Berlin: Diskussionstext zur Antikriegsmobilisierung/LLL-Demo
Die Aufteilung in soziale und Antikriegskämpfe überwinden
Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September und dem daraufhin
ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ sieht sich die Welt einer militaristischen
Politik der hoch entwickelten Industriestaaten zur Durchsetzung ihrer neuen
Weltordnung gegenüber. Seitdem wird versucht, mithilfe einer Antikriegsbewegung
dieser neuerlichen Aufteilung der Welt entgegenzutreten. In den vergangenen
Mobilisierungen zeigte sich innerhalb der BRD jedoch, dass die Antikriegsbewegung
über entscheidende Schwächen verfügt, weshalb es kaum möglich erscheint,
dass diese Bewegung es schaffen könnte, erfolgreich gegen diesen Krieg zu
mobilisieren.
Die Zahl der Demonstrierenden ist hierbei eindeutig: Kein einziges Mal
erreichte die neue Antikriegsbewegung auch nur annähernd die Zahl von
Teilnehmenden, die sie Anfang bis Mitte der 80er Jahre gegen den sog.
Nato-Doppelbeschluss auf die Straßen bekam. Und obwohl dies allein schon die derzeitige Schwäche
deutlich macht, kopieren die meist aus dem traditionellen kommunistischen
Spektrum kommenden Vorbereitungskreise ihre Taktik der 80er Jahre. Dabei gibt
es entscheidende Unterschiede, die es angeraten lassen, heute eine neue Taktik
zu entwickeln. So richtete sich der Protest in den 80ern vor allem gegen die
von der CDU getragene Regierungspolitik, der massiv unterstützt wurde von
den aufkommenden Grünen, aber auch von der eigentlich für den Doppelbeschluss
politisch verantwortlichen SPD. Heute jedoch sind diese Parteien diejenigen,
die die politische Entscheidung für die Kriegseinsätze treffen. Folgerichtig
sind die schon damals fragwürdigen Pazifismus-Appelle an die sog. liberale
Öffentlichkeit heute mehr als absurd, denn sie stabilisieren das
Regierungslager, das sich als kleineres Übel, als nicht ganz so reaktionär darstellen kann.
Dies zeigte sich zuletzt bei den Bundestagswahlen. Außerdem wird in den
jetzigen Mobilisierungen nicht berücksichtigt, dass die geopolitische Grundlage
zwischen 1989 und 1991 mit dem Zerfall der Sowjetunion weggebrochen ist.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Antikriegsbewegung auf einem
niedrigen Stand vor sich hindümpelt. Hier bietet sich jedoch eine Chance für die
revolutionäre Linke, wenn diese beginnt, ihre eigentliche Aufgabe
wahrzunehmen. Bisher jedoch mobilisiert auch die revolutionäre Linke fast ausschließlich
mit einer moralischen Verurteilung des Krieges als eines Verbrechens.
Außerdem propagiert ein Teil der antiimperialistischen Linken ein Bündnis nicht nur
mit bürgerlichen Kräften, sondern sogar mit Reaktionären wie dem sog.
politischen Islam. Dass diese Strategie kaum die jetzige Defensive durchbrechen
wird, zeigt ein Blick in die kommunistische Geschichte vom Iran bis zu den
Lagerkriegen im Libanon, bei der dieser politische Islam immer die Linke angriff –
analog übrigens zu den verschiedensten Volks- und Antifaschistischen
Einheitsfronten, bei denen die revolutionäre Linke ebenfalls nur verlor. Um diese
Begrenzung aufzubrechen, ist es notwendig, eine grundsätzliche Kritik dieser
Gesellschaft zu entwickeln, die aufzeigt, dass der Krieg eine Notwendigkeit
dieser Gesellschaft ist. Mit anderen Worten, es muss aufgezeigt werden,
inwieweit die gesellschaftlichen Missstände zusammenhängen. Dass dies möglich ist,
wollen wir anhand weniger argumentativer Schritte aufzeigen.
1.) Als im November 1989 die Mauer in Berlin fiel, bekam der Kapitalismus
nicht nur die Möglichkeit, sich in Gebieten festzusetzen, die ihm Jahrzehnte
lang versagt blieben. Vielmehr war nun die Chance gegeben, eine Kontrolle über
die gesamte Welt auszuüben, ohne dabei durch die Sowjetunion als
Systemkonkurrenten Grenzen gesetzt zu bekommen. Denn obwohl die Sowjetunion schon lange
kein wirklich progressiver Gegenpart zum Kapitalismus war, bot allein schon
ihre Existenz anderen Ländern die Möglichkeit einer vom westlichen
imperialistischen Block unabhängigen oder mindestens nicht vollständig abhängigen
Entwicklung. Von Globalisierung war nun die Rede – ein Begriff, der fälschlich als
etwas Neues aufgenommen wurde, in Wirklichkeit aber nur ein Zurück formulierte
zu dem Zustand der weltweiten kapitalistischen Verwertung, wie sie schon vor
1917 existierte, wenngleich sie noch nicht so umfassend war.
