Eine ehrenwerte Gesellschaft
Der "konservativen" Bildungsarbeit "im vorparlamentarischen Raum" hat sich seit 32 Jahren die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e.V. (SWG) verschrieben. Mit Erfolg, wie sie selbstbewußt verkündet. Die bundesweit organisierte Gesellschaft mit Schwerpunkt in Hamburg zog stolz zu ihrem 25jährigen Jubiläum Bilanz: "Profilierte Politiker, hohe Militärs, Wissenschaftler der verschiedenen Disziplinen haben in unseren Veranstaltungen gesprochen"1. Und so ist es bis heute geblieben. Letzter honorierter Gast für 1994 war Dr. Richard Pemsel, der zum Thema: "Enttäuschung der Konstruktiven - Versuch einer geschichtlichen Entlastung Deutschlands" im Haus der Provinizialloge Niedersachsen referierte. Wer da wie und von was enttäuscht ist, und wer da entlastet werden soll, und wo der Versuch enden kann, offenbaren sowohl die Geschichte der Gesellschaft, als auch ihre Publikationen und Aktivitäten, sowie ihre personellen Verflechtungen und Kontakte. Am 9. April 1962 wurde die SWG von Arthur Mißbach, damals CDU-MdB und Herausgeber der Zeitschrift "Vertrauliche Mitteilungen", Karl Friedrich Grau, zu jener Zeit CSU-Mitglied2, und Hugo Wellems, ehemaliger Chefredakteur der Zeitung "Deutsches Wort" der Deutschen Partei in Köln ins Leben gerufen. Allen dreien ist gemein, daß sie bereits vor 1945 Karriere machten: Grau als HJ-Streifenführer, Mißbach als Mitglied der NSDAP, deren goldenes Ehrenzeichen er 1935 erwarb, und Wellems meldete sich als Freiwilliger zur Legion Condor, und wurde später Referent im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda sowie Leiter des Propagandaamtes in Kauen.
Angesichts solcher Gründungsväter bleibt nur noch die Frage, inwieweit offen und deutlich Orientierung und Intention dargelegt werden. In der Satzung der Gesellschaft von 1962 wurde dann auch nichts kaschiert und Farbe bekannt. Man sah es nicht vonnöten etwas zu übertünchen. Unter § 2 wird formuliert, daß "die Gesellschaft (...) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke" verfolgt, die sie in 6 Punkten genauer definieren. Punkt 1 und 2 betonen den bildungspolitischen Anspruch der Gesellschaft. Punkt 3 beinhaltet das Bekenntnis zur "Sicherung einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung und (eines) demokratischen Rechtsstaats". Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung legen die Herren unter Punkt 4 und 5 dar. Aufgabe der Gesellschaft sei: "Festigung der geistigen Grundlagen des europäischen Kulturbetriebes", wie auch die "Pflege der Völkerverständigung sowie der rassischen wie religiösen Toleranz". Als Anspruch an sich selbst wird als letzter Punkt die "Verankerung des demokratischen Gedankens in der Jugend" formuliert3. Trotz oder dank diesem klaren Bekenntnis erhielt die Gesellschaft eine unbefristete Eintragung ins Vereinsregister, mit allen Vorzügen.
1986 verlegte die Gesellschaft ihren Vereinssitz von Alzenau in Unterfranken nach Hamburg. Hugo Wellems ist bis dato Vorsitzender. Seit 1973 steht ihm Prof. Emil Schlee als stellvertretender Vorsitzender zur Seite. Emil Schlee, ehemaliger 2. Bundesvorsitzender der Republikaner, ist seit langem in revanchistischen Organisationen, wie der Landsmannschaft der Mecklenburger oder dem Bund der Mitteldeutschen, engagiert. 1993 gründete er die rechte Kleinstpartei "Aufbruch 1994 - Deutscher Freier Wählerbund". Auch die anderen Vorstandsmitglieder des acht-köpfigen Gremiums sind vielseitig aktiv.
