Magdeburg: Naziaufmarsch 15. Januar 2005
Für den 15. Januar plant die neonazistische Kameradschaft "Festungsstadt
Magdeburg" einen Aufmarsch anlässlich des 60. Jahrestags der Zerstörung
Magdeburgs im 2. Weltkrieg. Dies wird der erste bundesweite Großaufmarsch
der Nazis im Jahr 2005 und der Beginn einer Aufmarschserie, die vor
Geschichtsrevisionismus nur so strotzen wird. Dem Aufmarsch am 15. Januar
wird dann am 13 Februar Dresden folgen. In Magdeburg treten zudem als Redner
der Nazis Thomas "Steiner" Wulff, Ralph Tegethoff, Jürger Rieger und
Frank Rennicke, was den Großcharakter der Demonstration nocheinmal
verdeutlicht.
Derzeit mobilisiert die Kameradschaft "Festungsstadt" über eine eigene
Homepage ( http://www.festungsstadt.com/trauermarsch/ ) die momentan auf
fast jeder größeren Naziseite verlinkt ist. Auch Aufrufe und die Ankündigung
des Termins fehlen leider im Moment auf fast keiner bundesweiten Nazisseite.
Die antifaschistische Gegenmobilisierung für den Tag läuft über die Seite
www.nazis-stoppen.de.vu. Geplant ist eine Demonstration unter dem Motto
"Gegen den deutschen Opfermythos - Geschichtsrevisionnismus bekämpfen" die
um 10 Uhr am Magdeburger Hauptbahnhof starten soll! Hier der Aufruf des
Antifaschistischen Aktionsbündnis Magdeburg:
- GEGEN DEN DEUTSCHEN OPFERMYTHOS! - - GESCHICHTSREVISIONISMUS BEKÄMPFEN! -
Am 15. Januar 2005 ist es mal wieder soweit: Verschiedene Neonazigruppen
rufen aus Anlass des 60. Jahrestags der Bombardierung Magdeburgs durch die
Alliierten im 2. Weltkrieg zu einem Trauermarsch auf, zu dem Neonazis aus
der ganzen BRD erwartet werden. Bei der am 16.01.05 stattfindenden
städtischen Gedenkfeier wird auch ein offen-geschichtsrevisionistischer
Ansatz durch die Verklärung von Täter- und Opfer-Rollen verfolgt, was diese
Veranstaltung besonders für Neonazis attraktiv und damit noch abscheulicher
macht. Für uns steht jedoch fest: ¡NO PASARÀN!
Naziaufmärsche wie dieser sind in verschiedenen Städten der BRD mittlerweile
schon zu einer ekelhaften, alljährlichen Routine geworden, die es zu brechen
gilt. In Dresden, Hamburg, Magdeburg und den anderen im 2. Weltkrieg von den
Alliierten angegriffenen Städten spielt sich jedes Jahr das gleiche ranzige
Theater ab: Neonazis betreiben aktiven Geschichtsrevisionismus indem sie
Nazideutschland in die Reihen seiner eigenen Opfer stellen - dies geschieht
zum Beispiel, aber nicht nur durch die Gleichsetzung von alliierten
Bombardierungen und deutschen Verbrechen - und sie sich selbst und ganz
Deutschland als Leidtragende verbrecherischer alliierter Überfälle
verstehen und darstellen. Dabei ist diese Art von Revisionismus kein Kind
rechtsextremer IdeologInnen, sondern vielmehr die traurige Realität
deutscher Geschichtsaufarbeitung. Die deutsche Geschichte soll damit von
den schrecklichen Verbrechen, die während des Nationalsozialismus begangen
wurden, rein gewaschen werden. Das geschieht teilweise mit dem
Einverständnis und oft unter reger Teilnahme der bürgerlichen Mitte und der
lokalen Stadtregierungen, die diesen geschichtsrevisionistischen Ansatz, der
in solchen Trauermärschen und Gedenkfeiern seinen Ausdruck findet,
kritiklos und undifferenziert mittragen. Neonazistisches Gedankengut und
seit 1989 immer offener praktizierter Geschichtsrevisionismus sind
angesichts der Resultate der letzten Regionalwahlen keine Phänomene die
