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Thu Jul 27 01:17:44 1995
 

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Betreff    : Sprache im Faschismus
Datum      : Fr 19.05.95, 00:00

Über die Auseinandersetzung mit Faschismus und unserem Bestreben den Faschismusbegriff für uns klarer zu definieren, haben wir uns mit der Sprache im Faschismus auseinandergesetzt. Hierzu im folgenden ein Text von einer von uns. Viele der Sprachmerkmale des deutschen Faschismus finden sich auch heute noch in der Sprache wieder. Über das Sprachmerkmal Superlative haben wir intensiv diskutiert, da unsere heutige Sprache davon sehr geprägt wird, welches auch den heutigen Zeitgeist (alles effektiver, schneller und besser machen) Sprache im Faschismus Der folgende Text enthält Gedanken/Passagen zur Sprache im deutschen Faschismus (1933-1945). Ich beziehe mich dabei hauptsächlich auf die Bücher 'LTI' von Victor Klemperer und 'Sprache im Faschismus' hrsg. von Konrad Ehlich. Unter Faschismus verstehe ich ein System, das auf einer Massenideologie beruht. Sie bedarf der Massen und ihrer Zustimmung, d.h. der Massenpartizipation. Dies unterscheidet den Faschismus für mich von einer Militärdiktatur, mit der er ansonsten die offene politische Gewalt als bestimmendes Kennzeichen gemein hat. Faschismus ist jedoch komplexer. Der deutsche Faschismus zeigte eine Dialektik von Bemühen um die Unterstützung durch die Bevölkerung und ihre Unterdrückung. Im F. wurden verschiedene Theorien und Ideologien funktionalisiert, diese Diversifikation war eines seiner zentralen Merkmale. Die faschistische Ideologie war nicht konstant. Alte Ideologemen (Teil- aussagen einer Ideologie) wurden bei Bedarf abgestoßen und durch neue ersetzt. Dies geschah im Nationalsozialismus oft nach tagespolitischen Gesichtspunkten. Ein Beispiel: Dem Sänger Jan Kiepura wurde ein Konzert in Berlin verboten, da er der Jude Kiepura war. In einem Fim des Hugenbergkonzerns wurde er zum 'berühmten Tenor der Mailänder Scala' und als er in Prag bei einem deutsch gesungenen Lied ausgepfiffen wurde, war er der'deutsche Sänger Kiepura'. Im Faschismus ist der Kampf um die Massen ein Kampf um die Köpfe. Die Massen als handelnde Subjekte waren das Ziel der politischen Propaganda des Faschismus, und um möglichst viele verschiedene Menschen anzusprechen, stellte sich der Faschismus möglichst vielseitig dar. Im Kampf um die Massen brauchte der Faschismus viele ideologische Beiträge und BeiträgerInnen, um für möglichst viele gesell- schaftliche Bedürfnisse attraktiv zu sein und viele verschiedene Gruppen anzuwerben. Dabei konnte allerdings nicht alles, und vor allem nicht gleichwertig, in die Ideologie eingehen, wodurch sich sog. 'Zentren der Ideologieformation' und darauf bezogene Peripherien ergaben. In diesem "Zentrum [stand] ohne Zweifel die Praxis der politischen Gewalt um jeden Preis zur Durch- setzung der eigenen Ziele; daraus ergibt sich unmittelbar die ideologische Notwendigkeit, alle Konzepte außer Kraft zu setzen, die der Exekutierung dieser Praxis sich mental und das Handeln bestimmend entgegensetzten."(vgl. Ehlich, 1989, S.12ff; Wittrock, 1981, S.4; Klemperer, 1993, S.263f u. S.37) Die Wiederholung des deutschen Faschismus in der gewesenen Form wird als unwahrscheinlich angese- hen, zumal seine Erscheinung so außergewöhnlich war, doch bleibt eine Wiederholung (besonders in anderen Formen) solange möglich, wie die Bedingungen für seine Nützlichkeit weiterbestehen. Deshalb sehe ich es als notwendig an, seine Wirkungsweisen zu analysieren. Die Sprache ist für mich wie ein Spiegel der Gesellschaft und ist ein wichtiges Element, das es zu analysieren bedarf, auch um selbst einen reflektierteren Umgang mit Sprache zu finden. Sprachliches Handeln und Sprache sind und waren für die Propagierung und Durchsetzung von Ideologien von herausragender Bedeutung. Im