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Wir sind nicht der Mittelpunkt der Welt!

      Wir sind nicht der Mittelpunkt der Welt

„Regime change begins at home!“
Slogan von Teilen der US-amerikanischen Anti-Kriegsbewegung

Wir gehen in Hamburg seit Wochen aus verschiedenen Anl?ssen auf die
Strasse und sind im Lauf der Zeit immer mehr bei unseren Demonstrationen
und Aktionen geworden, so viele wie lange nicht mehr. Nachdem im Sommer
der Protest gegen die Politik des Schwarz-Schill-Senats, die im
wesentlichen doch nur durchzieht, was Rot-Gr?n vorgedacht und in Teilen
schon begonnen hatte, schon abgeflaut zu sein schien, kam seit der
R?umung des Bambule-Bauwagenplatzes im November wieder mehr in Bewegung.
Das Kalk?l des Senats, den Unmut, der sich in der Folge auch wieder
gegen die Vertreibung von Obdachlosen, DrogenuserInnen, Menschen aus
afrikanischen L?ndern, die K?rzungen in allen Bereichen der sozialen
Arbeit, Kita-Card, Schul- und Hochschulpolitik und vieles anderes
richtete, durch brutales und repressives Verhalten von Polizei und
Verhalten beenden zu k?nnen, ging nicht auf, im Gegenteil: er wurde
st?rker und fand schlie?lich seinen Ausdruck in der Parole „Die
Regierung st?rzen!“, womit zun?chst einmal der Hamburger Senat gemeint
ist. Wichtig ist uns dabei, dass die Entwicklung in Hamburg ?hnlich
verl?uft wie in vielen anderen (europ?ischen) Gro?st?dten und nicht
allein dasteht.
 

Nun weitet sich der Blick angesichts des Krieges gegen den Irak in
Richtung internationale Politik. Wir m?chten mit diesem Text einen
Beitrag zu Analyse der momentanen Situation leisten, um die notwendige
Verbindung der Aktionen gegen die Regierenden in dieser Stadt zu dem
Widerstand gegen die strukturelle Politik der Ausbeutung und des Krieges
herzustellen und zu begr?nden.
„Die Regierung st?rzen“ ist also unsere Sache, nicht aber z.B. die des
Iraks an der Seite kapitalistischer L?nder und nicht f?r mehr Profit und
Ausbeutung. Dabei wenden wir uns jedoch gegen einen platten
Anti-Amerikanismus. Es geht uns unter anderem um die Entwicklung von
Widerstand gegen die Politik der US-amerikanischen Regierung.
Zuerst werden wir Ausschnitte aus dem geschichtlichen Hintergrund
darstellen, dann die Handlungsmotive und Interessen der verschiedenen
kapitalistischen (staatlichen) Interessengruppen untersuchen und
schlie?lich unter dem Motto von Teilen der US-amerikanischen
Anti-Kriegsbewegung „Regime change begins at home!“ den Faden der
Einleitung wieder aufnehmen.

„The unfinished war“
Die Geschichte der Irak-Kriege

Der Irak war sp?testens mit der Macht?bernahme Saddam Husseins (1979)
bis 1990 ein Verb?ndeter und guter Handelspartner, sowohl der USA als
auch der europ?ischen Staaten. 1979 brach das von den USA unterst?tzte
Schah-Regime im Iran zusammen. Die USA verloren damit einen ihrer
bedeutendsten und hochger?stetsten Br?ckenk?pfe in der gesamten
Golfregion.
Am 22.9.1980 marschierten irakische Truppen im Iran ein. Die irakische
Regierung verfolgte damit gleich mehrere Ziele: einmal wollte sie sich
einen offenen Zugang zum Meer sichern, um so bessere Handels- und
milit?rstrategische M?glichkeiten zu haben.
Au?erdem versuchte der Irak, die Kontrolle ?ber wichtige Erd?lfelder des
Iran zu erlangen. Wenn der Irak dieses Gebiet erobert h?tte, w?re er zum
wichtigsten Erd?lexporteur der Welt aufgestiegen.
Der Krieg des Irak gegen den Iran lag im Interesse der USA. Bereits seit
dem 2. Weltkrieg betrachteten die USA den Nahen Osten als ihr
„nat?rliches Einflussgebiet“, in dem ihre nationalen
Sicherheitsinteressen verteidigt werden m?ssten.
Von den USA und ihren Verb?ndeten wurden in diesem ersten Golfkrieg
beide Kriegsparteien unterst?tzt, um das Kr?ftegleichgewicht zwischen
dem Irak und dem Iran  aufrechtzuerhalten. Das dahinter liegende
politische Ziel war, dass kein Land in der Region in der Lage sein
sollte, ?lf?rderung und ?lpreis zu bestimmen. F?r die USA und ihre
Verb?ndeten war der erste Golfkrieg ausgesprochen profitabel. Schon in
den ersten 5 Jahren lagen die Ums?tze f?r das gelieferte Kriegsmaterial
bei 340 Milliarden Euro.
Insgesamt 28 Staaten, neben den USA auch Gro?britannien, Frankreich, BRD
und Israel, versorgten die beiden Kriegsparteien mit Waffen und
verl?ngerten den Krieg damit bewusst. Von den Folgekosten wollte am Ende
niemand mehr etwas wissen. Im Gegenteil, Kuwait forderte seine
Kriegskredite vom Irak zur?ck. Gleichzeitig erh?hten die Kuwaitis
eigenm?chtig die mit der OPEC vereinbarte F?rderquote, was den
Erd?lpreis rapide sinken lie?. Der Irak geriet noch tiefer in die
?konomische Krise.
Am 2. August 1990 marschierten irakische Truppen nach Kuwait ein. Dieser
?bergriff auf ein milit?risch v?llig unterlegenes Nachbarland wurde
weltweit verurteilt und bot der US-Politik den gefundenen Anlass, einen
Krieg gegen den Irak zu beginnen.
Im Januar 1991 begannen britische, US-amerikanische und franz?sische
Kampfflugzeuge mit den Luftangriffen auf den Irak. Ganz unverhohlen
wurde bereits damals von US-Pr?sident Bush senior deutlich gemacht, dass
dieser Krieg nicht allein dem Diktator Hussein oder der Besetzung
Kuwaits gilt, sondern auch schlicht ?konomische und strategische
Interessen der USA befriedigen soll. Die nun folgende systematische
Zerst?rung der zivilen Infrastruktur des Landes und die daraus
folgenden, katastrophalen Lebensbedingungen sollten die irakische
Bev?lkerung in Verzweiflung st?rzen und das Regime Husseins von innen
schw?chen. Nach der milit?rischen Kapitulation der irakischen F?hrung
w?ren die US-Alliierten in der Lage gewesen, das irakische Regime zu
beseitigen. Sie unterlie?en dies u.a. da sich keine in ihrem Sinn
zuverl?ssige Alternative f?r ein in US-amerikanischem Interesse
handelndes Regime bot.
Nach dem offiziellen Ende des zweiten Golfkrieges im Februar 1992 wurde
der Krieg gegen den Irak milit?risch mit „niedriger Intensit?t“ und
?konomisch mittels scharfer Sanktionen weitergef?hrt:
Im Norden und S?den des Landes wurden zwei Flugverbotszonen (Zonen, die
von irakischen Flugzeugen nicht ?berflogen werden d?rfen) in der Gr??e
von insgesamt ca. 2/3 des gesamten irakischen Territoriums errichtet.
Kontrolliert wurden diese Zonen durch US-amerikanische und britische,
bis 1996 auch durch franz?sische Jagdflugzeuge, die in Saudi-Arabien,
Kuwait, T?rkei oder auf Flugzeugtr?gern im Golf stationiert waren.
Der Konflikt um die Flugverbotszonen glich einer permanenten
Angriffsdrohung und Angriffe auf Ziele innerhalb der Flugverbotszonen
waren Alltag im Irak. Anlass und Begr?ndung dieser als „Strafaktionen“
bezeichneten Bombardierungen waren z. B. „Herausforderung“ alliierter
Flugzeuge, Beschuss von Kontrollflugzeugen oder auch nur die „zunehmende
F?higkeit des Irak, Kontrollflugzeuge erfassen zu k?nnen und
m?glicherweise auch beschie?en zu k?nnen.“ Dabei wurden vermehrt auch
zivile Ziele innerhalb der Flugverbotszonen getroffen.
 
