Hamburg: Hamburger Erklärung gegen Antisemitismus
Hamburger Erklärung gegen Antisemitismus
I. Hauptteil
II. Eine unvollständige Chronik
I.
Seit 1999 gibt es in Hamburg verstärkt Auseinandersetzungen um antisemitische Äußerungen in der radikalen Linken. Seit 2002 wird zunehmend mit Drohungen und gewalttätigen Angriffen gegen KritikerInnen eines Antisemitismus in der Linken vorgegangen. Für eine radikale Linke ist eine klare Position gegen Antisemitismus zwingend. Zu tief sind die Gründe, welche die Shoah (die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden) ermöglichten, in der Gesellschaft verankert. Antisemitismus ist kein neuer „Hauptwiderspruch”, an dem sich alle Fragen entscheiden lassen, aber ohne eine klare Kritik an antisemitischen Strukturen und Praxen ist linksradikale Politik nicht zu haben. Mindestens so lange Deutschland und der Kapitalismus nicht abgeschafft sind, werden wir beständig mit Antisemitismus konfrontiert sein. Innerhalb der Linken ist Antisemitismus keineswegs seltener anzutreffen als im Rest der Gesellschaft; er hat hier eine spezifische Form angenommen. Daher geben wir uns nicht der Illusion hin, mit einer Erklärung das Thema Antisemitismus erledigen zu können. Wir wollen jedoch unsere Diskussionen und Aktivitäten in linksradikalen Zusammenhängen nicht beständig durch antisemitische Positionen blockieren lassen. In vielen Fällen wurde der Rahmen verlassen, in dem Auseinandersetzungen in der Linken ausgetragen werden können (s. Eine unvollständige Chronik). Ein solches Verhalten ist unter keinen Umständen zu tolerieren. Dass diese Grenzüberschreitung gerade im Zusammenhang mit Antisemitismus geschieht, ist nicht zufällig, war Antisemitismus doch schon immer mit gewalttätiger Entgrenzung verbunden. Wir haben uns daher entschlossen, diesbezüglich einige Standards zu formulieren, jenseits derer wir eine linksradikale Politik nicht für möglich halten. Wir fordern alle radikalen Linken auf, sich diesem Minimalkonsens anzuschließen und gemeinsam mit uns zu versuchen, mehr Raum für radikale Gesellschaftskritik in Theorie und Praxis zu gewinnen und dort, wo dieser Konsens unterschritten wird, den Antisemitismus entschieden zurückzuweisen. Dass dies in Hamburg bisher kaum geschehen ist, ist ein wichtiger Anlass für dieses Papier:
1. Verkürzte Kapitalismuskritik und der Versuch, das abstrakte Kapital als Judentum zu konkretisieren, bilden in ihrer Kombination das zentrale Element des Antisemitismus in der Linken. Keines von beidem darf von einer radikalen Linken toleriert werden. Verkürzte Kapitalismuskritik gründet sich im Wesentlichen auf zwei Erklärungsmuster: Erstens wird der böse Kern des Kapitalismus allein im abstrakten Finanzkapital bzw. in der kapitalistischen Zirkulation ausgemacht, während konkrete Lohnarbeit bzw. kapitalistische Produktion unkritisiert bleiben (so z.B. in der Gegenüberstellung von „schaffendem” und „raffendem” Kapital). Zweitens wird die abstrakte und komplexe Form des Herrschaftsverhältnisses, das der Kapitalismus als gesellschaftliche Vermittlung konstituiert, personalisiert und heruntergebrochen auf ein einfaches Gut-Böse-Schema von Unterdrückten und UnterdrückerInnen „da oben”. In der Kombination der beiden Erklärungsmuster wird die Verantwortung für alle negativen Erscheinungen einer kapitalistischen Gesellschaftsform allein denjenigen Menschen zugeschrieben, die mit dem (Finanz-)Kapital identifiziert werden, und deren Prototyp „der Spekulant” ist. Vor dem Hintergrund, dass seit Jahrhunderten das (Finanz-)Kapital als Judentum identifiziert wird, und dies insofern oft schon (bewusst oder unbewusst) mitgedacht bzw. zumindest meistens schon verstanden wird, ohne dass es gesondert erwähnt werden muss, wird deutlich, dass verkürzte Kapitalismuskritik immer eine offene Flanke zum Antisemitismus besitzt.