sprachlichen Handeln spiegeln sich die gesellschaftlichen Veränderun- gen wieder, die sich mit dem Faschismus und durch ihn herausgebildet haben. Sprachliches Handeln im Faschismus läßt sich über verschiedene Ebenen betrachten: -die, die sprachlich handelten -die, die sich am Pathos der Rede berauschten -die, die schwiegen (nicht untereinander kommunizierten), bzw. die, die schweigen mußten -die, die Widerstand leisteten (sprachlich über Flüstern, Flugblätter, Parolen, illegale Presse, Graffiti)(vgl. Ehlich, 1989, S.26 u. 30) -die, die Sprache in ihren Alltag übernahmen Der deutsche Faschismus war eine Massenbewegung. Wie konnte es dazu kommen, und welche Rolle spielte die Sprache dabei? Der deutsche Faschismus baute auf Massenpartizipation auf, daraus folgt, daß faschistische Propaganda auf Massenkommunikation aufbaute. Es wurden Masseninszenierungen im Aura der Festlichkeit ver- anstaltet. Bei diesen Masseninszenierungen wurde dem Hören ein zentraler Stellenwert beigemessen, wobei der Anschein der Massenpartizipation gewahrt bleiben sollte, d.h. sie wurden so organisiert, daß die AdressatInnen nicht stumm blieben. Dieses Beteiligen seitens der ZuhörerInnen blieb dabei auf verbale Akklamation (Zustimmung/Beifall) beschränkt, führte aber dazu, daß die beifallsspendenden ZuhörerInnen das Gefühl hatten, das Geschehen aktiv mitzugestalten. Diese Aktivität war von vornherein streng restriktiert und inhaltslos. Diese Art der Partizipation, bei der reale Partizipation gleichzeitig ausgeschlossen wurde, war eines der zentralen Mittel, mit denen die Faschisten im Kampf um die Köpfe ihre Erfolge errangen, und sie vor allem absicherten. Nach Hitlers Anweisungen an die Propagandisten sollten die AdressatInnen nicht zum kritischen Denken angeregt werden, alles sollte simplizistisch behandelt werden: "Wenn du von mehreren Gegnern sprichst, so könnte mancher auf die Idee verfallen, daß du, der einzelne, vielleicht im Unrecht seist - bringe die vielen auf einen Nenner, klammere sie zusammen, gib ihnen eine Gemeinsamkeit! Alles das besorgt anschaulich und volksnah der Jude. Wobei auf den personifizierenden und allegorisierenden Singular zu achten ist."(vgl. Ehlich, 1989, S.20f; vgl. u. zit. n. Klemperer, 1993, S.187) So sollten die ZuhörerInnen auf der einen Seite das Gefühl haben, an dem Geschehen teilzuhaben, andererseits 'dumm' gehalten werden, z.B. durch Vorgeben eines gemeinsamen Feindbilds. Kritisches Denken sollte mit allen Mitteln vermieden werden. Um das Gefühl der Partizipation bei gleichzeitigem 'Dummhalten' zu erreichen, wurden die Massenver- anstaltungen in Form pseudoreligiöser Feste durchgeführt. Um kritisches Denken zu unterbinden wurde zur Denunziation aufgerufen und bei Zuwiderhanden gegen das auferlegte Denkverbot (welches sich im Verbot oppositioneller Druckschriften und Initiativen äußerte) mit der Todesstrafe gedroht. -Pseudoreligiösität: Alle Veranstaltungen und Reden der Nazis wurden mit Zeremonien untermalt. Auch Ankündigungen hatten einen religiösen Klang: "Feierstunde von 13-14 Uhr. In der dreizehnten Stunde kommt Adolf Hitler zu den Arbeitern."(zit.n. Klemperer, 1993, S.45) Diese Redewendung assoziierte Hitler als den Erlöser, der zu den Menschen kommt, und ist die Sprache des Evangeliums. Auch wenn das Christentum selbst von den Nazis abgelehnt wurde, übernahmen sie dessen Sprache. Die ersten Gefallenen wurden kultisch und sprachlich wie christliche Märtyrer behandelt, und auch das christlich geprägte Wort 'ewig' wurde im Faschismus sehr häufig angewendet. Die bei der Feldherrnhalle Gefallenen nannte Hitler "meine Apostel, (...) ihr seid auferstanden im Dritten Reich" In fast jeder Rede benutzte Hitler das Wort 'Vorsehung': "Die Vorsehung führt uns, wir handeln nach dem Willen des Allmächtigen."