 

Worum geht es den USA im Krieg gegen den Irak?

Dieser Krieg wird nicht allein wegen ?l gef?hrt.
Warum werden kapitalistische Kriege ?berhaupt gef?hrt? Ganz
grunds?tzlich w?rden wir sagen, zur Aufrechterhaltung und Ausdehnung von
Macht und aus wirtschaftlichen Gr?nden. Das kapitalistische System kann
nicht anders funktionieren, als in st?ndiger Ausdehnung seiner M?rkte.
Ein Hintergrund f?r die gegenw?rtige Kriegspolitik der USA ist ihr
eigener ?konomischer Niedergang. So wie alle anderen kapitalistischen
Staaten auch, sind die USA Teil der gesamten Weltwirtschaft und
innerhalb derer stagniert gerade die ?konomische Entwicklung. Die USA
selbst haben eine sehr hohe Auslandsverschuldung und ein gro?es
Au?enhandelsdefizit. 2,7 Billionen Dollar schulden die USA dem Rest der
Welt, dies entspricht mehr als einem Viertel des Bruttosozialprodukts.
Um diese Schulden zu finanzieren, ben?tigen die USA einen Kapitalzustrom
von au?en. Die USA k?nnen diesen Kapitalzustrom anziehen, weil der
Dollar wichtigste internationale Reservew?hrung ist. Mehr als vier
F?nftel aller Devisentransaktionen, die H?lfte aller weltweiten Exporte
und ca. zwei Drittel aller offiziellen W?hrungsreserven werden in Dollar
gehalten. Doch seit der Einf?hrung des Euro hat der Dollar eine
ernstzunehmende Konkurrenz bekommen. Saudi-Arabien hat in Erw?gung
gezogen, sein ?l k?nftig in Euro abzurechnen. Diese Ver?nderung der
W?hrungsgrundlage auf dem ?lexportmarkt h?tte katastrophale Folgen f?r
die US-Wirtschaft. Es k?me zu einem Kursverfall des Dollars, die
Position der USA auf den internationalen Finanzm?rkte w?rde geschw?cht
werden. Wenn die USA im Irak die irakischen ?lvorr?te kontrollieren,
k?nnen sie einen Wechsel der W?hrung in den OPEC-Staaten verhindern.
Ein weiteres Ziel, welches die USA mit der Kontrolle ?ber die irakischen
?lvorr?te verfolgen, ist ein niedriger ?lpreis. In der von Dick Cheney
verfassten Nationalen Energiepolitik hei?t es: „Steigende ?lpreise
wirken wie eine Steuer durch ausl?ndische ?lexporteure. Sich ?ndernde
Energiepreise verursachen ?konomische Kosten. Diese Kosten k?nnen
letztlich das ?konomische Wachstum beeintr?chtigen.“ Laut IWF w?rde eine
langfristige Erh?hung des ?lpreises um 5 Dollar pro Barrel das
US-Wirtschaftswachstum um 0,4 % senken. Ein billiger ?lpreis ist
zwingend f?r eine florierende US-Wirtschaft. Die USA wollen ein Regime
im Irak errichten, das die Wirtschaftsinteressen der USA erf?llt. So
lie? Washington bereits vernehmen, dass die Regierung des neuen Irak den
USA und Gro?britannien die Kosten ihres Krieges aus ihren ?lreserven
ersetzen wird.