2. Antisemitische Argumentationsmuster zeigen sich unter anderem in Verschwörungstheorien, die sich auch in der Linken großer Beliebtheit erfreuen. Es gilt, einer solchen personifizierenden Politikkritik eine umfassende Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse entgegenzusetzen. Die Assoziation von Jüdinnen und Juden mit verschwörerischem Handeln hat eine lange Tradition. Immer wieder finden sich Theorien über jüdische Strippenzieher, wenn es zu Krisen, Katastrophen und Kriegen kommt (generell besonders im Fall von Wirtschaftskrisen, aktuell im Zusammenhang mit dem 11. September 2001). Ein unter Nationalstaaten normales Verhalten wie Militärkooperationen und der Unterhalt eines Geheimdienstes wird im Falle Israels zur Verschwörung gegen die um ihre Befreiung kämpfenden „Völker der Welt” stilisiert. Die unverstandene, sich hinter dem Rücken der Akteure vollziehende Kapitallogik erhält so eine greifbare Personifizierung. Die dem Antisemitismus eigene Wahnvorstellung von der „Allmacht des Judentums” wird dabei reproduziert.
3. Der moderne Antisemitismus weist wesentliche Besonderheiten auf, die verlangen, ihn vom Rassismus zu unterscheiden. Eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus kann deshalb nicht damit zurückgewiesen werden, dass bereits eine Auseinandersetzung mit Rassismus stattgefunden habe. Erstens wird nur Judentum immer wieder hartnäckig mit Kapital in Verbindung gebracht, so dass verkürzte Kapitalismuskritik nur zum Antisemitismus eine offene Flanke besitzt. Zweitens wird nur Jüdinnen und Juden unterstellt, an den Schalthebeln der Macht zu sitzen, so dass nur im Antisemitismus Verschwörungstheorien eine zentrale Rolle spielen. Drittens wird dem Judentum im Antisemitismus eine Abstraktheit zugeschrieben, die unsichtbar aus der Mitte der Gesellschaft heraus destruktiv und zersetzend wirke. Der Antisemitismus zielt dementsprechend im Wesentlichen auf die Befreiung von einer imaginierten Herrschaft ab, während der Rassismus in seinem Kern die Unterwerfung einer bestimmten Gruppe und damit die Herstellung bzw. Absicherung eines Herrschaftsverhältnisses anstrebt. Für den Antisemitismus ist also im Gegensatz zum Rassismus eine wahnhafte Ohnmachts-Phantasie zentral, die ihn absolut maßlos macht.
