Hamburg: Verfahren eingestellt - Tucholsky hat Recht!
Wie heute bekannt wurde, wurde das Verfahren gegen eine Aktivistin eingestellt, die während der Rede des Verteidigungsministers Struck zum Bundeswehrgelöbnis auf dem Hamburger Rathausmarkt zusammen mit zwei weiteren Personen ein Transparent mit der Aufschrift „Tucholsky hat Recht“ vom Dach der Alsterarkaden gehängt hatten. Der Verhandlungstermin am 12.07.04 wurde aufgehoben. Das Landeskriminalamt (LKA) und die Staatsanwaltschaft hatten gegen sie und die beiden Aktivisten ermittelt, das Verfahren gegen die beiden Hamburger wurde jedoch bereits am 5. März 2004 eingestellt.
Die Aktion war am Ort des Geschehens im Juni 2003 der augenfälligste Ausdruck des Protestes gegen das Gelöbnis: Das ca. 4x10m große Transparent mit der Aufschrift „Tucholsky hat Recht“ war etwa fünf Minuten vom gesamten Rathausmarkt deutlich zu sehen und veranlasste Verteidigungsminister Struck (SPD) dazu, von seinem Redetext abzuweichen: "Wenn Tucholsky heute leben würde, würde er die Auslandseinsätze der Bundeswehr für richtig halten", so Struck damals.
Damit ist nun auch der letzte Prozess gegen Gelöbnix-Teilnehmern mit einer Schlappe für Staatsanwaltschaft und Polizei zuende gegangen. Nachdem fast alle Gelöbnix-Prozesse mit Einstellungen und Freisprüchen endeten und Prozessbeobachter sich hin und wieder fragten „Was denn nun der Sinn dieser Anklage“ gewesen sein könnte, scheint der ermittelnde Staatsanwalt auch diesmal wenig gründlich gearbeitet zu haben: Während die beiden Hamburger Aktivisten bescheinigt bekamen, sie hätten keine Straftat begangen (§170 II Strafprozessordnung, StPO), erhielt W. trotz identischer Vorwürfe und des selben Staatsanwaltes wenige Tage später einen Strafbefehl. Begründung: ihre Einträge im Vorstrafenregister. Nur unterscheidet es sich nicht wesentlich von dem der anderen beiden Aktivisten. Auf Antrag der Verteidigung mochte der gleiche Staatsanwalt vor einigen Wochen noch keine Möglichkeit für eine Einstellung erkennen. Sein Vorsitzender sah das nun aber anders und stellte gegen Zahlung einer Geldbuße ein.
Doch das Bündnis GelöbnixHH! hält das für keinen Zufall, ein Sprecher: „Die bisherigen Verfahren waren ganz überwiegend an den Haaren herbeigezogen und sind auch so zu Ende gegangen. Hier wird versucht, aktive Personen derartig mit Prozessen zu beschäftigen, dass sie zu nichts anderem mehr kommen. Mittlerweile haben wir mehr Energie in Prozesse wegen abwegigster Vorwürfe stecken müssen als in die Aktivitäten gegen das Gelöbnis selber.“
Im Vorfeld des Gelöbnisses der Bundeswehr auf dem Hamburger Rathausmarkt am 16.6.03 sei es zu einer unmäßig überzogenen Gefahrenprognose durch Polizei und Verfassungsschutz gekommen, so das Bündnis. Der völlig unverhältnismäßige Polizeieinsatz, dem selbst interessierte Besucher der Veranstaltung zum Opfer gefallen seien, habe mit einer Vielzahl von Verfahren wenigstens nachträglich gerechtfertigt werden sollen. Allerdings sei dies bisher nicht gelungen: zuletzt endete der groß angelegte Prozess gegen den Lautsprecherwagenfahrer am 8.4.04 mit einem Freispruch. Die im Stil eines Terroristenprozesses geplante Verhandlung im Staatsschutzsaal mit großer Trennscheibe, bewacht von bewaffneten Polizisten und angesetzt auf drei Tage, endete nach ganzen 90 Minuten: der Staatsanwalt hatte im Vorfeld vergessen den Belastungszeugen zu vernehmen und stellte erst während der Verhandlung fest, dass hier wohl kaum eine Straftat vorliege.
Insgesamt nahmen an den Kundgebungen gegen das Gelöbnis mehr als 2500 Personen teil. Dem gegenüber stand ein Aufgebot von 3500 Polizisten, die mit aller Macht versuchten, jeglichen Protest in der Innenstadt zu unterdrücken. Obwohl sie auch vor Angriffen auf den Lautsprecherwagen der Demonstration nicht zurückschreckten, ist ihnen das nicht gelungen.
Das gewalttätige und überzogene Verhalten der Polizei ist mittlerweile in Hamburg üblich geworden. Seit Ende 2002 werden regelmäßig Teilnehmer von Demonstrationen eingekesselt, in Gewahrsam genommen und von der Polizei verprügelt.
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