Der Krieg gegen den Irak ist ein Pr?zedenzfall f?r das Vorgehen gegen
weitere L?nder, wie die sogenannte „Achse des B?sen.“ Kriege und
Milit?rschl?ge im Rahmen eines langwierigen „Kampfes gegen den Terror“
sollen international in den Gesellschaften und K?pfen der Menschen als
„normaler“ Bestandteil imperialer Politik durchgesetzt werden.
Das, was heute als Bush-Doktrin bezeichnet wird, ist keine neue durch
die Attentate vom 11. September geschaffene Strategie. Sie wurde bereits
beim ?berfall auf Grenada 1983, auf Libyen 1986 und Panama 1989
praktiziert. Die Idee aber, sie als offizielle Milit?rstrategie
festzuschreiben, stammt von Paul Wolfowitz und Zalmay Khalizad, der eine
heute stellvertretender Verteidigungsminister, der andere Beauftragter
der USA f?r Irakfragen. Den Auftrag dazu erhielten sie vom damaligen
Verteidigungsminister Dick Cheney im letzten Amtsjahr von George Bush
sen. Laut der 1992 verfassten Defense Planning Guidance (DPG) ist das
wichtigste Ziel der US-Au?enpolitik, dass die USA jegliche Macht daran
hindern, eine Region zu beherrschen, deren Ressourcen ausreichen w?rden,
eine neue Gro?macht zu werden. „Die USA ben?tigen milit?rische
Machtmittel, um jede konkurrierende Macht abzuschrecken, jemals davon zu
tr?umen, dass man uns auf der globalen Ebene herausfordern k?nnte.“
Die Anschl?ge vom 11. September wurden dann dazu genutzt, um die
Vorstellungen von der US-Hegemonie in Form der Bush-Doktrin
zusammenzufassen und mit der am 20. September ver?ffentlichten
„Nationalen Sicherheitsstrategie“ (NSS) zur offiziellen
Regierungspolitik zu erheben. Als vorrangige Aufgabe wird die F?hrung
von Pr?ventivkriegen zur Erhaltung der US-F?hrungsposition und der
„niederschwellige Einsatz“ von Atomwaffen gesehen. Das ?bergreifende
Ziel dieser Strategie ist nicht die Verhinderung der Verbreitung von
Massenvernichtungsmitteln, sondern Erhalt und Ausbau der ?berlegenen
Position der USA. Die USA wollen mit pr?ventiven Milit?rschl?gen auf
m?glicherweise k?nftig entstehende, keineswegs sicher auftretende
Gefahren reagieren. Dies ist ein Freibrief f?r jeden Milit?reinsatz zu
jeder Zeit, an jedem Ort – ein Freibrief, Krieg auf Verdacht zu f?hren.
Mit der NSS stellt sich die US-Regierung einen Blankoscheck aus, nahezu
beliebig jedes Land angreifen zu k?nnen.
Die USA behalten sich vor zu entscheiden, wer zu den „Terroristen“ z?hlt
und wann und wie sie den entsprechenden „Schurkenstaat“ liquidieren
werden, im Zweifelsfall auch im Alleingang. Washington beh?lt sich das
Recht vor, entgegen den Zusagen des Nuklearen
Nichtverbreitungsvertrages, sein Abschreckungspotential auf alle Zeiten
zu behalten, bei anderen Staaten wird dies „nukleare Erpressung“
genannt. Die USA selbst verletzten die Bio- und
Chemiewaffenkonventionen, anderen L?ndern, die unter Verdacht stehen
solche Waffen zu entwickeln, wird mit milit?rischen Konsequenzen
gedroht. Mit der Bush-Doktrin zeigen die USA erstmals offen, dass sie
als einzig verbliebene Supermacht das, was sie als ihre Interessen
definieren, auch mit Gewalt durchsetzen werden.
 

Das ?l

Es gibt in der US-Regierung mehr f?hrende Pers?nlichkeiten aus der
?lindustrie als je zuvor in einem US-amerikanischen Kabinett. Bush
selbst hat mit ?l Geld verdient, Vizepr?sident Cheney war
Aufsichtsratsvorsitzender des ?lausr?sters Haliburton und
Sicherheitsberaterin Condolezza Rice war fr?her Mitglied im Aufsichtsrat
des ?lkonzerns Chevron. Im Mai 2001 hat die National Energy Policy Group
in den USA den sogenannten Cheney-Report vorgelegt, ein umfassendes
Konzept zur Sicherung des Energiebedarfs der USA in den n?chsten 25
Jahren. Er fordert, aufgrund des kommenden Energiedefizits, die
Erd?lversorgung in das Zentrum der US-Au?en- und Handelspolitik zu
stellen.
Der Irak verf?gt mit rund 11 Prozent der weltweiten ?lreserven ?ber die
gr??ten Reserven nach Saudi-Arabien. Die USA allein verbrauchen t?glich
20 Millionen Barrel ?l, mehr als ein Viertel der weltweit gef?rderten
?lmenge. 2020 werden die USA aufgrund der Ersch?pfung heimischer
?lquellen etwa 70 % des Bedarfs ?ber Importe decken m?ssen –
haupts?chlich aus den L?ndern der OPEC (Saudi-Arabien, Iran, Irak,
Kuwait, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Venezuela, Nigeria, Libyen,
Algerien und Indonesien).
Die Kontrolle der verbliebenen ?lreserven, vor allem in den L?ndern des
Persischen Golfes, die ?ber zwei Drittel der noch vorhandenen Vorkommen
verf?gen, ist damit eines der wichtigsten Ziele der US-Politik.
Auch die Spannungen mit Saudi-Arabien spielen eine gewichtige Rolle f?r
den Krieg gegen den Irak. Saudi-Arabien, das mit Abstand wichtigste
?lf?rderland der Welt droht der Kontrolle Washingtons zu entgleiten. Aus
US-Sicht droht Saudi-Arabien eine ?hnliche Entwicklung wie der Iran zu
nehmen. Erst k?rzlich hatten Mitglieder des „Defense Policy Board“, das
das Verteidigungsministerium ber?t, gefordert, Saudi-Arabien m?sse als
Feind eingestuft werden.  Die riesigen Erd?lvorkommen im Irak werden das
Land nach Einsetzung einer pro US-amerikanischen Regierung zu einem der
wichtigsten Welterd?lversorger aufsteigen lassen.
Ein Irak mit neuer Regierung k?nnte au?erdem mittels der OPEC Einfluss
auf die F?rderpolitik nehmen und durch den Aufbau gro?er
F?rderkapazit?ten die F?higkeit der OPEC zur Preispolitik auf dem
?lmarkt schw?chen. Die Gefahr eines ?lembargos f?r die USA, womit der
Irak, der Iran, Libyen und Saudi-Arabien bereits gedroht haben, w?re
gebannt.

Die USA verfolgen also mehrere Ziele mit diesem Krieg. Zum einen geht es
ihnen um die Neustrukturierung des gesamten Mittleren Ostens und dar?ber
die Sicherung ihrer globalen Hegemonie, zum anderen um die Sicherung
strategisch wichtiger Ressourcen wie ?l und Erdgas, denn ohne den
gesicherten Nachschub von billigem ?l ist ?konomische und milit?rische
Machtentfaltung nahezu unm?glich.
 
 

Die Rolle der BRD in diesem Krieg

Das NEIN der BRD in diesem Krieg ist einerseits kein wirkliches Nein,
und andererseits hat es eigene machtpolitische Gr?nde.
Kein wirkliches Nein meint, dass Deutschland sehr wohl an diesem Krieg
teilnehmen wird, nicht nur mittels Scheckbuch. Seit 1994 sind die
Eins?tze der Bundeswehr „out of area“ offiziell. Im Jugoslawien-Krieg
war die Bundeswehr erstmalig an Milit?reins?tzen beteiligt.
Heute ist Deutschland am Irak-Krieg beteiligt:
? Von den US-St?tzpunkten auf bundesdeutschem Territorium wird der Krieg
auch von hier aus gef?hrt. Die deutsche Regierung hat kein
?berflugverbot f?r die Zeit des Krieges ausgesprochen.
? F?r die Waffenlieferungen an die T?rkei hat Deutschland eine galante
L?sung gefunden: Die Waffen werden einfach ?ber die Niederlande in die
T?rkei geschafft.
? Die in Kuwait stationierten deutschen ABC-Sp?rpanzer werden von
deutschen Bundeswehrsoldaten bedient.
? Durch Auslandseins?tze der Bundeswehr in der T?rkei, Kuwait, am Horn
von Afrika und Afghanistan entlastet die BRD das US-Milit?r f?r den
Irakkrieg.