verwundern sollten, sondern als substantielle Bestandteile der politischen
Beschaffenheit der BRD zu begreifen. Es handelt sich bei ihnen um politische
Kontinuitäten, zu denen sich eine wachsende Anzahl von Menschen nun endlich
wieder freimütig bekennen können! Diese Entwicklung unterliegt einer
Instrumentalisierung von Seiten der deutschen Politik, die darauf abzielt,
nach erfolgreicher Geschichtsumschreibung die deutschen Interessen endlich
wieder bis zum Hindukush verteidigen zu können. So relativierte
beispielsweise der Außenminister der BRD, Joschka Fischer, den Holocaust
sowie die deutsche Vergangenheit und rechtfertigte gleichzeitig den von
Deutschland mitgetragenen Angriffskrieg gegen Jugoslawien mit dem Argument,
ein zweites Auschwitz verhindern zu wollen. Dieser Paradigmenwechsel in der
Außenpolitik ermöglicht es Deutschland, nun wieder Krieg zu führen und das
vor allem nicht trotz, sondern wegen Auschwitz. Deutschland tritt von diesem
Zeitpunkt an als geläutert auf und gibt vor, aus seiner Geschichte gelernt
zu haben. Dieser Tatsache können und wollen wir nicht passiv
gegenüberstehen. Wir müssen ihr unter allen Umständen den Kampf ankündigen.
Ein Trauermarsch für die unschuldigen deutschen Opfer, bei dem nicht nur
Nazideutschland schuldfrei gesprochen, sondern der 2. Weltkrieg in seinem
gesamten Ausmaß als groß angelegter Vernichtungskrieg negiert wird, ist
nicht nur aus historischer Sicht absolut indiskutabel. Die alliierten
Bombardierungen waren ein Bestandteil der Kräfte, die dem deutschen Treiben
ein Ende setzten und somit die ganze Welt vom deutschen Nationalsozialismus
befreit haben. Wie anders hätte die Antwort auf einen groß angelegten und
von einer widerwärtigen Volksgemeinschaft getragenen Angriffskrieg aussehen
sollen?! Im Namen Nazideutschlands wurden in diesem Krieg mehr als 50
Millionen Menschen ermordet und da wollen neonazistische
GeschichtsrevisionistInnen aus Anlass seiner Niederlage trauern und uns die
TäterInnen als Opfer verkaufen? Nicht mit uns! Niemals!
Die regelmäßigen öffentlichen Aufmärsche deutscher Neonazis sind ein Zeichen
für die Beständigkeit des Rechtsextremismus in der BRD, welcher sich zurzeit
mal wieder verstärkt, aber nicht ausschließlich in den Wahlerfolgen
rechtsextremer Parteien in Brandenburg und Sachsen zeigt. Diese Aufmärsche,
geschützt von der Polizei, legitimiert und funktionalisiert vom Staat sowie
geduldet und teilweise unterstützt von Anna- und Otto-NormalbürgerIn, dienen
dem militanten Neonazispektrum als Rekrutierungsmöglichkeit und haben
mittlerweile einen widerlichen Happeningcharakter angenommen. Gerade
innerhalb der extremen Rechten sind derartige, offen den Nationalsozialismus
verherrlichende Events Ausdruck eines starken Selbstbewusstseins, das sich
letztendlich auf die sowieso schon von latenter und offener rechter Gewalt
Betroffenen niederschlägt. MigrantInnen, JüdInnen sowie Menschen die zu
solchen halluziniert werden, Muslime sowie Angehörige anderer Religionen,
Menschen mit Behinderungen, Obdachlose, Homosexuelle und Linke jedweder
Couleur etc. sind heute wie gestern Opfer rechtsextremer Gewalttaten. Die
Anzahl dieser Übergriffe steigt von Jahr zu Jahr stetig an. So sind zum
Beispiel in den ersten drei Monaten 2004 in Magdeburg mehr
rechtsextrem-motivierte Gewalttaten begangen worden, als im gesamten Jahr
zuvor.
