Berlin: open your eyes - time to wake up!aufruf zur demonstration im gedenken an dieter eich
in der Nacht vom 24. zum 25. Mai 2000 wurde im Berliner Stadtteil
Buch, der Sozialhilfeberechtigte Dieter Eich von vier rechtsextremen
Jugendlichen ermordet.
Wir wollen anläßlich des 2ten Todestages von Dieter Eich in Buch
antifaschistische Gedenkaktivitäten ermöglichen. Nachdem im letzten
Jahr weder kommunale Behörden, noch antifaschistische Gruppen
Aktivitäten zum Gedenken an Dieter Eich organisierten, wollen wir in
diesem Jahr dem "kollektiven Vergessen" in Buch, Pankow und
darüberhinaus offensiv entgegentreten.
In den Vernehmungsprotokollen der Polizei gaben die vier männlichen
Täter offen zu, den von ihnen als "Assi" bezeichneten Dieter Eich aus
einem rechtsextremen Tatmotiv heraus verprügelt und dann ermordet zu
haben. Die weiteren Aussagen ihrererseits verdeutlichen ihren
grenzenlosen Hass auf sozial Schwache und ihnen fremde
Lebensgewohnheiten. Dieser Hass wurde brutal an Dieter Eich
ausgelassen, doch gemeint war nicht nur er allein. Gemeint waren Alle
die dem Bild des "ordentlichen Deutschen" widersprechen. Arbeitslose,
Obdachlose und Bettler wurden in den letzten Jahren immer wieder
Opfer von nonverbalen zum Teil tödlichen Angriffen, meistens von
Neonazis. Dies ist kein Zufall.
Innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft hat sich seit längerem ein
Diskurs über "Innere Sicherheit" etabliert, der die angeblich
notwendige "Verteidigung der öffentlichen Ordnung" als Auforderung zu
Zwangsmaßnahmen gegen soziale Randguppen interpretiert. In der Praxis
bedeutet dies z.B., daß MigrantInnen, Obdachlose,
DrogenkonsumentInnen, BettlerInnen usw. aus öffentlichen Räumen wie
Einkaufszentren und Bahnhöfen vertrieben werden. Auch in der
öffentlichen Debatte über den Umbau des Sozialstaates tauchen
vermehrt Ressentiments gegen sogenannte "faule Arbeitslose" und
"Sozialschmarotzer" auf. Das geht bis zu dem Punkt, daß Menschen, die
nicht "fleißig arbeiten und stattdessen Kosten verursachen", die als
"wirtschaftlich nicht verwertbar" gelten, als sozial minderwertig
abgestuft werden. In diesen Diskursen können Neonazis
Anknüpfungspunkte finden.
Die systematische Vertreibung von verarmten bzw. nach den
herkömmlichen Normen "sozial auffälligen" Menschen aus den
repräsentativen öffentlichen Räumen der Städte, der Einkaufszonen,
Bahnhöfen und Geschäftsvierteln hat sich insbesondere in den
Großstädten extrem verschärft. Konkret sieht das in den meisten
Städten dann so aus, daß vormals öffentliche Räume privatisiert und
in Einkaufszentren umgewandelt werden, aus denen alle mißliebigen und
störenden Personen problemlos ausgewiesen werden können.
Bekämpft werden dabei die verarmten Menschen, nicht die Armut.
Dementsprechend mangelt es an einfachsten Überlebenshilfen zum
Beispiel für Obdachlose, an angemessenen Notunterkünften, an
einfachem Zugang zu sozialen Leistungen und Institutionen,
medizinischer Versorgung oder Wärmestuben. Als drastische Folge der
Ausgrenzung sterben jeden Winter etliche Menschen den Kältetod.
Auch auf ideologischer Ebene wird massiv versucht die bisherigen
Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit auszuhöhlen und
umzudefinieren. In den öffentlichen Begründungen der
Vertreibungsmaßnahmen wird ein leistungsfähiger und produktiver
gesellschaftlicher Kern beschworen. Dieses Denkmuster beruht u.a. auf
strikter Ablehnung von vermeintlich Leistungsunwilligen und
-unfähigen und auf der ausgeprägten Identifizierung mit bürgerlichen
Werten wie Leistung, Status, Karriere und Geld. Diese
gesellschaftliche Ausgrenzung verstärkt das Gefühl der Neonazis, mit
ihren Aktionen gegen verarmte Menschen die Interessen der Bevölkerung
zu vertreten.
Wir wollen uns offensiv gegen den "bewussten Gedächtnisschwund" und
den gelebten Sozialdarwinismus in der Gesellschaft stellen und dies
weit über die Stadtgrenzen von Buch hinaus verbreiten. Zusammen
können wir die Angriffe der Neonazis und den Abbau vieler sozialer
Zugeständnisse angemessen beantworten.
Deshalb rufen wir auf, anläßlich des zweiten Todestag von Dieter
Eich, am Samstag, den 25. Mai in Berlin-Buch an der
antifaschistischen Gedenkdemonstration teilzunehmen. Die
Demonstration beginnt um 15 Uhr am S-Bahnhof Buch und wird auch dort
wieder enden.
Wir rufen Alle auf, ihre WUT und Trauer mit uns gemeinsam auf die
Straße zu tragen.
Erst-UnterstützerInnen:
Antifaschistische Initiative Moabit; Antifaschistisches
Aktionsbündnis III [A3]; Autonome Antifa Nordost Berlin [AANO];
Carsten Hübner MdB/PDS; Info-Cafe Pankow; Initiative gegen
Rechtsextremismus Lichtenberg; Judith Demba, BdK 8.Mai e.V.;
JungdemokratINNen/Junge Linke LV Berlin; Marian Krüger MdA/PDS;
offenelinkeliste an der Universität Potsdam; Opferperspektive e.V.
Brandenburg; Reach Out-Opferberatung Berlin,
Stand: 11.April 2002
weitere Informationen im Internet unter:
www.berlin-buch.tk
www.dieter.eich.de.vu
www.nordost.antifa.de
www.a3.antifa.de
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