4. Die Projektionsfläche des Antisemitismus hat sich gewandelt: im Gegensatz zu Anfeindungen gegen „die Juden” ist er heute als Antizionismus konsensfähig. Vernichtungsphantasien, wie sie sich in der Parole „Tod Israel” und dem Verbrennen der israelischen Fahne zeigen, stehen in der Tradition des Antisemitismus. Weder die Existenz Israels noch seine staatliche Souveränität hat zur Debatte zu stehen. Die Gründung Israels, 1948 durchgeführt mit Hilfe der Vereinten Nationen, war nach der Shoah eine Notwendigkeit: Es bedurfte eines Staates für Flüchtlinge und Überlebende des größten Verbrechens in der Geschichte der Menschheit. Sie konnte auf die Vorarbeit der zionistischen Organisationen aufbauen, die den Staat schließlich gegen Widerstände der britischen Mandatsmacht und der arabischen Regime durchsetzten. Mit der Ideologie des Antizionismus hat die radikale Linke jahrzehntelang Israel das „Existenzrecht” abgesprochen. Dieser linke Antizionismus reproduziert stets Elemente des Antisemitismus. So etwa, wenn der jüdische Staat als „Fremdkörper” oder „Gebilde” im Gegensatz zu anderen, „gewachsenen” Nationen delegitimiert oder als „Brückenkopf des Imperialismus” denunziert wird. Der linke Antizionismus ist das Verbindungsglied zu arabischen Organisationen, die die Vernichtung des Staates Israel und seiner jüdischen EinwohnerInnen fordern. Er scheut sich nicht, mit der Parole vom Zionismus als „Feind aller Menschen” das Nazi-Motiv des Juden als „Völkerfresser” wiederzubeleben und mit der Formel „Zionismus = Rassismus” zu modernisieren. Während es gegen Israel Boykottforderungen gibt und der Zionismus geschichtsklitternd als „faschistisch” gebrandmarkt wird, war und ist man in Teilen der Linken bis heute den aggressiven und reaktionären Ideologien des Panarabismus und Islamismus gegenüber ignorant oder sogar solidarisch.
5. Vergleiche von Israel mit Nazideutschland, symbolisiert u.a. durch Hitlerbärtchen bei Sharon, Hakenkreuzen auf der israelischen Fahne oder Rufen wie „Sharon - Faschist” sind falsch und in ihrer Konsequenz geschichtsrevisionistisch und untragbar. Israel plant nicht die "Vernichtung" der Palästinenser, im Gazastreifen werden keine „KZs” errichtet und die Westbank ist auch nicht das Warschauer Ghetto. Solche Vergleiche verfehlen die Realität des Nahostkonflikts völlig. Sie dienen nur dazu, die Opfer der Nazis zu Tätern zu machen: ein typisches Merkmal des sekundären Antisemitismus. Die auch außerhalb Deutschlands beliebte Täter-Opfer-Umkehr hat für NachfahrInnen des TäterInnenkollektivs zudem die Funktion der Schuldabwehr. Aussagen, dass es doch gerade "die Juden" besser wissen müssten und ob sie denn nicht aus der Geschichte gelernt hätten, verklären die Shoah nachträglich zu einer Besserungsanstalt für Jüdinnen und Juden.
Antisemitismus erschöpft sich also keineswegs in offenen Anfeindungen gegen „die Juden”. Antisemitismus hat sich nicht erledigt, wenn das Ressentiment weniger traditionelle Formen annimmt. Es hat keine ausreichende Auseinandersetzung mit Antisemitismus gegeben, und auch die Behauptung, man habe sich schon mit der Shoah befasst, kann keine Begründung für die Verweigerung einer Diskussion über Antisemitismus in der Linken sein. Das Argument, man selbst oder die Allgemeinheit habe sich schon genug mit dem Thema beschäftigt, funktioniert ähnlich wie die Figur, die sich bei Deutschen nur allzu häufig findet: Als gefühlte Vergangenheitsbewältigungsweltmeister sehen sie sich dazu berufen, die Konflikte der Welt zu beurteilen und vor allem die israelische Politik zu verurteilen - und sich ansonsten der eigenen Opferrolle zuzuwenden. Auch eine Verweigerung der Diskussion mit dem Verweis auf die Gefahr der Spaltung ist nicht akzeptabel. Nicht das Begreifen, sondern dieses Nicht-Begreifen von Antisemitismus als ein Problem in der Linken wie im Rest der Gesellschaft verhindert die Entwicklung radikaler Gesellschaftskritik.
