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Bremen/Berlin: Asylrecht ist Menschenrecht und kein Privileg! Tour der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant/innen vom 17. 8. bis 21. 9. 2002

Mit den neuen Zuwanderungs- und Anti-Terrorgesetzen ist Deutschland praktisch dabei, das durch den Asylkompromiß von 1993 auf ein Minimum beschnittene verbliebene Asylrecht in diesem Land abzuschaffen. Seit Bestehen der Regelung werden jedes Jahr weniger als 4 % aller Antragsteller anerkannt, 95 % oder mehr dagegen abgelehnt. Die Mehrheit der wenigen, die schließlich eine Anerkennung erhalten, muß nach der Ablehnung des Erstantrags durch das ?Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge? (BAFL), die inzwischen zur Norm geworden ist, mehrere Jahre im Gericht zubringen, um die Berechtigung ihrer Fälle nachzuweisen. Fast alle abgelehnten Bewerber werden von der deutschen Gesellschaft abgesondert und isoliert, da sich die für uns vorgesehenen Lager und Heime meist irgendwo tief im Wald in abgelegenen Gegenden wie Tambach, Dietharz, Parchim etc. befinden, während der Staat in dieser Zeit unsere Abschiebung vorbereitet. Die fürchterlichen Lebensbedingungen in den Lagern und der Einsatz von Lebensmittelgutscheinen, verbunden mit der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge, zeugt von der Inhumanität, die das tägliche Leben von Flüchtlingen in Deutschland bestimmt. Das Verlassen des eigenen Landkreises ohne schriftliche Genehmigung bedeutet, eine hohe Geld- oder sogar Gefängnisstrafe zu riskieren. Erniedrigung durch ständige rassistische Polizeikontrollen auf der Straße gehört für uns zum Alltag, das Recht auf eine normale und menschenwürdige Existenz wird uns verweigert.
Angesichts der Tatsache, dass zur Zeit die gesetzliche Grundlage für die praktische Abschaffung des Asylrechts gelegt wird, besteht kein Zweifel daran, dass Politiker beider Seiten im Vorfeld der Bundestagswahl im Septemberreichlich davon Gebrauch machen werden, die Bevölkerung in noch stärkerem Maße gegen Flüchtlinge und Migrant/innen zu mobilisieren, um sich einen möglichst hohen Stimmanteil bei der ausländerfeindlichen Wählerschaft zu sichern. Verschiedene Inhalte des sogenannten neuen Zuwanderungsgesetzes bewirken eine weitere Verschärfung der schon jetzt schweren, oft furchtbaren Lebensbedingungen, denen Flüchtlinge in Deutschland derzeit ausgesetzt sind. Die angeblich ?zügige Abschließung? von Asylverfahren mit dem schon feststehenden Endergebnis der Ablehnung hat eindeutig zur Folge, dass eine weit höhere Zahl von Flüchtlingen abgeschoben oder in Abschiebehaft genommen wird. Wir möchten betonen, dass nach dem Asylkompromiß von 1993 das, was ?Asyl? inzwischen für uns praktisch bedeutet, die Zeit ist, in der wir auf unsere negativen Gerichtsentscheidungen warten. Im Anschluß daran versucht uns der Staat mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln abzuschieben. Das gegenwärtige Verfahren gibt uns keine Möglichkeit, einen fairen Prozeß zu erhalten, um unsere Fälle zu entscheiden. 1995 beispielsweise wurde Prof. Davinder Pal Singh Bhullar bereits nach Indien abgeschoben, bevor sein Fall endgültig entschieden war. Zwei Monate nach seiner Abschiebung wurde ihm vom Gericht Asyl gewährt. Leider nützt ihm diese verspätete Entscheidung nichts mehr, da er bei seiner Ankunftin Indien verhaftet wurde und dort der Todesstrafe entgegensieht.
Das neue "Zuwanderungsgesetz" legt ebenfalls fest, dass Tausende von Flüchtlingen in sogenannten "Ausreiselagern" festgehalten werden, bis die Vorkehrungen für ihre Abschiebung getroffen worden sind. Das berüchtigte Programm ?Projekt X?, das bereits in Oldenburg und Braunschweig (Niedersachsen) umgesetzt wurde, dient dabei als Modellprojekt für die neuen Abschiebelager, die in ganz Deutschland errichtet werden. Hierbei wird jedem Flüchtling, der diesem "Projekt" zugewiesen wurde, bis auf drei Mahlzeiten am Tag, jegliche soziale Unterstützung verweigert. Das erweiterte Zuweisungsprogramm soll sich auf die mehr als 250.000 Flüchtlinge erstrecken, die gegenwärtig einen ?Duldungsstatus? haben und der Abschiebung entgegensehen. Nach Ansicht des Staates ist der Anspruch dieser Asylbewerber, politisch verfolgt zu werden, unberechtigt und ihnen darf kein Asyl gewährt werden. Wir möchten an dieser Stelle an den Fall Hussein Daoud erinnern: ein syrischer Kurde, der nach der Ablehnung seines Asylantrags für ungefähr zwei Jahre in diesem ?Modellprojekt? untergebracht wurde, bevor ihn die Behörden schließlich nach Syrien abschoben. Bei seiner Ankunft wurde er sofort festgenommen und im Gefängnis schwer gefoltert, ursprünglich sogar für vermißt erklärt. Jetzt ist er wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten von einem dortigen Gericht zu zwei weiteren Jahren Gefängnishaft verurteilt worden. Zur gleichen Zeit bestimmt das neue ?Zuwanderungsgesetz?, dass die exilpolitischen Aktivitäten eines Flüchtlings in Deutschland keinerlei gültigen Anspruch mehr auf politisches Asyl in diesem Land begründen. Der Fall von Hussein Daoud ist keineswegs eine Ausnahme. Die Zahl solcher menschlicher Tragödien wird mit den neuen Asylgesetzen dramatisch zunehmen - Deutschland hat sich bereits jetzt an die Spitze der europäischen Länder gesetzt, was Abschiebungen betrifft.

Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört

Der Selbstmord zweier Togoer im Zusammenhang mit der Rücknahme ihrer Asylanerkennung nach §51 durch die Bundesregierung, läßt erahnen, welche menschlichen Tragödien sich im Zuge der Massenabschiebungen nach Togo abspielen. Die Eyedema-Diktatur in Togo mag EU-Sanktionen unterliegen. Eigentümlicherweise wäre sie aber ohne eben diese EU zum einen gar nicht erst an die Macht gekommen (nämlich durch den von Frankreich unterstützten Mord Eyedemas an Togos erstem demokratisch gewählten Präsidenten Olympio), zum andere hätte sie sich ohne die aktive Unterstützung Europas niemals so lange dort halten können. Frankreich und Deutschland bevorzugen offensichtlich einen altbewährten Tyrannen gegenüber einer Opposition, die sich möglicherweise ihrem Einfluß entziehen könnte. Deutschland trägt dafür Sorge, daß die Stimme dieser togolesischen Opposition leiser und leiser wird, indem es den Flüchtlingen Asyl verweigert. Es zieht es vor, den Diktator Eyadema zu hofieren, statt Gespräche mit der demokratischen Opposition zu führen. Wenn oppositionelle Exilorganisationen an Stärke gewinnen und sich in der deutschen Öffentlichkeit Gehör verschaffen können, hat es der deutscheStaat meist sehr eilig, sie wieder zum Schweigen zubringen. Statt zu einer friedlichen Lösung der Kurdenfrage beizutragen, gebärdet sich die BRD wieder verlängerte Arm der Türkei, verbietet auch hier die PKK und kurdische Kulturorganisationen und kriminalisiert somit die kurdische Bevölkerung in Deutschland, die eine der größten Flüchtlingsgruppen stellt. Durch das Verbot der einzigen politischen Kraft, die in der Lage ist, die Region in einen friedlichen Demokratisierungsprozeß zu führen, treibt Deutschland vorsätzlich den Krieg voran, statt sich für eine friedliche Lösung im Mittleren Osten einzusetzen.

