Berlin: Solidaritäsaktionen mit Venezuela!
Liebe FreundInnen,
anlässlich des 2. Jahrestages des Putschversuchs in Venezuela rufen wir Euch
zu folgenden Solidaritätsaktionen gegen die Unterstützung der
venezolanischen Rechten durch europäische Parteienstiftungen und
Institutionen auf:
-VERANSTALTUNG
Montag, 5. April, 20.30 Uhr Buchladen b_books (Lübbener Straße,
Berlin-Kreuzberg):
"Eine andere Art ist möglich - in Venezuela" (Film und Diskussion)
- KUNDGEBUNG
Mittwoch, 7.April, 17 Uhr, EU-Vertretung in Berlin (Unter den Linden 78)
ZUR VERANSTALTUNG AM 5. APRIL:
Die bolivarianische Revolte: Aneignung, Krise der Repräsentation,
messianisches Versprechen
In Venezuela findet ein tiefgreifender Veränderungsprozess statt. Schon vor
ein paar Monaten haben wir in b_books darüber diskutiert: Über die
Selbstorganisation von Landlosen, Stadteilgruppen, afrovenezolanischen
Communitys,
Medienprojekten ...
Das Interessante an diesem Prozess ist, dass er wie die Revolte in
Argentinien aus einer Krise der Repräsentation entsprungen ist. Que se vayan
todos –
die Bevölkerung hatte die Schnauze voll von politischer Vertretung.
Gleichzeitig beruft sich die radikale Basisbewegung von unten jedoch auf
eine fast
schon messianische Führerperson: den Unteroffizier und gewählten Präsidenten
Hugo
Chávez.
Nichts als Widersprüche: Die Trennlinie zwischen Reformisten und
Linksradikalen verwischt auf eigenartige Weise. In konkreten Pilotprojekten
versucht
man, Lokalmacht und Selbstregierung mit Staatlichkeit zu verbinden.
Am 11. April 2004 jährt sich der bürgerliche Putschversuch, mit dem der
Aneignungsprozess von unten gestoppt werden sollte, zum zweiten Mal. Seitdem
probt die rechte venezolanische Opposition mit massiver Unterstützung aus
Spanien, den USA, aber auch Deutschland im Halbjahrestakt den gewaltsamen
Umsturz.
Vor dem Hintergrund wollen wir am Montag, den 5. April um 20.30 Uhr den
italienischen Film „Eine andere Art ist möglich – in Venezuela“ sehen und
diskutieren.
AUFRUF ZUR KUNDGEBUNG AM 7. APRIL:
Zwei Jahre nach dem rechten Putschversuch –
Solidarität mit Basisorganisationen und Regierung in Venezuela
In Venezuela findet seit einigen Jahren ein tiefgreifender Reformprozess
statt. Die Bewohner von Armenvierteln organisieren sich in
Stadtteilversammlungen und können, dank eines neuen Mitbestimmungsgesetzes,
über die Vergabe von
öffentlichen Haushaltsmitteln mitentscheiden. Auf dem Land besetzen Sin
Tierras brachliegende Ländereien von Großgrundbesitzern und erhalten bei der
Gründung von Kooperativen staatliche Unterstützung. Ein neues Mediengesetz
erleichtert die Gründung von alternativen Radio- und Fernsehstationen;
staatliche
Kultureinrichtungen stellen für solche Bürgerradios bisweilen Geräte zur
Verfügung. Mit Alphabetisierungs- und Gesundheitskampagnen werden die
Lebensbedingungen gerade in den Slums verbessert. Die Regierung hat die
Tobin-Steuer
eingeführt, die lateinamerikanische Wirtschaftskooperation vertieft, sich
kritisch
zu den von EU und USA vorgeschlagenen Freihandelsmodellen geäußert und
Mitbestimmungsgesetze in der Elektrizitäts- und Erdölindustrie erlassen.
Über die
Verwendung der Einnahmen des staatlichen Ölkonzerns PDVSA wird erstmals seit
30 Jahren öffentlich debattiert. Arme Staaten des Südens beziehen
venezolanisches Erdöl zum Vorzugspreis. Zudem sind die Rechte von Indigenen
und
Afro-Venezolanern in der neuen Verfassung von 1999 ausgebaut worden.