2.) Folglich kam es mit dem Ende der Sowjetunion 1991 auch zu einem Ende der
vom Westen gerne so genannten Stellvertreterkriege wie im Libanon, in
Guatemala und El Salvador, die jedoch der Versuch der Bevölkerungen vor Ort waren,
sich mithilfe der Sowjetunion vom kapitalistischen Einfluss zu befreien.
Gleiches geschah in Afrika, wo Befreiungsbewegungen wie in Ruanda oder
Regierungen wie in Mosambik auf den Westen einschwenkten und schließlich die Macht
übernahmen bzw. prowestliche Guerillaorganisationen den Kampf aufgaben und ein
Friedensabkommen mit den einst sozialistischen Regierungen schlossen. Auch
wurde die Apartheid im Juni 1991 abgeschafft.
In dieser Zeit sprachen viele von einer beginnenden Epoche des Friedens.
Dass dies nicht stimmen konnte, wurde schon beim zweiten Golfkrieg deutlich, der
einzig geführt wurde, um den vom Westen aufgebauten Irak so weit zu
schwächen, dass er keine unabhängige Entwicklung einschlagen konnte. Mit diesem Krieg
wurde zum ersten Mal deutlich, dass der Sieger des Kalten Krieges sich nun
anschickte, sein Diktat weltweit umzusetzen. Gebiete, in denen die Regierungen
sich diesem Diktat nicht beugen wollten, wurden mit von innen geschürten
Kriegen überzogen, so zuerst in Somalia und im ehemaligen Jugoslawien, dann in
Afghanistan, wo schon 1992 die sozialistische Regierung gestürzt wurde und ab
1994 die von den USA gestützten Taliban auftraten. Aber erst die Anschläge
vom 11. September boten die Möglichkeit, die Ziele offen zu formulieren, von
nun an hieß es: „Entweder mit uns oder gegen uns.“
3.) Sprach Kohl 1990 noch vom „Rad der Geschichte“, das „zurückgedreht“
werden sollte, wird nun gern von Reformen gesprochen. Die erste Reform war die
Bundeswehrreform unter Stoltenberg 1992. Nicht mehr ein riesiges, von der
Wehrpflicht abhängiges Heer zur Landesverteidigung gegen Angriffe aus dem Osten
stand nun auf dem Programm, sondern spezialisierte Verbände, die schnell an
jedem Punkt der Welt zuschlagen konnten. Schnelle Einsatzgruppen und
Spezialkräfte wurden gegründet. Danach kamen Reformen des Asylrechts und neue
Sicherheitsgesetze, die eine umfassende Kontrolle garantieren.
Nun sehen wir uns Versuchen gegenüber, den Arbeitsmarkt umzugestalten. Zwölf
Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR wird nun in allen sozialen Bereichen
zum Generalangriff geblasen, um Rechte abzuschaffen, die teilweise schon vor
über 100 Jahren erkämpft wurden. So sprach Schröder in seiner
Regierungserklärung 2002 von Rechten, die vor 50 Jahren oder unter Bismarck noch ihre
Berechtigung hatten, nun aber nicht mehr zeitgemäß seien. Diese Rechte sollen jetzt
mit den als Hartz-Konzept eingereichten Gesetzesvorlagen abgeschafft werden.
Da es keinen Systemkonkurrenten mehr gibt, braucht es auch keine Löhne in der
gewohnten Höhe mehr geben. Gleiches gilt für die Gesundheitsversorgung, die
nach den derzeit diskutierten Vorschlägen vorwiegend selbst bezahlt werden
soll, und den Bildungssektor, wo das sog. Ausbildungswertpapier nur noch Bildung
gemäß dem Geldbeutel vorsieht. Das neue Motto lautet: Wer arm ist, soll
schlecht gebildet sein und auch nicht allzu lang leben. Zur Disposition stehen
nun das Tarifrecht und damit jegliche gewerkschaftliche Organisierung
einschließlich Kündigungsschutz und freie Arbeitswahl. Die Verstärkung des
Militärischen in der Außenpolitik findet ihre Entsprechung nach innen in Form einer
Verschlechterung der Lebensverhältnisse bei einer gleichzeitigen Militarisierung
der Gesellschaft durch die gesteigerte Zulassung privater Sicherheitssysteme
und verschärfter Bespitzelung. Margaret Thatcher dient hierbei als Vorbild
der Umgestaltung.
