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München: NATO-Sicherheitskonferenz: "Spagat" zwischen Krieg und Sektempfang

Münchner "Spagat" - zwischen Krieg und Sektempfang
Nun ist es gewiss, parallel zur internationalen Großdemonstration gegen die
NATO-Sicherheitskonferenz - 8. Februar um 12 Uhr auf dem Münchner Marienplatz -
lädt die SPD-Spitze der bayerischen Gewerkschaften zum Protest gegen den
Irak-Krieg ein. Wenigstens auf der DGB-Kundgebung soll verhindert werden, dass
die Teilnehmer der Konferenz und die rot-grüne Bundesregierung "diffamiert
werden", so SPD-Chef Maget.
Die Doppelzüngigkeit rot-grüner Regierungspolitik, die sich einerseits u.a. aus
wahltaktischen Erwägungen gegen diesen Krieg ausspricht und andererseits den
amerikanischen Streitkräften den Rücken freihält, findet auch in München seine
Entsprechung. Am Freitag Abend werden die angereisten Kriegstreiber durch die
rot-grüne Stadtspitze, in Person des Münchner OB Ude (SPD) und seines 2.
Bürgermeisters Monatzeder (Grüne), zum Sektempfang geladen. Anderntags gehen
beide in trauter Eintracht zur DGB-Kundgebung, um gegen den Irak-Krieg zu
demonstrieren, ausdrücklich nicht gegen die NATO-Tagung. Als ob Beiden nicht
bewusst wäre, dass explizit dort von der angereisten US-Prominenz die
Kriegstrommel für den Irak-Krieg gerührt wird. Nicht peinlich genug geben sie
auch noch vor "den Amis ins Gewissen reden" zu wollen - größenwahnsinnige
Kommunalpolitiker oder öffentliche Blender? Der US-Delegation werden sie im
besten Fall ein müdes Lächeln entlocken.
Nun gut, genug der punktuellen Polemik, worum es eigentlich geht ist zu
verdeutlichen, dass sowohl die Bundesregierung als auch die Münchner Stadtspitze
versuchen mit ihrer Friedensrhethorik die Friedensbewegung zu spalten und in die
Irre zu führen.

Friedensrhethorik in Zeiten permanenten Krieges
Nachdem Fischer und Schröder im Vorfeld der Bundestagswahlen eine deutsche
Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak verneint haben, mutierte die deutsche
Bundesregierung für viele zur größten "Friedensmacht" der Welt. Der Versuch
Schröders, sich zum Friedenskanzler wählen zu lassen ist aufgegangen und Joschka
träumt wahrscheinlich bereits vom Friedensnobelpreis. Jedoch - weder mit dem
Respekt vor dem Völkerrecht noch vor den Menschenrechten, läßt sich die deutsche
Zurückhaltung gegenüber dem geplanten Krieg erklären, sondern mit dem deutschen
Sonderweg im Kampf um Einfluss in der Region. Im Gegensatz zu der US-Strategie
des militärischen Drucks und wirtschaftlichen Embargos hat sich die BRD zum
bevorzugten Handelspartner Iraks gemausert. Das deutsche Kapital profitiert als
Exporteur von einer Situation, in der sich die US-Konkurrenz selbst
ausgeschaltet hat.

Selbst Teile der deutschen Friedensbewegung lassen sich vom Prinzip Hoffnung
treiben und gehen auf die Straße, um die Position von rot-grün zu stärken.
Selbst wer sich ausschließlich gegen den Irak-Krieg positioniert, sollte endlich
die Scheuklappen ablegen und der Realität ins Auge schauen. Eine annähernd
glaubwürdige Haltung gegen diesen Krieg müsste zumindest beinhalten, dass die
BRD nicht genauso wie 1991 die Drehscheibe für Aufmarsch, Nachschub und
Versorgung der Kriegstruppen am Persischen Golf ist. Von Bündnisverpflichtungen
wird lamentiert und gleichzeitig eine aktive Beteiligung Schritt für Schritt
ausgeweitet: So beteiligen sich deutsche Soldaten in AWACS-Flugzeugen und
ABC-Spürpanzern an militärischen Handlungen im Grenzgebiet zum Irak, die
UN-Inspekteure werden mit unbemannten Aufklärungsflugzeugen unterstützt und
verletzte US-Soldaten sollen mit deutschen Ambulanz-Flugzeugen ausgeflogen werden.

Zudem - durch die Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan, die Präsenz
auf dem Balkan und am Horn von Afrika entlastet Deutschland den
US-Militäraufmarsch am Golf. Mittlerweile werden auch rund 95 Objekte der
amerikanischen Streitkräfte in Deutschland von 7 000 Bundeswehrsoldaten gegen
mögliche Terroranschläge gesichert.

