Mittenwald/Hamburg: Veranstaltung: Endlich weg mit dem Gebirgsjägertreffen!
Zum 49ten mal jährt sich im südbayerischen Mittenwald das größte deutsche Veteranentreffen. Am Ehrenmal der Gebirgsjäger auf dem Hohen Brendten findet jedes Jahr zu Pfingsten das bedeutendste Traditionstreffen der Gebirgsjäger statt, um die "großen Leistungen der Gebirgstruppe im Zweiten Weltkrieg" zu zelebrieren und "ihrer toten Kameraden" zu gedenken. An diesen Treffen nahmen jährlich jeweils bis zu 7000 Veteranen aus Deutschland, Österreich und Südtirol, sowie auch Vertreter_innen aus Bundeswehr und Politik teil.
Die Geschichte der Gebirgsjäger ist lang, die Kriegsverbrechen zahllos. Sie sind für unzählige Massaker in Finnland, Jugoslawien, Albanien, Griechenland, Italien, Frankreich und der ehemaligen Sowjetunion verantwortlich, bei denen Zehntausende von Menschen ermordet wurden. Die in Mittenwald stationierte 1. Gebirgs-Division verübte u.a. am 16. August 1943 das Massaker im griechischen Dorf Kommeno, bei dem 317 unschuldige Menschen auf brutale Art getötet wurden. Sie war ebenso beteiligt an der Ermordung von ca. 5000 entwaffneter italienischer Soldaten auf der griechischen Insel Kephallonia im Jahr 1943. Die Gebirgsjäger weigern sich bis heute, die Verantwortung für die Massaker zu übernehmen, sie leugnen weiterhin ihre Beteiligung an den Verbrechen. Zwar mussten sie im Rahmen von Ermittlungsverfahren eine generelle Mitschuld einräumen, bis heute jedoch ist kein einziger Gebirgsjäger wegen seiner Kriegsverbrechen in Deutschland verurteilt worden. Im Jahr 1964 wurden seitens der Staatsanwaltschaft Dortmund erstmalig Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Gebirgsjäger wegen ihrer Beteiligung am Massaker auf der griechischen Insel Kephallonia aufgenommen. Diese wurden jedoch nach einigen Jahren trotz bestehender Beweislast eingestellt. Der AK Distomo führt seit Jahren Recherchen durch, um ehemalige Kriegsverbrecher auch noch 61 Jahre nach Kriegsende vor Gericht stellen zu können. Erste Erfolge sind zu verzeichnen: Einige Ermittlungsverfahren mussten auf Basis des recherchierten Beweismaterials eröffnet werden.
Noch bis zum Jahr 2002, als Antifaschist_innen erstmalig zu Pfingsten Gegenaktionen in Mittenwald und dem Hohen Brendten durchgeführten, nahmen führende Repräsentant_innen der Bundeswehr und der bayerischen Politik an den Gedenkveranstaltungen teil, eine Bundeswehrkapelle spielte jedes Jahr auf. Als Konsequenz der ersten Protestaktionen entsandten Bundeswehr und Politik in den darauf folgenden Jahren nur noch Vertreter aus der "zweiten Reihe". Die enge Verbindung zwischen ehemaligen Wehrmachts-Gebirgsjägern und Angehörigen der Bundeswehr hat eine bis heute anhaltende, lange Tradition. Nur eines von vielen Beispielen, wie Erinnerungspolitik und Aufarbeitung der Gräueltaten des Naziregimes in Mittenwald (nicht) betrieben wird, ist die dort stationierte Bundeswehrkaserne. Noch bis Ende 1995 trug sie den Namen des nationalsozialistischen Gebirgsjägergenerals Kübler und wurde erst nach jahrelanger Kontroverse unter anhaltender Gegenwehr seitens ranghoher Bundeswehrangehöriger in Karwendel-Kaserne umbenannt.