Zum Beispiel Edmund Sawall, Prior des Deutschen Priorats des Tempelherrenordens, im Ostpreußenblatt plädierte er für ein echtes Pflichtbewußtsein, Opfermut, Ideale und eine echte (Volks-)Gemeinschaft4; Oder Prof. Klaus Hornung, Präsidiumsmitglied des Studienzentrums Weikersheim und Kämpfer für den Schutzbund für das Deutsche Volk, welcher nebenbei für die Junge Freiheit und Nation und Europa schreibt; Alfred Ardelt, Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) und deren ultrarechten Elitezirkel Witikobund. In dieselben Strukturen, der SL und des Witikobund, ist Siegfried Zoglmann involviert. Er kann ebenfalls auf eine lange rechte Karriere zurückblicken. Vom NSDAP-Mitglied und HJ-Bannführer arbeitete sich Zoglmann zum Leiter der Auslandspressestelle der Reichsjugendführung und zum Abteilungsleiter beim Reichsprotektor Böhmen und Mähren hoch. Zur Waffen-SS meldete er sich 1942 freiwillig. Nach 1945 trat er in die FDP ein und pflegte Kontakte zum Gauleiter-Kreis um Werner Naumann. 1961 wurde er Parlamentarischer Geschäftsführer und 1963 stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. 1974 wechselte er schließlich zur CSU.
Personell eng verflochten ist die SWG mit dem Ostpreußenblatt, dem Organ der Landsmannschaft Ostpreußen. Bis vor kurzem erhielt das Ostpreußenblatt finanzielle Zuwendungen aus Bundesmitteln. Zur Zeit wird "nur noch" die Landsmannschaft ausgehalten. Gemeinsam organisieren die SWG und das Ostpreußenblatt Bildungsveranstaltungen und helfen sich beruflich über die Runden.
Hugo Wellems ist Chefredakteur des Ostpreußenblatts und der SWG-Mitarbeiter Peter Fischer Redakteur für Politik und Zeitgeschehen. Außerdem publizieren viele Referenten der SWG in der revanchistischen Zeitung aus Hamburg. Der Einfachheit halber wird sich das Telefon geteilt. Für telephonische Nachfragen gibt die Gesellschaft in ihrem Briefkopf die Telephonnummer der Redaktion des Ostpreußenblatt an.
Die eigene Zeitung der SWG, das Deutschland Journal, welches zuerst wöchentlich angeblich mit einer Auflage von 30.000 und dann monatlich erschien, wurde 1991 eingestellt. Den LeserInnen versprach Wellems, "Thematik und Sprache werden in der Wochenzeitung Das Ostpreußenblatt weitergeführt"5. Jährlich erscheint als eigene Broschüre das Deutschland Journal - Fragen zur Zeit (SWG-Reihe), das zwischenzeitlich mit Fragen zur Zeit betitelt war. Den Inhalt der Broschüre bilden die Vorträge der Veranstaltungen wie auch Texte von Mitarbeitern und Gästen. Angeblich soll die gesamte Auflage der Broschüren eine halbe Million erreicht haben. Wer diese abonniert, dem flattert der Werbeprospekt des rechtsextremen Arndt-Verlages von Dietmar Munier ins Haus, dessen Verlagsprogramm betseht hauptsächlich aus revanchistischen und geschichtsrevisionistischen Publikationen, die das Umfeld von Ostpreußenblatt und SWG gewiß ansprechen. Teilweise ist die Autorenschaft identisch.
Die SWG hat in "zahlreichen Städten der Bundesrepublik Arbeitskreise gebildet". In Hannover z.B. koordiniert Felix Schele von der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung in der CDU die Veranstaltungen, welche in CDU-Räume stattfinden. Nachdem dies bekannt und dagegen vorgegangen worden ist, führt die Gesellschaft nun unter dem Etikett der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung in der CDU die SWG-Veranstaltungen durch.
Nach dem "Fall der Mauer" machte die SWG die Erfahrung, daß "gerade in Mitteldeutschland ein erheblicher Nachholbedarf an geeignetem, seriösen Schrifttum besteht". Flugs hat die Gesellschaft ihre Tätigkeit auf "Mitteldeutschland" und den übrigen deutschen Sprachraum ausgedehnt. Überall, wo Menschen deutschen Blutes leben, gilt der Kampf den Kräften, welche "die Substanz unseres Volkes" als auch die "sozial gebundene wirtschaftliche Freiheit zu untergraben versuchen"6.
Beachtet werden die Veranstaltungen sowohl im sog. "neurechten" und "völkisch-nationalistischen", als auch im neofaschistischen Spektrum. Die Junge Freiheit (JF) berichtet ebenso über die SWG-Veranstaltungen wie das neofaschistische Heft Horizont, welches eher das Spektrum der Stiefelnazis anspricht und von Ingo Curdt, Mitglied im Deutschen Freundeskreis /Deutschlandbewegung, herausgegeben wird..
