München: Von der Isar an den Bosporus - Demoaufruf
München, 26. Juni 2004:
13:00 Uhr, Auftaktkundgebung vor dem "Bayerischen Hof" (Promenadeplatz)
anschließend Demonstration zur SIEMENS-Zentrale am Wittelsbacher Platz
München ist nicht nur Tagungsort der sogenannten "NATO-Sicherheitskonferenz"
(SIKO), auf der sich seit über 40 Jahren die Elite der westlichen
Kriegstreiber einfindet, sondern auch eine Stadt in der diverse
internationale Multis angesiedelt sind. Speziell im Bereich der
Rüstungsproduktion sitzen in München und Umgebung einige Konzerne, die als
"Global Player" in ihrer jeweiligen Rüstungssparte zu bewerten
sind
Siemens, EADS, MTU und Krauss-Maffei- Wegmann, um die Wichtigsten beim Namen
zu nennen. Anhand einer (kleinen) Kampagne wollen wir versuchen die
antimilitaristische Fixierung auf die SIKO zu durchbrechen und die kritische
Aufmerksamkeit auf den Rüstungsstandort München auszudehnen. Gleichzeitig
soll die Verbindung zwischen der hier produzierten todbringenden Technologie
und ihren globalen Auswirkungen auf Krieg und Elend transparent gemacht
werden.
"Siemens, Daimler, Deutsche Bank ..." wer kennt sie nicht die alte und immer
noch aktuelle Demo-Parole. Unsere erste öffentlichkeitswirksame Aktion
werden wir vor den Hauptsitz der Siemens-AG tragen, weil diesem deutschen
Multi kein Geschäft zu schmutzig ist so lange es genügend Profit verspricht.
Außerdem wurde der Termin bewusst in zeitliche Nähe zum NATO-Gipfel in
Istanbul (28./29. Juni) gelegt, um eine thematische Brücke von der Isar
(SIKO) an den Bosporus zu schlagen. Vor dem "Bayerischen Hof" wollen wir
unsere Solidarität mit den GenossInnen in der Türkei, die dort gegen die
NATO-Kriegspolitik auf der Straße sein werden und bereits seit Anfang April
mit Repression überzogen werden, zum Ausdruck bringen.
Global Player mit "brauner" Weste
Siemens hat sich im Nationalsozialismus, ebenso wie andere deutsche
Konzerne, durch eine massive Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen immens
bereichert. Das Unternehmen war damals wichtigster Lieferant für
elektrotechnische Rüstungsgüter mit einem steigenden Umsatz von 330
Millionen auf 1,8 Milliarden Reichsmark. Ab 1940 bestand die Belegschaft zu
30% aus ZwangsarbeiterInnen, an den Standorten Nürnberg, Wien, Berlin und
Neustadt-Coburg waren KZ-Außenkommandos eingerichtet. Nur unter Druck und
weil man in die USA expandieren wollte, sah sich Siemens 1962 gezwungen 7
Millionen DM an die "Jewish Claims Conference" zu zahlen.
2200 jüdische KZ-Insassen, die Zwangsarbeit und Lager überlebt hatten,
erhielten eine einmalige Zahlung von 3300 DM. Die große Mehrzahl der
Siemens-ZwangsarbeiterInnnen wurde jedoch bis dato nicht entschädigt.
Heute ist der Münchner Konzern einer der führenden transnationalen Multis.
Ob Erschließung von Ölfeldern und Pipelinebau in Aserbaidschan, Lieferung
hunderttausender biometrischer Ausweise in die chinesische Region Macao, Bau
neuer Kraftwerke im Iran oder (noch) Subunternehmer des US-Unternehmens
Bechtel im Irak; kaum ein Land, kaum ein Geschäft in dem Siemens nicht
präsent ist. Keine Wirtschaftsdelegation, die den Kanzler auf seinen
diversen Reisen begleitet, ohne Siemens-Beteiligung und immer kommt es zu
lukrativen Geschäftsabschlüssen. So bestehen z.B.
in Malaysia gute Aussichten auf einen Kraftwerksauftrag in Höhe von rund 1,4
Milliarden Euro und auf den Bau einer Schnellbahnstrecke mit einem Volumen
von mehr als einer Milliarde Euro. Bezeichnend für die weltweite Bedeutung
des Münchner Konzerns ist auch, dass mit dem Vorstandsvorsitzenden Heinrich
von Pierer, zum ersten mal in der Geschichte der UN, der Boss eines großen
Weltkonzerns vor dem Sicherheitsrat referieren durfte (15.4.04). Von Pierer
forderte dabei die Regierungen - in diesem Fall hauptsächlich Washington -
auf, für die Wirtschaft "das erforderliche Minimum an Sicherheit in
Afghanistan und im Irak" zu gewährleisten.
Auch im Bereich Sozialabbau spielt das Unternehmen selbstbewusst den
ausschließlich am Profit orientierten globalen Akteur. Flexibilisierung der
Arbeitszeiten und Lohndumping werden gnadenlos vorangetrieben, Widerstand
von Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen dagegen werden mit der Drohung,
ganze Produktionsstätten in Billiglohn-Regionen zu verlagern, ausgehebelt.
