Düsseldorf: Urteil beim Skinheadprozess
Koordinierungskreis antifaschistischer Gruppen aus Düsseldorf
Düsseldorf, den 03.06.2002
Prozessbericht & Stellungnahme
Urteil beim "Skinheadprozeß": Haftstrafen für Neonazis
Neonazi-Überfall war "politisch motivierter Racheakt"
Nach nunmehr vier Prozeßtagen gegen sechs Düsseldorfer, darunter zwei
Neonazis, die im Juni letzten Jahres vier Menschen vor einer Kneipe in
Düsseldorf-Bilk beinahe tödlich verletzt hatten, wurde nun endlich das
Urteil gefällt:
Dabei erhielten die drei Älteren, die -so der Richter-
unter "Vortäuschung falscher Tatsachen" von dem Neonazi Sven Ripphahn
zu einem Angriff auf drei der vier Opfer motiviert worden waren,
aufgrund gemeinschaftlich begangener Körperverletzung sechs Monate auf
Bewährung, zuzüglich Geldstrafen zwischen 300 und 750 Euro. Unter den
drei Älteren war Sven Ripphahns Vater.
Jungnazi Sven Gustavsohn, der schon vorher mehrfach -ebenso wie Sven
Ripphahn- im Stadtteil Bilk aufgrund seiner neonazistischen
Aktivitäten aufgefallen war, erhielt für seine "Sieg-Heil"-Rufe und
das Abschießen einer Gaspistole auf eines der Opfer ein Jahr auf
Bewährung nach Jugendstrafrecht und muss 80 Stunden gemeinnützige
Arbeit leisten.
Der Neonazi Sven Ripphahn wurde wegen gemeinschaftlich begangener
Körperverletzung mit einer Waffe und wegen Verwendung
verfassungsfeindlicher Kennzeichen (auch er hatte die Opfer zuerst
mit "Sieg-Heil"-Rufen angepöbelt) zu 2,5 Jahren Haftstrafe ohne
Bewährung nach Jugendstrafrecht verurteilt. Das Gericht folgte dabei
der Argumentation der Staatsanwaltschaft, dass bei diesem "politisch
motivierten Racheakt" er einen "Schutzengel" gehabt habe - seine
Messerstiche hätten tödlich für die Opfer sein können. Seine
Motivation sei gewesen, wie er selber eingestanden hat, dass angeblich
Monate vorher eines der Opfer ihn aus einer linken Kneipe
komplimentiert habe, da er dort mit "SA-SS"-Rufen provoziert hatte.
Der an der Tat relativ Unbeteiligte dritte junge Angeklagte wurde
freigesprochen.
Alles in allem ein Urteil, mit dem die Opfer wohl halbwegs zufrieden
sein können, so einer ihrer Anwälte.
Doch der Prozessverlauf dürfte alles andere als angenehm und zufrieden
stellend für die Opfer gewesen sein. So wurde z.B. immer wieder der
Zeugenschutz des dritten Opfers seitens der Verteidiger in Frage
gestellt, am letzten Prozesstag versuchten sie gar, andere ZeugInnen
unter Druck zu setzen, um dessen Personalien herauszubekommen. Erst
auf Antrag der Nebenklage wurde dies vom Richter unterbunden. Eine
Anwältin der Nebenklage sagte, man habe zeitweise den Eindruck gehabt,
dass "die Täter die Opfer" seien. So seien die Opfer massiv unter
Druck gesetzt worden. Ein Prozessbesucher ist sogar von den
angeklagten Neonazis in einer Art und Weise als Tatbeteiligter, also
als Opfer, benannt worden, als hätte er eine Mitschuld an dem
Geschehen.
Nur durch den vom AStA der Heinrich-Heine-Universität initiierten
Druck einer breiten Öffentlichkeit konnte sowohl im Vorfeld als auch
während des Prozesses Schlimmeres verhindert werden. Dem ehemaligen
Vorsitzenden des AStAs war sogar Beugehaft angedroht worden, da er die
Personalien des gefährdeten Zeugen nicht nennen wollte.
Als "skandalöse Provinzpossen" bezeichnete ein Sprecher des Antifa-KOK
die gesamten Vorgänge. "Es zeigt sich wieder einmal, wie wichtig eine
kritische, antifaschistische Öffentlichkeit ist", so Arthur Brachte
vom Antifa-KOK.
Ripphahn und Gustavsohn nahmen zeitweise an Torsten
Lemmers "Jugendoppositionsstammtisch" teil und unterhielten zwar
Kontakte zur neonazistischen "Kameradschaft Düsseldorf", waren aber
alles andere als "organisierte Neonazis" und wohl eher dem Umfeld
zuzurechnen. Jenem Milieu also, das aufgrund neonazistischer
Weltanschauung gewalttätig oder gar mordend in Erscheinung tritt, aber
selten aufgrund einer geplanten politischen Aktion. Und davon gibt es
in Düsseldorf mehr als genug; Potential, aus dem Neonazi-
Organisationen wie die "Kameradschaft Düsseldorf" ihren Nachwuchs
rekrutieren können und dies auch tun.
Wie schwer sich der bürgerlich-rechtsstaatliche Umgang mit dem
Phänomen Neonazismus gestaltet, wurde im Prozessverlauf mehr als
deutlich. Wie unzureichend ein rein juristischer Umgang mit Neonazis
ist, beweisen die ungezählten neonazistischen Vorfälle: "Die Neonazi-
Szene organisiert sich in der Zwischenzeit weiter", so die Antifa.
Arthur Brachte dazu: "Wie sollen neonazistische Umtriebe denn ,von
Staatswegen' bekämpft werden, wenn diese sich immer wieder auf den
rassistischen Konsens der sog. demokratischen ,Mitte' berufen können?
Notwendig wie eh und je ist daher antifaschistischer Widerstand, der
sich nicht nur gegen neonazistische Übergriffe wehrt, sondern auch die
Ursachen thematisiert und angreift!"
In diesem Sinne:
Organisiert die antifaschistische Selbsthilfe!
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