Der Krieg gegen den Irak ist ein Krieg, der von den USA und England
offen zur Durchsetzung eigener Machtinteressen gef?hrt wird. Das ist die
Schwelle, an der auch die BRD steht.  Sie zu ?berschreiten, einen Krieg
offen wegen eigener Macht- und Profitinteressen zu f?hren, wird das
sein, was wir in Zukunft sehen werden.

F?r den Irak ist Deutschland neben Frankreich der gr??te Handelspartner.
Auch wenn diese Handelspartnerschaft f?r Deutschland ein geringes
Volumen ausmacht, so gibt es doch von deutschen Unternehmen ein
gesteigertes Interesse an Investitionen im Irak. So fand im November
2002- zeitlich gesehen also mitten in den Kriegsvorbereitungen- eine
Messe in Bagdad statt, an der 112 Unternehmen aus Deutschland
teilnahmen. Gleich im Anschluss gab es im Dezember 2002  ein erneutes
Treffen zwischen dem irakischen Unternehmerverband und dem BDI
(Bundesverband der deutschen Industrie). Der „Gespr?chskreis Irak“ war
bereits 2000 auf Einladung des BDI erstmalig zusammen gekommen.
Verschiedenste Firmen von Mannesmann ?ber die Deutsche Bank bis  zu der
R?stungsfirma Kolb, die in den 80er Jahren Giftgasbestandteile und
andere R?stungsg?ter in den Irak verkaufte, diskutierten die
M?glichkeiten der m?glichen steuerfreien und diskreten Investitionen im
Irak. Weiterhin wurden dort Pl?ne gemacht, um gemeinsam mit Frankreich
der US-Politik entgegen zu treten. Es sei „h?chste Zeit, f?r die
Durchsetzung nationaler deutscher Interessen sowohl im Irak als auch bei
den UN einzutreten. ... Insbesondere gegen?ber den USA ... m?sse
verdeutlicht werden, dass mit der bislang verfolgten Politik in New York
deutsche Wirtschaftsinteressen stark beeintr?chtigt w?rden.“

Die BRD hat also eine andere Strategie f?r die Eroberung ihrer
Einflusssph?ren in dieser Region. Bisher hatte sie immer eine
Vermittlungsfunktion in den Westasiatischen Staaten inne. Diese Rolle
w?rde ihr mit einer Beteiligung am Krieg wegbrechen und damit auch ein
Standbein ihrer bisherigen Machtposition. Immerhin geht es nicht nur um
den Irak, sondern auch um das Verh?ltnis zu den Arabischen Staaten, von
denen viele lukrative Handelspartner sind, die den Irakkrieg verurteilen
bzw. deren Bev?lkerung.  Der Einsatz von so genannten „zivilen Methoden“
um Einflussgebiete hat also bis zu dem ?bergang zu einer eigenen
milit?rischen St?rke durchaus noch gro?e Bedeutung.

EU
Frankreich, Belgien und Deutschland sagten vorerst Nein zu dem
Angriffskrieg gegen den Irak. Kein Friedenswille, sondern eigene
imperialistische Interessen bestimmten diesen Schritt. Das Nein der
Bundesregierung sagt auch, ab jetzt formuliert die BRD zusammen mit
Frankreich und in einem h?chst widerspr?chlichen Prozess auch mit den
europ?ischen Staaten eigene Machtinteressen.
Die EU ist auf bestem Weg, wirtschaftlich die USA einzuholen. Das
Verh?ltnis ist immer mehr von Konkurrenz um Einfluss- und
Interessensgebiete bestimmt. Bei einem von England und den USA gef?hrten
Einmarsch im Irak werden diese beiden Staaten die Neuzusammensetzung
einer eingesetzten Regierung bestimmen.

Frankreich und Deutschland m?chten eine neue, von den USA unabh?ngige
europ?ische Wirtschafts- und bald auch milit?rische Macht aufbauen, die
von Frankreich und der BRD dominiert wird. F?r die Europ?ische
Interventionstruppe, die bis Ende 2003 aufgebaut sein soll, hat die BRD
mit 18.000 von insgesamt ca. 60.000 Soldaten das mit Abstand h?chste
Kontingent. Der Kern des Operation Headquarters der EU ist das
Einsatzf?hrungskommando in Potsdam.
Auf der Homepage der Bundesregierung wird deutlich, was die
Interventionstruppe leisten soll: „Diese Kr?fte in Form einer
europ?ischen Einsatztruppe sollen f?r gemeinsame Eins?tze der EU
unabh?ngig von der NATO zur Verf?gung stehen.“
Auf dem Treffen der EU- Au?enminister Mitte M?rz in Athen wurde Bilanz
gezogen: Das Ziel, eine EU-Truppe von 60.000 SoldatInnen innerhalb von
60 Tagen einsetzen zu k?nnen, wird Mitte Mai erreicht sein. Ende M?rz
?bergeben die NATO-Truppen die „Schutzmacht“ in Mazedonien an 300
EU-SoldatInnen und im n?chsten Jahr wird das NATO- Kommando mit 12.000
SoldatInnen in Bosnien an EU-Kontingente ?bergeben.

Seit Februar 2002 ist der EU- Konvent, mit der  Ausarbeitung einer neuen
Verfassung f?r die gesamte EU besch?ftigt. Die Ma?nahmen unterliegen
keiner ?ffentlichen Diskussion in den Medien, sondern werden kaum
bemerkt ausgearbeitet, um dann als feststehende Vorgabe pr?sentiert zu
werden. Es geht darum die souver?nen Staaten Europas in eine F?rderation
mit gemeinsamer Au?enpolitik, eigenen milit?rischen Strukturen,
vereinheitlichter Gesetzgebung und Repressionsinstrumentarien zu
verwandeln. Dieser EU-Konvent warb beim EU-Au?enministertreffen in Athen
f?r eine gemeinsame europ?ische R?stungsagentur, durch die allein in
England, Frankreich und Deutschland ?ber 400.000 Menschen in der
R?stungsindustrie besch?ftigt sein sollen.

