Biblis / Amtsgericht Lampertheim: Verfahren gegen Atomgegner
War Olli S. nur ein gewöhnlicher Sonntagsspaziergänger, oder war er der heimliche Rädelsführer bei dem Sonntagsspaziergang am 21.10.01 in Biblis?
Mit diesem Thema beschäftigten sich am 26.03.02 das Gericht und die Staatsanwaltschaft.
Die Sonntagsspaziergänge in Biblis werden selbstverständlich nicht angemeldet, weil es sich um keine Demonstration handelt, sondern lediglich um einen Spaziergang. Bislang konnte die Polizei damit leben, aber Offensichtlich am 21.10.01 nicht. Sie erstattete Anzeige, weil sich ein paar Spaziergänger wie immer vor die Tore des AKWs begaben. Vorher hatten sich offensichtlich noch zwei Hunde gestritten, ein Hund einer BGSlerin und der eines Spaziergängers. Für den Aufenthalt vor den Toren und der Hundestreiterei soll Olli S. verantwortlich gemacht werden.
Der erste Zeuge des Prozesses ist ein Kriminalkommissar. Er erzählt, dass der Sonntagsspaziergang wie immer stattfand und der Charakter eines Spazierganges deutlich war. Allerdings hätten sich die Mitarbeiter des AKWs an diesem Tag nicht getraut in das AKW rein- und rauszufahren, als sie Spaziergänger am Tor des AKWs gesehen hätten. Nach einer 45 Minütigen Zeugenaussage kommt der Nächste Zeuge dran ein Polizist, der Fahrer des Kriminalkommissars, aber er kann nichts zu dem Geschehen berichten. Nach einer Pause geht es weiter. Ein unsicherer, aufgeregter Polizist betritt das Gericht, er ist sich sicher, das der Herr S. tatsächlich an diesem Tag der Anführer war, er hätte zum Beispiel lauthals gerufen: "Marsch ab, Leute jetz iss aber genug." Mit dem Wortlaut war er sich dann doch nicht mehr sicher. Könnte es gehiessen haben "Kommt Leute, da vorne gibt´s Kuchen", es war ja schließlich der 50. Geburtstag eines Spaziergängers? Oder hat Olli S. vielleicht auch gar nichts gesagt? Der Angeklagte soll angeblich auch eine Rede gehalten haben, worüber weiß der Polizist jedoch nicht mehr. Auf die Frage warum er denn nicht die Anzeige gemacht hätte, antwortet er: "Ich bin ja nur der kleine arme Streifenpolizist" und seine Befehlshaber würden schließlich mehr verdienen, deshalb könnten die das machen. Er verhaspelt sich immer mehr und widerspricht sich dann auch teilweise. Nach 40 Minuten darf er wieder gehen.
Nun kommt Einsatzleiter Lotz. Er weißt auf den friedlichen Charakter des Spazierganges hin und sagt er hätte in Herrn S. immer eine Ansprechperson bei Sonntagsspaziergängen gesehen. Er habe Herrn S. regelmäßig gefragt, wer denn der Versammlungsleiter sei, daraufhin hätten alle immer nur gelacht. Diese Aussage führt zur Erheiterung einiger Zuschauer. Herr Lotz sagt, dass er verpflichtet sei, so eine Versammlung zu schützen, weil von der Seite der Kraftwerksarbeiter eine Gefahr für die Aktivisten ausgehen könnte. Nach einer guten halben Stunde ist dann auch er fertig.
Der nächste Zeuge ist Herr B. vom Ordnungsamt Biblis. Der erzählt, er hätte nichts gegen diese Spaziergänge, die wären ja wie ein Umzug des Reit- und Fahrvereins und dafür wäre er nicht zuständig. Wenn es sich um eine Versammlung handelt, würde er zuständig sein und dann wäre der Spaziergang ja auch angemeldet worden. Er hätte auch keine Anzeige gemacht. Die Staatsanwältin fährt ihn in scharfem Ton an, er solle sich mal über das Versammlungsrecht informieren. Zeuge B. schluckt etwas und entschuldigt sich, er will sich nun auf jeden Fall informieren. Im Laufe der Verhandlung wirft die Staatsanwältin Olli S. noch herausgekramte ältere politische Verfahren um die Ohren, die schon längst erledigt sind.
Es wird deutlich das die Staatsanwältin diesen Prozess als Musterprozess sieht und ihre Aufgabe ist es, zu erreichen, dass es keine unangemeldeten Sonntagsspaziergänge mehr gibt. Sie versucht wohl einzelne Personen für alles was bei einem solchen Spaziergang passieren kann haftbar zu machen.
Irgendwann reicht es der Richterin für diesen Tag und es wird festgelegt, wer im Laufe der Verhandlung noch angehört werden soll.
Jetzt gibt es noch zwei weitere Termine:
a) kurzer Termin am 04.04.02 um 13:00 Uhr mit einer Polizistin als Zeugin
b) ein Termin mit vielen Zeugen am 15.04.02 um 10:00 Uhr
beide Termine jeweils im Amtsgericht Lampertheim.
Es bleibt also abzuwarten, ob Atomkraftgegner weiter ohne Anmeldung spazieren gehen dürfen.
Der nächste Sonntagsspaziergang findet wie immer am Sonntag den 21.04.02 um 14:00 Uhr ab Bahnhof Biblis statt.
Mit solidarischen Grüßen
I.
PS: Es könnte möglicherweise sein, dass die Richterin das Verfahren am 04.04. einstellen wird. Es wäre schön, wenn wieder einige liebe Menschen
kommen........
mail: stromwiderstand@gmx.de
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