Berlin: Silvio-Meier-Demo 2003
Silvio-Meier-Demo 2003 in Berlin:
... Antifa heißt Angriff! ... Keine Kneipen für Nazis!
...
Der Mord an Silvio 1992: Am 21. November 1992 – also
vor etwa elf Jahren – wurde der Hausbesetzer und
Antifaschist Silvio Meier von Neonazis erstochen. Im
U-Bahnhof Samariterstraße in Berlin-Friedrichshain
trafen er und zwei Freunde auf eine Gruppe von
rechtsextremen Jugendlichen. Einer von ihnen trug
einen "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein"-Aufnäher.
Als Silvio und seine Freunde ihn zur Rede stellten und
aufforderten, den Aufnäher abzunehmen, zogen die Nazis
Messer und stachen auf die Antifas ein. Der 27-jährige
Antifaschist wurde durch mehrere Stiche getötet, zwei
seiner Begleiter schwer verletzt. Silvio wurde
ermordet, weil er sich gegen Nazis und ihre
menschenverachtende Ideologie zur Wehr setzte.
Nur zwei von sieben am Mord beteiligten Nazis wurden
darauf zu geringen Haftstrafen verurteilt, die
restlichen Mittäter kamen sogar ohne Anklage davon. Am
Wochenende von Silvios Tod wurde im niedersächsischen
Mölln ein von türkischen MigrantInnen bewohntes Haus
von Nazis angezündet, wobei vier Menschen den Tod
fanden. Rechtsextreme und rassistische Gewalttaten
erreichten im Jahr 1992 ihren Höhepunkt und halten
sich seitdem auf hohem Niveau in der gesamten
Bundesrepublik. Demonstration zum Gedenken an Silvio
Meier.
Seit nunmehr 11 Jahren erinnern wir mit einer
Demonstration an Silvio. Wir tun dies aber nicht, um
ihn als "Helden" zu verehren. Sondern wir nehmen
seinen Todestag zum Anlass, um auf die
gesellschaftliche Hintergründe des Neofaschismus und
Nazi-Strukturen in Friedrichshain und Lichtenberg
aufmerksam zu machen. Wir wollen klarmachen, dass
antifaschistische Arbeit gegen Nazis und ihre
Ideologie, gegen ihre Kneipen und Strukturen auch
heute noch aktuell ist, aber auch eine umfassende
Auseinandersetzung mit der allgemeinen
gesellschaftlichen Rechtsentwicklung notwendig ist.
Rechte Politikmuster und die ihnen zugrunde liegenden
Wertvorstellungen, Menschenbilder und
Gesellschaftsideale prägen schließlich den Alltag in
dieser Gesellschaft. Das heißt natürlich nicht gleich,
dass alle hier Nazis sind, allerdings bestimmt rechte
Ideologie die Vorzeichen, unter denen politische
Lösungskonzepte für bestehende Probleme überhaupt
diskutiert werden dürfen.
Der globalisierte Kapitalismus mit seinen
rücksichtslosen Selektionsmechanismen präsentiert sich
als alternativloses Gesellschaftsmodell und
strukturiert sämtliche soziale Beziehungen sowie das
politische Denken und Handeln der meisten Menschen in
diesem Land. Die bestehenden ungerechten Verhältnisse
werden somit von großen Teilen der Gesellschaft als
naturgegeben und unveränderlich angesehen.
Gleichzeitig wird jungen Menschen in der Schule, der
Uni, den Medien oder sogar von den Eltern vermittelt,
dass es einzig und allein wichtig sei, zu den
gesellschaftlichen Gewinnern zu gehören, Erfolg zu
haben und sich im Konkurrenzkampf gegen Andere
durchzusetzen. Doch diese geforderten Prinzipien für
sich zu übernehmen, bedeutet immer auch, autoritäre,
sozial ungerechte, ausgrenzende und unsolidarische
Einstellungen im Alltag zu praktizieren. Buckeln nach
oben und treten nach unten ist somit ein
gesellschaftlich anerkanntes und legitimiertes
Prinzip, dass Nazis letztlich nur besonders konsequent
umsetzen, wenn sie auf MigrantInnen, Obdachlose,
Linke, Homosexuelle, Behinderte und alle anderen, die
diesen rechten Ansprüchen nicht genügen (können),
einschlagen. In diesen harten Zeiten heißt linke
Politik für uns als aller erstes, einerseits konkrete
Aktionen gegen Nazis zu organisieren, den Nazis ihre
Räume zu nehmen und andererseits linke Freiräume zu
erkämpfen und langfristig zu etablieren.