Schon seit 1999 schaffen es Neonazis sich mehr und mehr in Magdeburg zu
etablieren. In genau diesem Jahr gründeten lokale Nazis die Kameradschaft
Magdeburg. Zudem organisierten sich einige von ihnen im sogenannten
Kulturkreis Magdeburg dessen selbsternanntes Ziel die Pflege des
germanischen Brauchtums war und der unter anderem
Sommer-/Wintersonnenwendfeiern veranstaltete. Als Steffen Hupka seinen NPD
Landesvorsitz im Jahr 2000 an Andreas Karl abgeben musste, kümmerte sich
Hupka verstärkt um die Freien Kräfte. So wurde im Jahr 2001 der Nationale
Beobachter - Information für Magdeburg und Umland gegründet, deren
inhaltliche Gestaltung hauptsächlich Hupka übernahm. Nachdem auch Hupkas
Projekt Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000 bereits wieder im Januar
2001 seine Auflösung erklärte, weil der angestrebte Dialog mit der
Parteiführung nicht zu Stande kam, entfernten sich in der Folgezeit die
Freien Kräfte von ihm und begannen sich unabhängig zu organisieren. So
wurde Mitte des Jahres 2002 die Kameradschaft Festungsstadt gegründet, die
seitdem unter gleichem Namen auch im Internet aktiv ist. Ende des Jahres
2003 war dieser Verselbstständigungsprozess mit der Herausgabe der
kameradschaftseigenen Frontzeitung dann endgültig abgeschlossen. Neben
verschieden Aktionen, Kundgebungen und selbstständig organisierten
Aufmärschen, bildet der 16. Januar alljährlich einen der Höhepunkte für die
lokale Naziszene. Ereignisse wie die Morde an Torsten Lamprecht (1992),
Farid Boukhit (1994), Frank Böttcher (1997) und Anderen sowie die
Himmelfahrtskrawalle 1994 bilden dabei nur den traurigen Gipfel des
aggressiven Aktivismus der lokalen Neonazi-Szene. Gerade in Hinblick auf
diese Morde vor wenigen Jahren in Magdeburg wird deutlich, wie wichtig ein
konsequenter Antifaschismus ist.
Uns allen dürfte klar sein, dass Aktionen gegen Naziaufmärsche in unserem
Kontext nicht viel mehr als Symptombekämpfung sind, allerdings äußern sich
diese Symptome täglich in blutigen Übergriffen und Todesopfern. Aus dieser
Perspektive sind Angriffe auf Nazistrukturen und Aktionen gegen
Naziaufmärsche heute wie gestern ein Ausdruck ernsthafter, praktischer und
vor allem notwendiger Solidarität.
Es geht uns, mit Blick auf die rechte Tradition vor Ort, besonders in einer
Stadt wie Magdeburg darum, die Verbreitung der menschenverachtenden und
faschistischen Ideologie der Neonazis zu verhindern und dabei ist es völlig
belanglos, in welchem Gewand sich diese Ideologie manifestiert - sie muss
angegriffen werden! Ob auf sozialen Protesten, in Regionalparlamenten, bei
Friedensdemos oder geschichtsrevisionistischen Veranstaltungen wie diesem
Trauermarsch: Neonazis, GeschichtsrevisionistInnen & Co. dürfen nicht in
Ruhe auftreten können. Wegsehen heißt - heute wie damals - zustimmen.
Lasst uns den Nazis ordentlich in die Suppe spucken!
Wir wollen am 15.01.2005 eine kraftvolle und lautstarke Demo gestalten, um
den Neonazimarsch zu stören und zu stoppen. Dabei sind wir auf Eure
Kreativität vor, während und nach der Demo angewiesen.
Deutsche TäterInnen sind keine Opfer!
Nicht gestern und nicht heute! Den Neonazi-Aufmarsch am 15.01.2005
verhindern und auf der städtischen Gedenkfeier mit Neonazibeteiligung am
16.01.2005 gegen Geschichtsrevisionismus auftreten!
Kommt deshalb zur Demo am 15.01.2005 um 10:00 zum Bahnhofsvorplatz in
Magdeburg.
Alle weiteren Info werden in den nächsten Wochen folgen.
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