Seit der Verlegung des Vereinssitzes nach Hamburg finden in unregelmäßigen Abständen die Veranstaltungen im Versammlungssaale der Provinzialloge im Universitätsviertel statt. Kostenlos zum Mitnehmen liegt dort Der Republikaner und das Mitteilungsblatt des Tempelherrenordens aus. Bei den Veranstaltungen reichten sich keineswegs nur alte und neue Nazis die Klinke in die Hand. Es referierten auch Diplomaten, Militärs, konservative Professoren, Mitglieder des Bundestags und Vertreter aus der Wirtschaft. Die Referenten- und Autorenliste liest sich wie ein "who is who" der Braunzone zwischen CDU/CSU, Neofaschismus und der sog. "neuen Rechten". Die Themenpalette umreißt die Diskussionen, Diskurse und Debatten der "demokratischen Rechten", welche schon längst nicht mehr nur auf diese beschränkt ist.
"Von der Not der Kultur" bzw. deren Verfall sprach Prof. Richard W. Eichler, u.a. Vorstandsmitglied der Deutschen Kunststiftung der Wirtschaft, Generalsekretär der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaft und der Künste und Mitglied im Witikobund. Wahrscheinlich wird der Kunstliebhaber über die Ästhetik und Anmut der Kunstwerke von Arno Breker geschwärmt haben. Seine Liebe zu dessen Werken ist bekannt und sein Engagement für Arno Breker dankte ihm das Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG) mit der Verleihung des Schillerpreises.
Über die "Ausländerfrage" und die "Gefahr der Überfremdung des Volkeswillens" aus christlicher Sicht publiziert und referiert regelmäßig bei der SWG der Gründer und lamgjährige Vorsitzende der Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland (ENID) Pastor Alexander Evertz. Seit 1966 sind er und die ENID, die ruhig als rechter Flügel der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) betitelt werden darf, eine feste Burg im Kampf um die "deutsche Seele".
Inwieweit die "Wege zur Wiedervereinigung - Traum, Phrasen oder echten Konzepten" entsprachen, wie sie in den 80er Jahren die "Volksparteien" beschritten hatten, thematisierte Detlef Kühn, FPD-Mitglied und ehemaliger Präsident des inzwischen aufgelösten Gesamtdeutschen Instituts Bonn. 1990 referierte er beim Kongreß Initiative Deutschland 1990, veranstaltet von der JF, wir selbst, Europa vorn und Zeitenwende.
Dr. Otto Habsburg, Sohn des letzten österreichischen Kaisers, betonte Anfang der 80er Jahre, daß "Europa vor der Entscheidung" stehe, wo es sich hin entwickeln möchte. Wo er hin möchte, zeigt sein vielseitiges Engagement: Seit 1972 ist er Präsident der Paneuropaunion, seit 1975 außenpolitischer Berater der Hanns-Seidel-Stiftung sowie Kuratoriums-Mitglied der Ludwig-Frank-Stiftung. Desweiteren ist er Mitglied der SL und ins Hilfskomitee Freiheit für Rudolf Heß involviert. Unter anderem referierte er auch bei der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung. Die thematische Klammer all seiner Aktivitäten ist ein "Europa der Völker und Regionen". Im internationalen Institut für Nationalitätenrecht und Regionalismus arbeitet er im Kuratorium neben anderen mit Peter Glotz zusammen
Als Referent darf in diesem Zusammenhang nicht Herbert Hupka, Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen, Vorsitzender der Landsmannschaft Schlesien und Kuratoriumsmitglied der Studiengesellschaft für staatspolitische Öffentlichkeitsarbeit, fehlen. Für ihn existiert das "Deutsche Reich fort", und "zu diesem Deutschen Reich gehört nach wie vor nicht nur Nord-, West- und Süddeutschland, sondern auch Mittel - Ostdeutschland". Die Gäste der Gesellschaft werden es gern vernommen haben.
Gern vernommen haben werden die Gäste auch die Worte von dem Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse, Gerhard Löwenthal, der nicht mehr als Mitglied des rechtsextremistischen Netzwerkes bezeichnet werden darf.
Über die noch nicht ins "Reich" Heimgeholten und über die "Kriegesschuldfrage" - "Gab es ein Unternehmen Barabarrosa der Westmächte ?" referierte Dr. Dr. Günther Deschner, Mitglied des Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA), wo er von 1976 bis 1981 im Verwaltungsrat Mitglied war. Seit den 70er Jahren ist er bei der Welt Leiter des Kulturressorts, sowie Redaktionsmitglied der französischen Zeitschrift Nouvelle Ecole. Nebenbei ist er seit März 1989 Geschäftsführer und Programmacher beim Straube-Sachbuchverband, den er mit Wolfgang Venohr, Helmut Diwald und anderen gründete.
