Hamburg: Demonstration - Geschichte wird gemacht....Für ein antifaschistisches Geschichtsverständnis!
“Die Vernichtung des Nazismus mit ihren Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.”
Schwur von Buchenwald, 1945
Geschichte wird gemacht ...
Für ein antifaschistisches Geschichtsverständnis !
Zum 60. Mal jährt sich in diesem Jahr die Bombardierung Hamburgs und vieler andere Städte im Verlauf des Zweiten Weltkrieges. Nicht zufällig wird dieser Jahrestag mit größerer Aufmerksamkeit bedacht als die vergangenen – seit sich die Berliner Republik ein neues Selbstbild zugelegt hat, das sich aus der Verpflichtung zu „humanitären Einsätzen” und der „Verhinderung eines neuen Auschwitz” zusammensetzt, bekommt auch der deutsche Opferdiskurs eine neue Legitimität – ganz besonders, seit die bundesdeutsche Regierung aus europäisch-machtpolitischen Gründen ausnahmsweise mal einen Kriegseinsatz gemeinsam mit den USA und Großbritannien abgelehnt hat.
Die Logik des Krieges
Als „bisher größte Zerstörungsaktion der Weltgeschichte” bezeichnet ganz nebenbei das Hamburger Abendblatt das Flächenbombardement der Alliierten. Der Spiegel fährt zur Bombardierung Deutschlands gleich mit einem ganzen Sonderheft auf, welches an das alte Feindbild des bösen Engländers erinnert. Es geht nicht darum zu bestreiten, dass bei den Bombardements deutscher Städte viele Menschen ums Leben kamen, aber die Betonung der zivilen Opfer in der deutschen Bevölkerung dient dabei einer bestimmten gesellschaftlichen und politischen Entwicklung.
Schon der Begriff des “unschuldigen Opfers” verweist auf die Sichtweise der deutschen Vergangenheit. Das nationalsozialistische System ist nicht reduzierbar auf eine faschistische Elite, der es gelungen sei, die Massen zu manipulieren. Zum Einen wird dadurch die deutsche Bevölkerung von ihrer Verantwortung frei gesprochen und zum Anderen wird verkannt, dass ein System nur funktionieren kann, wenn es von der Bevölkerung mitgetragen wird. Sie trug ein Regime, das für den Mord an Millionen europäischer Jüdinnen und Juden, hunderttausender Sinti und Roma, sowie anderer zu “unwertem Leben” erklärten Menschen verantwortlich ist. Es waren nicht Hitler, Goebbels und Eichmann, die allein für Deportation, Vernichtungslager und „Arisierung” der enteigneten Besitztümer zuständig waren: die deutsche Bevölkerung trug, bis auf wenige Ausnahmen, den Holocaust mit und profitierte davon – sei es durch den billigen Ankauf des von den jüdischen BesitzerInnen gestohlenen Eigentums, durch die Unterstützung der „Volk ohne Raum”-Propaganda, die den Vernichtungskrieg im Osten rechtfertigte, oder durch bloßes Wegschauen. Erst zu einem viel späteren Zeitpunk nahm die flächendeckende Unterstützung für den Nazi-Staat ab. Dies war jedoch nicht mehrheitlich auf Kritik an der nationalsozialistischen Ideologie zurückzuführen, sondern auf den sich ausbreitenden Verdacht „dass der Hitler sich mit diesem Krieg übernommen hat”.
Die Bombardierung Hamburgs war Teil des Krieges gegen das nationalsozialistische Deutschland. Aus ihr spricht eine Kriegslogik, bei der es nicht nur darum ging, die Infrastruktur eines Landes zu beschädigen, sondern auch den Rückhalt der Regierung in der Bevölkerung zu brechen. Die Unmenschlichkeit dieser Logik, die das Leid von Menschen als Mittel einsetzt ist offensichtlich. Aber bei der Kritik an dieser Logik geht es nicht um die Schuld oder Unschuld der Opfer, sondern darum, mit welcher Art von Kalkül solche Kriege funktionieren.
