Sebnitz: Antifaschistische Demonstration am 31. 03. 2002
Antifaschistische Demonstration am 31. 03. 2002 in Sebnitz
Die Initiative gegen Rassismus Sächsische Schweiz kündigt für den Ostersonntag eine Demonstration "gegen den faschistischen rassistischen und antisemitischen Mainstream" in Sebnitz an. Es soll dabei die rechte Hegemonie in der Sächsischen Schweiz sowie die enge Verknüpfung der Neonazis und der örtlichen Bevölkerung angeprangert werden. Ebenfalls an diesem Tag endet in Sebnitz die Fahrradtour des Ostermarsch e.V., dessen Teilnehmer sich anschließend an der Demonstration beteiligen wollen.
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Erste Reaktionen
In den ersten Reaktionen der Verwaltung zeigt sich ein seltsames Verständnis der Aufgabe der Behörden. Nicht die Frage nach einer versammlungsrechtlichen Gefahr löst ihre Sorge aus, sondern dass die Benennung der Zustände in der Region den rufschädigend sein könne.
Die Informationswege sind bereits im Krisenmanagement ab November 2000 eingeübt. So informierte das Ordnungsamt Pirna umgehend den Sebnitzer Oberbürgermeister Ruckh, soweit ein ganz normaler Vorgang. Unkonventionell dagegen ist der weitere Weg: Ruckh nutzt seine guten Kontakte in die Ministerialebene, denn der "rechte Mainstream" bereitet ihm Bauchschmerzen - im Motto der Demonstration wohlgemerkt. Das Innenministerium beschränkt sich daraufhin nicht darauf, Verbotsgründe zu suchen. Als effektiver betrachtet man dort, Politiker anzusprechen, von denen man annimmt, dass sie Einfluss auf die Organisatoren der Demonstration nehmen könnten. Die Wahl fiel dabei auf den PDS-Landtagsabgeordneten Hahn, welcher bis dahin von der Demonstration nie etwas gehört hatte, was ihn nicht davor bewahrte, für das Motto der Demonstration verantwortlich gemacht zu werden.
Sebnitzer Konfliktmanagement
Die Nachfolgeorganisation der verbotenen Neo-Nazi-Organisation SSS ruft auf ihrer Internetseite unter der Überschrift "gesellschaftliches Ereignis Teil 2" zu Störaktionen gegen die Demonstration auf und empfiehlt, Druck auf das Ordnungsamt auszuüben. Das letzte "gesellschaftliche Ereignis" war am 09.03.02 das Konzert der JuMaWa, was eher einer Schuldisko als einem Punkkonzert glich. Die Neonazis forderten zur "Teilnahme" am Konzert mit ihrer Meinung nach "linkslastigem" Publikum auf. Anstatt Vorkehrungen gegen Störungen zu treffen, funktionierte hier das Sebnitzer Krisenmanagement: Herr Ruckh stellte den Konzertveranstaltern die Bedingung, auch Neonazis Einlass zum Konzert zu gewähren. Man holte alle Beteiligten an einen Tisch, und da auch Neonazis in Zukunft Konzerte machen wollen, einigte man sich auf eine Gewaltverzicht.
Das Ergebnis war eine Veranstaltung, auf der sich Neonazis z.B. mit T-Shirts mit der Aufschrift "Burn Black, Burn Yellow, Burn Red - Burn Dead" präsentieren konnten, sicher, dass niemand sich trauen würde, sie deswegen auch nur schief anzusehen - Zum Wohle unserer Jugend.
Dass die Organisatoren der Demonstration diese Art der Konfliktbewältigung für inakzeptabel halten, sorgt in Sebnitz für Unruhe. Dass nicht jede Äußerung gegen Neonazis unterdrückbar ist, weiß man auch im Stadtrat, auch wenn man am liebsten die Demonstration verbieten würde: "Eine Demo gegen Faschismus und Rassismus bräuchte nicht abgelehnt werden", sagte CDU-Stadtrat Eckhart Schneider
Antirassistische Gruppe Dresden
antira-gruppe-dd@subdimension.com
(Auszug aus Martin Schäubles Buch "Rausgehasst")
Wieso Jürgen, Susan und die kleine Melanie Sebnitz verlassen mussten
"Landschaftlich ist es sehr schön, doch diese Neonazis machen alles kaputt." So urteilt Jürgen M. (alle Namen geändert) heute über die Sächsische Schweiz. Der Architekt aus Süddeutschland weiß, wovon er spricht. Im April 1997 zog er mit seiner Frau Susan und Tochter Melanie nach Sebnitz. Im September 2000 hatte die Familie ihre Umzugskisten wieder gepackt und der Stadt den Rücken gekehrt. Die Zeit zwischen Frühling 1997 und Herbst 2000 nennt Susan "die schlimmste Zeit in ihrem Leben".
In knapp vier Jahren lernten Jürgen und Susan, was es bedeutet, gehasst zu werden. Gehasst, weil Susan aus einem anderen Land kommt. Gehasst, weil sie nicht so aussieht, wie die anderen jungen Frauen in Sebnitz. Gehasst, weil Susans Hautfarbeschwarz ist.
(...)
Jürgen und Susan blieben in Sebnitz selbst öffentlichen Veranstaltungen fern. Nachdem jemand eine glühende Zigarettenkippein Susans schwarze Haare geschnippt hatte, verließen sie das Sebnitzer Stadtfest. Eine der Festivitäten, bei denen sich auch die Neonazi-Szene sehr wohlfühlt. Wenn sich, wie im Mai 2001 in Sebnitz, 30 junge Männer mit Glatze und Springerstiefeln vor dem Festzelt versammeln, dann versteht man sehr gut, wieso "fremdländisch" aussehende Menschen öffentlichen Feiern in dieser Region lieber fernbleiben.
(...)
So makaberes klingen mag: Jürgen hat in Sebnitz für seine Tochter eine zusätzliche Unfallversicherung abgeschlossen. Seine Begründung: "Wenn ihr etwas zugestoßen wäre, dann hätten sie garantiert dafür gesorgt, dass es wie ein Unfall aussieht."
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