Was sie unter Patriotismus verstehen, stellte Dr. Dr. hc. Hans Filbinger dar, der Mitte Oktober 1979 das Studienzentrum Weikersheim mit ins Leben rief und ein Jahr zuvor als baden-württembergischer Ministerpräsident wegen seines Wirkens als Stabsrichter der NS-Marine zuzrücktreten mußte. Was er selbst anders sieht: "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein".
Gedanken über die Sicherheit machte sich Lothar Späths Intimus Wolfgang Schall. Er beleuchtete "die Bedeutung der Neutronenwaffe in der Sicherheitspolitik". Bis 1984 war er CDU-Abgeordneter im Europaparlament. Als Verfilzungen zwischen Bundeswehr, NPD und ihm bekannt wurden, schickte man ihn in die Frühpension.
In den Jahren 1986/87 erscheinen in dem Vortragsprogramm etliche andere schillernde Persönlichkeiten.
Nicht groß anreisen mußte Prof. Heinz-Dietrich Ortlieb von der Universität Hamburg, um über "Schuld und Verhängnis - Warum ist Südafrika der Sündenbock der Welt ?" zu referieren.
"Das Deutschlandbild des Oberst Graf Stauffenberg" beschrieb am 30.4.1987 Wolfgang Venohr, ehemaliger Chefredakteur bei Stern-TV-Produktion. Er selbst bezeichnete sich als Nationalrevolutionär und ist ständiger Autor in der Jungen Freiheit.
Ihm folgte Prof. Dr. Dr. Hermann von Berg, früherer Honecker-Vertrauter, mit dem Thema "70 Jahre Oktober-Revolution". Im Arndt-Verlag publizierte er mit Helmut Kohl, Peter Glotz, Karl Carstens und anderen in dem Buch "Gespräche über Deutschland".
Am 10. März 1988 sprach Prof. Dr. Ernst Nolte, Freie Universität Berlin, zu "seinem Thema" - "Der Historikersteit und die Wissenschaftsfreiheit". Im Einladungschreiben hob die SWG lobend hervor, daß Nolte mit seinem "FAZ-Artikel vom 6. Juni 1986 "Vergangenheit, die nicht vergehen will" den Historikerstreit" auslöste. Er hat zwar seitdem nicht neues mehr zu sagen, aber das Auditorium wird ihm trotzdem gedankt haben. Neben dem Ostpreußenblatt hatte noch zusätzlich die Gesellschaft zur Förderung öffentlicher Verantwortung e.V. eingeladen.
In selbiger Verbindung wurde im November 1991 zu einem Vortrag von Prof. Dr. Hellmut Diwald geladen. Bis zu seinen Tod war er einer der wichtigeren Witikonen und Deutschen Gildenschaftler. Zeitlebens war er sowohl bei alten wie auch "neuen" Rechten gern gesehen und involviert. Kontinuierlich traten in den Jahren Prof. Dr. Günter Rohrmoser, Dr. Alfred Schickel, Prof. Dr. Bernhard Willms bei der Gesellschaft in Erscheinung.
Anfang 1990 philosophierte Rohrmoser auf einer Veranstaltung über den "Abschied von Ideologien". 1991 fragte der CSU-Berater und ehemalige Strauß-Intimus, der sich als "rechtskonservativer CDU-Vordenker" einen Namen machte: "Rückt Europa nach rechts ?". Und antwortet: daß Deutschland ein "leuchtendes Beispiel geben" kann, wenn eine "Rückkehr zu einem normalen Verhältnis zur Nation" endlich Konsens wäre7. Die "Folgen des Bonner Sonderwegs" skizziert er zwei Jahre später kurz und knapp auf 2 1/2 DIN A 5 Seiten im Deutschland Journal. "Ein Ausweg aus der Misere ist nicht zu erkennen" stellt er fest, außer wir akzeptierten endlich, was wir bräuchten: "Führungsstärke und Vorbild der Politiker, Entschlossenheit und Zuversicht, Besinnung auf Stärke und Tugenden, die sich bewährt haben"8.
