufhebung
seiner selbst erscheinen kann, darum ist der „Wert“ erst im Zusammenhang von
Realabstraktion in seiner gesellschaftlichen Bestimmtheit gefaßt. Darstellung
also der bestimmten Qualität von Gesellschaft, in der produziert wird, als
dingliche, als quantifizierte und also quantitative Eigenschaft der Produkte
selbst: Dies „Unausdenkliche“ des Werts ist, als eine reale, sich aus sich
selbst konkretisierende Abstraktion, das gesellschaftlich Herrschende und
dogmatisch Wirksame: das synthetische Prinzip. Derart bestimmt sich der
Gegenstand der materialistischen Kritik der politischen Ökonomie selbst – daß
sie etwas zu denken hat im genauen Bewußtsein dessen, daß sie es unmöglich
wirklich wird denken können. So wiederholt sich das Realparadox der totalen
Vergesellschaftung im Denken. Und so führt es das Denken auf das Dilemma, mit
dem Begriff, der doch das unausweichliche Gesetz des Denkens ist, gegen den
Begriff andenken zu müssen, weil die Sache des Begriffs und der Begriff der
Sache heillos auseinandergetreten sind. Karl Marx und Genossen erkennen, daß,
die Sache unter den Begriff zu zwingen, auf nichts anderes hinausläuft als den
Begriff der Sache zu ideologisieren, darauf eben, die Vernunft des Denkens in
die an sich unvernünftige Sache hinein zu setzen, das heißt nichts anderes, als
die Sache, im genauen psychoanalytischen Sinne, zu rationalisieren. Denn,
logisch betrachtet, ist der Kapitalismus
eine ganz unmögliche Produktionsweise.
Als gesellschaftspraktisches Paradox, und das heißt: als objektiver
Widersinn, widersetzt sich das Kapitalverhältnis allen Mühen des menschlichen
Erkenntnisvermögens, es unter die Bestimmung der Vernunft zu setzten: Nicht
nur, daß nicht einzusehen ist, warum die sinnlich so verschiedenen und
unvergleichlichen Dinge des Lebens überhaupt unter den gesellschaftlich einheitlichen
Charakter der Ware gezwungen werden können, nicht nur, daß zudem nicht zu
verstehen ist, daß dieser ihr eigener gesellschaftlicher Charakter zur Sache
wird und in der dinglichen Gestalt des Geldes ihnen direkt sich konfrontiert,
nicht nur, daß schließlich nicht zu begreifen ist, warum diese dingliche
Gestalt den nützlichen Dingen keineswegs gewalttätig und als von außen
zugefügte Entfremdung entgegentritt, sondern ihnen vielmehr selbst als die
Bedingung der Möglichkeit ihrer eigenen Existenz als eben sinnlicher Dinge so
nachhaltig innewohnt, daß sie diese in ihrer dinglichen Natürlichkeit
nachgerade konstituiert – nein: nicht allein, daß die Abstraktion von den
Dingen selbst als sinnliches Ding, als Geld, und damit als gesellschaftliche,
als Realabstraktion auftritt, nicht allein, daß überdies diese Abstraktion
darin ihr eigenes Leben hat, daß sie sich durch die zu Gebrauchswerten
geformten Dinge hindurch immer nur auf sich selbst bezieht, nein: als genügte
all dies noch nicht, um den Kapitalismus als eine logisch unmögliche, praktisch
jedoch wirkliche Organisationsweise menschlicher Produktion und Reproduktion
dem Erkenntnisvermögen definitiv zu entziehen, setzt sich diese Realabstraktion
derart in einen autistischen Bezug zu sich selbst, daß sie darüber – als
Kapital – autark und, wie Karl Marx 1867 stöhnte, als
„automatisches, in sich selbst prozessierendes Subjekt “
von ihren historischen Voraussetzungen sich emanzipiert. Die zum Kapital
formierte Gesellschaft hat das Wirklichkeit werden lassen, was die
vorbürgerlichen Jahrhunderte unter dem Namen „Gott“ vergeblich einer Ableitung
durch Vernunft hatten unterwerfen wollen – mit dem Unterschied allerdings, daß
„das höchste Wesen“ als Inbegriff des Unwesens sich zeigt. Es ist diese
„Struktur“, die aber keine Struktur ist, sondern „Abstraktion in actu“, d. h.