4.) Gleichzeitig sind Bestrebungen im Gange, den Staatsapparat von lästigen
Begrenzungen zu befreien. So wurde in Italien ein Mehrheitswahlrecht
eingeführt, das eine parlamentarische Opposition kaum noch zulässt. Außerdem hat die
Berlusconi-Regierung mit dem neuen Justizgesetz faktisch die Aufhebung der
sog. Gewaltenteilung erreicht. Auch der Kündigungsschutz wurde unter Berlusconi
aufgehoben, allerdings nicht ohne erhebliche Proteste, die immer noch
anhalten. In der BRD wird diskutiert, ebenfalls das Mehrheitswahlrecht einzuführen
und den Föderalismus einschneidend zu begrenzen.
Ein Karl Liebknecht, der im Parlament Nein sagt, wird damit unmöglich. Da
jede außerparlamentarische Opposition mit den nach dem 11. September erlassenen
Sicherheitsgesetzen zudem schnell als terroristisch verboten werden kann,
nimmt die sog. parlamentarische Demokratie immer offensichtlicher totalitäre
Züge an. Es bleibt schließlich nur noch die Wahl zwischen einer
militaristischen Politik mit der UNO oder ohne sie.
Um diesem Generalangriff Widerstand entgegensetzen zu können, ist es
unerlässlich, ein Netzwerk zu schaffen, das die Zersplitterung in unterschiedlichste
Kleinstgruppen überwindet und zu einer gemeinsamen strategischen Debatte
befähigt. Hierbei ist es notwendig, die Aufteilung in eine Antikriegsbewegung
auf der einen Seite und einer sozialen Bewegung auf der anderen zu überwinden.
Außerdem bietet ein Netzwerk die Möglichkeit, bundesweite Kampagnen zu
verschiedenen Themen zu führen, die durch ihre Ausweitung stärkeres Gewicht
bekommen können.
Auf der diesjährigen LLL-Demo wird wieder zu einem Revolutionären
Antikriegsblock mobilisiert. Dabei bietet sich die Gelegenheit, als revolutionäre Linke
zum ersten Mal so aufzutreten, dass die verschiedenen Teilbereichskämpfe
nicht nur formal verbunden, sondern auch inhaltlich aufeinander bezogen werden.
Dies ist unerlässlich, um zum einen die Antikriegsbewegung aus ihrer
derzeitigen Defensive zu bringen und um zum anderen als Motor einer Entwicklung
wahrgenommen zu werden, die die Radikalisierung und Verbreiterung der bestehenden
Bewegungen zum Inhalt hat. Als gemeinsame Losung schlagen wir das Motto „Der
Hauptfeind steht im eigenen Land – Krieg dem Krieg nach außen und nach innen“
vor, weil mit ihm sowohl die nach innen gerichteten sozialen Angriffe als
auch die international sich häufenden militärischen Interventionen aufgegriffen
werden können. Außerdem halten wir es für notwendig, für die inhaltliche
Bestimmung des entstehenden Netzwerks eine Plattform zu entwickeln, die die
inhaltliche Zusammenführung der Teilbereichskämpfe verkörpert. In ihr sollten
folgende Punkte enthalten sein:
1. Mit der Wende 89 kann der Kapitalismus ohne Einschränkungen durch ein
anderes System existieren, kann eine globale Herrschaft antreten.
2. Der Schritt zur globalen Herrschaft beinhaltet die Absage an alle
erkämpften Rechte des bisherigen politischen Standards, sowohl nach innen wie nach
außen.
3. Nach innen ist dies die Abschaffung des sog. Sozialstaats mit allen
dazugehörigen Elementen wie extreme Lohnsenkung, stärkere ungarantierte Arbeit,
Zwangsarbeit, Abschaffung der freien Wohn- und Arbeitsplatzwahl, rudimentäre
Gesundheitsversorgung, ungesicherte Renten und minimale Ausbildung.
4. Nach außen ist dies der Griff der hoch entwickelten Staaten nach
sämtlichen Ressourcen, die Eindämmung bis Vernichtung potenzieller Gegner.
5. Der Griff nach der globalen Herrschaft beinhaltet auch eine totalitäre
staatliche Herrschaft, verbunden mit einer verstärkten Repression gegen
jegliche systemkritische Opposition, einhergehend mit einer gesteigerten
restriktiven Migrationspolitik.
6. Eine Zusammenführung der verschiedenen Teilbereiche kann die
revolutionäre Linke wie die Antikriegsbewegung insgesamt aus ihrer derzeitigen Defensive
führen.
7. Ein Netzwerk der verschiedenen Kleinstgruppen ermöglicht hierbei die
Entwicklung einer breiteren strategischen Debatte.
Krieg dem Krieg nach außen und innen!
Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
Für den Kommunismus!
Rote Aktion Berlin
November 2002
Die Rote Aktion Berlin ist zu erreichen unter: rote-aktion-berlin@gmx.de
Die Homepage des Revolutionären Antikriegsblocks findet sich unter:
www.geocities.com/LLLDemo
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