Antwort auf die Antwort | Vorwurf des Bellizismus bei der jungle-world
OFFENER BRIEF
Lieber Ivo Bozic,
Mit leichter Verwunderung habe ich Deinen, auf Nadir veröffentlichten Text zur Debatte rund um die "Jungle World" gelesen. Du gibst darin an,(auch) auf mich zu antworten - daneben auch auf Robert Kurz. Allerdings zitierst Du meinen, zuvor in "Analyse und Kritik" publizierten Text an keiner Stelle, um zu sagen, wo ich konkret falsch liegen würde.
Ein wenig Verwunderung lege ich deswegen an den Tag, weil ich eigentlich den allergrößten Teil dessen vollkommen unterschreiben kann, was Du als Deine Position und als jene der Wochenzeitung "Jungle World" ausgibst. Insbesondere gilt das für folgende Anliegen : Man müsse die Situation vom Standpunkt der Menschen im Irak her bewerten; man dürfe nicht Bevölkerung und diktatorisches Regime gleichsetzen; man müsse
die irakische Opposition anhören... An diesen
Punkten können also eigentlich die vorhandenen politischen Differenzen nicht begründet liegen. Und wenn sie vielleicht doch andeswo lägen? Und
beispielsweise die Positionen beträfen, die
manche - ich gestehe Dir gerne zu: nicht alle! - Autoren und Autorinnen der "Jungle World" gegenüber der US-Führung und dem drohenden Krieg einnehmen?
Was den Punkt "die irakische Opposition hören" betrifft, möchte ich übrigens gern noch auf folgendes Detail hinweisen: Du gibst an, dass die irakische Linke in der Wochenzeitung zu Wort gekommen sei. Das ist richtig, aber ich möchte
zurückfragen, wer eigentlich die Initiative zu dem Interview mit einem (in Paris lebenden)
Sprecher der irakischen KP ergriffen, es der 'Jungle' angeboten, und es letztendlich geführt hat? Mein Gespräch mit Raid Fahmi ist u.a. in "Jungle World" 44/2002 vom 23. Oktober 2002 abgedruckt, sowie (in einer längeren Fassung) in "Analyse und Kritik" vom darauf folgenden Monat. Daher fände ich es zumindest fair, wenn nicht meine eige nen Positionen und Handlungen gegen meine Kritik an bestimmten Tendenzen bei "Jungle World" - wie ich sie vor einiger Zeit nun schriftlich formuliert habe - gegen mich als Argument angeführt würden. Damit erhebe ich selbstverständlich keinen Exklusivanspruch - ich denke, dass mein positiver Bezug auf die irakische Linke auch im Umfeld der "Jungle World" noch von anderen Personen geteilt wird.
Das gilt aber nicht in gleicher Weise für die patentierten "Chefideolog en" der Wochenzeitung in Sachen Naher und Mittlerer Osten, die in nahezu jeder Ausgabe der "Jungle World" zu Wort kommen. Und die dort ihre groben weltpolitischen
Schemata ungehindert ausbreiten können, denen zufolge (ich spitze die Argumentation nur unwesentlich zu) die USA im Kampf gegen einen neuen Hitler stehen und darin tendenziell Unterstützung verdienen. Auf die irakische Linke können die beiden sich dabei aber kaum berufen.
Mal konkret: Thomas von der Osten-Sacken und Thomas Uwer halten sich zwar immer gern zugute, angeblich die Sprachrohre der irakischen Opposition an und für sich zu sein, haben aber gleichzeitig mit der irakischen KP überhaupt garnichts am Hut. Das möchte ich an zwei Beispielen belegen.