Das sind die Veränderungen, die in den Medien als „linkspopulistisch“ und
„autoritär“ bezeichnet werden. Man muss die venezolanische Regierung Chávez
nicht verherrlichen – auch unter ihr gibt es Korruption, Borniertheit und
Machtkonzentration. Doch eines lässt sich nicht leugnen: Venezuela ist heute
eines
der wenigen Länder der Welt, in denen Alternativen zu Neoliberalismus und
Medienkonzentration angegangen werden. Und dieser Prozess wird – anders als
in
den bürgerlichen Medien dargestellt – nicht nur von der Regierung, sondern
von
einer breiten Basisbewegung getragen: vom linken Gewerkschaftsverband UNT,
von selbstorganisierten Stadtteilkomitees, Bauernorganisationen,
alternativen
Medienprojekten ...
Die Regierung Chávez und ihre Politik sind seit 1998 sechs Wahlen und
landesweiten Referenden unterworfen worfen, sie hat alle gewonnen. Ihr
entscheidendes Manko: Im Gegensatz zur bürgerlichen Opposition verfügen die
Anhänger der
Regierung über keine Finanzmittel und kaum eigene Medien.
Das venezolanische Experiment steht wie das Chile Salvador Allendes 1973
unter massivem ausländischem Druck. Im April und im Dezember 2002 hat die
bürgerliche Opposition mit Hilfe Madrids und Washingtons versucht, Chávez
mit
Gewalt zu stürzen. In beiden Fällen scheiterten die Putsche an der
Mobilisierung
der Bevölkerung und am Verhalten einer Armee, die selbst von den
gesellschaftlichen Veränderungen erfasst worden ist.
Ende 2003 hat die Rechtsopposition, die auch aus Deutschland u.a. von der
Konrad-Adenauer-Stiftung finanzielle Unterstützung erhält, nun ein
Abwahlreferendum gegen Präsident Chávez gestartet. Die Oberste
Wahlaufsichtsbehörde hat
jedoch 400.000 (von 3,4 Millionen eingereichten Unterschriften) als ungültig
gewertet (weil von Toten, Kindern oder nicht-wahlberechtigten Ausländern
unterzeichnet) und eine weitere Million Unterschriften als problematisch
bezeichnet. Entgegen der von der Wahlaufsichtsbehörde im Vorfeld
aufgestellten
Richtlinien wurden eine Million Eintragungen offensichtlich von Wahlhelfern
gemacht
– ganze Fragebögen sind in der gleichen Handschrift ausgefüllt. Weil
Unterschriften und Fingerabdrücke auch aus elektronischen Datenbanken
kopiert worden
sein können (und die Unterschriftenlisten von der Opposition vor der
Übergabe an die Wahlaufsichtsbehörde fast einen Monat lang zurückgehalten
wurden),
ist nicht ersichtlich, ob die Unterschriften von den betreffenden
BürgerInnen
geleistet oder von den Organisatoren des Bürgerbegehrens gefälscht worden
sind. Ende März müssen eine Million Menschen nun in einem neuerlichen
Verfahren
bestätigen oder dementieren, ob die Unterschriften von ihnen stammen.
Medien wie CNN und El País haben diese Entscheidung als Beleg für den
Autoritarismus in Venezuela bezeichnet. Die Opposition hat gewalttätige
Straßenschlachten provoziert. Als die Guardia Nacional dagegen vorgegangen
ist, wurde
dies als besondere Brutalität bezeichnet. Keine Rede davon, dass die Guardia
Nacional im Unterschied zu früher keine Schusswaffen eingesetzt hat und der
Angriff eindeutig von den Rechten ausging. (Spitzenpolitiker von Christ- und
Sozialdemokratie sind auf Fotos neben Vermummten und an Barrikaden zu
sehen).
Offensichtlich herrscht nur dann Demokratie, wenn diejenigen regieren, die
immer regieren, und mit ihrer Medienkontrolle oder offenem Wahlbetrug dafür
sorgen, dass sie alle vier Jahre an der Macht bestätigt werden.
Wir rufen dazu auf, den venezolanischen Reformprozess gegen den Druck von
Medienkonzernen, EU und USA zu verteidigen. In dem südamerikanischen Land
werden heute zwei Dinge verhandelt, die weltweit von Bedeutung sind:
- In Venezuela gibt es Basisbewegungen und eine Regierung, die damit
begonnen haben, Vorstellungen der Anti-Globalisierungsbewegung in die Praxis
umzusetzen und Alternativen zum neoliberalen Kapitalismus wieder konkret zu
machen.