Opfer und Täter, gestern und heute
Dass Überlebende des sogenannten Hamburger Feuersturms an ihre traumatischen Erlebnisse erinnern möchten, mag verständlich sein. Die Funktionalisierung dieser Trauer zu politischen Zwecken in der Bundesrepublik ist aber fatal: Das Aufrechnen von alliierten Bombardements und nationalsozialistischer Vernichtung - sei es direkt oder indirekt - führt zur Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus. Je mehr die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen verdrängt wird, je lauter ein „Schlussstrich” unter die deutsche Schuld gefordert wird, umso größeren Platz nehmen die Leiden der deutschen Zivilbevölkerung im öffentlichen Diskurs ein, so als sei jetzt endlich Platz geschaffen für eine Aufrechnung der Toten. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wird immer mehr zu einem allgemeinen „Trauern um die Opfer von Krieg und Vertreibung”, in dem die Grenzen zwischen Opfern und Tätern völlig verwischt werden. So neu ist es allerdings nicht, die Leiden der deutschen Bevölkerung im Krieg zu betonen, nur hat die Argumentation ihren Weg von rechtsextremen Geschichtsrevisionisten in die Feuilletons der bürgerlichen Presse, in Regierungserklärungen und Schulbücher gemacht.
Geschichtspolitik - made in Germany
Die Botschaft ist klar: wir sind die einzigen, die aus dem Zweiten Weltkrieg gelernt haben, und deshalb ist die deutsche Position in der Welt moralisch am besten abgesichert: aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus erwachse geradezu eine Verantwortlichkeit, nicht etwa in dem Sinne, das gerade ein Land wie Deutschland nie wieder an einem Krieg teilhaben darf. Im Gegenteil eine Verantwortlichkeit, die unter anderem Auslandseinsätze der Bundeswehr möglich macht, z.B. in Jugoslawien, um angeblich ein zweites Auschwitz zu verhindern. Gleichzeitig kann diese Verantwortlichkeit aber auch der moralischen Absicherung in der Argumentation gegen eine Kriegsbeteiligung dienen, z.B. im Krieg der USA und ihrer Verbündeten, gegen den Irak. Je nach dem welche politischen und strategischen Interessen überwiegen. Ausgerechnet die deutsche Bundesregierung maßt sich an, moralischer Experte sein zu können, der über die Legitimität von Kriegen entscheiden darf.
Für ein antifaschistisches Geschichtsverständnis
Der deutsche Faschismus konnte ab einem bestimmten Punkt nur noch mit militärischen Mitteln bezwungen werden und die alliierten Bombardements haben sicher ihren Teil dazu beigetragen. Doch bei unserer Kritik geht es nicht darum, dass hinter der Bombardierung von Wohngebieten eine menschenverachtende Kriegslogik steckt, sondern um die Funktion von öffentlichen Diskursen für gesellschaftliche Entwicklungen. In diesem Fall geht es darum zu Gunsten eigener Interessen die Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen zu bewirken.
Ein antifaschistisches Geschichtsverständnis kann demgegenüber nur bedeuten, jede Form eines deutschen „Wir sind wieder wer” zu verhindern. Wenn die Erinnerung an die Bombardierung deutscher Städte bedeutet, dass die Trauer um die Opfer des Holocaust und des deutschen Expansions- und Vernichtungskrieges verblasst, darf diese Trauer keinen öffentlichen Raum einnehmen. Unsere Aufgabe ist es, weiterhin die Ursachen des Faschismus und seine Kontinuitäten in der bundesdeutschen Gesellschaft zu benennen und zu bekämpfen: Nationalismus, Rassismus und Kapitalismus – denn Krieg dient immer auch wirtschaftlichen Interessen. Jede Repräsentation von militärischer Stärke weist auf die irrige Vorstellung hin, es könne einen gerechten Krieg geben, womöglich unter deutscher Beteiligung. Wir setzen dem die Erinnerung an deutsche Schuld und Verantwortung entgegen – Verantwortung für Millionen Tote in ganz Europa.
