oder lechts und rinks kann man nicht velwechsern
Der selbsternannte "Nationalmarxist" Dr. Reinhold Oberlercher kann getrost als einer der Ideologen der Neuen Rechten bezeichnet werden, und da er insbesondere für die Hamburger rechtsextremistische Szene einige Bedeutung hat, hier ein paar Informationen zu seiner Karriere und seiner Ideologie.
Er wurde 1943 in Dresden geboren und lebte bis 1960 in der ehemaligen DDR, wo er 1959 in Leipzig im Gefängnis saß. Danach kam er nach Hamburg und studierte von 1965 bis 1971 Pädagogik, Philosophie und Soziologie an der Hamburger Uni1. In der 68er Bewegung betätigte sich Oberlercher als Theoretiker und Funktionär im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und wurde u.a. dadurch bekannt, daß er einen Pädagogikprofessor 1967 anzeigte und ihn als "alternden Ideologen des pädagogischen Hitlerfaschismus" bezeichnete2. Auch mit Rudi Dutschke soll Oberlercher bekannt gewesen sein, er selber kehrt dieses jedenfalls immer gerne hervor. Auf Grund seiner SDS-Aktivitäten ist Oberlercher vielen Hamburger Altlinken noch als fortschrittlich bekannt, und ihm gelingt es immer wieder mit dieser "Visitenkarte" Interesse bei Rechten wie auch bei Linken zu erwecken. Ob er jedoch schon damals revanchistische und nationalistische Interessen vertrat, was seine Haft in der DDR und Übersiedelung in die BRD nahelegt, ja vielleicht schon damals ein U-Boot der sich in den 60er formierenden Neuen Rechten war, läßt sich heute nicht mehr nachprüfen.
Seine neofaschistischen Tätigkeiten lassen sich bis mindestens 1981 zurück verfolgen. Damals schlich sich Oberlercher in die Freie Arbeiter Union (FAU) ein und veröffentlichte in der anarchistischen Zeitschrift Direkte Aktion ein "Manifest deutscher Anarchisten", in dem er erklärte, die Staatsfeindlichkeit "zersetzt den bürgerlichen nationalstaat rechtsextremistisch, falls er vom einheimischen arbeitsmarkt ausländische konkurrenz nicht fernhält. deutsche anarchisten fordern daher sofortiges einstellungsverbot für ausländer...". Außerdem rief er zu einem "nationalen befreiungskampf gegen rußland, dessen besatzungstruppen das haupt-hindernis der deutschen einheit darstellen..." auf.3 Aufgrund dieses Artikels wurde Oberlercher sofort aus der FAU ausgeschlossen.
In den 80er Jahren war Oberlercher als "Sozialnationalist" bei den Nationalrevolutionären tätig, einer Strömung der Neuen Rechten, die durch sog. Querfrontstrategie Einfluß auf die Linke zu gewinnen sucht. Artikel aus dieser Zeit finden sich in den entsprechenden Zeitschriften wie Junges Forum von der Deutsch-Europäischen Studiengesellschaft (DESG), oder Aufbruch, Zeitschrift des Nationalrevolutionären Koordinationsausschußes (NR-KA), der sich später Politische Offensive nannte. Schon in diesen Schriften versucht sich Oberlercher als Theoretiker, der programmatische Plattformen entwirft.
Seine Staatskonzeption ist ein auf völkisch-rassistischer Grundlage extrem antiliberal und antidemokratisch aufgebautes Reich in einem "Europa der Vaterländer", welches seiner "angestammten Ordnungsaufgabe in Afrika und Nahost wahrzunehmen in der Lage ist."4 Er fordert nicht nur "Zwangsexport der importierten ausländischen Arbeitskraft"5, sondern propagiert auch Antisemitismus im Stürmer-Stil. Das jüdische Volk könne als "internationales Volk" nur überleben,"...falls es seinen Individuen und Gemeinden gelingt, sich der Sozialstruktur der jeweiligen Wirtsvölker als nützliche Darmbakterien unentbehrlich zu machen und nicht vom Abwehrsystem als Krankheitserreger identifiziert und vernichtet zu werden."6 Zur Umsetzung seiner faschistischen Ziele setzt Oberlercher immer wieder auf einen nationalen Umsturz, je nach Publikum setzt er dabei auf einen Staatsnotstand, die Außerkraftsetzung des Grundgesetzes mittels § 146 GG oder auf eine Revolution. Seine angeblich linken Argumentationen sind ein Sammelsurium von marxistischen Phrasen und entbehren jeder dialektisch-materialistischen Herleitung, den Marxismus selber erklärt er zum ideologischen Vehikel des "Nationalismus der Juden ... und des Panslawismus...".7
Auch in anderen Zeitschriften der Neuen Rechten wie Badischer Landbote, Europa, Nationaleuropäisches Forum, Criticon und Europa Vorn publiziert Oberlercher eifrig. Regelmäßig finden sich jedoch seine Artikel in der Zeitschrift des ehemaligen Welt-Redakteurs Dr. Hans-Dietrich Sander, dem er schon bei der Gründung, dessen am Staufferreich orientierten, Staatsbriefe 1990 seine Mitarbeit zusagte.
