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Berlin: 3.10. Demo und Konzert in Kreuzberg

Kampf (nicht nur) den deutschen Zuständen

Am 3. Oktober werden sich die herrschenden Eliten dieses Landes in einem
sich seit nunmehr 13 Jahren wiederholenden Ritual selber abfeiern.
Wieder einmal werden stolz geschwellte VertreterInnen der verschiedenen
herrschenden Parteien, Verbände und Vereine nicht müde werden, die - trotz
kleinerer Schwierigkeiten - "unübersehbaren Erfolge" dieser deutschen Einheit vor
einer gelangweilten Öffentlichkeit breit zu labern.

Endlich ist man wieder mehr als nur "Reiseweltmeister".

Deutsche Soldaten verteidigen die Menschenrechte auf dem Balkan und die
Freiheit am Hindukusch. Und jetzt ist es sogar richtig exotisch: Seit dem
EU-Einsatz im Kongo und in Uganda, denn, so Kriegsminister Struck, es ist notwendig,
dass Deutschland nach langer Zeit wieder Verantwortung in Afrika übernimmt.

Und über den Irak - freilich ein heikles Thema - kann man ja noch
nachdenken. Die ersten Gedankenexperimente über ein wie auch immer geartetes - und
durch UNO-Mandat abgesichertes - deutsches Engagement sind schon gemacht.
Ziemlich wahrscheinlich, dass dann ein Stück von dem großen Kuchen auch für deutsche
Konzerne abfiele. Und dass die Ärmsten es bitter nötig hätten wissen wir ja
alle.

Nicht zu vergessen, dass man die engsten Verbündeten, so sie denn in
Schwierigkeiten stecken - und das tun sie - trotz mancher Differenzen nicht im Stich
lassen darf.

Diese ganzen humanitären Interventionen und Exkursionen und die vielen
friedenserhaltenden und friedenschaffenden Maßnahmen haben natürlich ihren Preis.
Einen ziemlich hohen sogar. Wer das bezahlen soll?
Der mickrige Bundeswehretat reicht dafür jedenfalls nicht. Aus dem müssen
schließlich auch noch diverse Neuanschaffungen getätigt werden, damit man vor
den anderen Friedenstruppen nicht wie der Trottel vom Dorfe da steht. Ein paar
neue Panzer und Transport-Airbusse, das Stück zu schlappen ..... Millionen
Euro müssen schon sein.

Aber - wo soll das Geld herkommen? Die Staatsverschuldung steigt auch ohne
Extraausgaben ständig an. Dieses Schicksal teilt die BRD mit ihrem größten
Verbündeten, den USA.

Die großen Konzerne kann man kaum um Unterstützung bitten, denn jammern sie
nicht so wieso schon ständig herum, dass es ihnen so schlecht geht wegen der
hohen Lohnnebenkosten und dem vielen Urlaub, den es hierzulande gibt?

Aber - liegen hier nicht ein paar Millionen in der sozialen Hängematte
herum? Millionen, die ständig nur abkassieren, aber nie selber irgendwelche
Leistungen erbringen?
Kanzler Schröder hat das Problem bereits vor einigen Jahren erkannt, als er
erklärte, ein Recht auf Faulheit könne es nicht geben.
Und so wurden zügig einige erfolgreiche Sanierer und Umstrukturierer nebst
einigen mutigen VordenkerInnen neoliberaler Ideale engagiert, um das größte je
dagewesene "Reformprogramm" in der Geschichte der BRD zu entwickeln.

Unter rot-grün werden die kühnsten Unternehmerträume wahr: Arbeit auf Zeit,
Arbeit auf Abruf, Arbeit weit unterhalb jeglicher Tarife, und wem das nicht
passt, wer sich da verweigert, fliegt raus, knallhart, dem werden die
Leistungen gestrichen, der soll sehen, wo er bleibt.

Und außerdem - dies hier ist ja ein Sozialstaat, in dem Niemand erfrieren
und verhungern muß - gibt es ja Notunterkünfte und Suppenküchen. Zwei Branchen,
die spätestens ab dem nächsten Jahr den totalen Boom erleben dürften, wenn
nämlich von einem Tag zum anderen (und bei dem niedrigen Informationsstand
vieler hier lebender Menschen wird es sie wie aus heiterem Himmel treffen)
Millionen von Leuten, die länger als zwölf Monate ohne Job sind, nur noch 340 Euro
"Arbeitslosengeld 2" bekommen werden. Ganz gleichgültig, ob sie sich
vielleicht 25 Jahre kaputt geschuftet haben und nicht mehr konnten, oder Opfer einer
Massenentlassung geworden sind oder ob sie mit 55 Jahren sowieso niemand
mehr regulär einstellt.

Diese gloriose Reformwerk (und ach ja, für jeden Arztbesuch soll man dann
auch noch Eintritt bezahlen) wird am 3. Oktober auf den diversen Partys bei
Häppchen und Champagner bestimmt gefeiert werden.

Wir beglückwünschen die Regierung und die Wirtschaft zu diesem gloriosen
Reformwerk denn nächstes Jahr werden die dann persönlich Betroffenen - die
Gesetze treten am 1. April 2004 in Kraft - gemeinsam nicht nur in Kreuzberg den 1.
Mai feiern!

Deutschland 2003 - ein Land, in dem sich neokoloniale Expansionsgelüste mit
sozialen "Visionen" paaren, die sogar die New-Labour-Politik eines Tony Blair
alt aussehen lassen, wohin gegen sogar die konservativ neoliberale Politik
einer Maggie Thatcher noch älter aussieht.....

Regierung und parlamentarische Opposition ergänzen sich in seltener
Einmütigkeit: Es war schließlich in Deutschland schon immer so, dass historische
Projekte die Solidarität aller Demokraten erfordern.
Die große Einheitsgewerkschaft hält die Klappe und mault höchstens an den
Rändern ein wenig herum, "Nachbesserungsbedarf" ist das viel strapazierte Wort.
Und schließlich sind die Führungsriegen von DGB und SPD durch
jahrzehntelange Personalunion verbunden.

Den wachsenden "Auslandsverpflichtungen" stehen wachsende
"Inlandsverpflichtungen" gegenüber: Die Abschiebeknäste sind überfüllt, die berüchtigte
"Deportationclass" boomt. Und die langstrapazierte Betroffenheit grün-alternativer
"FlüchtlingsfreundInnen" reichte exakt bis zum Eintritt in die rot-grüne
Bundesregierung im Herbst 1998.

Wenn auch die "Menschenrechte" weiter hin strapaziert wurden, wie beim Krieg
gegen Jugoslawien, nur wenige Monate nach dem Amtsantritt der rot-grünen
Regierung.

Im August 1983 sprang der Asylbewerber Kemal Altun aus Furcht vor
Abschiebung in den Folterstaat Türkei aus dem sechsten Stock des Berliner
Verwaltungsgerichtes in den Tod. Die damals noch "Alternative Liste" pflegte
öffentlichkeitswirksam ihre Betroffenheit.

Heute sitzen sie mit ihren grünen ParteifreunInnen mit einem Innenminister
Schilly in einem Kabinett beieinander, der sich selbst als "Wächter" über die
illegale Zuwanderung und Propagator immer neuer Fahndungs- und
Observationsmethoden sieht.
So wächst zusammen was zusammen gehört.

Der groß gefeierte "Aufstand der Anständigen", den man ausrufen mußte, um
das durch Neonazi-Überfälle auf Nichtdeutsche, Behinderte, Linke, durch
Brandanschläge auf Flüchtlichsheime, sowie durch die Schändung jüdischer Mahnmale
und Friedhöfe getrübte Deutschlandbild zu reparieren, erschöpfte sich schnell,
nachdem Kanzler Schröder am 9. November 2000 eine Massendemonstration in
Berlin, wie BBC weltweit berichtete, "anführen" durfte.