Uns ist klar, dass derjenige Teil der Linken, in dem die oben aufgeführten antisemitischen und antizionistischen Ressentiments offen zum Weltbild gehören, zwar wieder zunimmt, sich letztlich aber wohl in der Minderheit befindet. Die Schwierigkeit ist jedoch, dass Ignoranz und Nichtreagieren auf konkrete Vorfälle im Zusammenhang mit dem Thema Antisemitismus zur Tagesordnung gehören. Es ist zu vermuten, dass dies auch mit einer Tabuisierung (statt der Bewusstmachung) des antisemitischen Ressentiments zu tun hat. Wer beispielsweise befürchtet, dass antikapitalistische Politik dadurch behindert oder gar unmöglich gemacht würde, dass „Spekulanten nicht mehr kritisiert werden dürfen”, gibt zu erkennen, dass auch das eigene Verständnis der Gesellschaft ohne solche verkürzte Kapitalismuskritik nicht auskommt. Alles, was die grundsätzliche Hinterfragung dieses Verständnisses erfordern würde - nämlich zum Beispiel die Problematik der Aussage und ihre Nähe zu antisemitischen Vorstellungen -, muss dann ausgeblendet werden. Hinweise auf diese Ausblendung erzeugen Abwehr und werden so zum Anlass für die Tabuisierung von antisemitischen Ressentiments.
Solche Anlässe für eine Tabuisierung des eigenen Ressentiments gibt es zur Genüge. Einer davon ist sicherlich die seit den 90er Jahren forcierte antinationale/antideutsche Kritik am linken Antisemitismus: Dieser Kritik will man sich selbst nicht aussetzen; deshalb muss das, worauf sie zielt, tabuisiert werden. Ein anderer Anlass lässt sich folgendermaßen beschreiben: Es ist ohne größere Mühe zu erkennen, dass es eine Schnittmenge zwischen einigen linken und neofaschistischen Vorstellungen vom Kapital gibt. Ist diese simple Beobachtung einmal gemacht und gleichzeitig keine Bereitschaft vorhanden, die Vorstellungen zu hinterfragen, dann ist es etwas anderes, was große Mühe bereitet: die Anstrengung, die erkannten Schnittpunkte wieder vergessen zu machen - denn ansonsten müsste auf sie ja reagiert werden. So werden Elemente des linken Antisemitismus und Antizionismus tabuisiert. Unter solchen Umständen wird eine Darstellung wie die obige nicht als Aufklärung, sondern als Liste verbotener Äußerungen gelesen. Dies wiederum verleiht ihrer Abwehr einen rebellischen Impetus. Wenn der Antisemitismus im Allgemeinen und der linke Antisemitismus im Besonderen aber tabuisiert ist, d.h. dem Bewusstsein als Gegenstand der Reflexion entzogen, dann wird linke Politik undenkbar, die es sich zur Aufgabe macht, Antisemitismus nicht nur selbst zu unterlassen, sondern diesem etwas entgegenzusetzen.
Außerdem verunmöglicht eine solche Tabuisierung eine Beurteilung des Gehalts des Zionismus und der Politik Israels in Relation zum weltweiten Antisemitismus. Das, was Israel mit jedem anderen Staat auf der Welt gemeinsam hat - nationale Souveränität, die das Gewaltmonopol nach innen wie nach außen beinhaltet -, wird in diesem Fall als außerordentliche Anmaßung verstanden. Verwandelt drängt sich so denjenigen, die die Auseinandersetzung scheuen, erneut das klassisch antiimperialistisch/antizionistische Bild der besonderen Aggressivität des Zionismus auf.
Die aktuelle Eskalation ergibt sich daher nicht nur, weil der linke Antisemitismus als solcher benannt wird. Die aktuelle Schärfe ergibt sich auch, weil der von den israelsolidarischen Gruppen geforderte positive Bezug auf die nationale Souveränität Israels mit allem, was dazu gehört, an die Tabuisierung erinnert und sie somit erschwert.
Das Problem ist und bleibt der Antisemitismus, nicht die Auseinandersetzung damit. Wir fordern die radikale Linke nicht nur in Hamburg auf, sich endlich ernsthaft mit Antizionismus und Antisemitismus in der Linken zu befassen und beide in den eigenen Reihen zu bekämpfen. Wir fordern dazu auf, nicht in Zusammenhängen zu agieren, in denen die Kritik am Antisemitismus in der Linken keinen Platz hat. Linksradikale Politik ohne eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Antizionismus ist nicht möglich.
