Kroatien: Summer Source Camp
Bericht mit Bildern zu finden unter:
http://de.indymedia.org/2003/09/60872.shtml
Auf dem ca. einwoechigen Treffen soll es nicht nur um Theoretisches gehen, wie etwa die Prinzipien der GNU General Public License (bzw. deren baldige Erweiterung fuer webbasierte Applikationen, etwa wie Indymedia's Produktionssysteme) oder Diskussionen darueber, was Kopierrecht oder proprietaere Software im Vergleich zu freier oder "Open Source"-Software ist, sondern auch um Praktisches: Workshops ("Wie installiere ich Linux?" [1]), Video Screenings rund um die Themen Netactivism, Hacking und Entwicklungsarbeit, Netzwerksicherheit und GPG/PGP Verschluesselung mit anschliessender Keysigning-Party.
Klar getrennt werden die Parteien der Entwickler und Anwender dabei nicht. Jeder ist Teil des Ideenpools und gibt Informationen und Erfahrungen an die anderen Teilnehmer weiter, statt nur als Konsument von Vortraegen vermeintlicher "Experten" praesent zu sein. "Jeder von Uns ist ein Experte, jeder von Uns hat etwas zu bieten und niemand soll ausgegrenzt werden" heisst es von Seiten der Veranstalter immer wieder.
Dementsprechend locker und ausgeglichen gestalten sich auch die verschiedenen Workshops, in denen man Know-How anbieten oder sich als Wissbegieriger etwas beibringen lassen kann.
Inhaltlich wurden zunaechst die Begrifflichkeiten geklaert:
Was ist "FREE"? "FREE" ist, wenn man mit einer Sache folgendes tun kann:
1. es benutzen
2. es verstehen und anpassen
3. es kopieren, vertreiben und verkaufen
4. Aenderungen veroeffentlichen und mit anderen teilen
Um einen Widerspruch zwischen "free" (kostenlos) und dem Recht, ein Produkt verkaufen zu duerfen auszuraeumen muss man betonen, dass das Wort "free" im Englischen uneindeutig ist. Neben seiner Bedeutung als "kostenlos" bedeutet "free" auch "frei" im freiheitlichen Sinne ("Think free speech, not free beer"). Daher verwendet man auch gerne fremdsprachliche Alternativen: "libre", "libero", "livre", oder eben: "Open Source".
"PROPRIETAER": kostenpflichtig, geschlossener Code, "geistiges Eigentum", kontrolliert und nicht zugaenglich im Sinne der oben genannten Punkte.
"KOMMERZIELL": kann frei (im Free Speech Sinne) sein, muss aber nicht; kostenpflichtig und ein geschaeftsorientiertes Produkt.
"PUBLIC DOMAIN": die Oeffentlichkeit hat Zugang; es gibt keinen Begriff des "intellektuellen Eigentums", was jedoch davon abhaengig ist, in welchem Land der Welt man sich befindet, und ob oertliche Gesetzgebung die Nicht-Anwendung von "intellektuellem Eigentumsrecht" ueberhaupt zulaesst. Rechtsprechung schuetzt in der Regel die Rechte des Kopierrechtsinhabers, "Public Domain" jedoch ist ein weitgehend rechtlich undefinierter Begriff. ( mehr dazu unter http://www.creativecommons.org )
"COMMONS"/"GEMEINSCHAFTLICHER BESITZ": ein alter Begriff, der Besitz und Wirschaft im Kollektiv beschreibt - geteilte Resourcen und nicht-proprietaeres Allgemeingut. Heute vergleichbar mit free/open source Software, Musik (im Hinblick auf den gesellschaftlichen Konsens), Nationalparks und dem Copyleft-Movement. Eine im elektronischen Zeitalter nicht mehr relevante Gefahr der "Commons" war die Miss- oder Ueberbewirtschaftung: "zu viele Kuehe => zu wenig Gras".
Danach gab es ein erstes Einfuehrungsspiel mit provokativen Fragen zu denen man im Zufallsprinzip persoenlich Stellung nehmen sollte. Dabei ging es zum Beispiel darum, ob man findet, dass jegliche Information generell frei zugaenglich sein soll. Waehrend es im ganzen Spektrum verschiedene Grundeinstellungen zu den polarisierenden Fragen gab, ging der Konsens in die Richtung, vor allem wissenschaftliche und politische Informationen generell uneingeschraenkt oeffentlich zu machen, private Daten zu schuetzen. Ob und inwiefern man ueberhaupt proprietaere Software in seiner Organisation einsetzen soll wurde diskutiert, mit ausgeglichenen Argumenten. Die Befuerworter freier Software argumentierten damit, man solle sich nicht nur auf kurzfristige Praktikabilitaet verlassen, sondern die laengerfristigen Vorteile einer Unabhaengigkeit von grossen Konzernen im IT-Bereich beruecksichtigen.