(zit.n. Klemperer,1993, S.119) Die Pseudoreligiösität des Faschismus manifestierte sich somit zum einen in den christlichen Redewen- dungen und zum anderen in den predigtartigen Ansprachen sowie dem altarmäßigem Aufbaus des Redepults. Mehr noch als Hitler selbst, trugen seine UnterstützerInnen zu dieser Religiösität bei, indem sie Hitler zum Gott erkoren. So wurde sein Geburtsort zum Wallfahrtsort der deutschen Jugend und Goebbels drückte die Vergottung Hitlers am 20.4.41. so aus: "Wir brauchen nicht zu wissen, was der Führer tun will - wir glauben an ihn." Hitlers Buch "Mein Kampf" galt als die Bibel des Nationalsozialismus.(vgl. u. zit.n. Klemperer, 1993, S,121ff) -Das Volk glaubte an den Führer Wie kam es zu diesem Glauben an den Führer? Auf der einen Seite trugen die eben geschilderten religiösen Elemente des Nationalsozialismus, die an das Gefühlsmäßige, an das Irrationale appelierten, dazu bei. Auf der anderen Seite äußerten die Nazis viele Versprechen, von denen einige erfüllt wurden (z.B. Rückgang der Arbeitslosigkeit, wobei es für die Glaubwürdigkeit unerheblich war, wie oder warum diese Versprechen erfüllt werden konnten). Viele Ver- sprechen der Nazis waren so zeitüberspannt und komplex, daß sie und damit ihre Erfüllung nicht nach- vollziehbar waren, dadurch, daß kleinere Versprechen eingelöst wurden, wurde die Regierung glaub- würdig. Um die Versprechen einlösen zu können, bzw. um weiter regieren zu können, brauchten die Nazis die Unterstützung durch die Bevölkerung. Besonders im ökonomischen Sektor waren es Befehle, die die Voraussetzungen für die Realisierung der Versprechen ausmachten. (Befehle dulden keine Widerrede und sind somit eine verordnete Sprachlosigkeit. Der Befehl als verbale Gewalt eliminiert die HörerInnenent- scheidung, benötigt aber auch diese HörerInnen zur Ausführung). Der Befehl war ein beliebtes Stilmittel der Nazis. Um zu vermeiden, daß Befehle verweigert wurden, wurde mit Strafe gedroht (bzw. ausgeführt) und zur Denunziation aufgerufen. Die BürgerInnen wurden zur Denunziation angehalten, dadurch konnte sprachli- ches Handeln zur Lebensbedrohung werden. Aus Selbstschutzgründen paßten viele ihr sprachliches Handeln dem Erwünschten an. Victor Klemperer bezeichnete die Sprache im Faschismus als langsam wirkendes Gift, das fast alle Menschen im Dritten Reich vergiftete. Dies geschah u.a. "über die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er (der Nazismus) in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und unbewußt übernommen wurden." Er schreibt weiterhin: "Sprache dichtet und denkt nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl, sie steuert mein ganzes seelisches Wesen, je selbstverständlicher, je unbewußter ich mich ihr überlasse."(Klemperer, 1993, S.21) So entstanden auch von NS-Kritikern Aussagen wie: Juden und Deutsche; ist ihre Frau Deutsche (ungläubige Frage an einen Juden);der jüdische Krieg; Aussagen über Sippe. Vgl. dazu heute: Schwulitä- ten, Negerküsse, getürkt, Asylanten. So übernahmen auch die GegnerInnen und Opfer des Faschismus diese Sprache, die die Sprache durch Wortwerte und Worthäufigkeiten veränderte und kaum eigene Begriffe schuf. Neue Begriffe wurden im Nationalsozialismus hauptsächlich durch Wortkombinationen mit den Worten 'Reich' und 'Volk' geschaffen. Davon waren viele Worte funktional bedingt, dadurch daß diese Institutio- nen geschaffen wurden, so z.B. Reichsautobahn, Reichsgau... Durch Wortschaffungen mit dem Wort 'Volk' wurde sentimentalisiert: Volksfest, Volksgenosse, Volks- gemeinschaft, Volkskanzler...(vgl. Klemperer, 1993, S.37; vgl. Sauer, in Ehlich 1989, S.110) Viele Worte erhielten im Nationalsozialismus neue Bedeutungen, bzw. Wertungen: -einzelne Worte wurden überstrapaziert, so z.B. 