Beispiel Nr. 1 : In der Ausgabe Nr. 49/2001 der "Jungle World" vom 28.November 2001 (unter dem Titel "Frieden für Saddam") buttern die beiden Autoren die irakische KP mit folgendem Satz runter - Originalzitat : " Ausgerechnet die
Kommunistische Partei des Irak (ICP), die in einer vollständigen politischen Paralyse versunken war, weil sie sich zugleich gegen Saddam Hussein und die USA aussprach, sieht jetzt in einem Militärschlag die Möglichkeit, den Irak von der Diktatur zu befreien." Das heißt doch: Bisher waren die so blöd und haben sich selbst gelähmt ("paralysiert"), weil sie sowohl gegen Bushs Administration und ihre Kriegspläne, als auch gegen das Regime in Bagdad waren - jetzt aber haben sie's ("ausgerechnet die"...) endlich begriffen. Dabei haben die Autoren übrigens auch noch die Position der Partei verfälscht, denn prompt stand eine Woche später das glasklare Dementi der irakischen KP in der Zeitung. Denn in
der Ausgabe Nr. 50/2001 vom 05. Dezember 2001 ist im "Kreuzworträtsel" (der Rubrik für Richtigstellungen) folgende Richtigstellung zu lesen: "In Anbetracht des Artikels 'Frieden für Saddam' stellt die ICP fest, dass sie sich nachdrücklich gegen einen militärischen Vergeltungsschlag der USA ausspricht"...
Beispiel Nr. 2 : In der Ausgabe 25. Dezember 2002 jubeln die beiden Autorenauf einer vollen Seite die Londoner Konferenz hoch, die sie als Signal
für "Befreiung" werten. Was sie nicht schreiben,
aber in der internationalen Presse häufig zu lesen stand, ist, dass diese Konferenz maßgeblich von dem US-Staatsbürger afghanischer Herkunft S. Khalilzyad organisiert worden ist. Khalilzyad war der Kontaktmann zwischen der US-Administration und den Taliban und jahrelanger Propagandist des Taliban-Regimes (das er nur in positiven Zügen darstellte!), bis es im Frühjahr 2001 zu einer drastischen Abkühlung des Verhältnisses zwischen Washington und den Taliban kam. Nach dem 11 .September 2001 war er dann wiederum einer der Protagonisten beim Herrschaftswechsel in Kabul. (Wie verblendet muss man eigentlich sein, um sich von Mitarbeitern der US-Administration "Befreiung" zu erwarten, die 5 Jahre lang auf die Taliban gesetzt haben?). Kurz und gut: Die beiden Autoren belobhudeln auf einer vollen Seite die Londoner Konferenz. Ganz am Ende kommt (am Ende der 4. Spalte von fünfen) ein ganz kurzer Absatz, in dem darauf hingewiesen wird, dass die irakische KP die Konferenz rundaus abgelehnt habe, aufgrund ihres "Misstrauens gegenüber den USA" und wegen der "Kriegsgefahr". Mehr als diese paar dürren Worte kommt dazu nicht - das hätte ja vielleicht gerade in dem Text mehr Diskussion verdient gehabt! Die fraglichen Autoren wissen damit aber sehr genau, dass das, was sie verbreiten, keineswegs im Einklang mit der Politik der irakischen KP und anderer irakischen Linken steht! Dann sollte man das aber auch sagen, und hinzusetzen, warum man allenfalls auf ganz bestimmte (stärker mit der US-Führung verbundene), andere Teile des irakischen Exils setzt.
Übrigens ist es auf Seiten der irakischen Opposition nicht allein die KP, die einen Krieg seitens der USA ablehnt und gleichzeitig scharf gegen die herrschende Diktatur opponiert. In Frankreich beispielsweise findet das "Forum democratique irakien" glasklare Worte über das Regime und die Notwendigkeit seines politischen Sturzes sowie einer Demokratie im Irak, nimmt aber gleichzeitig scharf gegen die Kriegspläne der USA und gegen den Imperialismus (ja, die benutzen dieses Wort...) Stellung. Auch andere Strömungen, die aus der irakischen Linken stammen (etwa frühere Angeh örige der verkürzt
als "maoistisch" bezeichnet KP-Abspaltung aus den Siebziger Jahren, oder irakische Trotzkisten) treten klar gegen die Perspektive eines Krieges ein.