Kein Bier für Nazis!
Als Teil einer Struktur, die Räume für Neonazis zur
Verfügung stellt, machte sich in letzter Zeit
besonders der sogenannte BFC-Fanclub einen schlechten
Namen. In der Vereinskneipe und dem angrenzenden
Tattoostudio in der Lichtenberger Scheffelstraße
treffen sich regelmäßig organisierte jugendliche
Neonazis und ihre SympathisantInnen. So auch am 3.
Oktober 2003, als dort 40 Hools und Nazis den
sogenannten Tag der Germanen feierten. Die Einladungen
zur Nazi-Fete waren in altdeutscher Schrift
geschrieben, jemand trug sogar Zeichen einer
SS-Einheit und später wurden auch noch weitere, den
Nationalsozialismus verherrlichende Gegenstände
gezeigt.
Mehrere Kneipen und Klamottenläden, die als
Treffpunkte für Nazis dienen, stehen im direkten
Zusammenhang mit konkreten Übergriffen gegen
MigrantInnen und VertreterInnen anderer Jugendkulturen
oder auch einfach nur Nicht-Rechte. So wurden selbst
im vermeintlich linken Friedrichshain in diesem Jahr
schon eine Gruppe von VietnamesInnen aus der Kneipe
"Frank´s Relaxbar" (Pettenkofer Straße) heraus brutal
angegriffen und ein Punk von Nazis in der Jessner
Straße zusammen geschlagen. Wir fordern von den
Kneipenwirten im Kiez: Kein Bier mehr für Nazis! Denn
wer seine Räumlichkeiten Neofaschisten zur Verfügung
stellt, trägt Mitverantwortung für die erstarkende
Gewalt von rechts.
Extremisten der Mitte...
Nationalistisches, rechtsextremes und rassistisches
Denken ist nicht nur bei "orientierungslosen",
schlecht gebildeten oder arbeitslosen Jugendlichen zu
finden, wie man uns oftmals einreden will. Es sind
auch keine Erscheinungen, die vom Rand der
Gesellschaft kommen, sondern direkt aus ihrer Mitte.
Die Parolen, die Nazis auf ihren Aufmärschen brüllen,
sind deshalb nur eine extremere Form von dem, was die
"bürgerliche Mitte" und etablierte Parteien im Kopf
haben. Diesen brutalen Rechtsextremismus der
Stiefelnazis von NPD und Freien Kameradschaften lehnt
zwar der gesellschaftliche Mainstream ab, ohne sich
allerdings die vorhandenen geistigen Parallelen vor
Augen zu führen. Würde doch eine konsequente
Auseinandersetzung mit den Ursachen des
Rechtsextremismus, die gesamten Grundsätze der hier
herrschenden kapitalistischen Ordnung in Frage
stellen. Nazis selber fühlen sich nicht ohne Grund
immer häufiger als "gewalttätiger Arm des
Stammtisches". Während staatliche Institutionen einem
Obdachlosen die Sozialhilfe entziehen, wird er von
Neonazis als "nicht wertvoll für die
Volksgemeinschaft" betrachtet und im Extremfall
ermordet. Während AsylbewerberInnen von Staat und
Polizei in Abschiebehaft genommen, erniedrigt und
danach in Elend und Tod geschickt werden, trauen sich
MigrantInnen in vielen Orten aus Angst vor rechten
Übergriffen nicht einmal mehr aus dem Haus.