- In Venezuela entscheidet sich, ob parlamentarische Wahlen von den
Herrschenden einfach zur Farce gemacht werden können. Immer wieder haben
v.a.
US-Regierungen (aber auch ihre europäischen Verbündeten) dafür gesorgt, dass
demokratisch gewählte Reformregierungen per Putsch, Mord und Entführung
beseitigt
wurden. Der wohl bekannteste Fall war der Sturz Salvador Allendes 1973.
Das darf sich nicht wiederholen! Der Reformprozess in Venezuela ist ein
wichtiges und von der Bevölkerung getragenes Experiment.
Am 11. April jährt sich der rechte, von Madrid und Washington unterstützte
Putschversuch in Venezuela zum zweiten Mal. Zu diesem Anlass rufen wir zu
Solidaritätsaktionen mit Venezuela auf.
Keine Finanzierung putschistischer Gruppen durch Konrad-Adenauer-Stiftung,
Friedrich-Ebert-Stiftung, EU und Bundesregierung!
Für eine Alternative zur kapitalistischen Ausplünderung der Welt!
In Berlin:
Kommt zur Kundgebung vor der EU-Vertretung (Unter den Linden 78) 7. April
2004 17 Uhr
Veranstaltung zum Putsch (mit Film) ... 5. April 20 Uhr (Buchladen b_books)
ErstunterzeichnerInnen:
Kolumbienkampagne Berlin, Beatrix Sassermann (Betriebsrat Bayer-Wuppertal),
Raul Zelik (Autor), Bildungsoffensive Brandenburg, Hermann Dierkes (stellv.
Betriebsratsvorsitzender IG METALL), Günter Pohl
(Lateinamerikakorrespondent),
Dietrich Höper (Vorsitzender – Verband für Entwicklungspolitik Niedersachsen
VEN), Christine Klissenbauer (Pax Christi Solidaritätsfonds Eine Welt),
Prof. Erhard Scholz (GHS Wuppertal), Dr. Inno Rapthel (Chemiker, Halle),
Internationales Solidaritätsnetzwerk (ISNRSI), Forschungs- und
Dokumentationszentrum
Chile-Lateinamerika (FDCL), Willy Eberle (Gewerkschaft GBI-Schweiz), Stefan
Freudenberg (Student), Simón Ramírez Voltaire (Journalist), Ulrich Franz
(Chemiekreis), Gerd-Peter Zielezinski, (Betriebsrat und Stadtverordneter
Wuppertal), Elmar Altvater (FU Berlin), Thomas Guthmann (Berlin), Dario
Azzellini
(Autor), Peter Kranz (Pfarrer), Heinz Stehr (DKP), Marco Tullney (Uni
Marburg),
Franz Segbers (Uni Marburg), Uwe Nischwitz (EineWelthaus München), Angela
Hidding (Betriebsrätin und IGMetall), Fritz Stahl (Rentner und IG Metall),
Ulf
Rassmann (Netzwerk Cuba), Zeitschrift Arranca, Frank Schwitalla (Netzwerk
Cuba), Prof. Heinz Dieterich (Universität Mexiko D.F.), Barbara Köhler
(Netzwerk
Cuba), Organisierte Autonomie Nürnberg, Dr. Heiner Köhnen (TIE),
3.Welt-Forum
Hannover, Arbeitskreis Lateinamerika Hannover, Almut Pape (Retnerin),
Gottfried Heil (IG Metall Oberschwaben), Angela Klein (ISL), Hans-Günter
Mull
(Redaktion SoZ), Dieter Boris (Uni Marburg), Ralph Guariguata (Betriebsrat
und
Mitglied des Chemiekreises), Frank Deppe (Uni Marburg), Martin Glasenapp
(Medico
International), Bundesweite Initiative Libertad, Johannes M.Becker (Uni
Marburg), ATTAC Hamburg – AG Frieden, AK Internationalismus IG Metall,
Gruppe
FelS (Berlin), Hans-Jochen Vogel (Pfarrer), SJD-Die Falken (Berlin)
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