Alfred Schickel schrieb und referierte regelmäßig zum Thema Geschichtsrevisionismus, mit dem er sich einen Namen gemacht hat. Titel einiger seiner Arbeiten für die SWG sind: "Probleme der Vergangenheitsbewältigung" (1983), "Geheimdokumente enthüllt" (1983), "Roosevelts Weg in den Krieg" (1991), "Das Kartell der Lüge" (1992), "Das ungesühnte Verbrechen von Katyn" (1993)9.
Die Geschichte und Seelenlage der deutschen Nation liegt seit Jahren Bernard Willms von der Universität Bochum am Herzen. Bei der SWG waren dann auch die "Nation heute" und "Nationale Identität und europäischer Wandel" seine Themen10.
Noch nicht so lange, erst seit Anfang der 90er Jahre, dafür regelmäßig, mischt Ansgar Graw bei der Gesellschaft mit. Der bewährte "Zitel-Mann" (Otto Köhler) wählte sich den Schwerpunkt "Ostpolitik". "Los von Moskau - Die baltischen Staaten auf dem Weg zur Unabhängigkeit" war 1990 sein Thema, 1991 "Moskaus Faust im Kaukasus" und 1992 "Gorbatschow: Verlierer im Triumph"11. Bekanntlich zeichnet Graw mit der Parlamentsredakteurin Claudia Schulte verantwortlich für die Konzeption des Parlaments vom 11./18. November 1994 - aus dem Hause der Bundeszentrale für politische Bildung - mit dem Themenschwerpunkt "Deutsche Streitfragen". Streiten ließen sie Autoren aus den ultrarechten Zirkeln aus dem Ideologiekreis der JF, des Criticón, dem Berliner Appell und einer Solidaritätskampagne für Rainer Zitelmann. In diesen Kreisen ist er auch groß geworden. Beim Ostpreußenblatt lernte er seinen Journalismus, in einem Nachrichtenbüro für das Baltikum fand er sein Thema, publizieren darf er im Zitelmann-Klüngel und seit 1993 ist er SFB-Redakteur und Presssesprecher des Intendanten Günther von Lojewski, dessen "besonderen Vertrauen" er genießen soll.
Was passiert, "wenn der Zeitgeist Amok läuft", malte 1990 sein "Zitelmann-Kollege" Heimo Schwilk unter diesem Titel den Zuhören in der Provinzialloge aus. Kurz und knapp, die Dekadenz, die Kulinarik, die Selbstverwirklichung, den Pluralismus als Dogma, die "Dialektik der Aufklärung", den Autoritäts- und Identitätsverlust empfindet er als Ausdruck und Ergebnis des Amoklaufs12. Schon seit längerem und regelmäßig dabei sind Dr. Paul Carell, dessen richtiger Name Paul Karl Schmitt ist und Winfried van Oven. Es vereint sie nicht nur, daß sie beide im Deutschland Journal publizieren, sondern auch, daß sie beide im Nationalsozialismus Karriere machten und danach als Journalisten z.B. beim Spiegel arbeiteten. Carell war 1937 Mitarbeiter der Dienststelle Ribbentropp und wurde 1940 Chef der Nachrichten- und Presseabteilung im Auswärtigen Amt. 1943 schrieb er: "Die Judenfrage ist keine Frage der Humanität und auch keine Frage der politischen Hygiene" und "das Judentum muß bekämpft werden, wo immer es auftritt, weil es ein politischer Krankheitserreger ist, der Gärstoff für die Zersetzung und den Tod eines jeden nationalen Organismus (...)". Daß er dies heute nicht groß anders sieht und sich nach 1945 nur beruflich verändern mußte, belegt seine Biographie.
Ende der 60er Jahre war er für die Norddeutsche Rundschau des Bauer-Verlags tätig. Im Springer Ullstein Verlag veröffentlichte er "Unternehmen Barbarossa" und "Verbrannte Erde". 1991 beleuchte er für die Gesellschaft in seinem Beitrag "Unternehmen Barbarossa" die "Vergangenheit anders"13. Von Oven, von 1944 bis 1945 persönlicher Pressereferent von Josef Goebbels, gibt seit 1969 die neofaschistische Zeitung La-Plata-Ruf heraus, beehrte die Leserschaft des Deutschland Journals, bzw. damals noch Kleine SWG-Reihe, mit der Frage "Ist Südamerika unregierbar ?". 1950 war er beim Spiegel Ressort Innenpolitik und ging ein Jahr später als Korrespondent für den Spiegel nach Südamerika. Seit 1981 zählt er zum festen Mitarbeiterkreis der Deutschen Nationalzeitung und ist Schriftleiter von Deutschland in Geschichte und Gegenwart, dem revisionistischen Zentralorgan in der Bundesrepublik, welches von Herbert Grabert ins Leben gerufen wurde.