Die Au?enminister von Frankreich und Deutschland, Fischer und Villepin,
haben dem Eu-Konvent ein Papier vorgelegt, in dem sie die „Entwicklung
einer europ?ischen R?stungspolitik“ vorschlagen. In diesem Papier wird
von einer „Zusammenarbeit mit qualifizierter Mehrheit“ gesprochen, was
bedeutet, ein von den beiden Au?enministern gew?nschtes
„verteidigungspolitisches Kerneuropa“ zu gestalten, in dem die reichen
Staaten den gr??ten Einfluss in den EU-Gremien haben und die Richtung
der gesamteurop?ischen Politik vorgeben. Die ?rmeren Staaten werden auf
Grund ihrer Abh?ngigkeit von Subventionen und anderen Finanzspritzen
h?ufig zur Zustimmung der Vorgaben gen?tigt
Dieser drohenden Dominanz stellen sich England und Spanien u.a. mit der
Unterst?tzung des US-Kriegskurses entgegen.

Zurzeit kommen in  Europa jedoch nicht nur die internen Strukturen zum
Tragen. Spanien und die meisten der neu hinzugekommenen L?nder, v.a. die
L?nder Osteuropas, gehen auf Kriegskurs zusammen mit den USA, die den
Konkurrenzblock EU gerne ins Wanken bringt.
Die Verlagerung von St?tzpunkten und milit?rischen Ausbildungszentren
der USA von Deutschland nach Osteuropa bringt diesen L?ndern mehr
Annerkennung als ein nichtsagender Kleinstaat im europ?ischen Verbund zu
sein. Die USA nutzen die Spaltung und treiben den Keil noch tiefer.
Der vorl?ufige verbale R?ckzug der BRD aus dem Kriegsb?ndnis und
zahlreiche Antikriegsaktionen gegen den geplanten Ausbau der US-Airbase
Spangdahlem f?hrten dazu, dass der Bau eines Milit?rhospitals gestoppt
wurde. Dieses Hospital soll nun wegen der Haltung der deutschen
Regierung in Polen oder Ungarn gebaut werden.

Keinem der europ?ischen Staaten geht es darum, Irak den Krieg zu
ersparen und das Morden zu verhindern. Demzufolge sollte auch der
politische Ansatzpunkt einer linken Gegenbewegung sein, diese
imperialistische Politik zu benennen. Zuallererst die der deutschen
Regierung, die sich so gerne auf Friedensdemonstrationen mit Schildern
wie „Danke, Schr?der“ feiern l?sst. Keine EU-Regierung hat etwas gegen
eine Friedensbewegung, die sich mit ihren Protesten ausschlie?lich gegen
die USA richtet.
 
 

Russland

Russland lehnt einen Krieg gegen den Irak ab. Als erd?lexportierendes
Land f?rchtet es einen fallenden ?lpreis, was passieren k?nnte, wenn der
Irak nach dem Krieg wieder gro? ins ?lgesch?ft einsteigt. Die Einnahmen
aus dem ?lexport sind im russischen Haushalt miteingerechnet, wobei
Moskau von einem Preis von 20 Dollar pro Barrel ausgeht, ein niedrigerer
?lpreis k?nnte zu einer Finanzkrise f?hren. Es gibt aber noch einen
Grund, warum Russland Nein zum Irakkrieg sagt. Haupts?chlich russische
Firmen haben bereits Vorvertr?ge mit dem Irak gemacht. Erst im August
2002 handelt die russische Regierung mit dem Irak ein
Kooperationsabkommen im Wert von Milliarden Dollar in den Bereichen
Energie, Chemieproduktion, Bew?sserung und Verkehrsprojekte aus. Wenn
die USA nach dem Krieg eine ihren Interessen entsprechende Regierung im
Irak einsetzen k?nnte sich das Blatt zugunsten US-amerikanischer
?lfirmen wenden. Die ?lfirmen, die bereits Vorvertr?ge mit dem Irak
geschlossen haben, k?nnten aus dem Rennen geworfen werden.
 
 

Israel

In den israelischen Medien wurde in den letzten Monaten ?ber Vorschl?ge
und Planungen, was im Falle eines Krieges gegen den Irak in den
besetzten pal?stinensischen Gebieten durchgef?hrt werden soll,
berichtet. Die Pl?ne reichen von der Verh?ngung einer totalen
Ausgangssperre, die Erkl?rung der pal?stinensischen Gebiete zu
milit?rischen Sperrgebieten, um Journalisten daran zu hindern, ?ber
m?gliche israelische Aktionen gegen die Pal?stinenserInnen zu berichten,
Ma?nahmen zur Vertreibung der Pal?stinenserInnen aus den besetzten
Gebieten in die Nachbarl?nder, Zerst?rung pal?stinensischer H?user und
Infrastruktur. Das Milit?r um Ministerpr?sident Ariel Sharon sieht einen
m?glichen Irakkrieg als Chance, den Pal?stina-Konflikt mit ihren Mitteln
zu l?sen. Einer der wichtigsten Sicherheitsberater des Pr?sidenten,
Richard Perle, hat schon 1996 dem damaligen israelischen
Ministerpr?sident Benjamin Netanjahu empfohlen, den Oslo-Prozess
aufzugeben und zur milit?rischen Unterdr?ckung der Pal?stinenser
zur?ckzukehren. Die US-Regierung ist dazu ?bergegangen, die
Pal?stinenser und ihre politische Vertretung allm?hlich wieder
unterschiedslos mit dem alten Terrorismus-Vokabular aus den siebziger
Jahren zu stigmatisieren.
Bereits am 22. September 2002 hatten 187 israelische Wissenschaftler
eine „Dringende Warnung“ an die Welt?ffentlichkeit gerichtet, die
israelische Regierung k?nnte, den „Rauchvorhang des Krieges“ ausnutzen,
„um weitere Verbrechen gegen das pal?stinensische Volk zu begehen, bis
hin zu einer umfassenden ethnischen Vertreibung.“ Sie haben dazu
aufgerufen, „die Vorkommnisse in Israel und den Besetzten Gebieten genau
zu beobachten, um absolut klar zu machen, dass Verbrechen gegen die
Menschheit nicht geduldet werden, sowie konkrete Ma?nahmen zu ergreifen,
um zu verhindern, dass solche Verbrechen stattfinden.“
 
 

