nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Dresden: Nazi-Wirrsal unter martialischem Polizeischutz am 1. Mai

AntifaRechercheTeam Dresden, 1. Mai 2003

Während das rechtsextreme regionalsächsische "Netzwerk Rechts Pirna-Sebnitz"
für den 1. Mai zum Aufmarsch der so genannten 'Freien Kameradschaften' nach
Halle/Saale aufrief, mobilisierte das "Bundnis Rechts" aus Lübeck zum braunen
Warrhalla-Umzug nach Dresden. Letztendlich fanden rund 150 versprengte
Nazi-Fußvölkische den Weg in die sächsische Landeshauptstadt um für "Arbeitsplätze
zuerst für Deutsche!" zu demonstrieren. Mehrere Hundertschaften Polizei im
Aufmarschgebiet, Polizisten auf umliegenden Dächern, Hubschrauber in der Luft
und schließlich auch Polizisten zu Pferde, so zeigte sich dann in den
Mittagsstunden des 1. Mai die Dresdner Prager Straße.

Im sich versammelnden Pulk der Neonazis befanden sich unter anderem die
vornehmlich regional bekannten Rechtsextremisten ALEXANDER KLEBER, SVEN
HAGENDORF, RENE DESPANG, ELLIE DOBBERSTEIN, JÜRGEN-UWE KRUMPHOLZ, KLAUS MENZEL sowie
NILS REIFENSTEIN und DIETER KERN. In seiner nicht nur akkustischen
Nullnummer-Auftaktrede bedankte sich Demo-Anmelder KERN aus Lübeck ausdrücklich für die
Vorort-Unterstützung bei HAGENDORF und DESPANG. Gegen 12 Uhr setzte sich das
vom "Bündnis Rechts Schleswig-Holstein" dominierte Häuflein Neonazis in
Zweierreihen hinter dem als Lautsprecherwagen fungierenden roten Opel-Kadett HL DK
401 in Bewegung. Bei fast völligem Ausschluss von Öffentlichkeit
absolvierten die Rechtsextremisten unter massivem Polizeischutz den ersten Teil ihrer
eher abgelegenen Route um das Stadtzentrum mit einer ebenso unbeachteten
Zwischenkundgebung. Antifa-Gruppen in der näheren Umgebung des Nazi-Aufzugs wurden
von der Polizei aggressiv abgedrängt und mit Platzverweisen belegt. Auf
Nazi-Seite war während der gesamten Demonstration relativ durchgängig
Anti-Antifa-Aktivität zu beobachten, wobei sich allerdings der bekannte
Anti-Antifa-Aktivist HAGENDORF auffällig zurück hielt.

Im Vorfeld des Straßburger Platzes dann musste der Nazi-Aufzug mehrmals
stoppen, weil der weitere Demonstrationsweg über die Güntzstraße von einer
Antifa-Blockade versperrt war. Bei der Räumung dieser Blockade durch
Sondereinsatzkräfte der Polizei, Hand in Hand mit zivilen Einsatztrupps, kam es wiederholt
zu völlig überzogenen und unverhältnismäßigen Aktionen seitens der Polizei
gegen Antifaschisten. Besonders unrühmliche und teils regelrecht brutale Formen
nahm ab diesem Zeitpunkt der Aufritt der polizeilichen Pferdestaffel an. So
wurden mehrmals Pferde massiv und direkt gegen einzelne Antifas eingesetzt.
In Richtung Sachsenplatz spielten sich regelrecht berittene Jagdszenen auf
Nazigegner ab. Der DGB zog es übrigens an diesem Tag mit angeblich 1.000
Demonstranten vor, sein ach so couragiertes Gesicht-gegen-Rechts eine im Vorfeld
angekündigte halbe Stunde lang weitab vom Nazi-Marsch zu zeigen. Im Umfeld der
Kreuzung Güntzstraße-Pillnitzer Straße hielten sich zu diesem Zeitpunkt zirka
300 Antifas auf, denen es aber letzendlich leider nicht gelang, eine wirksame
Blockade der Nazi-Route zu errichten und aufrecht zu halten. Es kam zu
mehreren Festnahmen. Vereinzelt flogen Wurfgeschosse, Leuchtspuren zogen ihren Weg
und ein Nebelböller zeigte kurz Wirkung. Die Polizei trieb auf dem weiteren
Weg bereits kleinste Ansätze von antifaschistischem Widerstand in die
angrenzenden Nebenstraßen. Am Sachsenplatz, kurz vor der angestrebten Elbquerung
durch die Neonazis, wurde ein junger Antifaschist in mittelbarer Nähe seiner
russischen Anarcho-Gefährten von einem Polizeipferd brutal zu Boden geritten.
Die Albertbrücke war schließlich nur noch für Rechtsextremisten offen.
Abgeschirmt und geleitet durch die Polizei erreichte der Demonstrationszug den Ort
der Abschlusskundgebung am rechtsseitigen Elbufer.