Zur deutschen Militärgeschichte im besonderen und zu militärischen Fragen und der nationalen "Sicherheit" im allgemeinen referierte nicht nur Brig.-Gen. a.D. Reinhard Uhle-Wettler, ehemalige Kommandant des Nato-Defense-College in Rom, Autor etlicher Bücher zur Militärgeschichte, REP-Berater und mitverantwortlich für die militärpolitischen Aussagen im REP-Programm. Auch andere hochrangige Militärs a.D. fanden sich ein. Unter anderen:
Wolfgang Altenburg, General a.D.; Lother Domröse, Generalleutnant a.D.; Ernst Feber, General a.D.; Adolf Heusinger, General a.D.; Gerhard Hubatscheck, Oberstleutnant a.D.; Heinz Karst, Brigadegeneral a.D.; Gerd-H. Komossa, Generalmajor a.D.; Wolfgang Schall, MdEP, Brigadegeneral a.D.; Harald Wurst, General a.D..
Aus dem Diplomatischen Korps sprachen über die Jahre etliche Botschafter, wobei offen ist, inwieweit sie, als sie bei der Gesellschaft referierten, aus dem aktiven Dienst ausgeschieden oder im Amt waren. Gleiches behält die Gesellschaft auch bei den Militärs für sich. Dr. Helmuth Allardt, Botschafter a.D., zuletzt Missionschef in Moskau; Dr. Heinrich Böx, Botschafter a.D. Warschau; Horst Gröppert, Botschafter a.D, zuletzt in Moskau, und Dr. jur. Walter Truckenbrodt, Botschafter a.D., sind nur einige Referenten aus dem Diplomatischen Korps gewesen.
Mitglieder des Bundestages bzw. ehemalige die in diesem Kontext keine Unbekannten sind, fanden sich ebenso bei der SWG ein. Einige Namen: Alfred Dregger CDU; Hans Huyn CSU; Erich Mende, Bundesvorsitzender der FDP von 1960 bis 1986, Bundesminister, 1970 Übertritt zur CSU und danach bis 1980 CDU-MdB; Hans-Joachim von Merkatz DP und 1960 Eintritt in die CDU, u.a. 1957 bis 57 Bundesjustizminister und 1960 bis 1961 Bundesvertriebenenminister, verstorben; Hans Edgar Jahn CDU, Präsident der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise; Dr. Richard Jäger, Bundesminister a.D.. Dr. Friedrich Zimmermann, CDU und Bundesminister des Inneren a.D.. Wahrscheinlich wird er zur Inneren Sicherheit etwas erzählt haben.
Das Jahr 1993 stand für die Gesellschaft erneut im Zeichen der "Aufarbeitung" und "Umdeutung" der Geschichte sowie dem Suchen nach einen "wahren Konservatismus" und der Forderung einer "wehrhaften selbstbewußten Nation".
Hugo Wellems stellte fest, daß "die deutsche Bestie ein Phantom" ist. Ferdinand von Bismarck ging der Frage nach, ob Bismarck ein Wegbereiter Hitlers war. Klaus Hornung betonte, daß Hitler nicht vom Himmel fiel und ein Produkt des "Dreißigjährigen Krieg im 20. Jahrhundert zwischen 1914 und 1945" war14. Und "es war immer ein Fehlurteil gewesen zu meinen, Modernisierung und Modernität in Technik, Wirtschaft und Gesellschaft seien untrennbar mit Demokratisierung und freiheitlichem Verfassungsstaat verbunden. Die jüngere Nationalsozialismus-Forschung hat inzwischen an das Licht gerückt, daß auch die totalitären Systeme unseres Jahrhunderts Modernisierungsfunktionen wahrnehmen"15.
Dr. phil. Armin Mohler stand der Gesellschaft als Autor und Referent zur Verfügung. Der frühere Privatsekretär Ernst Jüngers und ehemalige Geschäftsführers der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung durfte hier auch nicht fehlen. Gleiches gilt für den "Junghistoriker" Dr. Karlheinz Weißmann, dessen "Rückruf in die Geschichte" zum Standard der "demokratischen Rechten" gehört und inzwischen bei Ullstein in neu überarbeiteter Auflage erschienen ist. "Die deutsche Herausforderung vor der neuen geopolitischen Lage" thematisierte er in seinem Vortrag.
