ZEGG und Meiga existieren nicht erst seit dem Geländekauf 1991 in Belzig, sondern sind Projekte eines seit knapp zwanzig Jahren bestehenden Denk- und Aktionszusammenhangs. Bei der Suche nach den Ursprüngen des ZEGG trifft mensch immer wieder auf die AAO.
Das Zentrum der AAO war der Friedrichshof im österreichischen Burgenland, aber auch in anderen Städten wie München, Hamburg oder Berlin bildeten sich bald darauf Ableger. Der Grundgedanke dieser Sekte basierte auf den Theorien des Sozialpsychologen Wilhelm Reich. Reich ging davon aus, daß die Energie des gesunden Menschen am besten während des Orgasmus fließe und daß daher muskuläre Verspannungen (Panzerungen), entstanden durch angestaute Lebens- und Sexualenergien, die Ursache (allen) menschlichen und gesellschaftlichen Leidens sei. Dieser Panzer sollte nun in der AAO abgelegt werden, um am Ende die Kleinfamilie abschaffen zu können, da in ihr die Eltern das Kind zum verklemmten "Wichtel" dressierten, der sich daraufhin panzern müsse, sämtliche Lust am Leben verliere und womöglich auch noch homosexuell werde. Erreicht werden sollte dieses Ziel auf zwei Wegen: dem Ausleben der "freien Sexualität" und der Abschaffung des Privateigentums.
Den verpönten kleinfamiliären Strukturen setzte Mühl das "AA-Bewußtsein" entgegen:
"Das AA-Bewußtsein ist eine Qualität, über die auch der fortschrittlichste und tüchtigste Kleinfamilienmensch nicht verfügt. Er steht, sobald er mit der Lebenspraxis der AA beginnt, hilflos da und merkt seine existenzielle Impotenz. Er beginnt mit der Bewußtseinsstufe 0".
Demnach konnte niemand, die / der nicht in der AAO lebte, daran Kritik üben. Aber auch die AAO-BewohnerInnen selbst durften Mühl nicht kritisieren. Mühl setzte die Maßstäbe ausschließlich selbst. Daß er - der Feind der Kleinfamilie - 1988 die sog. "Erste Frau" des Friedrichshofes, Claudia Weissensteiner, heiratete und den 1985 geborenen gemeinsamen Sohn Attila zum "Thronfolger" erziehen ließ, stand selbstverständlich nie zur Diskussion.
Praktisch sah es in der AAO so aus, daß innerhalb der Organisation eine strenge Ranghierarchie herrschte, bei der die oberen Ränge Befehlsgewalt über die unteren besaßen. Nummer Eins in dieser Hierarchie war (natürlich) Mühl selbst. Mühl nahm sich zum Beispiel das Recht heraus, nach einem von ihm durchgeführten "Sexualunterricht" die in der Kommune lebenden Mädchen im Alter von 13 oder 14 Jahren in die Sexualität "einzuführen". Sexueller Kontakt zu gleichaltrigen Jungen war bis verboten, und Mädchen, die sich der Vergewaltigung durch Mühl zu widersetzen versuchten, wurden von den Kommunemitgliedern solange unter massiven psychischen Druck gesetzt, bis sie ihre Verweigerungshaltung aufgaben.
Um das Ausleben der von Mühl definierten "freien Sexualität" zu gewährleisten und emotionale Bindungen zwischen einzelnen Frauen und Männern zu verhindern, wurden - zuerst mit Hand, später per Computer - sogenannte "Ficklisten" erstellt, in denen täglich neu festgelegt wurde, wer mit wem das Bett zu teilen hatte. Da Geilheit als das Kennzeichen des Menschen angesehen wurde, galten Gruppenmitglieder, die einige Tage keinen Sex wollten, als "krank" und wurden somit zum Gruppenproblem. Mühl entschied auch über die "Kinderproduktion" innerhalb der Kommune; als das Größte sahen es die Kommunenbewohnerinnen allerdings an, ein Kind von Mühl selbst bekommen zu dürfen.
Im Jahr 1986, nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl, entstand eine neue Kommune auf Gomera. Mühl war zwar der Meinung, die dort lebenden Menschen seien "ein furchtbarer Menschenschlag ohne Kultur und Erziehung" - dies hinderte ihn jedoch nicht daran, in dieses Projekt ca. 30 bis 40 Millionen DM zu investieren. Gewonnen wurde dieses Geld dadurch, daß alle Mitglieder ihr Privateigentum als "Darlehen" an die Kommune abtreten mußten. Viele Sektenangehörige hatten sich auch im Laufe der Jahre in Berufen wie Versicherungsagent(in), Börsenspekulant(in) oder Immobilienmakler(in) etabliert und führte ihre Geschäftserlöse an die AAO ab. Es existierten verschiedene AAO-eigene Firmen, im Friedrichshof wurden teure "Gästekurse" (unbezahlter Arbeitseinsatz inbegriffen) abgehalten, und gleichzeitig war es der Organisation durch beste Beziehungen zu beispielsweise (Ex-)Altbundeskanzler Bruno Kreisky möglich, als "Gemeinnützige Wohn-, Bau- und Siedlungsgenossenschaft" mit eigener Privatschule in Österreich Subventionen in Millionenhöhe zu kassieren. Zusätzlich machte die AAO in Gomera auch noch durch Grundstücksspekulation und Korruption von sich reden.
