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Kassel: Möllemann konnte nicht landen

Jürgen Möllemann hatte sich für Dienstag Nachmittag angekündigt – mit
17 weiteren Fallschirmspringern wollte er in die Kasseler
Hessenkampfarena segeln. Der umstrittene FDP-Politiker kam nicht,
dafür gab es Proteste junger Leute gegen Antisemitismus und
Rechtspopulismus und mittendrin Handgreiflichkeiten.


Gerade 40 BesucherInnen hatte die Kasseler FDP mit dem Angebot, Jürgen
Möllemann würde vom Himmel fallen, locken können – obwohl die
Tageszeitung es am Montag an exponierter Stelle angekündigt hatte.
Etwa 20 Demonstrantinnen, fast ausschließlich junge Leute, nahmen die
Wahlkampfveranstaltung zum Anlaß, die antisemitischen und
rechtspopulistischen Äußerungen Möllemanns heftig zu kritisieren.
"Antisemitismus und Rechtspopulismus stoppen!" hieß es auf einem
Transparent.– Darunter eine Frau, die ein FDP-Emblem in den Müll
schmeißt. "FDP 2002: Judenhatz und Spaß dabei" kommentierten zwei
Kommunalpolitiker der Bündnisgrünen die aktuelle Lage auf einem Plakat
und andere hielten Schilder mit der Aufschrift "Sozialdarwinismus und
Antisemitismus: Damit könnt ihr bei uns nicht landen!" hoch. Von
Anfang an von Polizei und Staatsschutz argwöhnisch beobachtet,
entfachten die DemonstrantInnen einige kleinere Diskussionen mit
FDP-AnhängerInnen und –Mitgliedern. Grobes Ergebnis: Natürlich ist die
FDP keine geschlossen antisemitische Partei – Kritik an Möllemann war
aber ebenso Fehlanzeige wie Problembewußtsein hinsichtlich
antisemitischer Ressentiments. Statt dessen musste Friedmann
herhalten. Der sei sowieso arrogant, seine Fernsehsendung sei eine
Katastrophe und überhaupt müsse man es den "Oberjuden" mal zeigen.

Zu körperlichen Auseinandersetzungen kam es, als ein älterer Mann, der
schon zuvor in einem Interview durch deutlich antisemitische
Äußerungen aufgefallen war, zwei jungen Frauen die Trillerpfeifen aus
dem Gesicht schlug. Es kam zu einem Handgemenge, nach der die Polizei
nach einer längeren Verfolgung einen Demonstranten festnahm, der
angeblich mit einem faulen Ei die gerade sprechende FDP-Vertreterin
verfehlte. Ihm droht nun einen Strafanzeige.

Am Rande der Veranstaltung kam es zu einem Einschüchterungsversuch des
Staatsschutzes. Der Verfasser dieses Artikels, der während der ganzen
Aktion Audio-Aufnahmen für das Freie Radio Kassel machte, wurde
namentlich angesprochen und für die Proteste verantwortlich gemacht.
"Herr Möllemann kommt nicht, das hat doch jetzt hier keinen Sinn
mehr." Der Verfasser sei ja immer dabei, wenn irgendwo ein Protest
stattfinde.

Der Sommer war heute extrem heiß – umso erstaunlicher, dass Kasseler
Linke jeglicher Couleur nach nur einem Tag Vorbereitung der FDP
relativ erfolgreich den Spiegel vorhielten. Abzuwarten bleibt, welche
Repressionsmaßnahmen insbesondere das Handgemenge nach sich ziehen –
es könnte sein, dass solidarisches Handeln nötig wird. 33° C in Kassel
und weit und breit kein Möllemann. Das Problem aber sind die vielen
Möllemänner in den Köpfen. Es wird ein heißer Sommer.

Medientipps

Mitschnitte der kontroversen Gespräche werden am kommenden Montag
zwischen 19 und 20.00 Uhr im Freien Radio Kassel gesendet.
Wiederholung am kommenden Dienstag zwischen 11 und 12.00 Uhr. 105,8
MHz in Kassel und Umland.

Linkes Portal aus Kassel: www.wurfsache.de

 

20.06.2002
www.wurfsache.de   [Aktuelles zum Thema: Kritik d. Antisemitismus]  Zurück zur Übersicht

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