Wie es in der Parteienlandschaft aussieht, zeigte am 16. November 1993 Prof. Dr Erwin Scheuch, Autor des Buches "Cliquen, Klüngel und Karrieren - Über den Verfall der politischen Parteien". Für ihm gehört der "Rechtsextremismus zur normalen Pathologie von freiheitlichen Industriegesellschaften".
Besonders erfreut war die Gesellschaft, im März 1994 übermitteln zu können, daß Professor Dr. Arnulf Baring sich bereit erklärt hatte, am 7. April in der Provinzialloge ihr Referent zu sein. Neben seinen Auftritten im Fernsehen zu aktuellen tagespolitischen Fragen, engagiert sich der Ehrerklärungsunterzeichner für Rainer Zitelmann gern in solchen erlauchten Kreisen. So referierte er in Berlin beim Dienstagsgespräch und ist seit ihrer Gründung 1992 im Stiftungsrat der Stiftung Demokratie und Marktwirtschaft, dem desweiteren Peter Gauweiler, Hans Barbier, Leiter der FAZ-Wirtschaftsredaktion und Manfred Brunner angehören. Für seine offenherzigen Äußerungen und seine Standhaftigkeit ehrte die Stiftung am 28. Januar 1995 in München Steffen Heitmann mit dem "Freiheitspreis 1995".
Vorausschauend auf das Jahr 1995 mit dem 50. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, der Bombardierung Dresdens und der Niederlage für die Wehrmacht und die Mehrheit der deutschen Bevölkerung am 8. Mai beendete die Gesellschaft das Jahr `94 am 15. September mit einen Vortrag von Dr. jur. Richard Pemsel, der den Versuch unternahm, eine "geschichtliche Entlastung Deutschlands" zu konstruieren. Darin ist er geübt. Die Titel seiner Publikationen sprechen für sich: "Hitler - Revolutionär, Staatsmann, Verbrecher ?", "Geschichtliche Entlastung Deutschland - Ein Alptraum für deutsche Politiker ?"16. In Deutschland in Geschichte und Gegenwart stellte er die Frage "Sind die Deutschen ausländerfeindlich ?" und beantwortet sie sogleich im Untertitel "Zum Mißbrauch dieses Vorwurfs". Wer diesen Vorwurf erhebt, bzw. dem "deutschen Volk" unentwegt die Wahrheit vorenthält, ortet er in drei Gruppen: "1. Die geistigen Mitläufer, die ohne eigene Vertiefung griffige Vokabeln verwenden. 2. Die grundsätzlichen Gegner eines deutschen Nationalstaates und einer deutschen Identität. 3. Die Vertreter einer multikulturellen Gesellschaft"17. In der Veranstaltung beleuchtete der freie Jurist aus Hersbruck erst einmal die "Kriegsschuldfrage". Nicht Deutschland, nicht Adolf Hitler, nicht die NSDAP, nicht die nationalsozialistische Bewegung, noch die deutsche Industrie seien irgendwie Schuld an irgendwas. Versailles, London, Warschau und Moskau stünden allerdings als Namen, die mehr in die "Kriegsschuldfrage" involviert seien, als es allgemein angenommen und gesagt würde. Ja - hätten sich England und Polen anders verhalten, dann wäre alles anders gekommen, doch so war Deutschland gezwungen, sich zu wehren. Und so weiter und so fort. Resümee - da nun ist, was sein soll - muß endlich diese bewußt konstruierte und indoktrinierte Schuld weit von sich gewiesen und das "Büßerhemd" abgelegt werden. Selbstverständlich ist es für ihn und sein Auditorium mehr als überfällig, den auferlegten "deutschen Sonderweg" zu beenden und zu einer "deutschen Normalität" zurückzukehren. Das Selbstbewußtsein, das Selbstvertrauen der Deutschen - der Nation - hätte allerdings (angeblich) über die Jahre gelitten und nur die wahren Standhaften, zu denen ohne Reden der Referent, die Gastgeber und die Zuhörer und Zuhörerinnen, sprich die "erwachenden wahren Konservativen und echten rechten Demokraten" zählen, konnten den 50 Jahre lang andauernden Angriffen standhalten. Schuld an dem Seelenzustand der Deutschen seien, neben den bereits benannten Antinationalen, Konservative à la Geißler, Liberale und Linke, insbesondere die 68er, auch jene Politiker und Zeithistoriker, die "in den letzten Jahrzehnten in sehr zahlreicher Gesellschaft waren (...) solange es galt, den Kadaver des nationalsozialistischen Löwen einen weiteren Fußtritt zu verpassen"18. Doch das sei bzw. ist nun passé, konstatierte Richard Pemsel. Die "Konstruktiven" sind im Aufwind und peu à peu befreit sich die "deutsche Identität" von dem aufgezwungenen Stigma der Schuld, der infiltrierte Selbsthaß verblaßt und das lang herbeigesehnte "deutsche Selbstbewußtsein" erwacht, die "deutsche Nation" besinnt sich zurück. Und das Widerstehen der Einzelnen verbündet sich zum Widerstehen der Nation.