'historisch', welches als Beschreibung für jeden Feiertag, jede Führerrede etc. herhalten mußte. -einzelne Sprachelemente versächlichten das Geschehen, wodurch dieses harmloser klang: Menschen wurden liquidiert, bzw. niedergemacht; 16 Stück Gefangene wurden gemacht... -viele Worte verharmlosten den Sinn: Wehrsport (Wehrpflicht war verboten, Wehrsport war Pflicht für sog. arische Studenten); freiwillige Winterhilfe statt Zwangssteuer; sichergestellt statt beschlagnahmt; holen statt unauffällig fortschaffen oder einsperren; desinfizieren klingt sauberer als ermorden; eine Gruppe der Endlösung zuführen klingt mehr nach Fußballspielen als nach Ermorden. -wertende Begriffe wurden von Gegenständen auf den Menschen bezogen: wertvoll, minderwertig... -das Leben wurde mechanisiert: aufziehen, gleichschalten, zu vollen Touren auflaufen, spurt schon wieder -religiöse Sprachelemente wurden verstärkt benutzt: ewig, Vorsehung...(vgl. Klemperer, 1993, S.36, S.41, S.51ff, S.159f, S.164, S.199) Die abstumpfende, alltägliche Wirkung der Geschehen wurden durch ebensolche Worte noch verstärkt. -Armut und Einheitlichkeit der Sprache. Obwohl der nationalsozialistische Faschismus sehr komplex war, war seine Sprache arm. Denn sie orientierte sich an dem immer gleichen Vorbild. So wurde die freitägli- che Goebbelsrede zum Maßstab dessen, was in der folgenden Wochen in der Zeitung zu stehen hatte. Alle Schriften und Publikationen mußten NS-treu sein, sonst wurden sie verboten oder zerstört. Aber auch aus seinen Lebensäußerungen und Hinterlassenschaften sprach eine schreckliche Einheitlich- keit: "Aus der maßlosen Prahlerei seiner Prunkbauten und aus ihren Trümmern, aus dem Typ der Soldaten, der SA- und SS-Männer, die er als Idealgestalten auf immer andern und immer gleichen Plakaten fixierte, aus seinen Autobahnen uns Massengräbern."(Klemperer, 1993, S.16 u. S.28) Diese Einheitlichkeit war die des Großen, Starken und Mächtigen. -Die Sprache im Faschismus diente der Beschwörung der Menschen. Ob diese gesprochene oder geschriebene Sprache war, alles in ihr war Anrede, Aufruf, Aufpeitschung. Die Reden und Schriften des Propagandaministers waren identisch, waren stilistisch dazu geeignet herausgeschrien zu werden. Auch Hitler Reden waren mehr krampfhaftes Schreien als sachliches Reden(vgl. Klemperer, 1993, S.29 u. S.59). Mit den Reden der Nazis sollte nicht an den Verstand appelliert werden, "sondern der Redner will den Hörer an einen ganz bestimmten Punkt bringen, aber ohne daß dieser rational überzeugt wird, geistig mitgeht; der Hörer soll zum Glauben gebracht werden. Die Rede nimmt beschwörende Form an, sodaß eventuelle Kritik und Ablehnung des Hörers durch den eindringlichen Schwall der Worte überrannt werden."(Minnerup in Ehlich, 1989, S.234) -Abkürzungen: "Kein vorhergesehener Sprachstil macht einen so exorbianten Gebrauch von dieser Form wie das Hitlerdeutsch. Das moderne Kurzwort stellt sich überall dort ein, wo technisiert und wo organi- siert wird. Und seinem Anspruch auf Totalität gemäß technisiert und organisiert der Nazismus eben alles."(Kemperer, 1993, S.100) Durch die Masse der Abkürzungen wird die Technisierung und Organi- sierung einer Sprache und damit eines Systems repräsentiert und Organisation bedeutet Kontrolle. -Fanatismus: "...da der Nationalsozialismus auf Fanatismus gegründet ist und mit allen Mittteln die Erziehung zum Fanatismus betreibt, ist 'fanatisch' während der gesamten Éra des Dritten Reichs ein superlativisch anerkennendes Beiwort gewesen. Es bedeutet die Übersteigerung der Begriffe tapfer, hingebungsvoll, beharrlich, genauer: eine glorios verschmelzende Gesamtaussage all dieser Tugenden, und selbst der leiseste pejorative (abwertende) Nebensinn fiel im üblichen LTI-Gebrauch des Wortes fort."(Klemperer, 1993, S.65) 'Fanatisch' fand in fast allen Treuegelöbnissen an den Führer Eingang. 