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Hamburg: "Happy Birthday Deutschland - 10 Jahre nach Rostock Lichtenhagen"

"Happy Birthday Deutschland - 10 Jahre nach Rostock Lichtenhagen"

Auch 2002 hat Deutschland wieder einiges zu feiern. Unüberschaubare Mengen von Feiertagen und Jubiläen tragen zur ideologischen Konstituierung der "Berliner Republik" bei. Länger als die Liste der Feiertage ist freilich die Liste derer denen, das nationale Erwachen seit 1989, das Leben gekostet hat. Es lohnt sich deshalb, das Augenmerk auf Jahrestage zu richten die hierzulande nur allzu gern verdrängt werden - zum Beispiel eine Woche im August 1992. Es war ein Volksfest der ganz besonderen Art mit dem die Deutschen sich und der Welt bewiesen, dass sie nichts, rein gar nichts verlernt haben. Eine Woche lang, vom 22. bis zum 26. August 1992, griffen mehrere hundert junge Rechtsradikale die Flüchtlingsunterkunft und ein von vietnamesischen VertragsarbeiterInnen bewohntes Haus im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen an. Unterstützt wurde der Mob von einigen tausend ganz normalen Deutschen. Man brachte Benzin für die Molotowcocktails, grillte Würstchen zur Versorgung "unserer Jungs"!
, schütze die Nazis und klatschte begeistert bei jedem neuen Versuch die "Fidschis abzufackeln". Auch die anwesende Polizei hatte während des Pogroms alle Hände voll zu tun - aus Hamburg und Berlin anreisende AntifaschistInnen mussten in Vorbeugegewahrsam genommen werden. Der Rest der bundesdeutschen Bevölkerung durfte live am Fernseher, wo zwischen Musikantenstadel & Bundesliga die Features aus Rostock gesendet wurden, �mitfiebern�. Parallel dazu schwafelte Kohl vom �Staatsnotstand�, der durch den �ungezügelten Strom von Asylanten� entstehe. Auch die SPD war am Puls der Zeit. Mit ihren Petersberger-Beschlüssen läutete sie eine "Wende in der Asylpolitik" ein, die schlussendlich - 1993, in der faktischen Streichung des Art. 16 GG endete. Für die Angegriffenen endete der Rostocker Wahnsinn am 26. August, als die MigrantInnen, unter dem Gejohle des deutschen Mobs, von der Polizei weggeschafft werden. Der zuständigen Schweriner Staatsanwaltschaft gelingt es schließlich die Prozesse gegen die Nazis teilweise 10 Jahre zu verschleppen. Wer angeklagt wurde durfte dann auch mit Verständnis rechnen. Bewährungs- und Geldstrafen für live im TV übertragene Mordversuche.....

-THE TRUTH LIES IN ROSTOCK-

Ein britisches Filmteam dokumentierte den Pogrom. Sie waren dabei, als die vietnamesischen Familien mit Kindern, Babys und Schwangeren in Todesangst auf die Dächer aus dem brennenden Haus flüchteten. Acht Monate recherchierten Mark Saunders & Siobhan Cleary danach die Hintergründe der rassistischen Ausschreitungen. Interviews mit den Opfern, verharmlosenden Politikern, teilnahmslosen Polizisten, stolzen Nazis, begeisterten Bürgern und paralysierten Linken. In Großbritannien erreichte der Film über eine halbe Millionen Zuschauer. Er erhielt dort verschiedene Auszeichnungen und wurde breit in der britischen Presse besprochen. Deutschland präsentiert sich, zehn Jahre nach Lichtenhagen, als "selbstbewusste Nation" und wer noch Meldungen über totgeschlagene AusländerInnen oder ins Koma geprügelte Antifas finden will muss sich schon anstrengen. Es gibt wichtigeres zu berichten und letztendlich haben die Deutschen doch mit ihren grandiosen Lichterketten bewiesen, dass sie das alles "ganz schlimm finden" - irgendwie.

Wir zeigen den Film am 28.08. in Anwesenheit von Regisseur Mark Saunders.

The Truth Lies In Rostock - Die Wahrheit liegt/ lügt in Rostock
Dokumentation von Mark Saunders und Siobhan Cleary, 78 Minuten, 1993, GB

GOLDEN PUDEL CLUB, Mittwoch 28. August, 20:30 Uhr

 

07.08.2002
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Antifaschismus]  Zurück zur Übersicht

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