Nato

Nachdem die Nato nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der anderen
sogenannten realsozialistischen Staaten in eine Sinnkrise geraten ist, 
bem?hen sich die USA, die Nato zusammen zu halten und auf die
osteurop?ischen L?nder auszudehnen. Ab Oktober 2004 soll teilweise und
ab 2006 vollst?ndig eine eigenst?ndige Interventionstruppe (NATO Reponse
Force NRF) bereitstehen, die in kurzer Zeit (7 – 30 Tage) in Kriegs- und
Konfliktregionen eingesetzt werden soll. Die EU sieht diese
Interventionstruppe als Konkurrenz f?r die eigene geplante
Interventionstruppe, bei deren Aufbau es noch einige Probleme gibt. Die
EU ist auf Nato-Material und Soldaten angewiesen, dies wird momentan
durch Streitigkeiten zwischen der T?rkei und Griechenland blockiert. Es
ist aber davon auszugehen, dass am Ende beide Truppen aufgebaut werden.
Auf dem letzten Nato-Gipfel in Prag, der von Nato-Generalsekret?r
Robertson als „historische Wegmarke“ bezeichnet wurde, wurde au?er der
Aufstellung der Nato Reponse Force auch ?ber die ?bernahme der sog.
Bush-Doktrin als Nato-Strategie diskutiert. Dies w?rde bedeuten, dass,
wenn die Nato-Staaten sich in ihrem F?hrungsanspruch bedroht sehen,
Pr?ventivkriege gef?hrt werden. (siehe Kapitel zur NSS-Strategie).
Nato-Generalsekret?r Robertson und mit ihm die wichtigsten Nato-L?nder
wollen, dass sich die NATO neuen Aufgaben zuwendet, um den
Bedeutungsverlust, den sie nach dem 11. September erlebt hat,
zur?ckzuschrauben. Der Einsatzradius soll nicht mehr auf das NATO-Gebiet
beschr?nkt bleiben, die NATO soll als so genannte „Anti-Terror-Gruppe“
agieren, die die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln – nat?rlich
nicht in den NATO-Staaten – verhindern soll. Wenn die NATO sich diesen
neuen Aufgaben verweigern sollte, drohe ein weiterer Bedeutungsverlust,
da zuk?nftig in Konfliktf?llen vorrangig auf Ad-hoc-Allianzen – wie
schon nach dem 11. September – zur?ckgegriffen werden wird. US-Senator
Richard Lugar erkl?rte dazu Anfang des Jahres bei seiner Rede vor der
NATO: „Falls die NATO nicht dabei hilft, die dr?ngendste
Sicherheitsbedrohung f?r unsere L?nder anzugehen (...) wird sie
aufh?ren, die wichtigste Allianz zu sein, die sie immer war und
zunehmend marginalisiert werden.“
 
 

UN

Die UN wurde bereits im letzten Golfkrieg als ?bergeordnete unabh?ngige
Instanz verkauft.
Im Jugoslawienkrieg hat die NATO bereits gar nicht mehr das UN- Mandat
abgewartet, sie hat den Sicherheitsrat nicht einmal gefragt. Sie hat den
Krieg gegen Jugoslawien zum Modellfall erhoben und entsprechend dem 1999
festgeschriebenen neuen Konzept braucht das B?ndnis im Konfliktfall „die
friedliche Beilegung von Streitigkeiten in ?bereinstimmung mit der
Charta der Vereinten Nationen (nur noch ) an(zu)streben.“
In der UN ist es wie in allen anderen internationalen Zusammenschl?ssen
auch: die reichen L?nder bestimmen die Politik und erpressen Zusagen von
den L?ndern, die in wirtschaftlicher Abh?ngigkeit stehen.

Um eine Zustimmung zum Angriff auf den Irak zu bekommen, wollten die USA
mindestens 9 der insgesamt 15 Stimmen erhalten. Um das zu erreichen,
setzten sie L?nder wie Chile oder Mexiko massiv unter Druck. Mexikos
Au?enhandel h?ngt zu 90 % von den USA ab. Die englische Zeitung The
Observer schrieb, dass der US-amerikanische Geheimdienst NSA angewiesen
wurde, sich ?ber die Meinungen und Absichten von
Sicherheitsratsmitgliedern ?ber Abh?rma?nahmen auf dem laufenden zu
halten.
Letztendlich ist das Urteil des UN-Sicherheitsrates allerdings nicht
entscheidend. Die USA verweigern sich dem Weltgerichtshof in Den Haag
und haben sich auch dem Urteil der UN nicht untergeordnet.

Gemeinsame Interessen der Kernstaaten der kapitalistischen Welt

In ihren grundlegenden Interessen und Zielen zur Aufrechterhaltung des
kapitalistischen Systems sind sich die europ?ischen Staaten und die USA
einig. Gemeinsames Ziel f?r die Golfregion ist, wirtschaftliche und
?konomische Macht in der gesamten Region auszubauen. Allerdings werden
trotz dieser grundlegend gemeinsamen Ausrichtung gegens?tzliche
Partikular – oder Gruppeninteressen deutlich (z. B. der BRD oder
mehrerer europ?ischer Staaten gemeinsame); z. B. soll eine
US-amerikanische ?bermacht in der Region bzw. weltweit verhindert
werden.
Das gemeinsame Interesse an der Aufrechterhaltung des kapitalistischen
Systems verhindert eine eskalierte Austragung der Auseinandersetzung
zwischen den kapitalistischen Staaten (-gruppen).
 

Etwas zum IRAK

Auff?llig in den Stellungnahmen zum Irak-Krieg ist, dass das Land und
die sozialen bzw. Herrschaftsverh?ltnisse dort nie wirklich Thema sind.
Bestimmte „Fakten“ bzw. Einsch?tzungen, obwohl vielleicht zutreffend,
werden als gegeben vorausgesetzt: Diktatur, verbrecherisches
Regime...Dies liegt sicher auch daran, dass allgemein nicht sehr viel
Wissen ?ber den Irak vorhanden ist. Dies verst?rkt die Gefahr, die
Verh?ltnisse mit dem „Metropolenblick von oben herab“ zu beurteilen.
Dies betrifft insbesondere die Personalisierung des „Unheils“ in der
Person von Saddam Hussein. Die sozialen Verh?ltnisse, die die Existenz
dieses autokratischen Herrschers m?glich machen und vor allem die
Mitverantwortung der sogenannten zivilisierten, westlichen Nationen und
teilweise ehemaligen Kolonialm?chte (Frankreich, England) f?r die
Entstehung des irakischen Staates (Grenzziehung...) und die Herrschaft
Saddam Husseins bzw. der Baath-Partei wird so vertuscht.
Im Folgenden wollen wir versuchen, kurz einige Eckpunkte zur
Beschreibung der Geschichte und Gegenwart des Irak zu benennen.
Grundlage f?r die heutigen Grenzen des Irak bildet das
Sykes-Picot-Abkommen von 1916, in dem Gro?britannien  und Frankreich die
Einflusssph?ren im Nahen Osten aufteilten: das heutige Syrien und der
Libanon wurden zur franz?sischen, der Irak, Jordanien und Pal?stina
wurden zur britischen Einflusszone erkl?rt. In der Folge wurden die
Siedlungsgebiete der Kurden auf vier Staaten (Irak, Syrien, Iran,
T?rkei) aufgeteilt, was der entscheidende Grund daf?r ist, dass die
Kurden bis heute f?r ein souver?nes Kurdistan k?mpfen m?ssen. Seit der
formalen Unabh?ngigkeit des Irak 1932 regieren die westlichen Nationen
?ber die verschiedenen Interessengruppen, Parteien, etc. (welche sich
stets „externer“ Unterst?tzung bedient haben und von ihr abh?ngig
waren/sind) im Irak und seinen Nachbarl?ndern mit; hierf?r gibt es
zahlreiche Beispiele, z.B. die zahlreichen kurdischen Parteien oder die
bis zum Beginn der Herrschaft der Baath-Partei wechselnden Regierungen
im Irak.