Obwohl die geistige Gleichschaltung und der Psychoterror bereits zu psychischen Zusammenbrüchen von Kommunemitgliedern geführt hatten, zerbrach das Projekt erst Ende 1991 endgültig, als Otto Mühl von einem österreichischen Gericht wegen Vergewaltigung und sexuellem Mißbrauch von abhängigen Minderjährigen zu sieben Jahren Knast verurteilt wurde.
Obwohl Mitglieder des ZEGG dies gern abstreiten und sich in Windeseile von der AAO - die sich übrigens teilweise auch ZEG ("Zentrum für emotionale Gestaltung") nannte - distanzieren, läßt sich (vor allem) auf zwei Ebenen ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Organisationen feststellen: auf der personellen und auf der inhaltlichen bzw. konzeptionellen Ebene.
Einige der Führungsmitglieder des ZEGG wechselten mehr oder weniger direkt von der AAO in die neue Organisation über. An erster Stelle steht hier (natürlich) Dieter Duhm, Gründer und inoffizieller Kopf (und "Oberguru") des Projekts Meiga und somit auch des ZEGG. Duhm war mehrmaliger Gast im Friedrichshof und soll auch die Nummer vier auf der Rangliste des Münchener AAO-Ablegers gewesen sein. Im Friedrichshof entwickelte er 1977 auch das ZEGG-Konzept, welches einen Versuch darstellen sollte, die AAO gesellschaftsfähig zu machen, aber von Mühl abgelehnt wurde. Von 1978 bis 1983 führte Duhm in Tegernau / Schwand bei Heilbronn das Kommuneprojekt "Bauhütte" durch, über das er zu Beginn sagte:
"Die Bauhütte ist bis jetzt eine komprimierte Idee, um die sich ein paar Leute geschart haben. ... Ich will gleich sagen, womit diese Idee hauptsächlich zu tun hat: mit der ehemaligen AAO, von deren Konzepten der Selbstdarstellung, der freien Sexualität und der kommunitären Lebensweise wir uns befruchten lassen ....Unser bescheidenes Ziel ist der Aufbau einer funktionierenden Alternativgemeinde von mehreren hundert Personen .... Wir nennen dieses Traumziel 'ZEGG': Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung."
In einem 1978 erschienen Text bezeichnet Dieter Duhm die AAO als einzigartigen Beitrag zur Weichenstellung für eine - welch Hohn - "humane Zukunft". Mühl besitzt für ihn hier eine "weiche Macht" und eine Ausstrahlung, die keine Gesetze oder Herrschaft errichtete, sondern der Lebendigkeit im Wege stehende Gesetze durchbreche; die AAO-Hierarchie preist er als offen dargestellte und von der Intriganz heimlicher Kämpfe befreite Ordnung an. Sein 1979 erschienenes Buch "Synthese der Wissenschaft" widmet Duhm "in Liebe" dem Menschen , von dem er am meisten gelernt habe, nämlich Otto Mühl, den er - neben Rudolf Steiner und Wilhelm Reich - als "wichtigsten Vorläufer der neuen Epoche" bezeichnet, der den praktischen Lebensentwurf zu Reichs Theorie geliefert habe. Nach einem dreijährigen Projekt im Schwarzwald, bei dem 50 Menschen an allen gesellschaftlich relevanten Fragen arbeiten und entsprechende Lebensmodelle entwickeln sollten, gründete Dieter Duhm nach 1986 das "Projekt Meiga", in dessen Zentrum ZEGG ab 1991 die verschiedenen Arbeitsprojekte von Meiga zusammengeführt werden sollten.
Weitere Beispiele für von der AAO "befruchtete" ZEGG-Führungsmitglieder sind Sten Linnander und Sabine Lichtenfels, die sich auch Sabine Kleinhammes nennt. Linnander war drei Jahre in der AAO und ist jetzt Leiter des Arktis-Projekts "Haven Arctica", Sabine Lichtenfels war zumindest besuchsweise bei der Mühl-Sekte und nahm später an Duhms Drei-Jahres-Projekt teil, bevor auch sie beim Projekt Meiga mitmachte. Heute ist sie Leiterin spiritueller Wüstencamps auf den Kanarischen Inseln und in Portugal, im ZEGG gilt sie als "Expertin" für Sexualität und Spiritualität. Lichtenfels zitiert in ihrem Buch "Der Hunger hinter dem Schweigen" auch noch 1992, also ein Jahr nach der Verurteilung Mühls, kommentarlos aus einem seiner Bücher.
