München: Making History - Tagung zu Positionen und Perspektiven kritischer Geschichtswissenschaft
Tagung "Making History. Positionen und Perspektiven kritischer
Geschichtswissenschaft"
10.-12. Oktober 2003 Universität München
http://www.kritische-geschichte.de
"Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt
darauf an, sie zu verändern." (Karl Marx)
Die Ausgangslage
Die Frage, was HistorikerInnen dazu beitragen können, die Welt zu verändern,
ob sie das überhaupt können und sollten, beschäftigt heute kaum jemanden.
Dies nicht, weil es am Zustand der Welt nichts auszusetzen gäbe, sondern
weil sich die Geschichtswissenschaft eine gerechtere Welt nicht zur Aufgabe
gemacht hat.
Ganz im Gegenteil: Die Verbindung von Geschichtswissenschaft und Politik
wirkt auf viele WissenschaftlerInnen zunächst suspekt. Nicht ohne Grund
verweisen sie auf die lange Liste missbräuchlicher Indienstnahmen ewiger
historischer "Wahrheiten", der Proklamation gesetzmäßiger Zwangsläufigkeiten
und evolutorischen Eigensinns. Geschichtswissenschaft diente allzu oft der
Legitimation von Nationalismus und staatlicher Machtpolitik. Dennoch gab es
spätestens seit der Aufklärung immer auch herrschaftskritische Ansätze, die
sich den nationalistischen Legitimationsansprüchen widersetzten, den
Verlierern der Zivilisationsprozesse eine Stimme gaben und sich als
Wegbereiter für Veränderungen zugunsten einer gerechteren Welt verstanden.
Die Tagung "Making History" will an diese Tradition anknüpfend zunächst eine
offene Diskussion über das Woher und Wohin kritischer Geschichtswissenschaft
anstoßen. Kritische WissenschaftlerInnen wissen dabei um ihre Einbettung in
die Gesellschaft, die ihnen keinen "objektiven", von außen kommenden Blick
auf die Realität gestattet.
Sie wissen aber auch um die Veränderbarkeit der Verhältnisse, dass Menschen
tagtäglich selbst ihre "Geschichte machen" und dass es darauf ankommt, dass
sie dies mit Bewusstsein und mit Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnis tun
können. Um zu verhindern, dass es immer so weitergeht wie bisher, dass
Ausbeutung Unterdrückung, Entfremdung und Diskriminierung als bedauerliches
Schicksal verstanden werden, sind Analyse und Diskussion von Geschichte,
geschichtspolitische Debatten überhaupt, kein Schaulaufen, sondern
notwendige Hilfestellung. Insofern ist kritische Wissenschaft immer auch
"eingreifende" Wissenschaft.
Die gegenwärtigen theoretischen Ansätze, seien sie nun sozial- oder
kulturgeschichtlich, traditionell oder postmodern, haben bei allen
Verdiensten nicht das Ziel und das Potential das Betriebssystem, die
"Ökonomie" dieser Gesellschaft ernsthaft zu verändern. Insofern betrachten
die Veranstalter Marx nicht als überholt oder wiederlegt, sondern plädieren
für eine Aktualisierung der kritisch-dialektischen Theorien, die in seiner
Tradition stehen. Nicht als Dogma, sondern als Fortsetzung eines Projekts.
Die Tagung ,Making History' will in diesem Sinne diskutieren, welche
Anforderungen heute an eine Wissenschaft gestellt werden müssen, die dazu
beitragen will, die herrschenden Verhältnisse nicht nur zu interpretieren,
sondern zu überwinden.
Erste Schritte
Mit der Tagung ,Making History' wollen die VeranstalterInnen Raum und Zeit
zur Diskussion über Positionen, Perspektiven, Themen und Methoden einer in
diesem Sinne kritischen Geschichtswissenschaft geben.
Wir bieten vor allem NachwuchswissenschaftlerInnen die Gelegenheit, eigene
Forschungsprojekte und geschichtspolitische Interventionen vorstellen und
diskutieren zu können. Daneben wird in Podiumsdiskussionen und Vorträgen
über die gesellschaftliche Relevanz kritischer und traditioneller
Geschichtswissenschaft gestritten, wissenschaftstheoretische Grundlagen
kritischer Geschichte ausgelotet sowie die Fragen nach der Möglichkeit von
Wissenschaftlichkeit zwischen Objektivität und Parteilichkeit und der
Anwendung und Vermittlung von wissenschaftlichen Ergebnissen kontrovers
diskutiert.
Die Tagung soll auch die Möglichkeit bieten, Netzwerke kritischer
HistorikerInnen und Geschichtsstudierenden aufzubauen und untereinander
Kooperationsmöglichkeiten anzuregen.
CALL FOR PAPERS (Deadline: 15. Juni 2003)
Wir freuen uns über Beiträge von WissenschaftlerInnen, die nicht nur ein
Thema bearbeiten, sondern die auch die bei Forschung und Vermittlung
verwendeten Methoden kritisch hinterfragen und thematisieren, wie sie ihre
wissenschaftliche Arbeit in einen gesellschaftspolitischen Kontext einbauen.
Methodisch-theoretische und historiographiegeschichtliche Themen sind ebenso
willkommen wie praxisorientierte. Zeitgeschichtliche wie althistorische oder
mediävistische, politikgeschichtliche oder kultur- und sozialgeschichtliche.
Eine weitergehende thematische Eingrenzung wollen wir bewusst nicht
vornehmen, da im Mittelpunkt der Tagung eben die Verknüpfung von
Wissenschaft und gesellschaftspolitischem Anspruch steht. Kurzbeschreibungen
der Beiträge (ca. 500 Wörter) sollten uns bis 15. Juni 2003 per Email
( info@kritische-geschichte.de) oder postalisch (siehe Homepage) erreichen.
Besonders berücksichtigt werden Beiträge von Studierenden, gemeinsam
arbeitenden Gruppen und Beiträge, die nicht aus dem universitären Umfeld
kommen.
RAHMENPROGRAMM
Freitag, 10.10.2004
Streitgespräch: Geschichte und Politik
Prof. Dr. Marcel van der Linden (Herausgeber Sozial.Geschichte und
International Review of Social History, International Institute of Social
History, Amsterdam) ( http://www.iisg.nl/research/mvl.html)
N. N.
Samstag 11.10.2003
Vortrag mit Diskussion: Objektivität und Parteilichkeit
Prof. Dr. Wolfgang Fritz Haug (Institut für kritische Theorie, Berlin,
Herausgeber Das Argument)
Sonntag, 12.10.2003
Podiumsdiskussion: Praxis und Vermittlung
Christoph Spehr (Herausgeber von alaska, Veranstalter des Kongress
"outofthisworld")
N.N.
Bisherige Zusagen für Panels:
Leipziger Kreis: Feindbilder in Deutschland nach 1945
(www.leipziger-kreis.de)
Dr. Florian Weiss (Berlin): Nationale Befreiungsbewegungen und "linke"
Geschichtsschreibung am Beispiel Irland
Veranstaltet vom Arbeitskreis Kritische Geschichte in Kooperation mit:
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Stiftung Sozialgeschichte, Kurt-Eisner-Verein für
politische Bildung, AStA der Universität München, Archiv der sozialen
Bewegungen Bremen, Fachschaft Geschichte der Universität München
Kontakt: http://www.kritische-geschichte.de
info@kritische-geschichte.de
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