Am Sonntag, den 31. August gab es Diskussionsrunden in drei Gruppen zum Thema "Intra/Inter-Developer Collaboration". Hier ging es um die Verstaendigung innerhalb der Entwickler-Community. Demokratische Prozesse wurden hervorgehoben, sowie die Anfertigung von ausreichend Dokumentation und die Wichtigkeit, den Benutzern beizubringen, wie man selbst an der technischen Entwicklung mitwirken kann, um sich von der Abhaengigkeit weniger ueberforderter Entwickler zu befreien. Weitere Anregungen und Beispiele aus dem Kreis der Teilnehmer waren: Dokumentation in FAQ-Form, weil diese leicht zu verstehen, aber vor allem sehr viel leichter fuer die Entwickler zu schreiben sind als komplexe, durchstrukturierte Anleitungen; mitgelieferte Dokumentation zur Bedingung zu machen fuer die Aufnahme neuer Features in ein Programm, sowie Beispiele und optische Veranschaulichung des Nutzwerts eines Software-Projekts (Screenshots!). Auch weiterhin bleibt nach Ansicht der Diskussionsteilnehmer das Mantra der free/open source Software-Entwicklung "Release early, release often" denn: nicht die Software ist das eigentliche Produkt, sondern der "Service" eines fortlaufend betreuten Projekts inklusive seiner Entwickler- und Nutzer-Community.
Um Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Projekten zu foerden ist es nach Ansicht einer der Gruppen wichtig, soziale Beziehungen zu pflegen ("Think pivo on the beach"), gemeinsame (Datei-/Protokoll-) Standards zu pflegen und somit eine Schlagwort: ".doc-Phaenomen").
Am Summer Source Camp in Vis nehmen insgesamt mehr als 80 Menschen aus etwa 35 Laendern der Welt teil. Darunter aus Azerbaidschan, Tadschikistan, Ukraine und den baltischen Staaten, Kroatien/Kosovo/Serbien, Taiwan, Mongolei, Afrika, verschiedenen europaeischen Laendern und Nordamerika. Die meisten kommen aus den Bereichen der Entwicklungshilfe, IT-Weiterbildung in Schwellenlaendern, Entwicklung von Anwendungen zur Unterstuetzung lokaler Organisation in schwer zugaenglichen Regionen (z.B. Amazonas) und die Weiterbildung emanzipatorischer Initativen vor Ort mit weitestgehendem Verzicht auf wirtschaftliche Abhaengigkeit von westlicher Industrie.
Die Moderatoren des "Inter-/Intra-Developer Collaboration" Workshops, die in der Audioaufnahme zu hoeren sind waren David Turner ("Gnu GPL Guru" der Free Software Foundation), Jason Diceman von der Commons Group und Mako Hill (Vorstandsmitglied von "Software in the Public Interest" und Hardware-Manager/Buchhalter des Debian GNU/Linux Projekts).
Persoenliches zum Schluss:
Meinen Kuechendienst habe ich schon hinter mir, die Muecken sind nicht so zahlreich und recht zahm, das Wetter ist fast durchgehend sonnig, nicht zu heiss, das Wasser blau und angenehm kuehl. Vis hat jetzt Indymedia-Aufkleber.
Kontakt:
summersource-l@tacticaltech.org (Camp-Mailingliste)
Links:
http://www.tacticaltech.org/summersource
http://www.mi2.hr
[1] Kurzer Vergleich zwischen den verschiedenen Linux-Distributionen, die auf dem Camp vorgestellt und erlaeutert wurden:
RED HAT ist die am meisten verbreitete, kommerzielle Distribution, die mit einem umfangreichen Support-System vor allem an groessere Firmen vertrieben wird. Neben SuSE fangen die meisten Leute damit an, um ihre ersten Schritte im OSS-Bereich zu machen.
DEBIAN, das vor Kurzem zehnjaehriges Jubilaeum hatte, wird derzeit von etwa 1500 Freiwilligen betreut. Mit circa 13.000 Programmpaketen auf elf verschiedenen Plattformen (darunter Sun und Macintosh) ist sie bei Weitem die groesste Distribution weltweit, die sehr viel Benutzerdefinierbarkeit bietet. Dokumentation existiert in etwa 25 Sprachen. Das Debian-Projekt hat ausserdem einen Social Contract verabschiedet, der die Grundideale von Free Software wahren soll. Die gesamt Distribution enthaelt keinerlei proprietaere Software.
Eine kleinere, massgeschneiderte Version der Debian-Distribution, genannt "Debian NP" ('non profit'), fuer NGO-Organisationen und ihre speziellen oekonomischen Beduerfnisse wird derzeit zusammengestellt.
SLACKWARE wird im Gegensatz zu den meisten Distros immer noch von gerade mal einer handvoll Leuten im Alleingang entwickelt. Slackware's Pluspunkt ist die gute Unterstuetzung alter Hardware, z.b. 386er Plattformen, die unter normalen Umstaenden muellreif waeren, unter Slackware fuer Email, text-basiertes Websurfen und einfache Kommunikation geeignet sind.
DYNE:BOLIC: Aehnlich Knoppix eine von der CD bootbare Distribution mit Gewichtung auf den Multimedia- und Audiostreaming-Bereich. Zukuenftig wahrschneinlich das Standard-Toolkit vieler Medienaktivisten. ( http://www.dyne.org )
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