Bereits bei Einfahrt in den Ort findet sich an einer Gebirgswand ein Relikt aus, so wie es scheint, längst vergangenen Zeiten: ein in Gestein gehauenes, überdimensionales und unvollendetes Hakenkreuz. Doch nicht nur das in Gestein gehauene Hakenkreuz hat die Zeit des Nationalsozialismus überdauert. Weder seitens der Gebirgsjäger noch seitens einer Vielzahl von Mittenwalder Bürger_innen findet eine kritische Auseinandersetzung mit den Verbrechen des nationalsozialistischen Vernichtungs-krieges statt. Dies macht zum einen die öffentliche Brandmarkung von Kritiker_innen bzw. Unterstützer_innen der Protestbewegung deutlich, wie aber auch zahlreiche rechtsextreme Sympathiebekundungen seitens Mittenwalder Bürger_innen. So wurde z.B. während der Gegendemonstration am Pfingstsonntag 2004, der zu einer Zeitzeug_innenveranstaltung eingeladene Theresienstadt-Überlebende Ernst Grube mit den Worten: "Man hat Euch zu vergasen vergessen" beschimpft. Der Vorstand des Mittenwalder Sportvereins, der seine Sporthalle für das Hearing 2003 zur Verfügung gestellt hatte, wurde von Mittenwalder Bürger_innen massiv unter Druck gesetzt, sodass die Hearings 2004 und 2005 in einem Zelt auf dem Bahnhofsplatz stattfinden mussten.
Inzwischen ist das kollektive "Trauern um die Gefallenen" sowie die Verharmlosung und Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen ein fester Bestandteil der bundesweiten Politik geworden, um sich endgültig der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu entledigen. In Dresden wurde in den letzten Jahren gezeigt wie der Schulterschluss zwischen Neonazis und Bürger_innen aussieht. Durch die Universalisierung von Leid wurde und wird der deutsche Opfermythos vorangetrieben. In Mittenwald jedoch gab es diesen Opfermythos schon immer. Generationsübergreifend wird jedes Jahr aufs Neue das Traditionsverständnis der alten und neuen Gebirgsjäger samt ihrer Familien herbeigeschworen. Mit unserer Gegenmobilisierung wollen wir den deutschen Opfermythos und Geschichtsrevisionismus angreifen und fordern eine (selbst)kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte vor und nach der Shoa.
Das diesjährige Gebirgsjägertreffen wurde seitens seiner Organisatoren von Pfingsten auf das Wochenende vom 26.-28.05.2006 vorverlegt. Es soll damit versucht werden, die starke Öffentlichkeitswirkung der stattfindenden Proteste im Zusammenhang mit der Fußball-WM und insbesondere mit Blick auf internationale Presseberichte klein zu halten. Auch in diesem Jahr finden wieder zahlreiche Protestaktionen gegen das Gebirgsjägertreffen in Mittenwald statt. Geplant sind ein Hearing mit Zeitzeug_innen, Demonstrationen sowie diverse andere Aktionen. Ziel ist es, die alljährliche Tradition der Gebirgsjäger zu stören, um dem Treiben ein Ende zu setzen. Es soll eine verstärkte öffentliche Diskussion über die Kriegsverbrechen der ehemaligen Gebirgsjäger geschaffen und endlich die Täter zur Verantwortung gezogen werden.
! Schluss mit dem Traditionstreffen der Gebirgsjäger !
! Kein Vergeben kein Vergessen den Tätern des Nationalsozialismus !
Informationsveranstaltung am 20.04.2006 um 19.30 Uhr im Kölibri (Hein-Köllisch-Platz 12, Hamburg)
Inhalt: Informationen zum alljährlichen Gebirgsjägertreffen und die Proteste dagegen; Hintergründe zur Geschichte der Gebirgsjäger und die damit im Zusammenhang stehenden Kontinuitäten in der Bundeswehr; Erläuterungen zum Stand der Entschädigungszahlungen für die Opfer der Gebirgsjägerverbrechen sowie Aktuelles zu der diesjährigen Gegenmobilisierung.
In diesem Jahr wird es einen Bus von Hamburg aus geben - die Ticketreservierung könnt Ihr bereits bei der Veranstaltung machen.
Seid kreativ und beteiligt Euch an den Gegenaktionen in Mittenwald!!!
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