Die Baath-Partei (vollst?ndig: „Arabische sozialistische Baath
(=Auferstehung)-Partei beruft sich programmatisch auf den so genannten
„arabischen Sozialismus“. Zentrale Schlagworte des Programms der
Baath-Partei sind: „Wahda“(Einheit), „Hoorya (Freiheit) und
„Ischtirakya“ (Sozialismus). Festzuhalten bleibt, dass der „Arabische
Sozialismus“ eine antikommunistische Str?mung ist und die Baath-Partei
keineswegs antiimperialistisch oder gar antikapitalistisch ausgerichtet
ist.
Von Beginn ihrer Herrschaft an ging die Baath-Partei, ab 1979 mit S.
Hussein an der Spitze, mit ?u?erster Brutalit?t gegen kurdische
Autonomiebestrebungen, oppositionelle Str?mungen im Land, den linken
Fl?gel der Partei oder auch „verd?chtige“ Personen aus dem Apparat mit
Hilfe von Entf?hrung, Folter, Hinrichtung, Ermordung vor. Wichtige
oppositionelle Parteien sind z.B. die irakische kommunistische Partei
(IKP), die kurdischen Parteien KDP und PUK, sowie die Frauenverb?nde
„Irakische Frauenliga“ und „Organisation unabh?ngiger Frauen“. Die
Repression zur Aufrechterhaltung der Herrschaft vor und nach 1990 (als
der Irak in Widerspruch zu den Interessen der westlichen Staaten geriet)
, war die gleiche, nur dass sie w?hrend der Zeit der
Interessenkonvergenz von den westlichen Staaten nie beanstandet, ganz im
Gegenteil sogar unterst?tzt und gedeckt wurde.
Die Geschichte hat auch vermittelt, dass die sozialistische und
panarabische Rhetorik stets nur Mittel f?r die Baath-Partei war, um sich
der Unterst?tzung verschiedener B?ndnispartner zu versichern.
Als Folge des zweiten Golfkrieges (1991) haben sich die
Lebensverh?ltnisse der Bev?lkerung drastisch verschlechtert:
? in den ersten 10 Jahren des Embargos starben im Irak nach Angaben von
UNICEF und WHO ca. 1.000.000 Menschen an den unmittelbaren Folgen des
Embargos;
? die gesamte ?ffentlich Infrastruktur, v.a. Wasser, Elektrizit?t,
Gesundheitsversorgung ist fast v?llig zerst?rt;
? die Inflation liegt bei 6000-7000 %;
? fast der gesamte Mittelstand ist verarmt;
? in den l?ndlichen Regionen gibt es vermehrt Cholera und Typhus
? die Leuk?mierate ist auf das 5fache gestiegen, Medikamente fallen
zum     Teil als so genannte „dual-use“-Produkte (das hei?t angeblich
oder wirklich milit?risch und zivil nutzbar) unter die Bestimmung des
Embargos;

Auch wenn sich der Eindruck eines Unrechtsregimes und ausgesprochen
brutaler Aufrechterhaltung der Herrschaft im Irak ergibt, muss gefragt
werden, mit welchem Recht viele von „westlicher Zivilisation“ sprechen,
solange Bombenkriege von diesen Staaten mit Inkaufnahme so vieler
ziviler Toter (Irak, Kosovo) gef?hrt werden, es z.B. in den USA weiter
die Todesstrafe gibt, oder die damalige US-amerikanische Au?enministerin
Albright auf die Frage nach einer halben Million infolge des Embargos
verstorbener Kinder sagen kann: “Ich denke,....da? das ein Preis ist,
den zu zahlen wir(!!) bereit sind.“ Diese Tatsachen rechtfertigen
keinerlei Unrecht, stellen aber die Legitimit?t der Argumentation der
Kriegsbef?rworter grunds?tzlich in  Frage, zumal der Irak sich kaum von
vielen anderen Diktaturen unterscheidet und insofern die angeblichen
Kriegsgr?nde nicht die eigentlichen sein k?nnen.
 

„Wir sind hier, weil Ihr unsere L?nder zerst?rt“
(eine der zentralen Aussagen von hier lebenden MigrantInnen)

Die Wirklichkeit ist, dass die kapitalistischen Kernstaaten in dieser
inzwischen weitgehendst durchkapitalisierten Welt, als die reichsten
L?nder gelten. Sie sind es aber nicht. Die reichsten L?nder – im Sinne
von Bodensch?tzen, Ressourcen usw. – sind die afrikanischen,
lateinamerikanischen L?nder, Mittlerer- und Naher Osten, die Asiens und
Vorderasiens. Der „Reichtum“ unserer Gesellschaften basiert auf einer
langen Geschichte von Ausbeutung und Kolonialisierung, die sich bis
heute durchzieht. Wir leben unter Regierungen und Konzernen, die die
ganze Welt mit Kriegen, Hungersn?ten, verheerender Armut ?berziehen.
Gleichzeitig wird vielen L?ndern mittels Diktat des IWF oder Weltbank
eine Entwicklung aufgezwungen, die eigene wirtschaftliche Entwicklung
v?llig unm?glich macht. Gro?konzerne beherrschen die Produktion und der
Gro?teil wird ausschlie?lich f?r den Weltmarkt produziert. In den
vergangenen Jahrzehnten wurden diese Regionen mit Hilfe von westlichen
Geheimdiensten oder durch direkte milit?rische Intervention mit
Milit?rdiktaturen ?berzogen, die lateinamerikanische Geschichte ist voll
davon. Genauso voll wie mit den Befreiungsk?mpfen dagegen. Heute werden
in all diesen Regionen sogenannte Demokratien eingesetzt. Unsere
Gesellschaften sind barbarische Ausbeutungsgesellschaften und k?nnen
keinesfalls im Vergleich als zivilisiert bezeichnet werden.
Es sind wenige, und zwar die zur Oberschicht in den ausgebeuteten
L?ndern und Regionen geh?renden, die von diesen Entwicklungen
profitieren. Und sie partizipieren an den Unterdr?ckungssystemen. Die
Mehrheit k?mpft t?glich um die notwendigsten Lebensgrundlagen, in vielen
Regionen ist selbst das nicht mehr m?glich, und es bleibt nur die
Flucht. Aus verschiedenen Gr?nden, weil Krieg ist, oder weil die Armut
und Unterdr?ckung so gro? ist, dass kein anderer Weg mehr bleibt. Es
gibt weltweit riesige Migrationsbewegungen. Die wenigsten schaffen es
?berhaupt, hier anzukommen. Und noch weniger Frauen schaffen es bis
hierher. Um Europa werden die Mauern immer dichter.
 