Daher scheint mir hinter dem Wunsch gewisser
Autoren, dem herannahenden Krieg unbedingt Positives abzugewinnen, eher ihr eigenes Bestreben (nach Annäherung an eine Befürwortung der herrschenden Weltordnung) denn die unbedingte
Solidarität mit der irakischen Opposition zu stehen. Ich denke dabei etwa auch an den Text von Deniz Yücel, der im Herbst 2002 (Jungle World 44/2002,23.10.2002) behauptet hat, die Anti-Kriegs-Demonstrationen in den USA bewiesen
hauptsächlich nur Eines, nämlich dass die USA eine "funktionierende bürgerliche Gesellschaft" seien, frei nach dem Motto : Immerhin darf dort ja jeder Idiot auf eine Kiste steigen und Reden halten. (Zu diesem Unfug hat im Übrigen Tobias Rapp in seiner Entgegnung, zwei Ausgaben später, schon alles Notwendige gesagt.) Aber Deniz Yücel ist immerhin Redakteur der Zeitung. Die Frage, die sich mir stellt: Was bedeutet eigentlich diese Sehnsucht nach "funktionierender bürgerlicher Gesellschaft"?? Ist da vielleicht einer dort angekommen, wo er hinwill, nämlich bei der nunmehr erfolgten Identifikation mit der
herrschenden Ordnung - nur auf dem Umweg über die USA, weil's ihm in der BRD zu peinlich oder zu spießig oder ein zu normal-banaler Anpassungstrip wäre???
Noch zu einem anderen Punkt Deiner Kritik. Du schreibst, ich habe meine Kritik an - un-repräsentativen, wenn ich Dir folgen darf - Äußerungen "eines einzelnen Referenten" auf dem Kongress der "Jungle World" im September 2002
festgemacht. Das stimmt nicht, sondern ich habe mir den gesamten Kongressreader vorgenommen, und Kritik an den Beiträgen mehrerer Autoren sowie an der äußerst tendenziösen Gesamt-Präsentation geübt.
Und noch eine Sache dazu: Sag' mir doch bitte, wie die 'Jungle World' reagiert hätte, wenn eine andere linke Zeitung einen Reader verlegt hätte, in dem solche Dinge vorkommen wie die Gleichsetzung von "Saddam, Hitler, Stalin und
Dschingis Khan" (S. 19 des Readers)? (...Es fehlt nur noch Attila der Hunnenkönig. Das bedeutet für mich : "Auschwitz ist eine asiatische Tat"
Natürlich hat den Autor bei dieser Aussage nicht Antisemitismus geleitet, sondern der unbedingte Wille, die "westliche Zivilisation" gegen
die "asiatische Barbarei" zu verteidigen - vielleicht, weil er so Israels Rolle in
"barbarischer" Umgebung interpretiert. Und schließlich verteidigt Yoram Kaniuk ja auch "die deutsche Demokratie", nämlich gegen die grüne Partei, sofern sie gegen den Golfkrieg demonstriert - siehe S. 9 des Readers.) Oder wenn bei einer anderen linken Zeitung biologistisch begründete Vergleiche aufstellt würden("Die Natur lehrt uns, dass Grühn und Braun nah beieinander liegen", S. 9 des Readers?) Die hämischen Kommentare in "Jungle World" in einem solchen Fall lassen sich leicht ausmalen.
Ein letzter Punkt: Ferner verweist Du darauf, dass ja nicht nur 'Jungle World' den Kongress im September veranstaltet habe, sondern auch die iz3w-Redaktion. Einmal mehr rennst Du dabei
offene Türen ein. Du kannst den Kongressbericht
nachlesen, den ich kurz nach der Veranstaltung
in 'Analyse und Kritik' (ak) verfasst hatte - da
steht explizit, dass iz3w und MEMRI die
Mitveranstalter gewesen seien. Den LeserInnen
meines später erschienenen 'ak'-Artikels zur
'Jungle World'-Kritik war das somit bekannt.
Mit freundlichen Grüßen, Und in der Hoffnung, dass Du inhaltliche Kritik nicht als persönliche Angriffe auffasst,
Bernard Schmid
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