'Fanatisch' ist eine Superlative. Superlativen waren ein häufiges Stilmittel der Nazis. Entgegen der sonst üblichen, nüchternen Kriegsberichterstattung, setzten die Bulletins der Nazis gleich "superlativisch ein und steigerten sich dann, je mißlicher die Lage wird, ins so buchstäblich Maßlose, daß sie das Grundwesen der Militärsprache, die disziplinierte Exaktheit, in das genaue Gegenteil verkehren, ins Phantastische, ins Märchenhafte."(Klemperer, 1993, S.230) Das häufige Benutzen von Worten wie 'unvorstellbar', 'zahllos', 'total' als Zahlemhöchstwert; Redewen- dungen wie: 'wir können den Krieg noch dreißig Jahre führen' und die vielfache Verwendung der Zahl '1000' (tausendjährige Reich), als auch des Wortes 'ewig' als religiöse Aufhebung der Dauer und letzt- endlich das Wort einmalig als Umkehrung zeugen von diesem Größenwahn. "..der Superlativ ist das nächstliegende Wirkungsmittel des Redners und Agitators, er ist die Reklameform schlechthin. Deshalb hat ihn auch die NSDAP unter Ausschaltung aller Konkurrenz im Verfügungswege sich allein vorbehalten." So war Geschäften der Gebrauch des Superlatives durch ein Rundschreiben verboten worden: z.B. statt geschulteste Fachkräfte durfte geschulte Fachkräfte geschrieben werden. Auch das Präfix 'Welt' zeugt von diesem Superlativ: "Die Welt hört auf den Führer". Aber auch durch bloßes Aufzählen der Länder, die angeblich alle zuhörten, wurde dieser Effekt geschaffen.(vgl. Klemperer, 1993, S.230ff) Hitler benutzte in seinen Reden viele Sekundär-Attribute, die der Maximierung/Intensivierung dienten. Statt 'sehr', 'besonders' benutze er 'unerhört', 'einzigartig', 'einmalig', 'tausend-/millionenfach'. Seine Rhetorik wollte bewußt nicht informieren, sondern überwältigen. Modifikationen wurden nicht benutzt und nicht steigerungsfähige Gradative (einmalig, einzig, riesig...) weiter gesteigert, bzw. Steigerungen durch Komparative erzeugt: "Noch gigantischer als..." Auch die ständige Lautstärke half, das amorphe Massenpublikum in einen Rauschzustand zu versetzen.(Volmert in Ehlich, 1989, S.143ff) -Vielfach verwendeten die Nazis auch Schleierworte, besonders ausgeprägt in den Kriegsjahren. Aus 'Niederlage' wurde 'Rückschlag'; den Gegnern gelangen allenfalls 'Einbrüche' statt 'Durchbrüche' und statt zu fliehen wurde sich vom Feind abgesetzt. Nicht zu leugnende Schwierigkeiten wurden zu Engpässen, später zu Krisen, aus denen sich freigekämpft (d.h.geflohen) wurde.(Klemperer, 1993, S.241f) "Denn überall führt anhaltendes Übertreiben zwangsläufig zu immer weiteren Formen des Übertreibens, und die Abstumpfung und die Skepsis und die schließliche Ungläubigkeit können nicht ausblei- ben."(Klemperer, 1993, S.235) Durch den inflationären Gebrauch der Worte kommt es zu einem Entwertungsprozess. Aus der Analyse des Dudens im Nationalsozialismus ergab sich, daß "das Hauptgewicht der nationalso- zialistischen Sprachbeeinflussung (...) auf der neuen Sinngebung oft alter bekannter Worte [liegt]."(Sauer in Ehlich 1989, S.112) Beispiel: Faschismus 1929: rücksichtsloser Nationalismus in Italien 1934: schärfste nationale Erneuerungsbewegung in Italien 1941: die von Mussolini begründete italienische nationalstaatliche Bewegung. "Was Hitler furchtbar genau kennt und in Rechnung stellt, ist stets die Psyche der nichtdenkenden und in Denkunfähigkeit zu erhaltenden Massen. Das Fremdwort imponiert, es imponiert um so mehr, je weniger es verstanden wird; in seinem Nichtbegriffenwerden beirrt und betäubt es, übertönt eben das Denken. Schlechtmachen würde jeder verstehen; diffamieren verstehen weniger, aber auf durchweg alle wirkt es feierlicher und stärker als schlechtmachen."(Klemperer, 1993, S.268) "Die Absicht der 'negativen Propaganda' war klar: durch Lächerlich- und Verächtlichmachung, durch Diffamierung, Hohn und Haß sollte die 'rücksichtslose' psychische Vernichtung des Gegners durchgeführt werden - bis zur angestrebten physischen Vernichtung war es dann nur noch ein kleiner Schritt."(Bork, zit.n. Minnerup in Ehlich, 1989, S.224) FrauenLesbengruppe im Omega