II. Eine unvollständige Chronik
1999 wurde in Hamburgs Freiem Radio FSK ein Nachruf auf Ignatz Bubis gesendet. Dem verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland wurde die Berechtigung zur Kritik am deutschen Rassismus abgesprochen, weil er „Spekulant" gewesen sei, der in seiner Jüdischen Gemeinde einem „kapitalistischen Vorstand" angehört hätte. Der Frankfurter Bubis wurde zudem offensichtlich als Jude dafür verantwortlich gemacht, dass Israel „bis heute die Palästinenser terrorisiert".
2002 gab es, wie bereits im Jahr 2000 in einer Sondersendung des Infos „Knast und Justiz", in einer FSK-Sendung der Radiogruppe „In Kontakt" ein Interview mit einem Palästinenser, der die Shoah relativierte und das Vorgehen der israelischen Armee mit dem der Nazis im Warschauer Ghetto verglich. Das anschließende Sendeverbot durch die Mehrheit des Radios wurde als Repression tituliert, statt Auseinandersetzung gab es in Neuauflage die Selbstinszenierung als Opfer von Zensur. Das Sendeverbot wurde sofort von der Radiogruppe „In Kontakt", die in der B5 tagte, übertreten. Beim zweiten Mal traten ihnen einige FSKlerInnen entgegen und blockierten die Treppe ins Studio. Daraufhin wurden die die Studiotreppe blockierenden FSK-UnterstützerInnen beschimpft und geschlagen, ein Stuhl auf die Sitzenden geworfen. Ein hinzukommender FSKler wurde von mehreren Angreifern zusammengeschlagen und kam mit gebrochenen Rippen und kaputter Brille davon. Bei diesem Konflikt wurde der aggressive antisemitische Israelhass das erste Mal nicht nur verbal vorgetragen, sondern richtete sich gewalttätig gegen diejenigen, die Antisemitismus in der Linken entgegentreten. Trotzdem verweigerten Teile des FSK weiter die Auseinandersetzung über den Vorwurf des Antisemitismus. Im Sommer 2002 scheiterte der Versuch, diejenigen politisch zu isolieren, die sich als Schläger betätigt hatten oder die Angriffe unterstützt hatten. Im Herbst 2003 verklebte die Palästina-Solidarität der B5 Plakate mit einer Landkarte, auf der Israel nicht existierte. Auch diese Vernichtungsdrohung gegen Israel hatte keine Konsequenzen. Auf der Basis dieses Unvermögens der Hamburger Linken, Israelhass und gewalttätige Angriffe auf KritikerInnen von Antisemitismus in der Linken konsequent zurückzuweisen, gab es 2004 auf zwei Demonstrationen Angriffe auf TrägerInnen israelischer Fahnen.
Am 31. Januar kam es auf einer großen Demo gegen den Naziaufmarsch vor der Wehrmachtsausstellung zu einer Schlägerei. Einige Leute mit US- und Israelfahnen und eine Antifagruppe mit einem Transparent ”Deutschland denken heißt Auschwitz denken" wurde von anderen DemonstrantInnen von der Demo geprügelt. Es gab die Absprache des Demobündnisses, keine Nationalfahnen zu tragen, und dies galt in der Praxis der israelischen Fahne. Die Attacken wurden von einigen DemonstrantInnen genutzt, um Parolen wie ”Intifada" oder ”Juden raus" zu rufen. Diejenigen, die sich derart antisemitisch auf einer Antifa-Demo meinten äußern zu müssen, wurden von vielen der veranstaltenden Gruppen später als ”Einzelmeinungen" verharmlost. Was für den deutschen Rassisten der ”Einzeltäter" ist, um einen Angriff auf MigrantInnen zu bagatellisieren, ist für viele deutsche Linke die ”Einzelmeinung", wenn es um Antisemitismus geht.
