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Halle: Diskothek bemüht sich um rechtsextreme Kundschaft


Halle: Diskothek bemüht sich um rechtsextreme Kundschaft

In der halleschen Diskothek Palette soll am 25. Dezember ein Konzert mit den
Bands Fire & Ice, Sonne Hagal und Sonnentau stattfinden. Als Veranstalter
dieses Konzertes treten Uwe Nolte (Noltex) und das Label Eis & Licht um den
Dresdner Stephan Pockrandt auf. Sowohl die Bands als auch die Organisatoren
gehören dem rechten Rand der Gothic- bzw. Gruftieszene an. Die Betreiber der
Palette sind bereits mehrfach auf den Charakter des Konzertes und den politischen
Background der Veranstalter aufmerksam gemacht und aufgefordert worden, das
Konzert abzusagen. Das Konzert wird jedoch auch weiterhin auf der Homepage
der Palette beworben. Die Veranstalter haben sich anscheinend entschieden, ihre
Kundschaft auf den rechten Rand auszuweiten. Ein Hintergrundtext zu den
Bands und den Veranstaltern:

Zu Weihnachten 2003 hat sich Uwe Nolte (NOLTEx) etwas besonderes ausgedacht.
Gemeinsam mit Stephan Pockrandt will er in der bekannten Hallenser Disko
»Palette« ein ganz besonderes Konzert veranstalten. Pockrandt zeichnete als
Chefredakteur für das Magazin Sigill und die ersten Ausgaben des
Nachfolgeprojektes Zinnober verantwortlich und betreibt das Musiklabel Eis & Licht. Das Label
veröffentlicht vor allem Neofolk-Bands, »deren Musik in unterschiedlicher
Gewichtung Romantik, Militarismus, nordische Götterwelt und elitäres
Gedankengut beinhaltet«. [1]
Am 25. Dezember sollen die Bands Fire & Ice, Sonne Hagal und Sonnentau – ein
Seitenprojekt von Uwe Nolte – auftreten. Uwe Nolte ist mit der Band Orplid
ebenso wie Sonne Hagal mit einigen Veröffentlichungen beim Label Pockrandts
unter Vertrag.
Musikalisch bewegen sich die Künstler im sog. Neofolk, einer Richtung des
Dark Wave, düsterer, melancholischer Musik unterschiedlicher Ausprägung, die
üblicherweise mit den Grufties bzw. Gothics verbunden wird. Thematisch
verarbeiten die Musiker im Neofolk heidnische und spirituelle Bezüge, die in einer
neuen Form von Folk, also Volksmusik an die Wurzel des eigenen Daseins erinnern
sollen. Wo man diese Wurzeln verortet, wird bei einem näheren Blick klar.
Die Weitergabe »Runischen Wissens« durch die Band Sonne Hagal im Magazin
Zinnober lobt die rechtsextreme Junge Freiheit als Annäherung an germanische
Mystik. [2] Sowohl Ian Read von Fire & Ice als auch Sonne Hagal gestalten ihr
Artwork mit Verweis auf die »nordische Kultur« mit Runen, Read hat auf einer
Veranstaltung beim Dark-Wave-Festival in Leipzig 2003 eine einschlägige Lesung
gehalten.
Ian Read gehört mit der aus dem Split von Death in June hervorgegangen Band
Sol Invictus zu den Gründungsfiguren des Neofolk. Sein Interesse für
Odinismus, Heidentum und Magie führte u.a. zu seiner Mitgliedschaft bei der
heidnischen Gruppe Illuminates of Thanateros (IOT). Nach seiner Trennung von Sol
Invictus gründete er die Band Fire & Ice und sein eigenes kleines Label Fremdheit.
In einer der ersten Veröffentlichungen im Jahr 2000 kommt u. a. der
amerikanische Neonazi Eric Owens zu einem musikalischen Auftritt.
Uwe Nolte (Sonnentau/ gemeinsam mit Frank Machau Orplid) hat die
pathetische, deutschtümelnde musikalische Arbeit Beifall von extrem rechts verschafft.
