Berlin: Kriegsdienstverweigerer erhält Abschiebeschutz
Nach Abschiebung, Folter und erneuter Flucht:
Kriegsdienstverweigerer aus der Türkei erhält Abschiebeschutz
Der 23jährige kurdische Kriegsdienstverweigerer Mehmet Sait Demir kann in
Deutschland bleiben: Nach einer jahrelangen Odyssee und einer Abschiebung in
türkische Folterzellen wurde ihm nun das Bleiberecht zugesprochen.
Organisationen von Kriegsdienstverweigerern und Asylrechtsgruppen, darunter
Pro Asyl, Connection e. V. und die DFG-VK, hatten sich in den vergangenen
Monaten für den jungen Kurden eingesetzt. Sein Fall zeigt, wie Menschen
durch die derzeitigen Asylregelungen gefährdet sind.
Mehmet Sait Demir war 1995 erstmals nach Deutschland geflohen, weil die
türkischen Behörden ihn im Kampf gegen die PKK einsetzen wollten. In
Deutschland nahm er Kontakt zu antimilitaristischen Gruppen auf; 1998
beteiligte er sich an einer öffentlichen Kriegsdienstverweigerungs-Aktion
vor dem türkischen Konsulat in Frankfurt am Main. Die Türkei bedroht
Kriegsdienstverweigerung mit Haftstrafen.
Dennoch wurde er im November 1998 abgeschoben. Seiner Festnahme am Flughafen
folgte die Übergabe an das Militär, das ihn unter Misshandlungen zur
Ableistung des Kriegsdienstes zwang. Nach der Entlassung aus dem
Militärdienst wurde der Kriegsgegner in Istanbul festgenommen und fünf Tage
lang ohne Anklage im Keller eines Polizeigebäudes festgehalten. Um Angaben
zu anderen Wehrdienstverweigerern zu erhalten, wurde er dabei mehrfach
gefoltert.
Im Jahr 2001 floh Mehmet S. Demir erneut nach Deutschland. Aufgrund seiner
erlittenen Traumatisierungen wird er seither in psychiatrischen
Einrichtungen stationär betreut.
Ein zweites Asylverfahren verlief wiederum negativ: Trotz vorliegender
Atteste über Hautverbrennungen und eine Posttraumatische Belastungsstörung
stritt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge eine
Gefährdung des Kriegsdienstverweigerers ab. Besonders zynisch ist, wie die
Behörde die Glaubwürdigkeit des Kriegsgegners angreifen wollte: Er könne gar
nicht fünf Tage lang ohne Anklage und richterliche Anordnung in Haft gewesen
sein, denn dies "widerspricht der türkischen Strafprozessordnung", so die
Behörde.
"Es ist nun einmal das Markenzeichen von Folterern, dass sie sich nicht
unbedingt an Recht und Gesetz gebunden fühlen", erklärt dazu Erwin
Eisenhardt, Bundessprecher der DFG-VK. Er ergänzt: "Dies könnte sich gerade
auch bei deutschen Beamten herumgesprochen haben."
Der Kriegsdienstverweigerer wurde unter anderem von NN, dem
Vorsitzenden des DFG-VK-Landesverbandes Berlin-Brandenburg, betreut und
unterstützt. Die DFG-VK unterstützte auch den Petitionsantrag, den der
Verein Connection und Pro Asyl nach der erneuten Ablehnung des Asylantrages
im Bundestag einbrachten. Der Petitionsausschuss sprach sich im September
dafür aus, Mehmet S. Demir eine persönliche Anhörung einzuräumen - was die
Asylbehörde zuvor für überflüssig gehalten hatte. Heute erfuhren wir, dass
die alten Bescheide bereits vorige Woche aufgehoben wurden. Der kurdische
Kriegsdienstverweigerer erhält Abschiebeschutz nach § 51 Ausländergesetz
(Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter).
Für Erwin Eisenhardt zeigt dieser Fall erneut, "wie wichtig es ist, den
Asylbehörden auf die Finger zu schauen. Ohne die Intervention von DFG-VK,
Connection e.V. und Pro Asyl wäre wieder ein Kriegsdienstverweigerer seinen
Peinigern ausgeliefert worden."
Die meisten der rund 200 in Deutschland lebenden Kriegsdienstverweigerer aus
der Türkei sind akut von Abschiebung bedroht. Bundessprecher Eisenhardt
erklärt dazu: "Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht. Solange die
Türkei sich weigert, dies anzuerkennen, müssen Kriegsdienstverweigerer Asyl
erhalten!"
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