Potsdam: Totalverweigererprozess Volker Wiedersberg am 15.12.03
Verfassungsmäßigkeit der Wehrpflicht erneut auf dem Prüfstand
Im Verfahren gegen den totalen Kriegsdienstdienstverweigerer Volker
Wiedersberg wird am 15. Dezember 2003 vor dem Landgericht Potsdam erneut
verhandelt. Ihm wird vorgeworfen, am 1. September 1993 den Zivildienst
nicht angetreten zu haben.
Im Mai 1998 war der heute 34-jährige vom Amtsgericht wegen
Zivildienstflucht Potsdam zu einer Geldstrafe verurteilt worden, gegen
die er in Berufung gegangen war. Das Landgericht Potsdam setzte im März
1999 das Verfahren aus und beantragte eine konkrete Normenkontrolle
(Richtervorlage) beim Bundesverfassungsgericht zu der Frage, ob die
Wehrpflicht noch verfassungsgemäß sei. Das Verfassungsgericht benötigte
fast drei Jahre, um den Antrag im Februar 2002 wegen formeller Mängel
abzuweisen. Über die inhaltliche Frage, ob der intensive Eingriff in die
fundamentalen Grundrechte der meist jungen Männer, der mit der
Wehrpflicht verbunden ist, verfassungsrechtlich nach dem Wegfall der
Blockkonfrontation und damit der Bedrohung Deutschlands noch zu
rechtfertigen sei, hat der zweite Senat aber nicht entschieden.
Volker Wiedersberg, der schon den Dienst bei der NVA total verweigert
hatte, besteht darauf, dass seine konsequente Gewissensentscheidung auch
zu einem Freispruch führen muss. Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit
beinhalte auch, den Ersatzdienst ohne Waffe zu verweigern, weil dieser
Teil der militärischen Kriegsplanung ist.
Die Wehrpflicht ist auch aus Gründen der Wehrungerechtigkeit
verfassungswidrig. Im August 2003 haben 157.875 Männer Zivil- oder
Wehrdienst geleistet. Bei Jahrgangsstärken von über 400.000
Wehrpflichtigen leistet nicht einmal mehr jeder Zweite einen Dienst. Das
Verfassungsgebot des Gleichheitsgrundsatzes ist ausgehebelt. Während
viele junge Männer gar nicht mehr eingezogen werden können, werden
andere, die den Wehr- sowie Ersatzdienst nach ihrer Einberufung
verweigern, strafrechtlich verfolgt.
Der inzwischen selber als Rechtsanwalt tätige Volker Wiedersberg steht
nun erneut vor dem Landgericht. Gemeinsam mit seinem Verteidiger
Wolfgang Kaleck wird er auf Grundlage der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes die Frage der Verfassungsmäßigkeit der
Wehrpflicht abermals zum Gegenstand der Verhandlung machen.
Montag, den 15. Dezember, 13.00 Uhr,
Landgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, Saal 5.
Volker Wiedersberg und Wolfgang Kaleck stehen ab 12.30 Uhr sowie nach
der Verhandlung der Presse für weitere Informationen und Nachfragen zur
Verfügung.
Ralf Siemens
http://www.kampagne.de/Presse/Presse2003/03_23.php
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Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär
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