Dort begann MENZEL seine Ansprache mit dem Hinweis auf das vor einer Woche
gegründete NATIONALE BÜNDNIS FÜR DRESDEN (ART Dresden berichtete) und
prognostizierte diesbezüglich auch schon einen Erfolg bei den anstehenden
Kommunalwahlen. Danach quoll er vor ausländerfeindlichen und rassistischen Ausfällen
quasi über und musste daraufhin nach Auflage des Ordnungsamtes seine Rede
abbrechen. Dieses wiederum wurde von KERN als "Diskriminierung und Rassenhass"
seitens der staatlichen Behörden gewertet und gar noch als schmähliches "Deutsche
gegen Deutsche" gedeutet, welches natürlich weitere Konsequenzen für die
Stadt haben werde. WORCH lässt grüßen. Aus Gründen von MENZELs vorzeitiger
'Suspendierung' und des wohl von der Stadt Dresden im Vorfeld auflagenmäßig unklar
behandelten Vorstrafenregisters von KERN sprach sodann dessen persönliches
Ersatzsprachrohr weiter. Der über dem Platz kreisende Polizeihubschrauber
verwehte allerdings einen Großteil der markigen Worte. Daraufhin forderte KERN
die Einsatzleitung ultimativ auf, den Hubschrauber sofort abdrehen zu lassen.
Und, kaum zu glauben, der Hubschrauber verschwand fast augenblicklich und
wurde nicht mehr gehört. Nun störten sich die Neonazis nur noch an den ebenfalls
am Elbufer eingetroffenen mittlerweile rund 400 Antifas. Der Abschlussredner
hielt sich selbst und der BILD als "angesehene Zeitung" ein begeistertes
Loblied, palaverte über seine Auffassungen von deutscher und internationaler
Politik und über die Historie im besonderen. Schließlich gipfelte er im
historischen Vergleich, 'die Schandmauer, der so genannte antifaschistische
Schutzwall, sei das Schlimmste, was jemals auf deutschem Boden geschehen wäre'.
HAGENDORF lehnte danach das ihm angebotene Wort ab, es sei alles gesagt. Somit wurde
der Aufzug 14.45 Uhr mit "Wir kommen wieder!" offiziell für beendet erklärt.

Da rund 400 Antifas den ursprünglich vorgesehenen Heimweg der Neonazis
blockierten folgten Verwirrung und Stillstand. Schließlich einigte man sich
zwischen Rechtsextremisten und Behörden auf den schier unglaublich klingenden
Abmarschweg an der Synagoge vorbei. Und so wurden die Neonazis von der Polizei
direkt zur Dresdner Synagoge geleitet. Einigen Antifaschisten gelang es, den
Nazi-Abmarsch in der Nähe der Synagoge nachhaltig zu stoppen. Gezwungenermaßen
setzte daraufhin die Polizei fast den gesamten abmarschierenden Nazi-Pulk
unmittelbar an der Synagogenmauer fest. Ein unsägliches Bild. Ein Bild, wie es
wohl nur in Dresden möglich ist. Ein Bild für Dresden wie es ist, vom 13.
Februar über den 1. Mai zum 8. Mai, jährlich, immer wieder, immer. Mehrere Nazis
wurden vorort der Synagoge verhaftet und erkennungsdienstlich behandelt,
HAGENDORF lieferte sich mehr als nur eine verbale Auseinandersetzung mit einem
Einsatzleiter um den Weitermarsch. Dieser Abmarsch gestaltete sich dann unter
völlig wirren Umständen. Eine offensichtlich orientierungslose Polizei trieb
nunmehr die Nazis regelrecht, ständig von Antifa-Gruppen verfolgt, zum
Hauptbahnhof und verfrachtete die Rechtsextremisten in die Züge. Und bei einem
konzentrierteren Agieren durch Antifas, dies als freundlichkritische Anmerkung,
wäre durchaus auch noch mehr konstruktives gegen den Neonazi-Umzug möglich
gewesen, an diesem 1. Mai 2003 in Dresden.

KEEP YOUR EYES OPEN!

ART Dresden

--
look at  http://venceremos.antifa.net

VENCEREMOS!

 

02.05.2003
ART Dresden   [Aktuelles zum Thema: Antifaschismus]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht