Friss oder stirb!
Friss oder stirb!
Metro, Bayer, Monsanto: Genfood-Komplott eines Handelsunternehmens und zweier Gentech-Konzerne
Udo Hoerster
"What we do - in every sense of the words - is this: Change Minds", heisst es in der Selbstdarstellung von Manning Selvage & Lee (MS & L), einer der weltgroessten Werbeagenturen. An Instrumenten hat sie fuer potente Kunden unter anderem im Angebot: Krisenkommunikation, langfristige Oeffentlichkeitskampagnen, Kontakte zu Politikern, Unterstuetzung bei Klagen, das Schmieden von Allianzen und vorgebliche "Grassroots"-Aktivitaeten. Auf kaum einem Gebiet sind solche Praktiken der Gehirnwaesche derzeit so gefragt wie auf dem der "gruenen Gentechnik". Allen Umfragen zufolge lehnt die Mehrheit der Verbraucher das Frankenstein-Essen ab. Darueber hinaus ueben Gentech-Kritiker mit diversen Aktionen gehoerigen Druck auf die Branche aus. So folgten bislang ueber 170 Firmen dem Appell von Greenpeace, keine Lebensmittel mit Zutaten aus genmanipulierten Pflanzen herzustellen oder zu verkaufen, darunter Coca Cola, Lindt und Lidl.
Allein bei der Metro, zu der unter anderem die Supermarktketten Real und Extra, Kaufhof und die Marke TIP gehoeren, gingen 6 000 Postkarten mit der entsprechenden Forderung ein. Aber der Konzern ignorierte sie � nicht umsonst sitzt mit dem Bayer-Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Schneider der Repraesentant eines der maechtigsten Gen-Multis im Metro-Aufsichtsrat. Auf dem kurzen Dienstweg einigte man sich, eine Gegenbewegung zu initiieren und beauftragte MS&L damit, die "oeffentliche Meinung zu aendern". Ein erstes Strategietreffen fand am 15. September in der Duesseldorfer Zentrale des Handelsriesen statt. Ausser Vertretern von Metro, Bayer und MS & L nahmen Abgesandte von Monsanto und der Doelle Unternehmensberatung sowie ein Emissaer vom "Bund fuer Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde" teil.
Zunaechst ging man ans "Allianzen schmieden". Die Runde entschied sich, Kontakte zu Aldi und Tengelmann herzustellen und das Genfood-Netz europaweit auszubauen. Bayer & Co. setzten sich zum Ziel, auf dem "Euro Commerce"-Meeting Mitte Oktober internationale Supermarkt-Ketten wie Carrefour und Tesco einzubinden. Den Genfood-Standort Bundesrepublik beabsichtigten sie, auf einer Sitzung der Bundesvereinigung deutscher Handelsverbaende entscheidend zu staerken. Die dafuer noetige Ueberzeugungsarbeit sollte ein Konzept leisten, das schluessig darlege, "wie zum gegenwaertigen Zeitpunkt eine zielfuehrende Kommunikation zum Verbraucher aufgebaut werden kann". Darin wollten die Gentech-Verkaeufer unter anderem folgende Fragen geklaert wissen "Mit welchen Argumenten wird gearbeitet?" "Welche Medien werden genutzt?" und "Welche finanziellen Mittel muessen bereitgestellt werden?"
Bevor sie richtig ins Laufen kommen konnte, geriet die Kampagne ins Stocken, weil Greenpeace Sand ins Getriebe streute. Der Organisation war ein Protokoll der Strategiesitzung vom 15. September zugespielt worden. Sie ging damit sogleich an die Oeffentlichkeit und fuehrte eine publikumswirksame Aktion vor einem Duesseldorfer Real-Markt durch. "Metro macht sich zum Handlanger der Genindustrie und taeuscht seine Kunden", begruendete Greenpeaceler Alexander Hissting die Aktion.
Die Metro legitimierte daraufhin den Verzicht auf den Genfood-Verzicht mit ihrer Aufrichtigkeit. Den Verkauf von Lebensmitteln, die ohne Gentechnik produziert worden seien, koenne sie beim besten Willen nicht mehr garantieren. Ein Sprecher des Handelsunternehmens verwies auf Angaben des Verbraucherschutzministeriums, wonach "60 bis 70 Prozent der auf dem Markt befindlichen Lebensmittel in irgendeiner Weise mit der Gentechnik in Beruehrung gekommen sind". Auf Nachfrage von Greenpeace allerdings gab die zustaendige Ministerin Renate Kuenast an, diese Zahlen stammten nicht aus ihrem Hause. Die "Gentechnik ist ueberall"-Bekundungen sind somit Teil einer auf die Parole "Widerstand ist zwecklos" setzenden Produkteinfuehrungskampagne, die "Friss oder Stirb!" ueberschrieben sein koennte.
Die Aufdeckung des Genfood-Komplotts, die auch den letzten Glauben an die "Transparenz"-Beteuerungen der Gen-Multis zerstoert haben duerfte, laesst hoffen, dass die Verbraucher sich weigern, die Gen-Suppe auszuloeffeln, die ihnen Bayer & Co. einbrocken wollen.
|