der dynamische Selbstbezug der realen Abstraktion, die der Materialismus von
Karl Marx mit den Namen Wert und Kapital belegte, das heißt ein zum Ding
inkarniertes gesellschaftliches Verhältnis, das im Rückbezug auf eben sich
selbst vom Ding zum Subjekt sich fortbestimmt. Der Wert und das Kapital sind
daher, dem marxschen Materialismus zufolge, keine Begriffe, die eine Sache
unter sich begriffen, keine theoretischen Bestimmungen also, die eine dieser
Sache etwa immanente Vernunft ausdrückten, sondern sie sind bloß Namen, die
etwas der Vernunft zutiefst Widerstreitendes bezeichnen, das heißt das
Widervernünftige an sich und für sich. Weil der Gegenstand, die zum Kapital
formierte Gesellschaft, selbst es ist, der Theorie als Erkenntnisweise einer
subjektiven Vernunft, die in objektiver sich anschaute, nach Form und Inhalt
sabotiert, darum transformiert sich das materialistische Erkenntnisinteresse
zur „Kritik der politischen Ökonomie“, verläßt die Theorie und geht von ihr,
deren Schicksal als ein mit Notwendigkeit verkehrtes Bewußtsein von
Gesellschaft zu nichts als Ideologie voranschreitet, zur Kritik über. Wie
gesagt: Einmal nur logisch betrachtet, ist das Kapital eine unmögliche
Angelegenheit. Man versteht nicht, wie so etwas überhaupt in die Welt kommen
konnte, und schon gar nicht, warum so etwas in ihr immer noch sich breit macht.
Seine schlichtweg niederschmetternde Durchschlagskraft zieht das Kapital nicht
allein aus der epochalen Gewalt, die es entbindet, nicht allein aus der
säkularen Macht, mit der es die Gesellschaft als totalen Zusammenhang der
Herrschaft und der Ausbeutung setzt, nicht allein aus der totalisierenden
Bewegung, die die Akkumulation um der Akkumulation willen als das globale Schicksal
verwirklicht, und schon gar nicht allein aus den Schlichen und Machenschaften
der Reichen und der Machthaber. Es zieht seine Gewalt aus der fetischistischen
Evidenz seiner selbst als eines Realparadoxons. Es gewinnt seine Macht aus der
vollendeten Absurdität seiner selbst als der vollendeten Widervernunft: Credo
quia absurdum. So gewinnt das Kapital seine epochale Durchschlagskraft, daß es
in einem die ihm widerstreitenden politökonomischen Interessen und die ihm
widersprechende philosophische Vernunft dadurch in seinen Bann schlägt, daß das
logisch Unmögliche zugleich das gesellschaftlich Wirkliche darstellt. Zwar kann
davon, wie die Philosophie der Aufklärung noch träumen mochte, daß das
Wirkliche vernünftig und das Vernünftige wirklich ist, allseits keine Rede sein
– das wäre ja der Kommunismus als die durchgeführte staaten- und klassenlose
Weltgesellschaft –, aber davon, daß Theorie und Praxis im Zeichen der
vermittlungslosen Einheit von Widervernunft und Wirklichkeit in den
Zwangszusammenhang von
Warenform, Denkform und Fühlform
gebannt sind. Der Materialismus hat sich, eingespannt in einen zur
Legitimationswissenschaft verdinglichten Marxismus, endlosen Spekulationen über
das Verhältnis von Sein und Bewußtsein und hanebüchenen Erörterungen über die
sogenannte „Grundfrage der Philosophie“ hingegeben. Darin war der Materialismus
– ausweislich etwa der Philosophie Lenins – in sein bürgerliches Stadium
gebannt und auf ein vorkritisches Niveau festgelegt; und entsprechend trostlos,
das heißt ohne jeden inneren Zusammenhang mit der Kritik der politischen
Ökonomie, gestaltete sich der Begriff dessen, was unter „notwendig falschem
Bewußtsein“, was unter Verblendungszusammenhang und was unter Ideologie
vorzustellen sei. Weil Marxismus als zutiefst antikritische Systemphilosophie
allein zur natürlichen Beute linksbürgerlicher Intellektueller taugen konnte,
wurde unterm Alibi eines Primats des Seins übers Bewußtsein und der „Ableitung“
des Bewußtseins aus dem Sein tatsächlich nur die klassisch bürgerliche
Autonomie des Geistes verteidigt, wenn auch in Gestalt der Lehre von der Partei
und der vom Klassenbewußtsein, daß diese Intellektuellen „von außen“ ins
Proletariat „hineinzutragen“ hätten. Dagegen gilt es, die Erkenntnis- und also
ideologiekritische Implikation der Kritik der politischen Ökonomie selbst zu
entfalten, das heißt eben den Zusammenhang von Warenform und Denkform, von
ökonomischer und theoretischer Vergesellschaftung. Nicht nur, daß der
ökonomistischen Reduktion des Begriffs vom Wert zu widersprechen ist, nicht
nur, daß Wert als objektive Kategorie der Konstitution von Ökonomie und Politik
zu fassen ist, nicht nur, daß daher die marxsche Wertformanalyse als Genesis
von Subjektform und Rechtsform in psychologiekritischer wie staatskritischer
Perspektive zu lesen ist – vielmehr ist der Nexus von Sein und Bewußtsein als
der von Warenform und Denkform zu fassen, das heißt das Denken als ein an sich
selbst ideologisches Phänomen, in dessen Kategorien und Begriffen das, was Wert
als Synthesis ist, nur erscheinen kann. Das Denken ist Erscheinung eines als
das Unwesen zu dechiffrierenden Wesens, das ohne diese seine Erscheinung nicht
sein könnte: Es ist die Bestimmung dieses Wesens, zu erscheinen, um zu sein.