Die Doppelzüngigkeit deutscher Friedensrhetorik entlarvt sich auch wenn
Verteidigungsminister Struck deutsche Interessen am Hindukusch verteidigen will.
Als primäre Aufgabe der Bundeswehr wird nicht mehr die Landesverteidigung
angesehen, sondern der Kriegseinsatz ,,weit von deutschen Grenzen" entfernt. Es
bleibt zu befürchten, das die neuen Verteidigunspolitischen Richtlinien, die
dieses Jahr verabschiedet werden, den Auftrag der deutschen Armee um das
aggressive Moment von Präventivkriegen erweitern werden. - Mit der Umschreibung
der Verteidigungspolitischen Richtlinien wird die rot-grüne Politik des
permanenten Krieges munter fortgesetzt. Das hehre Versprechen, dass von
deutschem Boden nie wieder ein Angriffskrieg ausgehen darf, wandert auf den
Müllhaufen der Geschichte!

"Kerneuropa" als Sprungbrett Deutschen Großmachtstrebens
Zusammen mit Frankreich nutzt Deutschland den Irak-Konflikt, um sich gegen die
Vereinigten Staaten zu profilieren und ihre gemeinsame außenpolitische Position
in der Europäischen Union durchzusetzen. Das "Nein" im Einzelfall des Irak steht
für ein künftiges "Ja" zu einer Kriegspolitik, die aus dem Schatten
kostspieliger internationaler Verpflichtungen, wie nach dem Golfkrieg 1991 oder
in Afghanistan, heraustreten will. Wie jede andere imperiale Macht auch, streben
die Europäer an, ihre militärische Ausgaben mit zu erwartenden Gewinnen nach
gewonnenen Kriegen gegenzufinanzieren.

Spätestens seit Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands
sind die Bestrebungen, das wirtschaftliche und politische Gewicht Europas auch
militärisch abzusichern, mit atemberaubender Geschwindigkeit vorangeschritten.
Das konkrete Projekt der Europäischen Union dafür ist die Schaffung einer
eigenständigen europäischen Streitmacht, der sogenannten "Schnellen
Eingreiftruppe". Langfristig gesehen geht es darum, die weltweiten Interessen
der EU, notfalls in Konfrontation mit den USA, durchzusetzen. Die verbalen
innerimperialistischen Konflikte entlang des Irak-Krieges deuten bereits an,
dass Europa nicht länger gewillt ist, sich den amerikanischen Vorstellungen
einer "Neuen Weltordnung" zu unterwerfen.

Nach dem Ende der bipolaren Weltordnung verschärfen sich die innerimperialen
Auseinandersetzungen zunehmend. Die momentane Konfrontation zwischen
"Kerneuropa" und den USA ist der Beginn eines Machtkampfes um die Durchsetzung
eigener Interessen zwischen den verschiedenen Kapitalfraktionen. Es wäre ein
Trugschluss zu glauben, die EU wandele sich zu einer sogenannten "Zivilmacht".
Worum es den Europäern im Irak und auch in der gesamten Region wirklich geht ist
festgeschrieben in der "Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik":
Sicherung von Rohstoffinteressen, freier Marktzugang für europäische Waren- und
Dienstleistungen und geostrategische europäische Interessenswahrung.

Ein Krieg wird aller Voraussicht nach den Ölpreis gewaltig in die Höhe schnellen
lassen. Europa importiert 40 % seines Erdöls aus der Region, die USA hingegen
lediglich 10 %. Das hätte zur Folge, dass die europäischen Waren auf dem
Weltmarkt nicht mehr mit den amerikanischen konkurrenzfähig wären. Zudem würden
die USA die Kontrolle der gesamten Region und damit über die von ihrem
wichtigsten wirtschaftlichen Konkurrenten benötigten Ressourcen übernehmen.
Derartige Zusammenhänge, nicht der angebliche Respekt vor dem Völkerrecht,
dürften die deutsche und französische Zurückhaltung gegenüber dem geplanten
Krieg erklären.

Rot-grüne Doppelzüngigkeit
Eine der zentralen Aufgaben der Antikriegsbewegung muss momentan sein, die
Doppelzüngigkeit deutscher Außenpolitik zu entlarven. Es kann nicht angehen,
dass einer Regierung, welche die Umstrukturierung ihrer Streitkräfte für
weltweite Kriegseinsätze stetig vorantreibt und bei einem ihr nicht genehmen
Krieg sich aus taktischen Bewegründen das "Friedensmäntelchen" umhängt, auch
noch der Rücken gestärkt wird. Das heißt jetzt nicht friedensbewegten Menschen,
die der Heuchelei von rot-grün auf den Leim gegangen sind, verbal zu verteufeln,
sondern sie mit Argumenten davon zu überzeugen, dass sie in die Irre geführt
werden sollen. Es braucht eine breite Antikriegsbewegung, um gegen den
permanenten krieg nach innen und außen zu agieren, das kann jedoch nichts mit
Beliebigkeit zu tun haben. FunktionsträgerInnen der Regierungsparteien haben auf
unseren Demos nichts zu suchen!

Pressegruppe - Bündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz

 

28.01.2003
Pressegruppe - Bündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz   [Aktuelles zum Thema: Antimilitarismus]  [Schwerpunkt: Wipe out WEF and Nato!]  Zurück zur Übersicht

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