Marburg: Eliten – Männerbünde – Vaterland: Tagung zur Kritik von Korporationen am 5.Juli
Studentenverbindungen in der Kritik
Studentenverbindungen erscheinen eigentlich als anachronistische Vereine:
Band und Mütze, Mensur, Comment, Füxe und Alte Herren muten an, wie
Erscheinungen aus vergangenen Tagen. Der „Untertan“ aus Heinrich Manns gleichnamigen
Roman will so gar nicht in das Bild der heutigen Zeit passen. Doch studentische
Verbindungen (Korporationen) sind bis heute in fast jeder deutschen
Universitätsstadt verbreitet und schaffen es weiterhin, Nachwuchs anzuwerben. Billiges
Wohnen, Karrierechancen, „Kameradschaft“, Tradition und oftmals das rechte
Weltbild locken bis heute Studenten in die Verbindungshäuser. Derzeit sind
etwa 20.000 Studenten (und wenige Studentinnen) in ungefähr 1000 Verbindungen
zusammengeschlossen. Dazu kommen 150.000 Alte Herren, die das organisatorische
und vor allem finanzielle Rückgrat der Verbindungen stellen.
Negative Schlagzeilen machen die Korporationen meist nur, wenn wieder einmal
eine Verbindung als rechtsextrem auffällt. Bekanntestes Beispiel der letzten
Zeit war die Münchener Burschenschaft Danubia, die 2001 die Spalten der
überregionalen Presse füllte. Ein Mitglied der Verbindung hatte einen Neonazi im
Haus der Verbindung versteckt, nachdem dieser einen Mann aus rassistischen
Gründen fast tot geprügelt hatte. Doch das ist nur die Spitze eines braunen
Eisberges im Verbindungssumpf. Denn rechtsextremes Gedankengut findet sich bei
einer ganzen Reihe von Verbindungen. Meist äußert sich dies allerdings weit
weniger spektakulär als im Münchener Fall: Vorträge von bekannten Neofaschisten
oder eigene Publikationen der Verbindungen machen das Weltbild oftmals mehr
als deutlich.
Allerdings trifft die Beschreibung als rechtsextrem nur auf einen Teil des
Verbindungsspektrum zu. Eine Kritik, die sich vorrangig auf neofaschistische
Tendenzen bei einigen Verbindungen stützt, greift erheblich zu kurz. Denn
kritikwürdige Elemente finden sich als konstituierende Bestandteile bei allen
studentischen Verbindungen: Hierarchische Strukturen, das Lebensbundprinzip,
männerbündische Strukturen, Elitenbildung, die Rolle im Nationalsozialismus und
eine mindestens konservative und oftmals nationalistische Grundhaltung. Zwar
sind solche Elemente auch in anderen gesellschaftlichen Gruppen zu finden;
sie treten jedoch bei Korporationen besonders deutlich hervor und entfalten
eine besondere politische und gesellschaftliche Wirkmächtigkeit, da die
Korporationen mit dem Anspruch auftreten, zukünftige Eliten heranzubilden und die
Verbandsbrüder durch Protektionsmechanismen in führende Positionen in
Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu bringen. Der ehemalige
Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU), Mitglied einer Marburger Verbindung, brachte
diesen Grundsatz auf den Punkt, als er die Aufgabe seiner Verbindung damit
beschrieb, „auch weiterhin national gesinnte Menschen in alle führenden Berufe
unserer Gesellschaft zu entsenden“.
Die Tagung am 5. Juli 2003 in Marburg will jenen kritischen
WissenschaftlerInnen ein Forum bieten, die sich mit dem Thema Korporationen beschäftigen.
Dort sollen sie die Möglichkeit erhalten, ihre Forschungsergebnisse zu
präsentieren und sie gemeinsam zu diskutieren. Der Kongress richtet sich dabei jedoch
auch explizit an alle Interessierte.
Programm
Samstag, 5. Juli 2003 – Beginn 10 Uhr bis ca. 19 Uhr – Hörsaalgebäude der
Uni, Biegenstraße, Marburg
Themen u.a.: Konservative Eliten allgemein / Überblick über studentische
Verbindungen /
Innere Strukturen / Männerbünde / Mensur / Deutsche Burschenschaft und Neue
Deutsche Burschenschaft / Deutschlandpolitik und Europastrategien in der DB
und NDB / Wingolf / Corps / Studentenverbindungen in der Schweiz / Männliche
Elite / ...
ReferentInnen u.a.: Lynn Blattmann, Robert Erlinghagen, Eva Gottschaldt,
Dietrich Heither, Jörg Kronauer, Alexandra Kurth, Stephan Peters, Gerd Wiegel,
Susanne Stöver...
Angefragt: Michael Hartmann, Hajo Jürgens, Birgit Sauer, Gerhard Schäfer.
VeranstalterInnen: Projekt „Konservatismus du Wissenschaft“ e. V., Gruppe
dissident, AStA der Universität Marburg, Bündnis gegen Rechts Marburg
Kontakt und Informationen: tagung-marburg@gmx.de und http://www.p-kw.de
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenlos. Für Verpflegung muss selber
aufgekommen werden. Wer eine Unterkunft benötigt, kann sich für weitere Hinweise
bei der e.mail-Adresse melden.
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