Auch als Referent ist der "Marx-Experte" Oberlercher in rechten Kreisen ein gerngesehener Gast und deckt dabei nicht nur das nationalrevolutionäre Spektrum ab. Beim völkischen Witikobund, einem Elitezirkel innerhalb der Sudetendeutschen Landsmannschaft, den Bogenhauser Gesprächen der rechtsextremistischen Burschenschaft Danubia aus München, bei dem Herausgeberverein der Jungen Freiheit, dem Blatt für den intellektuell-akademischen Faschismus oder auch außerhalb der BRD, beim Ring freiheitlicher Studenten in Wien doziert er über seine Reichskonzepte. In Wien forderte er auch offen den Anschluß Österreichs an ein wieder zu gründendes Deutsches Reich.8
Als Hamburger, er wohnt in der Metzer Str. 1 in Dulsberg, ist Oberlercher natürlich auch in der lokalen Naziszene kein Unbekannter, sondern eher als Vordenker und Stratege anzusehen. 1988 baute er mit Unterstützung von Junger Freiheit, Burschenschaftern und Hamburger Rechtsextremisten an der Uni, wo er auch schon mal als Privatdozent auftrat, die Gruppe 146 auf. Aufgrund von Oberlerchers Vergangenheit in der neurechten Szene wurde diese studentische Gruppe jedoch schnell als faschistisches Projekt entlarvt. Den Hamburger Burschenschaften blieb er jedoch treu. In der Zeitschrift Freies Volk, die von der Schüler-burschenschaft Teutonia Hamburgia herausgegeben wird, erklärte er "das Deutsche Reich, das Bismarck 1871 gegründet hat, ist der Nationalstaat des deutschen Volkes."9 Die Schülerburschenschaft, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ist einem Allgemeinen Pennäler Ring angeschlossen, dem auch die Schülerburschenschaft Albia Harburgensis aus Harburg angehört. Aus deren Umfeld heraus erfolgte eine Einladung an Oberlercher in das Immanuel-Kant-Gymnasium, um dort einen Vortrag über "die Lehren aus 68" zu halten.10 Dieser fiel jedoch nach antifaschistischen Protesten aus.