Das Denken ist keine „Ableitung“ minderer Güte und Qualität – es ist
Erscheinung des Wesens in seiner sich an sich selbst verhüllenden Qualität. Es
produziert „notwendig falsches Bewußtsein“, weil keine andere Form des
Bewußtseins einer in sich verkehrten Gesellschaft zu haben ist, weil anders
denn notwendig falsch der Wert als negative Synthesis nicht in Gedanken zu
bringen ist, weil anders der Wert als Inbegriff der Identität von Identität und
Nichtidentität nicht in einen Kopf passen mag. Der Widerspruch gegen die
ökonomistische Reduktion des Wertbegriffs ist daher zugleich der Widerspruch
gegen die pseudorationalistische Redaktion dessen von Ideologie und damit
Einspruch gegen das zutrauliche Mißverständnis, Aufklärung bedeute Information
und Theorie statt Destruktion und Kritik. Denn das bürgerliche Subjekt – und
die Rede vom „bürgerlichen Subjekt“ ist selbst schon Tautologie, die bezweckt,
die Form des Subjekts als Zwangsjacke des Individuums zu retten – pocht, wie
auf die Autonomie des Geistes, so auf die Autarkie seines Gefühlslebens. Der
ganze Stolz dieses Subjekts, das Cogito, bedeutet nicht nur, daß es denkt,
sondern daß es ein Ich sein soll, das diese intellektuelle Operation ins Werk
setzt. Aller Aufklärung durch Freud und die Psychoanalyse zum Trotz behauptet
das Subjekt den Geist in sich und negiert dies Subjekt die Natur in sich. Das
Ich jedoch ist nicht die Vermittlungsinstanz zwischen Gesellschaft und Trieb,
es ist, als identitäre Instanz, das dem Individuum introjizierte juristische
Subjekt, das heißt eben die Fühlform, die zur Rechtsform paßt. Das Ich ist der
Punkt, in dem die „Gesetze der Warennatur“ in den „Naturinstinkt der
Warenbesitzer“ umschlagen. Es ist dies Subjekt, daß die im Kapital gesetzte
Spaltung der Gattung vom gesellschaftlichen Schicksal zur bewußten Tat
radikalisiert und im Nazifaschismus als dem
Untergang des Werts in Barbarei
vollstreckt. Das Kapital als eine zwar logisch unmögliche, allerdings
praktisch wirkliche Vergesellschaftungsweise kehrt seinen inneren Widerspruch
in der Spaltung der Gattung heraus. Hat es in der Spaltung der Menschheit in
Ausbeuter und Ausgebeutete, in Herrscher und Beherrschte den Unterschied
zwischen funktionaler und bloß phänomenaler Menschheit an sich schon gesetzt,
so bestimmt das notwendig falsche Bewußtsein und ergo die notwendig falsche
Praxis der Subjekte diesen Unterschied fort zur Spaltung der Gattung in
Übermenschen und Unmenschen. Unter der Form des Subjekts ist das Individuum
notwendig antisemitisch und rassistisch. Wert – die dynamische,
selbstbezügliche, „in sich selbst prozessierende“ der Identität von Identität
und Nicht-Identität seiner selbst – setzt in seiner erscheinenden Oberfläche,
der Zirkulation, Individuen als Subjekte und setzt sie als solche voraus, weil
nur in der Rechtsform, weil nur in Gestalt vertraglich geregelter Aneignung und
wechselseitiger Enteignung, weil nur in Form des freien, gleichen und gerechten
Tausches die Akkumulation des Kapitals sich vollziehen kann. Das heilige
Institut dieses Tausches, das Privateigentum, die Form, in der er geschieht,
das Recht, die Instanz, dessen Gewalt ihn bewacht, der Staat, setzen das