Seit dem September des vergangenen Jahres, als der imperialistische "Krieg gegen den Terrorismus" in Afrika, Asien und Lateinamerika begonnen wurde, beobachten wir mit Bestürzung, dass in unseren Heimatländern menschliches Leben immer mehr an Wert verliert. Terroristische Regime auf der ganzen Welt benutzen den von den USA angeführten Krieg, um ihre Kritiker zu bekämpfen. Mächtige Länder wie England und die BRD folgen den USA mit ihrem Militärapparat in unsere Länder um bei der Verteilung der wenigen noch verfügbaren Ressourcen der Erde ja nicht zu kurz zu kommen. Dieser neue Krieg missachtet das Leben der am meisten unterdrückten Menschen auf der Welt, und er missachtet die Menschenrechte für die ärmsten Länder der Welt. Die türkische Regierung und ihr Militär erfreuen sich westlicher Unterstützung während sie die kulturelle Identität von Millionen von Kurd/innen zerstören, ihre Anführer, Künstler, Anwälte in Knäste werfen und hungerstreikende Gefangene massakrieren. All dies geschieht meist mit deutschen oder amerikanischen Waffen und auch hier braucht niemand zu befürchten, je vor ein internationales Tribunal gestellt zu werden. Deutschland benutzt den "Krieg gegen den Terrorismus" um seinen eigenen Krieg gegen Flüchtlinge und Migrant/innen aus anderen Ländern zu führen. Drakonische "Sicherheitsgesetze" wurden in Rekordzeit durch den Bundestag und Bundesrat gebracht und treten in diesem Jahr in Kraft. Dies ebnet den Weg,anerkannte politische Flüchtlinge mit der Begründung des "Terrorismusverdachts" abschieben zu können, selbst wenn die deutschen Behörden selber zugestehen, dass ihnen dann Folter oder gar die Todesstrafe droht. Flüchtlinge werden künftig wegen eben jener politischen Verfolgung, die bis gestern noch ihren Flüchtlingsstatus begründet hat, nun als "Terroristen" eingestuft werden.
Die Medienhetze gegen islamische Fundamentalisten scheint gerade erst zu beginnen. Festzulegen, wer künftig als Feind der Inneren Sicherheit gilt, bleibt das Privileg des deutschen Staates und dieser spricht in zunehmendem Maße dieselbe Sprache, wie die Regime, vor denen Flüchtlinge sich hier zu retten hoffen. Von der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend unbemerkt werden derzeit Massenabschiebungen auch von Kurd/innen in die Türkei geplant und unter den Abzuschiebenden sollen sich selbst anerkanntermaßen politisch Verfolgte befinden. Wer als nächster als ?Terrorist? eingestuft wird, dürfte von Deutschlands wirtschafts- und weltpolitischen Interessen abhängen. Als wir aus unseren Ländern flohen um in anderen Teilen der Welt Schutz zu suchen, blieben unsere Herzen bei den Menschen, die die Kämpfe um die Befreiung unserer Völker weiterführen. Wir werden niemals zulassen, dass das unaussprechliche Leid, die Folter und der Tod, die direkte Folge der Kriege der von den westlichen Mächten unterstützten Diktatoren sind, in Vergessenheit geraten. Vom Afghanistan-Krieg über den ?Plan Colombia?, den endlosen Krieg im Mittleren Osten, die Menschenrechtsverletzungen und dem Krieg gegen Befreiungsbewegungen im Iran, in Nepal, in Sri Lanka und in Kamerun: das Ergebnis sind stets Flüchtlinge.
KRIEG VERURSACHT FLÜCHTLINGE! NICHT FLÜCHTLINGE VERURSACHEN KRIEG! Uns bleibt keine Wahl, als uns mit Flüchtlingen aller Nationalitäten, Kulturen und Sprachen zusammenzuschließen und diejenigen zu bekämpfen, die dafür die Verantwortung tragen, das unsere Länder zerstört werden!

Die ?Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant/innen? wird am 17. August in Bremen beginnen und am Abend der Bundestagswahl, dem 21. September in Berlin enden. In verschiedenen Städten, Dörfern und Flüchtlingsheimen in ganz Deutschland werden wir versuchen, die Zusammenarbeit mit den fortschrittlichen Kräften zu stärken, die Zusammenarbeit unter den Flüchtlingsorganisationen intensivieren un Unterstützung für vo Flüchtlingen organisierten Widerstand geben. Die Tour soll auch die untragbaren, inhumanen Zustände in den deutschen Flüchtlingsheimen, die sich meist in Wäldern oder abgelegenen Gegenden befinden, in die Öffentlichkeit bringen. Gleichzeitig wollen wir die Folgen des herrschenden Krieges herausheben, indem wir ihn in Bezug zu den Kriegen setzen, die uns zwangen, unsere Heimat zu verlassen. Wir laden Euch alle ein, mit uns gemeinsam für eine Bewegung für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant/innen aufzustehen!

Weitere Informationen und Kontakt: Karawane-Koordination Nord
Koordinationskreis Hamburg
c/o B5, Brigittenstrasse 5, 20359 Hamburg
Tel: 040-43189037
Fax: 040-43189038


Internationaler Menschenrechtsverein Bremen e.V.
Münchner Strasse 17
28215 Bremen
Tel: 0421-5577093
Fax: 0421-5577094


 

06.05.2002
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