Das lang diskutierte, angeblich sorgfältig vorbereitete NPD-Verbotsverfahren
verlief nach diversen V-Mann-Affären und offensichtlich langjährigen
Doppelmitgliedschaften sang- und klanglos im Sande. Neonazi-Gruppen können nach wie
vor ihre Aufmärsche und Hetzkundgebungen durchführen. Die Aktivitäten der
deutschen Polizei beschränken sich nach wie vor auf die Abwehr der Aktivitäten
in "linker Störer".

Auf die rechtsterroristische "Kameradschaft Süd" stieß die Polizei -
zumindest wenn man diesen Angaben glauben darf - rein zufällig, als sie eine
Fehdeaktion gegen einen angeblichen Aussteiger mit bekam. In den geraideten
Wohnungen fanden sie große Mengen Sprengstoff. Verhaftete Nazis haben ausgesagt, dass
ein Anschlag auf die Grundsteinlegungsfeier des jüdischen Gemeindezentrums
verübt werden sollte. Im Zusammenhang mit den 9. November...

Bezeichnend für die deutschen Zustände 2003 ist auch die Polizeiaktion gegen
das antirassistische Grenzcamp in Köln im August diesen Jahres. Mehr als
2000 Polizeibeamte (und kein terroristischer Anschlag wurde befürchtet)
umstellten das auf einer Insel angesiedelte Camp, nachdem sie zuvor eine rassistische
Hetzdemonstration rechtsradikaler geschützt hatten. Den CampbewohnerInnen
wurden Wasser- und Lebensmittelversorgung gekappt. Polizeiboote fischten
Flüchtlinge aus dem Wasser, die schwimmend versuchten, ihrer Festnahme zu entgehen:
Schließlich hatten sie gegen die ihnen aufgezwungene "Residenzpflicht"
verstoßen. Ohne Rücksicht auf die im Camp anwesenden Kinder wurde Tränengas
eingesetzt. Die Festgenommenen mußten sich fesseln und abfotografieren lassen.
Leider gingen diese Bilder nicht wie der von Kanzler Schröder "angeführte
Aufstand der Anständigen" um die Welt, sie hätten ein wesentlich zutreffenderes Bild
der deutschen Zustände geboten.

Deutsche Zustände - das heißt heutzutage im Gegensatz zu 1914 und 1939 auch,
dass Expansionsgelüste und die Ausplünderung armer Länder im Bündnis mit den
anderen reichen und mächtigen Staaten statt finden.

Kampf den deutschen Zuständen kann für uns deshalb nicht heißen, aus
Ablehnung deutscher Politik sich mit den Verbündeten Deutschlands zu solidarisieren
oder deren Nationalfahnen auf linken Demos mit zu schleppen.
Diesen Verbündeten der BRD geht es um dasselbe wie der deutschen Regierung:
Durchsetzung von Profit- und Kapitalinteressen weltweit, und notfalls eben
auch militärisch.

Wir lehnen diese Art von Politik und das zu Grunde liegende
Wirtschaftssystem - Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus - ab. Sowohl hier als
auch weltweit.

In diesem Sinne:

Deutschland haltīs Maul!
Viva la Revolution!


Demo:
ohne Nationalfahnen!
Freitag, 3.10.2003
15 Uhr Ex- BOLLE
U1,U15 Görlitzer Bhf.
Autonome Republik Kreuzberg

Abschlußkundgebung am Heinrichplatz
mit Bands und Vokü bis 22 Uhr

ErstaufruferInnen: SternBurgBrigade, Berliner Anti- NATO- Gruppe (B.A.N.G.),
BesetzerInnen der Paech- Brotfabrik (Moabit), Autonome Republik Kreuzberg,
Kreuzberger Proletarische Brigade (kpb), Kreuzberger Kiffer Front [K Ki F]

Falls ihr den Aufruf oder die Demo unterstützen wollt, bitte eine e- mail an
 sterni03@gmx.de.

 

16.09.2003
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Antifaschismus]  Zurück zur Übersicht

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