Die Deutsch-Europäische Studiengesellschaft (DESG), ebenfalls in Hamburg ansässig, erkor Oberlercher sogar zum Vordenker ihrer Seminare. Diese fanden unter dem Titel Denkfabrik Europa der Völker in Berlin von 1991 bis zur Beendigung durch entschlossene Antifaschist-Innen 1993 statt und zählten hochkarätige Ideologen der Neuen Rechten zu ihren Referenten. Die Antifaschistische Initiative Moabit (Berlin) schreibt:"Die Referenten der Denkfabrik bewegen sich zum einen im Organisationsspektrum von REPs bis zur DL, und darüber hinaus konnten wir feststellen, daß fast alle Referenten gleichzeitig Autoren in der `Jungen Freiheit' sind."11 Die Schulungstexte wurden bis auf einen alle von Oberlercher verfaßt und zum größten Teil in den "Staatsbriefen" veröffentlicht. So z.B. ein "Programm der Reichsdeutschen Bewegung" und ein "Reichsverfassungsentwurf", der später durch ein "Hundert-Tage-Programm der nationalen Notstandsregierung in Deutschland" ergänzt wurde. Der Eindeutigkeit halber seien hier einfach kommentarlos ein paar Punkte genannt:" 1. Beendigung der Ausländerbeschäftigung...7. Ausweisung aller arbeitslos gewordenen Ausländer...19.Einweisung deutscher Obdachloser und Asozialer in geräumte Asylantenunterkünfte...38... Erklärung des Kriegszustandes und des Rauschgiftes zur Kriegswaffe....jeder Rauschgiftbesitzer wird dann mit militärischen Mitteln bekämpft...45.Verbot der Ideologie der Menschlichkeit... ...48.Wiederherstellung von Krieg und Frieden als völkerrechtliche Begriffe wie als außenpolitische Realitäten...54. Wiedereinsetzung des Deutschen Reiches...81.Beschränkung des Fernsehens auf zwei nationale Programme (für deutsche Volkskultur und deutsche Hochkultur samt Wissenschaftspflege)... 98. Durchsetzung der deutschen Sprache als anerkanntes Gemeingermanisch und führende Kultursprache der Welt..."12 Oberlerchers Pamphlet, das den Vergleich mit dem 25-Punkte-Programm der NSDAP nicht zu scheuen braucht, fand sehr viel Anklang im neofaschistischen Spektrum, sogar der gerade zu 2 Jahren Haft verurteilte Christian Worch lobte es. Kontakte zur militanten Naziszene scheut Oberlercher keineswegs. Als die Gründung des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der Deutschen Nationalisten, Nachfolgeorganisation der verbotenen Deutschen Alternative, am 3.12.1993 von der Polizei verhindert wurde, wurden zahlreiche Waffen beschlagnahmt, mit denen die Nazis vorher auf AntifaschistInnen geschossen hatten. Als Gastredner war Oberlercher angekündigt.
Doch auch im konservativen Spektrum wühlt Oberlercher für die nationale Frage. Nachdem er 1989 schon bei einer Podiumsdiskussion der Jungen Union in Berlin referieren durfte, trat er 1993 in die Vereinigung Demokratische Offenheit e.V. (DemO), einem Vorläufer der STATT-Partei ein. Kein Zufall, denn DemO-Vorsitzender Helmut Stubbe-da Luz hatte - schon genau wie Oberlercher - in der Braunzonen-Zeitschrift Criticon veröffentlicht und dort - wenn auch mit anderen Worten - die gleiche Parteienverdrossenheit angemahnt, wie sie von Oberlercher bekannt ist.
Es wird Zeit, daß Oberlerchers braune Aktivitäten nicht länger unter dem konservativen oder gar linken Mäntelchen, das er sich gerne umhängt, verborgen bleiben; weder an der Uni noch an Schulen hat dieser Faschist etwas verloren !
1Angaben nach Criticon 109, September/Oktober 1988
2siehe "Der Forschung? Der Lehre? Der Bildung?, 75 Jahre Hamburger Universität, studentische Gegenfestschrift zum Universitätsjubiläum 1994, AStA Uni Hamburg
3Direkte Aktion März 1981
4Junges Forum, Frühjahr 1987
5ebenda
6Die Nationale Frage aus marxistischer Sicht, Aufbruch 3-4 1988
7ebenda
8Österreich, die Weltrevolution und die Wiedervereinigung, Aufbruch 1-2 1988
9Freies Volk Nr. 3 1991
10Wie Oberlerchers Lehre aus der 68er Revolte aussieht schrieb, er schon ein paar Jahre vorher im Aufbruch 1-2 1988 "Aber gerade der unrühmliche Aspekt von 68, sein Antifaschismus, der keinerlei Mut forderte und mit den Siegern konform ging, hat sich allgemein durchgesetzt."
11Broschüre "Braunzone" , Hrsg. "Antifaschistische Initiative Moabit" Postfach 210 235, 1000 Berlin 21, die Broschüre bietet viele Informationen zur Denkfabrik Europa der Völker
12 Reinhold Oberlercher, Entwurf eines Hundert-Tage-Programms der nationalen Notstandsregierung, Staatsbriefe 1/1993
[Aus: Antifaschistische Informationen, Rechte Organisationen in Hamburg, Nummer 1; Erscheinungsdatum: 2. Juni `95; Herausgegeben von: Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten, c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg; e-mail: kfdf@krabat.nadir.org]