 

Im Zuge der Kriegsvorbereitungen wurden auch Vorkehrungen zur Abwehr von
Migrationsbewegungen getroffen.

Die Grenzen zu den Nachbarstaaten des Irak wurden geschlossen, teilweise
auch vermint, damit Fl?chtlinge erst gar nicht ?ber die Grenzen kommen
k?nnen. Direkt in diesen Gebieten wurden Fl?chtlingslager aufgebaut.
Deutschland hat schon seit Dezember 2001, im Windschatten des 11.
September und der darauffolgenden Zuspitzung der US-Politik gegen den
Irak, die Anerkennungsquote irakischer Fl?chtlinge von 65 % auf 10 % im
Erstverfahren gesenkt, ebenso wie Gro?britannien. Griechenland, das
gegenw?rtig den Vorsitz in der EU hat, k?ndigte ein EU-Programm zur
Abwehr irakischer Fl?chtlinge an.
Die USA selbst haben alle Antr?ge der Fl?chtlinge „auf Eis gelegt“. Laut
Fl?chtlingsrat der USA erh?lt derzeit kein/e IrakerIn eine
Einreiseerlaubnis.

Regime change begins at home

Zur?ck zur Situation in Hamburg.
Die Bambule-Proteste h?ren nicht auf. Mittels Taktiken versucht der
Senat. der Bambule-Bewegung immer wieder neue Befriedungsangebote zu
machen, die aber inakzeptabel sind, da sie nur auf kurze Zeitr?ume
befristet sind und die Vertreibung der BauwagenbewohnerInnen beinhalten.
Es geht ja auch nicht „nur“ um den Bauwagenplatz, sondern hier findet
ein ganz konkreter Kampf f?r ein selbstbestimmtes Leben statt.
Die Bewegung l?sst sich diesmal nicht befrieden. Zu viel an
Erniedrigungen, Ausgrenzung, Vertreibung wird mit der aktuellen
Politikrichtung betrieben. In Hamburg werden haufenweise soziale
Einrichtungen geschlossen. Seit Wochen geht das im Hafenkrankenhaus
entstandene Caf? mit Herz gegen die vorgesehene Schlie?ung auf die
Stra?e. Den verschiedensten Protesten ist gemeinsam, dass sie die
bundesdeutsche Sozialpolitik der Regierung Schr?der, die einer
Verarmungspolitik gleichkommt, anprangern. Gleichzeitig sollen in
Hamburg im Zuge der vorgesehenen Olympiade Unsummen f?r luxuri?se
Prestigeobjekte verschleudert werden. Gleichzeitig wird die Vertreibung
derjenigen, die nicht in das Bild eines „sauberen“ Hamburgs passen, mit
zunehmender Repression vorangetrieben.

Im Juni sollen jetzt auch in Hamburg deutsche SoldatInnen vereidigt
werden. Dies passt zur derzeit stattfindenden Militarisierung
Deutschlands. Die Begr?ndung der Kriege ist, „Freiheit f?r die
zivilisierten L?nder“ bewahren zu wollen, d.h. Freiheit f?r den
kapitalistischen Markt, d.h. Unfreiheit f?r die anderen. Die Herstellung
der Angriffsf?higkeit der Bundeswehr wird seit Jahren geplant. Im
Schatten des Angriffs der USA und deren Verb?ndeter auf den Irak, stellt
Bundeskanzler Schr?der den Sozialabbau vor, notwendige Konsequenz
Deutschlands – milit?risch wie ?konomisch – eine Vormachtstellung im
sich versch?rfenden kapitalistischen Wettbewerb einzunehmen. Der
Zuschuss f?r die Bundesanstalt f?r Arbeit wird in 2003 um 2,5 Milliarden
Euro gek?rzt, die Milit?rausgaben steigen z.B. f?r 180 Eurofighter zu je
21 Millionen Euro.
Herrschaftssicherung ist patriarchale Logik, die wir durchbrechen
m?ssen, wenn wir die Durchsetzung des Profitdenkens, des Rassismus, der
Ausbeutung von Frauen nicht in unserem Alltag und unseren K?pfen
akzeptieren wollen.
Es ist von zentraler Bedeutung bei der Einsch?tzung des Konfliktes um
den Irak, die im Text dargestellten Hintergr?nde zu kennen, aber auch
die Verbindung zu den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen hier
und in anderen Staaten zu sehen.

Weltweit gehen Menschen auf die Stra?en, um gegen den Angriffskrieg
gegen den Irak zu protestieren. Am Tag des ?berfalls auf den Irak gingen
z. B. in Italien Hunderttausende auf die Stra?e, die Hafenarbeiter in
Genau haben f?r 24 Stunden die Arbeit niedergelegt und landesweit wurde
aus einer vorgesehenen zweist?ndigen Arbeitsniederlegung ein ganzt?giger
Streik. In ganz Italien kam es zu Blockaden von Bahnstrecken, ?ber die
der US-amerikanische Materialtransfer zwischen den italienischen
St?tzpunkten l?uft. In Spanien wurde die Stadtautobahn in Barcelona
blockiert und in vielen spanischen St?dten gingen Hunderttausende auf
die Stra?en. In Gro?britannien wurden die Innenst?dte von Cambridge,
Bristol und Birmingham blockiert und in London gingen Tausende ins
Regierungsviertel, um gegen die Teilnahme von Gro?britannien zu
protestieren. In New York demonstrierten 100.000 Menschen gegen den
Angriffskrieg auf den Irak.

Wir wollen Widerstand in den verschiedensten Formen organisieren und ihn
gegen die herrschende Politik sichtbar und h?rbar nach au?en tragen.
Geben wir nicht auf, den reibungslosen Ablauf zu st?ren.
 

Gruppe Lotta Dos
Immer gut informiert:
 http://www.imi-online.de
 http://www.de.indymedia.og
 http://www.nadir.org
 
 
 

 

06.04.2003
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