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Wed May 19 15:23:18 2004
 

Die Mär vom Verbot der Korporationen

Mit der Thematik »Korporationen im Nationalsozialismus« wird in den einzelnen Verbänden sehr unterschiedlich umgegangen. Die Selbstdarstellungen reichen von auffälligen Lücken in der Dokumentation der eigenen Geschichte zwischen 1933-45 bis hin zu offensiver Geschichtsverdrehung. 

Von „Zwangsauflösung“, „Gleichschaltung durch die NSDAP“ und „Verbot“ ist da die Rede. Tatsächlich aber begrüßten viele Korporationen, insbesondere die der Deutschen Burschenschaft (DB), die Machtübertragung an Hitler von Anfang an. Bereits 1933 heißt es in den Burschenschaftlichen Blättern:

„Der Führer der nationalsozialistischen Bewegung ist heute Führer des deutschen Volkes. In seinem Kampf voll Leidenschaft, voll Blut und Tränen, in dem das Schicksal ihn formte und schmiedete, bewährte sich die Größe dieses Mannes, der heute mit heißem Herzen an die Aufgabe herangeht, unser Volk – uns selbst zu formen und das Reich neu zu bauen.(...) Mit der Härte und Entschlossenheit, die unentwegter Kampf um Volk und Reich einer Gemeinschaft verleiht, ergreifen wir heute die ausgestreckte Rechte des Kanzlers und geloben ihm treue Gefolgschaft auf seinem schweren Weg aus freier Bestimmung und aus einer Geistes- und Willensgemeinschaft heraus, die uns mit der von ihm geschaffenen Bewegung verbindet.“

1935 übergibt die Deutsche Burschenschaft dann auf der Wartburg ihre Fahne dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Von Verbot durch die Partei kann demnach keine Rede sein, eher schon von Selbstgleichschaltung. Zur Dokumentation der freiwilligen Gleichschaltung Marburger Korporationen soll der folgende Rundbrief aus dem Jahre 1939 dienen. Es handelt sich dabei um Archivmaterial der Burschenschaft Alemannia, das ursprünglich in einer internen Festschrift zum 150-jährigen Bestehen veröffentlicht wurde.

Bericht über die Gründung der NS-Kameradschaft am 17.12.1938 auf dem Alemannenhause

(Rundschreiben des Vereins Alter Marburger Alemannen vom 16.3.1939)

Die Gründungsfeier der drei neuen Marburger Kameradschaften auf dem Alemannenhaus, auf dem Rheinfrankenhaus sowie auf dem Teutonenhaus fanden in feierlicher Form in der Universitätsaula statt. Erschienen waren die Jungkameraden der genannten drei Kameradschaften, Vertreter der Altherrenschaften, eine große Anzahl Professoren mit dem Rektor an ihrer Spitze, Vertreter der Partei, der Wehrmacht und der Behörden. Nach Einleitung der Feier durch das Akademische Orchester sprach zunächst der Gaustudentenführer Schulze. Er begrüßte die Anwesenden, die durch ihr Erscheinen bewiesen hätten, daß ihnen die Erziehung und die politische Ausrichtung der jungen Mannschaft an der Universität am Herzen liege. Die Bewegung habe vom Führer den Auftrag erhalten, die im deutschen Volke lebendig gewordene Kraft bei der Jugend als ewiges Feuer zu schüren und nimmer verglimmen zu lassen. Die lebendige Forderung: „Ehre, Freiheit, Vaterland“, von der Generation der Freiheitskriege aufgestellt, sei in den darauffolgenden Zeitabschnitten zerredet und entstellt worden. Jetzt aber sei das Zeitalter der Erfüllung angebrochen und die Universität stehe vor Aufgaben, die für das Leben der Nation von ausschlaggebender Bedeutung seien. Der Studentenbund habe vom Führer die Aufgabe bekommen, eine disziplinierte harmonische Persönlichkeit heranzubilden. Das könne nicht allein durch Schulung geschehen, da diese sich vorwiegend an den Verstand wende, man wolle aber das Herz; der Weg hierzu führe über das Erleben. Der Studentenbund könne daher seine Aufgaben nur im Rahmen der studentischen Kameradschaft lösen, die nicht einen Zusammenschluß auf kurze Zeit, sondern für das ganze Leben sei. Letzer Sinn seien aber nicht persönliche Bindungen, sondern ein gemeinsames politisches Ziel, gemeinsames Schaffen und Wirken. Hierfür seien wesentliche Stütze Vorträge solcher Alter Herren, die ein politisches Arbeitsgebiet haben. Die Altherrenschaften seien daher keineswegs bloßes Finanzierungsinstitut. Der Beitritt zu einer Kameradschaft sei völlig freiwillig. Mit Befehlen könne man wohl einen Marsch organisieren, nicht aber das studentische Leben. Das lebendige Leben müsse den Studenten formen. Durch Erntearbeit und Fabrikdienst müsse er den deutschen Menschen kennenlernen.

Im gleichen Sinne äußerte sich der Rektor sowie der Gauleiter Staatsrat Weinrich. Die Ausführungen der Redner ließen erkennen, daß man, wie dieses auch bereits bei der Universitätsfeier im Sommer vorigen Jahres zum Ausdruck gebracht war, mit dem Methoden des Kampfes in der Studentenschaft, wie sie in den früheren Jahren üblich waren, endgültig gebrochen hat und einen Aufbau anstrebt, den jeder nur begrüßen kann, der sich freudig hinter die Werte stellt, welche die Bewegung geschaffen hat.

Der Rektor hob hervor, der große Philosoph der Freiheitskriege, Fichte, habe als das höchste Ziel der Menschen die Vollkommenheit bezeichnet. Jeder, der die Hochschule besuche, müsse sein Wissen aber nicht nur für sich, sondern muß es für die Allgemeinheit verwenden. Die Universität vermittle Wissen und fordere später dessen Weitergabe an andere. Wenn auch die äußeren Zeichen der alten liebgewordenen Korporationen nicht mehr die gleichen seien wie früher, dürfte doch keiner abseits stehen. Jeder müsse erkennen, daß letzhin nur eine Weitung der Begriffe eingetreten sei, daß heute alle das gleiche Band umschlinge, das Band der großen Volksgemeinschaft. Die alten Ideale der Studenten, Mut, Treue und Ehrgefühl seien auch heute noch lebendig und wirksam; sie gelte es weiter zu pflegen.

Gauleiter Staatsrat Weinrich betonte, es werde heute soviel geschimpft. Das sei an sich gesund und von jeher Art des Deutschen. Darüber aber dürfe der Gedanke der Gemeinsamkeit nicht stolpern. Marburg habe eine große Tradition und die Partei wisse, was Deutschland der Wissenschaft verdanke. Es sei aber nicht möglich gewesen, bei Schaffung von etwas völlig Neuem vor den früheren Korporationen Halt zu machen. Vornehmste Aufgabe der Alten Herren sei es, an dem großen Werk der Erziehung der studentischen Jugend tatkräftig mitzuhelfen, nicht aber tatenlos Altem, gewiß Liebgewordenem nachzutrauern.

Zur Kneipe hatten unsere jungen Bundesbrüder das Haus, insbesondere den Kneipsaal mit Tannengrün prächtig geschmückt. Man saß bei Kerzenbeleuchtung an einzelnen Tischen.