Laut Betriebsrat sind derzeit rund 74.000 der 170.000 Arbeitsplätze des
Unternehmens in Deutschland von einer Verlagerung in kostengünstigere
Regionen bedroht!
Atomkonzern Siemens
Siemens war von Anfang an maßgeblich am Aufbau des Atomprogramms der BRD
beteiligt. Alle neueren Atomkraftwerke (AKW) hierzulande, außer
Mühlheim-Kärlich, wurden vom Tochterunternehmen KWU entwickelt und gebaut,
AKW's wurden auch nach Holland, Spanien, Argentinien, Brasilien, Iran,
Österreich und in die Schweiz exportiert. Im Laufe der Jahre wechselte der
für die Atomenergie zuständige Unternehmensbereich häufiger seinen Namen und
seine Rechtsform. Mit der Fusion der Atomsparte der französischen Framatome
(2001) stiegen beide Unternehmen zum neuen Weltmarktführer Framatome ANP
(Advanced Nuclear Power), mit einem Jahresumsatz von rund drei Mrd. Euro und
13.000 Mitarbeitern, auf.
Der bayerische Multi ist seit Jahren maßgeblich daran beteiligt, die
"Europäisierung" und Liberalisierung der Energiepolitik voranzutreiben.
Da Atomkraftwerke und fossile Großkraftwerke in Deutschland gegen den
Widerstand aus der Bevölkerung nicht mehr durchsetzbar sind, werden sie
mittlerweile im benachbarten Ausland an Standorten, wo die "politische
Akzeptanz" größer ist, errichtet. Ob Neubau oder Nachrüstung, ob in China,
Litauen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Slowenien oder in
Tschernobyl/Ukraine(!), Siemens hintertreibt mit seinem
Atomkraftwerksbau-Ost den Atomausstieg-West. Die fetten Gewinne wandern in
den Westen, das Risikopotential der Atomtechnologie wird jedoch exportiert,
so wurden mit allen osteuropäischen Partnerländern Abkommen darüber
abgeschlossen, dass der Konzern im Falle von Atomunfällen nicht haftbar
gemacht werden kann.
Siemens "entrüstet" sich
Ähnlich wie eine Reihe anderer Firmen in Westeuropa trennte sich Siemens
Anfang 1999 vollständig von seiner Rüstungssparte. Jedoch, eine Trennung
zwischen "ziviler" und "militärischer" Produktion gibt es heute nicht
mehr: Kriegführung ist ohne den sich ständig intensivierenden Einsatz von
Mikroelektronik unmöglich geworden. "Ein neuer Kamerad in der Kompanie -
Wenn die Verteidigungsbereitschaft in Zukunft mit reduziertem Budget und
geringerer Truppenstärke zu sichern sein wird, muss vor allem einer ganz
besonders stramm stehen: Kamerad Computer." So warb Siemens bereits Mitte
der 90er Jahre großformatig in einschlägigen Zeitschriften wie Europäische
Sicherheit und Wehrtechnik und lag damit voll im Trend der
"Revolutionierung" der Militärtechnik.
Heute gehört Siemens zu den weltweit größten Lieferanten für
Waffenelektronik und ist z.B. zusammen mit der Daimler-Tochter DASA an
Entwicklung und Bau der neuen NATO-Flugabwehrrakete MEDAS beteiligt, die ab
dem Jahre 2005 zum Einsatz kommen soll. Zudem ist die Weltfirma nach wie vor
an einem der wichtigsten deutschen Rüstungsunternehmen, dem Münchener
Panzerbauer Krauss-Maffei-Wegmann (KMW), zu 49 Prozent beteiligt. Tatsache
ist auch, dass Siemens dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan Flankenschutz
verleiht, indem das Unternehmen in Kabul als erste ausländische Firma eine
Repräsentanz einrichtete.
Nicht nur an der Rüstungsfront, sondern auch mit der Repression nach innen
und der Abschottung nach außen werden satte Gewinne eingefahren:
Das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter sind mit Siemens-Computern
ausgestattet und an diversen Terminals von Flughäfen und Grenzstationen ist
Siemenstechnologie im Einsatz gegen Illegale, Flüchtlinge und politisch
Verfolgte.
S.A.M. (Sozialistische Aktion München) und Con Action rufen dazu auf, die
Aktivitäten gegen den Istanbuler NATO-Gipfel auch hier vor Ort zu
unterstützen, indem wir unsere Solidarität mit den GenossInnen in der Türkei
vor den Tagungsort der SIKO tragen. Kommt alle und lasst uns anschließend
bei Siemens einen Besuch abstatten, einer führenden Adresse des
militärisch-industriellen Komplexes.
München, 26. Juni 2004:
13:00 Uhr, Auftaktkundgebung vor dem "Bayerischen Hof" (Promenadeplatz)
anschließend Demonstration zur SIEMENS-Zentrale am Wittelsbacher Platz
conAction / s.a.m.
no justice, no peace!
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