nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Wed Jan  8 03:25:21 1997
 

Das Ostpreußenblatt

Das Ostpreußenblatt sieht sich selbst als "unabhängige Wochenzeitung für Deutschland" und ist das offizielle Blatt der Landsmannschaft Ostpreußen. Es wird von der Landsmannschaft Ostpreußen e. V. in der Hamburger Parkallee verlegt und wird von knapp 50.000 AbonnentInnen wöchentlich bezogen. Insgesamt werden nach eigenen Angaben jedoch wöchentlich rund 200.000 Leserinnen und Leser erreicht.

Die Entwicklung dieser revanchistischen, revisionistischen und ausländerfeindlichen Vertriebenenzeitung während der letzten Jahre läßt sich schon allein an dem Erstarken der Redaktion hinsichtlich der personellen Stärke und Anzahl der Ressorts erkennen. Arbeiteten noch vor drei Jahren lediglich 10 MitarbeiterInnen in sieben Redaktionen unter dem sich für den redaktionellen Teil verantwortlich zeichnenden Chefredakteur Hugo Wellems, so tragen heute insgesamt 15 Personen in 10 Abteilungen zu einem wahren "Gelingen" dieses Blattes bei. Bezeichnenderweise stehen die neu hinzugekommenen Ressorts für die großdeutsche Zielsetzung der Zeitung: Berlin, Königsberg und Wien/Bozen werden inzwischen von eigens dafür verantwortlichen Redakteuren betreut.

Im einzelnen für die Redaktion verantwortlich zeichnen:

Ansgar Graw, in der neurechten Szene als Autor für "Mut", "Criticon" und der "Jungen Freiheit" sowie als Teilnehmer der Berliner "Dienstagsgespräche" und Moderator beim "Studienzentrum Weikersheim" bekannt, ist inzwischen aus der offiziellen Redaktion ausgeschieden. Ebenfalls nicht mehr in der Redaktion sind Herbert Ronigkeit, Silke Berenthal, Jürgen Liminski und Karl-Heinz Blotkamp.

Bekanntlich ist die Zusammensetzung einer Zeitungsredaktion nicht zufällig, sondern ist auch Ausdruck der vertretenen Inhalte. So fällt es nicht schwer, von den Verantwortlichkeiten der Frauen innerhalb der Redaktion auf das in der Zeitung vertretene Frauenbild rückzuschließen. Doch sei dieses nur nebenbei bemerkt.

Besonders bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Karriere und Tätigkeitsfelder des redaktionellen Kopfes Hugo Wellems. Schon 1930 wurde er aktives Mitglied der NSdAP. Im Rahmen seiner Nazi-Laufbahn schaffte er es 1936 immerhin bis zum Referenten des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 1944 wurde er Leiter des Propaganda-Amtes in Kauen. Nach 1945 arbeitete er fünf Jahre beim US-Nachrichtendienst, um danach in die "Deutsche Partei" einzutreten. 1959 brachte er es zum Chefredakteur ihrer Zeitung, dem "Deutschen Wort". Seitdem ist er vor allem "journalistisch" tätig. Seit 1967 ist er Chefredakteur des Ostpreußenblattes, von 1977-1993 auch der der "Pommernzeitung". Nebenbei zeichnete er ebenfalls verantwortlich für die Redaktion des 1991 eingestellten Blattes "Deutschland-Journal" der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG) sowie der SWG-Publikation "Fragen zur Zeit - kleine SWG-Reihe". Mit der SWG verbindet ihn jedoch nicht nur die redaktionelle Arbeit, vielmehr ist er auch deren Vorsitzender und Gründer (vgl. auch Kapitel zur SWG). Peter Fischer ist wie sein Chef beim Ostpreußenblatt Mitglied der SWG, Hans Heckel, der sich als Mitarbeiter der Redaktion Politik und Zeitgeschehen durch besonders diffamierende Artikel aus dem Fenster lehnt, ist Mitglied einer Burschenschaft und hat sich an der Hamburger Universität in der mittlerweile verbotenen rechtsextremen "Gruppe 146" engagiert.

Die Zeitung ist in verschiedenen Rubriken und Seiten unterteilt, auf denen die AutorInnen preußische Kultur und Tradition hochleben lassen und für die vermeintlichen Rechte der Vertriebenen und "Ostdeutschen" eintreten. So findet sich in jedem Ostpreußenblatt ein Teil zur "Landsmannschaftlichen Arbeit", in dem die Tätigkeiten der verschiedenen Landesgruppen (Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Berlin, Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Sachsen-Anhalt), Bezirksgruppen (in Hamburg sind das Farmsen-Walddörfer, Hamm-Horn, Barmbek-Uhlenhorst-Winterhude, Harburg-Wilhelmsburg) und den bestehenden Heimatkreisgruppen (in Hamburg Elchniederweg, Heiligenbeil, Insterburg, Osterode, Preußisch Eylan, Sensburg, Stadtgemeinschaft Königsberg, eventuell noch andere) beschrieben und unterstützt werden. Den Vorsitz der Hamburger Landesgruppe hat Günter Stanke inne.

In den Landesgruppen werden kulturelle Veranstaltungen durchgeführt wie etwa harmlose Kurse unter dem Motto "Ostpreußenkleid und Männerweste unter Anleitung nähen". Die dort genähten Kostüme dürfen anderenorts auf Festlichkeiten von Damen vorgeführt werden und werden gar prämiert. Es werden Dias von Reisen "in die Heimat" gezeigt, dies dann schon öfter mal unter aussagekräftigen Titeln wie "Nord-Ostpreußen - Rückfall in die Wildnis" von Helmut Peitsch (1.10.1994). Auf der Jugendseite wird freudig von " jungen Deutschen aus Litauen" berichtet, die "an der Memel zelten" und so, organisiert von dem Verein "Edelweiß" in Litauen, deutsche Lande kennenlernen (1.10.1994). Der Frauenseite können tugendhafte deutsche Frauen entnehmen, daß "kostbare Lebensmittel nicht einfach in den Mülleimer gehören" (1.10.1994), wie das Leben einer ostpreußischen Handwebemeisterin verlief und auf welche Art das Erntedankfest am besten zu begehen sei (1.10.1994). Zu ihrem 30. Todestag wird die völkische Dichterin Agnes Miegel auf der Frauenseite portraitiert und verehrt (24.9.1994).

Ein Schwerpunkt der redaktioniellen Arbeit ist jedoch die "Richtigstellung der Geschichte", will heißen Revisionismus und Revanchismus und damit einhergehend eine Entlastung der nationalsozialistischen Verbrecher und ein Anspruch auf die "deutschen Ostgebiete". Dies geschieht, indem die AutorInnen selbst Artikel dazu schreiben oder VertreterInnen dieser Ansichten Raum in ihrer Zeitung geben.

Häufig kommen Geschichtsrevisionisten und Holocaust-Leugner im Ostpreußenblatt zu Wort. Die Bücher von David Irving, Hellmut Diwald, Alfred von Thadden und Max Klüver werden zur Lektüre empfohlen. Hugo Wellems selbst und sein im rechtsextremen Arndt-Verlag erschienenes Buch "Das Jahrhundert der Lüge" werden gelobt: "Nach dem Willen der Umerziehung soll Deutschland für alle Zeiten als ewige Verbrechernation gebrandmarkt werden. Der Autor [...] tritt dieser Geschichtsverzerrung mit einer imposanten Zitatensammlung entgegen..." (13.4.91) Auch Ernst Noltes Buch "Streitpunkte", in dem sich der Historiker ernsthaft und unterstützend mit den Aussagen der Auschwitz-Leugner befaßt, wird von Ulrich Hoppe angepriesen: "Sensationell muten die Abschnitte des Buches über die `Endlösung der Judenfrage' an, die unter den gegenwärtigen Bedingungen als eine `Expedition in die Genickschußzone' bezeichnet werden kann.[...] Die Bewunderung verdient der Verfasser für seine in Deutschland so seltene Zivilcourage schon jetzt."(23.4.94).

Unter der Überschrift "Vertreibung bleibt ein Verbrechen" wird Alfred Dregger zitiert, der ganz im Sinne des Ostpreußenblattes sagte, "daß das Recht auf Heimat kein Recht der Starken ist, sondern ein Recht der Menschen. Man kann die Vertreibung nicht als Strafe rechtfertigen - sie bleibt ein Verbrechen." (1.10.1994). Ein ähnliches Gerechtigkeitverständnis darf auch Herbert Hupka vom Bund der Vertriebenen von sich geben, indem er fragt: "Ist die Vertreibung nach 46 Jahren zum Recht geworden? Ist die von Josef Stalin gezogene Grenzlinie an Oder und Neiße eine völlig zu recht gezogene Grenzlinie? Ist die Stunde des Schweigens, des willenlosen Hinnehmens, des sich Abfindens angebrochen? [...] Bestimmt nicht." (27.7.1991). Weder die heute bestehenden deutschen Grenzen noch die Schuld der Deutschen am 2. Weltkrieg und die von ihnen begangenen unvergleichlichen Verbrechen werden anerkannt. Vielmehr werden immer die Deutschen als die eigentlichen Opfer und Leidtragenden dargestellt.

