Mittenwald: Programm
+++++++++Veranstaltungsübersicht:+++++++++
Samstag, den 29. Mai 2004
11.00 Demonstration ab Bahnhof durch Mittenwald
RednerInnen u.a.
Ulrich Sander, VVN-BDA
Tobias Pflüger, Informationsstelle Militarisierung, Tübingen
14:00 Pressekonferenz Gaststätte der Eissporthalle Mittenwald
15.00 Uhr Die Mörder sind unter uns!
Gaststätte der Eissporthalle Mittenwald
Veranstaltung mit Beiträgen zu den NS-Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger in
Frankreich und Griechenland, zur Bedeutung des bewaffneten
Widerstandes gegen die Deutschen und zu Entschädigungsforderungen mit:
* Ernst Grube, ehemaliger Gefangener KZ Theresienstadt, Grußwort
* Panagiotis Babouskas, Überlebender des Massakers in Lyngiades/
Griechenland
* Jacob Baruch "Jacquot" Szmulewicz - ein jüdischer Partisan in Frankreich, FTP-MOI Lyon/Grenoble
* Ludwig Baumann, Vorsitzender der Vereinigung der Opfer der Militärjustiz: Als Deserteur in Frankreich
* Martin Klingner, Rechtsanwalt, AK Distomo Hamburg zu den Entschädigungsforderungen
* Stephan Stracke, Historiker, Angreifbare Traditionspflege Wuppertal zu den
Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger in Frankreich und zum Kampf der Resistance
ab 15:00 Uhr Dauerkundgebung in der Innenstadt mit offenem Mikrophon mit und für die MittenwalderInnen
Ab 19:00 Kameradschaftsabend der Gebirgsjäger im Postkeller
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Sonntag, den 30. Mai 2004
ab 9 Uhr Kundgebung gegen das Pfingsttreffen am Hohen Brendten
10:30 Uhr Feldgottesdienst
"Jacob Baruch "Jacquot" Szmulewicz - ein jüdischer Partisan in Frankreich
1924 wird Jacob Baruch "Jacquot" Szmulewicz in Sincice in Polen geboren. Die Familie
Szmulewicz emigriert nach Frankreich und lässt sich im Marais, einem
jüdischen Viertel von Paris nieder. Der Vater, Schneider von Beruf, eröffnet
eine jüdische Metzgerei, die er jedoch nicht lange halten kann. Er
arbeitet wieder als Zuschneider. Die Kinder wachsen im proletarisch-
jüdischen Milieu von Belville auf, Szmulewicz schließt sich der
Jugendorganisation der Jüdischen Sektion in der Kommunistischen
Partei an. 1941 geht er, inzwischen 17 Jahre alt, nach Lyon. Nach
dem Einmarsch der Deutschen in der sogenannten Freien Zone,
arbeitet Jacquot als Illegaler für die Jugendorganisation der M.O.I.(der
vorwiegend aus Juden bestehenden Immigrantenorganisation der
Kommunistischen Partei). 1943 wird er in die bewaffnete Einheit der
M.O.I., Liberté, in Grenoble aufgenommen. Anfang 1944 kehrt er
nach Lyon zuück, wo er bis zur Befreiung im D=E9tachment Carmagnole
kämpft. Heute lebt Jacquot Szmulewicz in Paris! "
Panagiotis Babouskas, Überlebender des Massakers in Lyngiades/Griechenland
Am 3. Oktober 1943 ermordeten die Gebirgsjäger des Feldersatz Bataillion 79 in der Ortschaft Lyngiades 87 Zivilisten, darunter einjährige Säuglinge und 90jährige. Das sollte die die Rache der Deutschen für Josef Salminger sein, der am 1. Oktober 1943 in eine Straßensperre der Partisanen geraten war und erschossen wurde. Der Befehlshaber des Gebirgsarmeekorps Hubert Lanz würdigte in einem Tagesbefehl den Tod des "in hundert Schlachten (.) bewährten Bataillons- und Regimentskommandeur" und befahl: "Ich erwarte, dass die 1. Gebirgs-Division diesen ruchlosen Banditenmord (.) in einer schonungslosen Vergeltungsaktion (.) rächen wird." In dem Gefechtsbericht der Mörder unter dem Edelweiß hieß es: "Ostwestlich Jannina-See, im Raum Struma - Lingiades, wird Tragtierverkehr der Banditen beobachtet. Hierauf angesetztes Felders. Btl. 79 nimmt Lingiades und die Höhen 1015 und 1277 gegen schwachen Feindwiderstand. Die Ortschaften Lingiades und Strumy werden zerstört, 50 Zivilisten erschossen."
