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Leipzig: Vor der Entscheidung

Leipziger Olympia-Bewerbung
Ein kleines Ratespiel gefällig? Bitte! Was passt nicht in diese Reihe: New York, Paris, Havanna, Istanbul, London, Madrid, Rio de Janeiro, Leipzig? Richtig. Sieben Weltstädte und ein ostdeutsches Kuhdorf, das sind die Kandidaten für die Olympischen Spiele 2012, die noch im Rennen sind. Am 18. Mai um 13.30 Uhr wird das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Lausanne seine Entscheidung bekannt geben, wer es in die letzte Runde schaffen wird.

Eigentlich gilt die Leipziger Bewerbung als absolut aussichtslos. Doch die Tatsache, dass Leipzig nicht die Olympischen Spiele bekommen wird, bedeutet nicht automatisch, dass die Stadt bereits am Dienstag rausfliegt. Denn erstens gibt es keine Regel, wie viele Bewerber in die letzte Auswahl gelangen, und zweitens dürfte zumindest das Ausscheiden Havannas und Istanbuls schon beschlossene Sache sein.

Und da liegt denn auch der Hund begraben. Denn wenn Leipzig eine Runde weiter kommt, dann muss die Stadt in Vorleistung treten: Stadien renovieren oder neu bauen, Sicherheitskonzepte entwickeln und zumindest teilweise realisieren, zum Beispiel weitere Überwachungskameras anschrauben und so weiter und so fort. Man kennt das aus Berlin, wo einige Politiker sogar vorhatten, als PR-Maßnahme den Fernsehturm am Alex komplett gelb zu streichen. Der Turm stünde heute noch als hämisches Wahrzeichen des Berliner Scheiterns leuchtend gelb über der Stadt. Anderes jedoch wurde wirklich umgesetzt. Das neu gebaute überdimensionierte Velodrom dient heute immerhin Britney Spears, James Last und den Böhsen Onkelz als Konzertsaal.

Es ist jedoch weniger die Befürchtung, Investitionsruinen zu schaffen, die einige wenige Leipziger gegen die Olympiabewerbung aktiv werden lässt. Das Anti-Olympia-Komitee (AOK) kritisiert die Olympiade auch als Gentrifizierungsmaßnahme und als Werbeveranstaltung für Leistungs- und Konkurrenzdenken. Vor allem aber kritisieren die Anti-Olympiker die nationale Formierung, die sowohl den Olympischen Spielen selbst zu Grunde liegt als auch schon in der Bewerbungsphase dominant ist.

Von der CDU bis zur PDS sind nämlich alle, alle dafür, dass Leipzig Olympiastadt wird. Nur eine Handvoll Autonomer nicht. Sie wollen am Samstag, dem 15. Mai, mit einer Demonstration in der Innenstadt noch mal schlechte Stimmung verbreiten, damit die Herren der Ringe in Lausanne gar nicht erst auf den Geschmack kommen. Aufmerksamkeit ist dabei garantiert, denn gleichzeitig finden in der Stadt überall Pro-Olympia-Veranstaltungen und –Feste statt. Es soll sogar eine Menschenkette geben, die sich ausdrücklich gegen die Anti-Olympia-Demo richtet. Organisator ist der Sohn der DDR-Radsport-Legende Täve Schur, der Radrennfahrer Jan Schur.

Auch in Athen, wo dieses Jahr die Olympischen Spiele stattfinden werden, kennt man nur noch Griechen und keine Klassen oder Parteien mehr, wenn es um Olympia geht. Die Gewerkschaften haben für die Zeit der Spiele und auch schon der Vorbereitung sogar eine Art »Waffenstillstand« mit dem Arbeitgeberverband vereinbart.

Endgültig entscheidet das IOC am 6. Juli 2005 über den Austragungsort der Spiele im Jahr 2012. Sollte es Leipzig in die letzte Runde schaffen, ist also ein Jahr Zeit für die Olympia-Strategen, sich dem IOC gegenüber möglichst ehrgeizig und investitionsfreudig zu präsentieren. Und für die Olympia-Gegner, ihre Kampagne auszubauen, frei nach dem Motto: Nicht dabei sein ist alles.

ivo bozic

 

12.05.2004
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