Am 24. April fand in Hamburg eine kleine Demonstration unter anderem der Redaktion der Berliner Zeitschrift Bahamas gegen die Angriffe auf die israelischen Fahnen vom 31. Januar statt. Diese Demonstration wurde wegen der dort zahlreich getragenen Fahnen Israels von antiimperialistischen Hamburger Linken massiv angegriffen. Die GegendemonstrantInnen aus einem Spektrum von B5-Umfeld über Linksruck bis hin zu einzelnen Antifas riefen unter anderem ”Tod dem Staat Israel", ”USA - Israel - Internationale Völkermordzentrale", ”Israel - Terrorist" und ”Scharon ist ein Mörder und Faschist". Dabei ergab sich sogar ein gemeinsames Vorgehen von Linken und IslamistInnen, die religiöse Parolen schrien. Mehrmals wurden aus den Reihen der GegendemonstrantInnen Flaschen, Steine und Farbeier auf die Demo geworfen. Die Farbeier waren gefüllt mit brauner Farbe, verdünnt mit einem ätzendem Lösemittel. Geworfen wurde in Kopfhöhe, gezielt auf die israelischen Fahnen und ihre TrägerInnen. Ein Szenario wie bei einer Nazi-Demo, nur dass es hier um einen Konflikt innerhalb der Linken ging. Etliche GegendemonstrantInnen gingen dabei mit einer Gewalttätigkeit vor, die ebenso erschreckend war wie der Hass auf Israel. Unabhängig davon, wie wir zu den Positionen der Bahamas stehen: Das kann nicht hingenommen werden.
Im Gegensatz zu den antisemitischen Äußerungen und Angriffen hat in der Hamburger Linken bereits der Verdacht einer proisraelischen Position zu umgehenden Konsequenzen geführt. Neben direkten Angriffen auf und Übergriffen nach der Demo wurden durch Personen aus der Antifa-Szene Porträtaufnahmen von DemonstrantInnen gemacht. Die Fotos werden nun anscheinend für gezielte Rausschmisse und Übergriffe genutzt:
- Nach der Demo wurde eine Gruppe von antideutschen Antifas von vier Leuten verfolgt; eine Person wurde körperlich angegriffen.
- Am Abend des 24. April kam es zu einem Hausverbot in der Lodda-Bar in St. Pauli für eine Gruppe von Leuten, weil sie an der Demo teilgenommen haben sollen.
- Es kam zu zwei Rausschmissen aus der Max-Bar, die sich wieder gegen vermeintliche Demo-Teilnehmer richteten. Diesen ging kein offizielles Hausverbot voraus, sondern es handelt sich dabei um Übergriffe von einzelnen Personen.
Auf einen Artikel in den „Lokalberichten Hamburg", in dem die Angriffe auf die Demo vom 24. April kritisiert wurden, erschien ebendort eine mit „Griff ins Klo" überschriebene Erwiderung aus der Gruppe Kritik und Diskussion, welche die Angriffe guthieß: „Wenn ein Rassisten-Aufmarsch, egal mit welchen Fahnen, nur unter Polizeischutz stattfinden kann, halten wir das nicht für unerfreulich. (...) Wenn Anhänger von Krieg, Staatsterror und Rassismus ihren Hass auf alles Linke demonstrieren, und sich dabei mit Israel-Fahnen schmücken, um ihre Feinde als Antisemiten zu 'entlarven', dann sollte man über passende Gegenmaßnahmen sehr genau diskutieren. Mit 'anti'-deutschen Denunzianten, auch mit den 'moderaten', brauchen wir darüber keine Debatte.”
http://www.hega.de.tf/
UnterstützerInnen der Erklärung (Stand 27.07.04):
• Loge (Hamburg)
• McGuffin Foundation (Sektion Hamburg)
• nomadisierende ex-demonteure
• rapidas
• Radio Loretta (Hamburg)
• Anti-Defamation forum (Berlin)
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