Die Gastgeber und die an die hundert Gäste dankten ihm für die offenen Worte und das theoretische Rüstzeug für die zu erwartende Schlacht um das Gedenken.
Was der bildungspolitische Transformationsriemen rechts von der CDU / CSU für 1995 ins Visier genommen hat, ließ dieser bisher nicht verlauten. Ohne Frage wird die Gesellschaft ihrem "obersten Grundsatz konservativer und fortschrittlicher Arbeit" treu bleiben und weiterhin "einen Beitrag zur Festigung eines gesundenden Gemeinwesens (...) leisten, um zu verhindern, daß Deutschland zum Experimentierfeld von Kräften wird, die die Substanz unseres Volkes (...) bedrohen"19. Ein Mangel an adäquaten Referenten besteht nicht. Ebenso wenig wie ein Mangel an bereitwilligen Hören.
2siehe: Einladungsschreiben, der SWG v. August 1994.
3Mißbachs Schriften wurden von der Nationalzeitung, der Deutschen Wochenzeitung und Mut gelobt. Er wurde 1974 Mitglied der Studiengesellschaft für staatspolitische Öffentlichkeitsarbeit, welche ähnlich arbeitet wie die SWG. Wegen Steuerhinterziehung wurde er 1977 zu 567.000 DM Geldstrafe verurteilt.
4Grau trat später in die CDU ein, die er allerdings wegen Kontakten zu NPD-Funktionären 1973 für 2 Jahre verlassen mußte. Er legte auch Listen mit angeblichen Verfassungsfeinden an.
5zu Mißbach siehe: Antifakommmission des KB: Braunzone, Hamburg, 1981, S. 49 u. 122.
zu Grau: Antifakommission des KB, ebd., S. 49 u. 93.
zu Wellems: Antifakommission des KB, ebd, S. 49 u. 157.
6siehe: Antifakommission des KB, ebd. 146.
7zitiert nach: Hirsch, Kurt: Rechts von der Union, München, 1989, S. 449.
8Er gehörte zu Naumannns Gauleiter-Kreis und war 1952 bis 1964 Mitglied der Deutschen Reichspartei zu deren Leitung er 1953 gehörte. 1973 bis 1975 war er Funktionär des Stahlhelm - Kampfbund für Europa und gründete 1977 schließlich die Deutsche Volksfront.
9zu Hertel: Antifakommission des KB, ebd., S. 101.
10zitiert nach: Satzung der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e.V., vom 9. April 1962. Sie ist bis heute gültig. Nur § 1 wurde durch die Verlagerung des Sitzes der Gesellschaft verändert.
11Flugschrift des SWG; zitiert nach: Meyer, Alvin. Raabe Karl-Heinz (Hg.): Einschlägige Beziehungen von Unionspolitiker, , 1980, S. 81.
12siehe in: Antifakommission des KB, ebd., S.140; u. Antifaschistisches Broschürenkollektiv: Antifaschistische Information gegen die Zeitung Junge Freiheit, 1994, S. 59.
13Ostpreußenblatt v. 4.12.1993, S. 24.
14Siegler, Bernd: Eine rechte Karriere, in: Hethey, Raimund. Kratz, Peter: In bester Gesellschaft, Göttingen, 1991. S.245, 248 f.
15Dietzsch, Martin: Kader gegen die Fünfundvierziger, in: Kellershohn, Helmut (Hg.): Das Plagiat, Duisburg, 1994, S. 136.
16siehe: 15, ebd. u. Hirsch, Kurt, aaO. S 465.
17Info Büro Jelpke.
18Einladungsschreiben (belegt).
19Angabe nach: Jäger, Siegfried: Rechtsruck, Berlin Bonn, 1988.
[Aus: Antifaschistische Informationen, Rechte Organisationen in Hamburg, Nummer 1; Erscheinungsdatum: 2. Juni `95; Herausgegeben von: Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten, c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg; e-mail: kfdf@krabat.nadir.org]