Subjekt unter den Zwang der Identität – einer Identität allerdings, die ihre
Substanz nicht an sich selbst hat, eine Identität daher, die nichts anderes ist
als Funktion der Akkumulation. Aber die Identität des Werts mit sich selbst im
Geld hängt ab von der Nicht-Identität des Werts mit sich selbst im Kapital:
Diese Nicht-Identität ist die Krise in Permanenz: Vergegenständlichung seiner
selbst im Geld, Entgegenständlichung seiner selbst in die Arbeitskraft als
variables Kapital – jede dieser Transformationen ist Krise im allgemeinen
Horizont des totalen Zusammenbruchs. Der Untergang des Werts in Barbarei ist so
zugleich die gesellschaftliche Darstellung des Inbegriffs des Wertes und das
Resümee seiner historischen Karriere von der Spaltung der Gattung zur
Vernichtung der Abgespaltenen. Der revolutionäre Materialismus oder auch:
der kritische Kommunismus
der Gegenwart hat die Erfahrung der Shoah und hat die Geschichte des
Nazifaschismus nicht einer, wie immer auch kritisch gemeinten
Gesellschaftstheorie anzuhängen und anzukleben, sondern er hat diese Erfahrung
vollendeter Negativität ins das Innerste seiner Kategorien aufzunehmen und
darin als auf ihren Nerv zu reflektieren. Jede Marx-Lektüre, jeder „Marxismus“,
der sich weigert, auf dieses Zeitkern der Wahrheit zu reflektieren, ist Müll,
schlimmer noch: Ideologie, „deutsche Ideologie“ im marxschen Sinne. Die
Barbarei als eine qualitativ neue, als eine dem Kapital einerseits
entsprungene, andererseits entronnene Gesellschaftsform, die Barbarei als die
negative Selbstaufhebung des Kapitals auf der Grundlage des Kapitals, die
Barbarei als genuin deutsche Gesellschaftsform, die die Konsequenzen zieht aus
dem Zusammenbruch des Kapitals – kein Materialismus ist mehr denkbar, der dies
nicht als im Herzen der Kritik der politischen Ökonomie zu bedenken hätte, und
kein Materialismus zudem, der, im Angesicht der historischen Erfahrung, nicht
darum kämpfte, die Einheit der Kritik zu bewahren, das heißt nicht sich das
Bewußtsein durch Umstände, Faktoren, Sonderwege etc. pp. historisch und
soziologisch zerstäuben zu lassen. Nicht geht es darum, den Nazifaschismus aus
dem Kapital „abzuleiten“ (wie die Bürger sagen), sondern darum, der
katastrophalen Entfaltung des Kapitals zu seinem Begriff, der Barbarei,
kritisch innezuwerden. Es gibt kein Anderes der Totalität.
Organisatorisches
Geld
Als Beitrag zu den Unkosten wird eine Teilnahmegebühr von 15 Euro erhoben,
davon 3 Euro am Freitag und je 6 Euro am Samstag und Sonntag.
Schlafplätze
Unsere Möglichkeit, Schlafplätze für auswärtige Teilnehmer anzubieten, ist
begrenzt. Wir bitten daher darum, sich frühzeitig unter Tel.: 0761 / 292 50 90
(AB) oder unter Mail isf-e.v@ t-online.de anzukündigen. Ebenso bitten wir alle
Freiburger Freunde und Genossen darum, unter o.a. Tel/Mail
Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten
Spenden
Spenden für den Kongreß bitte auf das Konto ISF e.V. Nr. 2260 45 – 756 bei
der Postbank Karlsruhe, BLZ 660 100 75 (auf Wunsch wird eine steuerabzugsfähige
Spendenbescheinigung erteilt).
Kontakt
Initiative Sozialistisches Forum
Postfach 273 * 79002 Freiburg * Tel.: 0761 / 379 39 * Fax: 379 49
Mail: isf-e.v@ t-online.de
Web: www.isf-freiburg.org