(Gefechtsbericht der Gruppe Dodel Feldersatz-Batallion 79, 3.10.1943)
Die Überlebenden des Massakers haben andere Erinnerungen:
"Sonntag, Sonntag, 3. Oktober 1943. Ein sonnenstrahlender Tag, ein Tag für leichte Arbeiten. Sie meisten Dorfbewohner sind unterwegs. Die einen sind [ ins ] (.) Nachbardorf gegangen, um dort mit langen Stöcken, die Nüsse von den Walnussbäumen zu klopfen. Andere sind in den Feldern. Eine Gruppe von Frauen ist talwärts mit Tragtieren unterwegs, um von der Quelle Wasser zu holen, da es im Dorf keine Wasserstelle gibt. Die Frauen sind auf dem Rückweg. Während sie noch bergauf steigen, fallen die ersten Salven. (.). Die Leute sehen von oben, dass in Joannina fünf Lastwagen losgefahren sind, gefolgt von zwei Sanitätsfahrzeugen. Die Wagen halten am Fuß der Berges an drei verschiedenen Punkten. Soldaten springen herunter und steigen in drei Gruppen den Berg hinauf, denn es führen drei Fußwege nach Lyngiades. (.) Oben angekommen schließen die Soldaten das Dorf ringsum ein und stellen Posten auf. Unterdessen schlagen ringsum Salven ein, ohne Unterbrechung. Niemand soll flüchten können. Nur alte Männer, Frauen und Kinder sind in den Häusern geblieben. Das Dorf soll nicht verlassen erscheinen. Die Leute hatten befürchtet es werde sonst als Partisanendorf niedergebrannt. Nur die Jungen sind beim Angriff der Soldaten in die Berge geflüchtete. Als die Soldaten den höchsten Punkt über dem Dorf erreicht haben, lassen sie eine Leuchtrakete steigen. Dass ist das Zeichen zum ausschwärmen. Jetzt werden die Leute aus den Häusern geholt und vor der Schule zusammengetrieben. Alle müssen raus, auch die kleinen Kinder. Wer sich weigert wird mit Fußtritten und Kolbenschlägen misshandelt. Etwa 90 Menschen stehen auf dem Platz vor der Schule. Alte Männer, Frauen, Mütter mit kleinen Säuglingen auf dem Arm, kleine Kinder. Sie werden von zwei oder drei Soldaten bewacht, Maschinenpistole im Anschlag. Der erste der Soldaten schwärmt aus, um zu plündern. Nach einiger Zeit werden die drei Wachposten abgelöst, damit auch sie sich ihren Teil aus den Häusern holen können. Die Soldaten tragen ihr Beute auf dem Schulhof zusammen: Kleider, Decken, Teppiche, Kisten, Aussteuer, Käse, Butterfässer, Kupferkessel, Hausrat, Schachteln mit Zuckerzeug, Nüsse, Mandeln, Ziegen, Hühner, Lämmer, Schafe.
Nach einiger Zeit gibt der Anführer ein Zeichen und wechselt ein paar Worte mit dem Unteroffizier. Die Dörfler verstehen nicht was sie sagen, denn sie sprechen deutsch. Dann, wortlos, gibt der Anführer wider ein Zeichen mit der Hand. Jeweils drei Mann trennen jetzt mit Kolbenstößen kleine Gruppen ab. Jeweils zehn Frauen und Kinder, ungefähr. Sie führen sie vom Schulplatz weg, bergauf, in Richtung der Häuser. (.)
Die alten Männer werden gesondert abgeführt. Fußtritte, Kolbenschläge, Geschrei - sie werden in den Keller (.) gestoßen und dort mit Maschinengewehrgaben umgemäht. Auch die Frauen und Kinder werden in die Keller verschiedener Häuser gestoßen und dann ebenfalls mit Maschinengewehren niedergemacht. Anschließend zünden sie die Häuser an. (.) eine Kugel traf meinen Geldbeutel. Sie prallte an den Münzen ab und traf meinen kleinen Alexis am Kopf. Ich hatte ihn auf dem Arm. Sein Blut platschte mir ins Gesicht und lief mir über Hals und Brust. Ich war über und über voller Blut. Mehrmals kamen sie noch zurück und schossen wieder in den Haufen, weil sie irgendwo noch jammern hörten. Auch ich war hingestürzt, in meinen Armen das Kind mit dem verstümmelten Kopf. In einer anderen Ecke sah ich mein anderes Kind liegen."
(Aus der Dorfchronik von Lyngiades .Übersetzung Christoph Schminck-Gusrtavus/ Abschrift Hearing Mittenwald 2003)
Seit 1953 versammeln sich die Überlebenden des Massakers, die die Nüsse im Nachbarort geschlagen hatten und das brennende Dorf von weitem sahen zu einer Gedenkfeier auf dem Dorfplatz. Das Dorf war jahrelang unbewohnt und bis 1989 hat es noch Wellblechdächer gehabt, die Häuser waren nicht wieder korrekt aufgebaut worden. Die Morde wurden nicht gesühnt, die deutsche Justiz hat nicht einmal ein Ermittlungsverfahren geführt. Die Veteranen des Feldersatz Batallion 79 sind im Kameradenkreis der Gebirgsjäger organisiert.
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