So schreibt das Organ der NPD Deutsche Stimme zu einer 1999 erschienenen Maxi
CD: »Wem Frank Rennicke und Jörg Hähnel nicht ausreichen, der kommt an dieser
Scheibe nicht vorbei.« [3] Das selbe Blatt analysiert 2003: »Eine Gruppe,
die Musik wie Orplid macht, kann wohl nur aus Sachsen-Anhalt kommen, dem
vielleicht mythengesättigsten deutschen Gau…« [4] Dass es sich dabei nicht um
Missverständnisse handelt, beweisen die musikalischen Beiträge auf zwei Samplern.
Mit der Vorgängerband Rückgrat beteiligte sich Nolte 1996 am Sampler für Leni
Riefenstahl, der vom extrem rechten Verlag und Agentur Werner Symanek (VAWS)
veröffentlicht wurde. Mit einschlägig bekannten Bands des rechten Dark Wave
folgte 1998 der Beitrag am Sampler zu Ehren des hundertsten Geburtstages des
italienischen Faschisten Julius Evola, produziert von Eis & Licht. Die
Debüt-Veröffentlichung von Orplid wurde neben Eis & Licht auch vom Ultima Tonträger
Versand beworben. Inhaber war der hallesche neonazistische Führungskader
Sven Liebich.
Auch ein aktueller Blick bestätigt die ideologische Nähe. Nolte versteht
sich nicht nur als Musiker, sondern auch als Photograf und Dichter. Auf der
offiziellen Website seiner Band Orplid findet man den Link zu www.godenholm.de.
Die Seite widmet sich dem nationalrevolutionären Kreis um Ernst Niekisch und
seiner in den zwanziger und dreißiger Jahren erschienen Zeitschrift
Widerstand. Niekisch begann seinen politischen Weg in der Münchner Räterepublik mit
einem antiegalitären, nationalistischen Sozialpatriotismus, der sich später zu
einem faschistischen Entwurf von Staat und Gesellschaft verdichtete. Unter
Wahrung der ökonomischen Struktur des Kapitalismus ging es ihm um die Errichtung
eines Staates, in dem Kapitalinteresse und die sozialen Existenzbedingungen
der Lohnabhängigen völlig dem Primat der Nation untergeordnet sind. Seine
Kritik an der aufstrebenden NSDAP, heute oft als antifaschistische Kritik
verklärt, führte zu seiner Inhaftierung ab 1935. Dabei galt sein Angriff einer in
seinen Augen »legalistischen« Bewegung, motiviert in einem Konkurrenzkampf
innerhalb des starken rechten, antidemokratischen Lagers der Weimarer Republik.
Uwe Noltes Dichtungen finden sich auf www.godenholm.de in einer Reihe mit
Texten der sog. Nationalrevolutionäre Ernst Niekisch, der Ikone
nationalkonservativen Denkens, Ernst Jünger, und Ernst von Salomon, der 1922 am Mord an dem
jüdischen Außenminister der Weimarer Republik, Walther Rathenau, beteiligt
war. Mit seinen Gedichten ist Nolte weiterhin im Arnshaugk Verlag vertreten,
der auf www.godenholm.de ebenso verlinkt ist wie das nationalistische
Querfrontblatt Wir selbst und die »neurechte« Zeitschrift Criticon.
Anmelder der Webpräsenz von Orplid und www.godenholm.de ist Thomas Michael
aus Halle. Mit dessen Unternehmungen schließt sich der Kreis wiederum zu
Stephan Pockrandt. Unterstützt wird der fragwürdige kulturpolitische Hintergrund
seines Labels durch das Zeitungsprojekt Sigill bzw. durch das Nachfolgeprojekt
Zinnober. Das Blatt ist als Kultur- und Musikmagazin besonders durch seine
affirmativen Darstellung nationalkonservativer Autoren »der extremen Rechten
zuzuordnen«. [5] Nachdem Pockrandt offiziell als Chefredakteur des
Hochglanzmagazins zurückgetreten ist, haben Dominik Tischleder und Thomas Michael