Die einzig legitime Schlussfolgerung aus dem Zweiten Weltkrieg kann nur „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!” sein. Wir wollen und müssen die Erinnerung an die AntifaschistInnen und InternationalistInnen wach halten, die gemeinsam gegen den Faschismus gekämpft haben. Dazu gehören auch diejenigen [wenigen] Deutschen, die den Mut hatten, sich offen gegen Nazi-Deutschland zu stellen und zu kämpfen: die SpanienkämpferInnen, die Deserteure, die Deutschen in den Reihen der Roten Armee, der jugoslawischen Partisanen, der Résistance, und aller Menschen, die Verfolgte versteckt haben, unter Lebensgefahr gegen den Faschismus agitiert haben usw.
Wem gehört die Strasse?
Am 19. Juli und am 28. Juli 2003 planen Nazis verschiedener Strömungen Aktionen bezüglich der Bombardierung Hamburgs. Sowohl der “Trauermarsch” am 19. Juli als auch die “Mahnwache” am 28. Juli stellt die offensichtlichste Form eines deutschen Opferdiskurses dar, der dazu führt, die Verbrechen des deutschen Faschismus zu leugnen, vergessen zu machen oder zu relativieren.
Wenn Faschisten auf die Strasse gehen wollen, um ihre menschenverachtende Ideologie zu propagieren, werden wir ihnen unseren Widerstand entgegensetzen.
Die Erfahrungen mit dem Rechts-Senat haben gezeigt, dass sie versuchen werden den antifaschistischen Widerstand zu kriminalisieren und einen sicheren Ablauf der Nazi-Veranstaltungen zu garantieren.
Linke Demonstrationen wurden in Hamburg [spätestens seit den ersten “Bambule-Demos” im Winter 2002] mit Repressionen und Auflagen überzogen, die für uns nicht hinnehmbar sind. Wir wollen keine Demonstration, der es verboten sein wird die Innenstadt zu betreten, auf der Seitentransparente untersagt sind, bzw. diese Aufgrund eines unverhältnismäßigem Polizeiaufgebot nicht durchgesetzt werden können. Wir wollen keine Demonstration die durch ein permanentes Polizeispalier verdeckt wird. Aus diesen Gründen setzten wir auf den Einfallsreichtum, die Kreativität und die Entschlossenheit aller AntifaschistInnen. Wir wollen gemeinsam dem braunen Mob entgegentreten!
Join us in action! Plätze besetzen! Nazis vertreiben! Kein Fußbreit den Faschisten! Hoch die internationale Solidarität!
Avanti - Projekt undgogmatische Linke, Hamburg
Autonomer Rabatz Gruppe Hamburg [ARGH]
Autonome & Antifaschistische Gruppen aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen
Mobilisierungsveranstaltung
17.07.2003, 20h, Rote Flora
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19.07.2003:
NPD-Demonstration verhindern! Antifa-Action, ab 11.30h, U-Bhf Berliner Tor [Platz besetzen! Nazis vertreiben!], ab 10h Infopoint auf dem Hachmannplatz
Demonstration "Geschichte wird gemacht...! Für ein antifaschistisches Geschichtsverständnis!" 18h Hopfenmarkt [U-Bhf Rödingsmarkt]
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28.07.2003:
Nazi-Kundgebung verhindern! Antifa-Action, ab 19h, U-Bhf Mundsburg [Platz besetzen! Nazis vertreiben!]
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Achtet auf weitere Ankündigungen!
Info-Telefon: 0175/2575690
Avanti - Projekt undogmatische Linke
c/o Schwarzmarkt
Kl. Schäferkamp 46
20357 Hamburg
hamburg@avanti-projekt.de
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