Somit greifen organisierter Neofaschismus sowie
staatliche und gesellschaftliche Denk- und
Handlungsmuster eng ineinander. Alles und jeder wird
ausschließlich nur noch nach seiner Leistung
beurteilt, die im Wettbewerb mithalten muss. Da bleibt
wenig Platz für eigenständiges Denken und für eine
freie Entwicklung des Individuums. Nicht zuletzt wird
beim Überdecken von sozialen Problemen von der Politik
á la CDU, FDP und SPD mit Nationalismus und
Wohlstandschauvinismus Politik gemacht. Nicht ohne
Grund fallen auch soziale und politische Ausgrenzung
mit dem radikalen Abbau des Sozialstaates und dem
Verlust von Grundrechten zusammen. Für uns ist deshalb
klar, dass es nicht ausreichen kann, gegen
faschistische Strukturen zu kämpfen. Wir müssen
genauso gegen die Verwertungslogik im Kapitalismus
vorgehen. Leute, die sich weigern auf eine
wirtschaftliche Größe reduziert zu werden und eben
nicht jede Arbeit für wenig Lohn annehmen, machen es
im täglichen Leben vor und verdienen Respekt! Wir
haben deshalb auch keinen Bock darauf, die
LeistungsträgerInnen für eine ungerechte Gesellschaft
zu spielen und uns bereits in der Schule durch Noten
in "gute" und "schlechte" SchülerInnen einteilen zu
lassen!
Antifaschistische und linke Freiräume erkämpfen!
Um unsere Vorstellungen von einem herrschaftsfreien
und selbstbestimmten Leben verwirklichen und
ausprobieren zu können, brauchen wir vor allem
Freiräume. Das können besetzte Häuser sein oder
selbstverwaltete Jugendzentren wie das "SVJZ-Projekt"
in Lichtenberg. Hier sollen sich Linke ohne Zwang und
Leistungsdruck treffen und diskutieren können, Partys
feiern und dabei Spaß haben. Weil wir aber nicht nur
gegen Nazis vorgehen, sondern auch den Staat
kritisieren, können wir von denen da oben wenig
Unterstützung erwarten. Deshalb müssen wir für unsere
alten und neuen Freiräume kämpfen, um neue Formen
eines selbstbestimmten Lebens umsetzen zu können.
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Das "Berliner-Fussball-Café"
Die Demo führt an der sogenannten BFC-Fanclubkneipe
Scheffelstraße / Ecke Alfed-Jung-Straße in Lichtenberg
vorbei. In dieser Kneipe treffen sich sowohl rechte
Hooligans als auch organisierte Kader, wie zum
Beispiel Oliver Schweigert. Oliver Schweigert ist eine
zentrale Figur für die Organisation und Vernetzung von
gewalttätigen Neonazi-Gruppen aus dem Spektrum der
sogenannten Freien Kameradschaften. Am 03.10.2003
feierten im BFC ca. 50 Personen den sogenannten Tag
der Germanen. Die Kneipe stellt also derzeit einen
dauerhaften Treffpunkt der Berliner Neonazi-Szene dar.
Antifaschistisches Gedenken
Die Demonstration führt auch am Loeperplatz in
Lichtenberg vorbei. Dort steht das erste Denkmal, das
der Bezirk Lichtenberg seinen von den Nazis zwischen
1933 und 1945 verfolgten antifaschistischen
Widerstandskämpfern gewidmet hat. Im
Nationalsozialismus wohnten in Lichtenberg zahlreiche
antifaschistische Widerstandskämpfer; von ihnen wurden
viele im Konzentrationslager umgebracht. An alle in
der Nazi-Zeit verfolgten AntifaschistInnen möchten wir
mit einer Kranzniederlegung bei der Demo erinnern.
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Für eine Gesellschaft ohne Leistungsdruck, Ausbeutung
und Rassismus!
Für eine starke linke Jugendkultur!
Keinen Fußbreit den Faschisten!
Silvio-Meier-Demo: 22. November 2003 in Berlin
Friedrichshain | 15 Uhr am U-Bahnhof Frankfurter Tor
(U 5-Ersatzverkehr!)
Mahnwache: 21.11.03 | 17 Uhr am U-Bhf. Samariterstraße
Soli-Party: 21.11.03 | 21 Uhr im Tommy-Weisbecker-Haus
(Wilhelmstraße 9)
mehr Infos: http://www.antifa.de
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Plakat und Aufrufbestellungen:
Antifaschistische Linke Berlin [ALB]
Postfach 580 544
10414 Berlin
Fax: (030) 27 56 07 55
e-mail: mail@antifa.de
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