(Layout) die Redaktion übernommen. Die Zeitung, die ebenso wie das Label Eis &
Licht begeisterte Rezensionen in rechtsextremen Publikationen findet, ist nicht
das einzige politische Projekt, das Michael mit vorantreibt. Neben seinen
theoretischen Reflexionen zu Ernst Jünger auf www.godenholm.de arbeitet er
ebenfalls für das rechtsintellektuelle Institut für Staatspolitik (IfS) im
Rittergut Schnellroda. Für das Zentrum um den in der Grauzone zwischen
nationalkonservativ und rechtsextrem altgedienten Karl Heinz Weißmann gestaltet er deren
Zeitschrift Sezession und entwickelte die Website des IfS.
Die Aktivitäten auf den unterschiedlichen Ebenen von Musik, Zeitschriften,
Verlagen bis zu rechten Denkfabriken decken sich in ihrem Bemühen rechte
Ideologie hoffähig zu machen. Mit Jünger, Niekisch, Evola werden seit Jahrzehnten
Modethemen der neuen Rechten bedient. Die Rezeption der rechten Protagonisten
der Weimarer Republik und des Vordenkers des italienischen Faschismus soll
nationales, antidemokratisches und elitäres Denken in einer von
nationalsozialistischen Verbrechen freien Form präsentieren. Dies soll das Anknüpfen für
die Rechte heute ebenso erleichtern wie ein bestimmter sprachlicher Gestus. So
reiht man sich zum einen mit Eindeutschungen für gebräuchliche Anglizismen in
die Praxis der rechtsextremen (Jugend)Szene ein, so wird das Internet zum
Weltnetz, Links werden Verweise, CDs zu Lichtscheiben... Andererseits wird der
politische Gehalt der kultur-politischen Aktivitäten vehement abgestritten,
nationalsozialistische Bezüge gern ausgeklammert, elitäre und
antidemokratische Einstellungen als »nonkonform« und »anarchisch« etikettiert.
Das Konzert am 25. Dezember werden nicht wenige Fans besuchen, die sich
dieser ideologischen Bezüge bewusst sind. Bei vergleichbaren Anlässen kamen
Darkwaver in schwarzen oder Tarn-Uniformen, bündischen Kniebundhosen, komplettiert
mit SS-Symbolik wie Sigrunen oder Schwarzer Sonne zusammen. So findet sich
die Aufforderung durch Uwe Nolte und Stephan Pockrandt in ihrer
Veranstaltungsankündigung: »Anschließend möchten wir sie bitten, anlässlich der für uns
alle festlichen Zeit in welcher das Konzert stattfindet, auf ein stilistisch
sicheres und ordentliches äußeres Erscheinungsbild zu achten.« [6] Dass damit
weder Weihnachtsmannkostüm noch Smoking gemeint sind, ist bei dieser
Veranstaltung offensichtlich.

Anmerkungen
[1] Thomas Naumann, Patrick Schwarz: Von der CD zur »Lichtscheibe«, in:
Andreas Speit (Hg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial
im Spannungsfeld rechter Ideologien, Münster 2002, S. 175.
[2] Claus-M. Wolfschlag (Rez.): Zinnober. Anarchistischer Ästhetizismus, in:
Junge Freiheit, Nr. 48, 21.11.03, S. 12.
[3] Musikrezensionen, Deutsche Stimme, 10 (1999), S. 13. Frank Rennicke und
Jörg Hähnel sind als Liedermacher bei der NPD aktiv.
[4] Hugo Fischer: Gegenkultur. Klänge zwischen Heimat, Kultur und Tradition,
in: Deutsche Stimme, 3 (2003), o.S.
[5] Christian Dornbusch: Zinnober, in: Bulletin. Schriftenreihe des Zentrums
für Demokratische Kultur, 3 (2003), S. 26.
[6] Mailinglist  http://www.eislicht.de, Oktober 2003: Betreff: Fire & Ice/
Sonnentau/ SonneHagal live.

 

15.12.2003
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