Die ideologische Gemeinsamkeit des ZEGG und der AAO besteht in erster Linie darin, daß beide die unterdrückte Sexualität des Menschen als Grundübel aller Probleme ansehen. Deshalb werden im ZEGG auch zwei zentrale Konzepte der AAO übernommen: das der "freien Sexualität", die zur Befreiung der Menschheit führen solle, und die in der Mühl-Sekte praktizierte "Selbstdarstellung (bei ZEGG "Forum" genannt). Ging es bei der "Selbstdarstellung" vor allem um die Freisetzung von Wut und Aggression zur Sprengung des andressierten Panzers, so werden beim "Forum" von einer in der Mitte der Gruppe stehenden Person Gefühle und Probleme dargestellt, über deren "richtige" Darbietung die oder der Leiter/in entscheidet. Die Hauptrolle spielt hier das Thema Sexualität.
Nach vermehrten Angriffen auf das ZEGG wegen seiner Kontinuität zur AAO sah sich Dieter Duhm 1993 gezwungen, in einem Artikel des Sprachrohres des Projekts, dem "ZEGG-Magazin", zu diesem Thema Stellung zu beziehen. Daß dieser Artikel erst zu diesem Zeitpunkt von ihm geschrieben wurde, begründet er allerdings damit, daß er bisher wegen der "niederträchtigen Hetzkampagne" gegen die AAO zu öffentlicher Kritik nicht bereit gewesen sei, sondern der Meinung war, sich uneingeschränkt solidarisieren zu müssen.
In diesem Text setzt sich Duhm zuerst mit den Gründen auseinander, die seiner Ansicht nach zum Scheitern der Sekte geführt haben. Diese sind für ihn die falsche Form und Methode und die inneren Widersprüche zwischen Inhalt und Form. In diesem Zusammenhang bemängelt er, daß in der AAO das "Liebesthema" verdrängt worden sei. Freie Sexualität sei nur als Antithese zur Zweierbeziehung gesehen worden, ohne zu bedenken, daß aber - um die alten Formen überwinden zu können - die freie Sexualität mit Liebe und Partnerschaft verbunden werden müsse.
Auch die "psychologische Struktur des geschlossenen Kollektivs" ist ihm ein Dorn im Auge, womit er jedoch nur die Tatsache meint, daß die Angehörigen der Kommune nur mit Gruppenmitgliedern Sex haben durften. Duhm bezeichnet dies als "fatale Sexualgesetze", als "blockierende Sexualordnung", hat aber auch gleich eine Erklärung für dieses Gesetz parat: es müsse sich hierbei um eine "uralte kulturelle Sexualangst" handeln. Als letzten Punkt führt er die absolutistische Führungsstruktur der Organisation an. Seiner Interpretation nach war Otto Mühl ein "brillanter Fürst", eine "positive Vaterfigur", der diese Rolle mit "bärenhaftem Charme" vertrat und leider nur nicht sehen konnte, daß autoritäre Führungsstile barbarisch seien und überwunden werden müßten.
Dies alles seien Gründe, warum der "Visionär" (Zitat eines bei ZEGG aktiven Menschens) Duhm das Projekt Meiga als Alternative zum Friedrichshof gegründet habe, welches von Anfang an entgegengesetzte Gedanken verfolgt habe: individuelle Autonomie, geistigen Pluralismus und geistige Orientierung durch Erfahrung. Fraglich bleibt nur, warum Duhm dann 1991 in der zweiten Ausgabe des "San Diego-Magazins", dem Vorläufer des ZEGG-Magazins, zu der folgenden Erkenntnis gelangt:
"...Diese charismatischen Gemeinschaften - auch Poona oder Friedrichshof - waren in einem fatalen Wortsinn auch die 'demokratischen', denn demos, das Volk, wollte den Führer; es wollte geführt werden, denn nur so war es funktionsfähig und gemeinschaftsfähig. Diese Struktur gilt emotionell bis heute, auch wenn die Parolen anders lauten. Alle gutgemeinten Sätze von Basisdemokratie und individueller Autonomie scheitern an der psychischen Realität der Beteiligten."
Seiner verhaltenen Kritik an der AAO schließt der ZEGG-Begründer dann auch prompt seine allgemeine Einschätzung der Kommune an, wobei er auch hier seine Begeisterung kaum verhehlen kann. So "liebte" er dieses Experiment wegen seiner "sehr konsequenten Bearbeitung der entscheidenden Basisfragen" (die da wären: Liebe, Sex, Gemeinschaft, Kinder und Kommunikation) und hält auch 1993 noch Mühls Projekt, ähnlich dem von Bhagwan, für einen sehr bedeutenden Schritt auf dem Weg zu einer neuen Lebensform. Die AAO sei nach der gescheiterten sexuellen Befreiung der 68er der einzige Kenner der "existenziellen Wahrheit" gewesen, nämlich der Sexualität als "Kernschädigung". Otto Mühl ist für ihn noch immer ein großer Künstler und der Gründer eines außergewöhnlichen Projekts; zu dessen Verurteilung wegen sexuellem Mißbrauch fällt ihm bloß ein, daß dieses nicht sein Thema sei - schließlich wisse er ja auch gar nicht, ob diese Anklage auf Wahrheit beruhe oder nicht. Sein abschließendes Fazit: "Ich kann ihn nicht an seinen persönlichen Fehlern messen, dafür hat er zuviel geleistet."