So wird der Abzug der russischen Truppen aus der Bundesrepublik von Hans Joachim von Leesen am 10.9.1994 einmal mehr benutzt, um die Schuld neu zuzuweisen und die Taten der Deutschen neu zu gewichten: "Der 1. September war für drei Völker, die im 2. Weltkrieg besiegt worden waren, der wirkliche `Tag der Befreiung' - aus Estland, Lettland und der Bundesrepublik Deutschland zogen russische Besatzungstruppen ab. Während sich der deutsche Regierungschef sehr wohl zur Verantwortung der Deutschen [...] bekannte, kam dergleichen nicht über die Lippen des russischen Präsidenten, der Grund genug hätte, sich zu erinnern an über 2 Millionen deutsche Opfer von Flucht und Vertreibung, an 1,9 Millionen von Rotarmisten vergewaltigter Frauen, an die Okkupierung ostdeutscher Gebiete und jahrzehntelange Unterdrückung der Ostdeutschen. [...] Und wenn bei diesen öffentlichen Reden so getan wird, als gäbe es auch heute noch nicht den geringsten Zweifel an der Alleinschuld Deutschlands [...], dann wissen doch alle, daß diese Gewißheit längst erschüttert ist." Hätten Kohl oder andere in diesem Zusammenhang den Begriff der Befreiung herangezogen, so wäre das nach Ansicht des Autoren "massive Geschichtskittung gewesen", denn er weiß, was damals tatsächlich passiert ist: "1945 wollten die Deutschen keineswegs `befreit'werden [...]. Aus dem Osten kam der Sieger, der sich rächen wollte, der raubend und mordend ins Feindeslager eindrang, tausende wertvollster deutscher Kunstwerke und Kulturgüter verschleppte, Ostdeutschland okkupieren wollte, die Besiegten wie Sklaven deportierte, Mitteldeutschland brutal ausbeutete und Hunderttausende in KZs warf."

Aus der Gegenüberstellung der bloßen "Verantwortung Deutschlands" mit der langen Liste von Anschuldigungen gegenüber den "Rotarmisten" wird nur allzu deutlich, wie groß das Interesse auf Seiten des Autors ist, Deutschland nun endlich reinzuwaschen und von der Geschichte zu befreien. Dieser Aspekt wird als ein Schritt zur Ermöglichung der Großdeutschen Einheit gesehen. So ist unter der Überschrift "Einheit vollenden" folgendes zu lesen: "Am Tag der Heimat erinnern die Vertriebenen besonders an das Recht auf Heimat und seine Durchsetzung im friedlichen Wandel sowie an die Vollendung der staatlichen und nationalen Einheit Deutschlands. Wenige Jahre nach der Vereinigung von West- und Mitteldeutschland ist die konstruktive Verwirklichung des Rechtes auf die Heimat der Vertriebenen noch nicht gelöst. [...] Man betont, gewaltsame Gebietsveränderungen kann nicht zur Befreiung führen. Zuwenige merken dabei, daß die aktuellen Folgen neuer Grausamkeiten für fortbestehende Unrechtsfolgen an den Deutschen ebenfalls noch nicht überwunden sind! [...] Wir aber halten fest an unserer Bindung und Verpflichtung für die Heimat, an der Sorge um die 4 Millionen Deutschen östlich des Geltungsbereiches des deutschen Grundgesetzes." (4.9.1993). So wird z.B. bedauert, daß Ostdeutsche , also "Heimatverbliebene" die Bundesrepublik nicht mitbestimmen dürften, daß "den ohnehin benachteiligten Deutschen im polnischen Machtbereich das Wahlrecht vorenthalten" wird, (Autor ist ein T.R., 1.10.94).

Im Ostpreußenblatt wird, um von den eigenen unrechtmäßigen Gebietsansprüche abzulenken, "Polens Landhunger" als "Keim neuer Krisen" (23.3.1991) heraufbeschworen. Dieser wird von Karl-Heinz Spieß gar für den 2. Weltkrieg verantwortlich gemacht: Das eigentliche Problem "lag und liegt an der nachweislichen Intoleranz Polens, das 1920 die Russen zurück zur Oka expedierte, zeitweilig ukrainische Gebiete okkupierte und 1939 sich so stark gegen Deutschland exponierte, daß der 2. Weltkrieg unvermeidbar wurde." Und so wie damals Deutschland angeblich in den Krieg gezwungen wurde, so werden heute die Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen von "antideutschen Ausschreitungen" bedroht: "Heute steht Polen wiederum im Begriff, die Fehler der Vergangenheit gegenüber den deutschen Nachbarn zu wiederholen: Die im Land bis heute zurückgehaltene und jahrzehntelang entrechtete deutsche Minderheit weiß darüber zu berichten. Das nationalpolitische Verhalten kann man somit auf einen Nenner bringen: Fast 75 Jahre Polen - und doch kein bißchen weiser" (11.5.1991). Immer wieder wird im Ostpreußenblatt in Artikeln Hetze gegen Polen betrieben. So fragt ein J.W. (vermutlich Joachim Weber) in der Ausgabe vom 22.2.1992: "Hat Warschau Hunger nach mehr Land?" Und führt dann aus: "Nun hat es an Warnungen vor einem polnischen Versuch, auch noch das nördliche Ostpreußen zu übernehmen, bislang nicht gefehlt, aber interessierte Kreise wußten dies immer wieder als Einbildungen unbelehrbarer Vertriebener und Revanchisten abzustempeln. Inzwischen aber machen polnische Kreise aus ihrem Landhunger auf weitere Teile Ostpreußens keinen großen Hehl mehr. [...] Die polnische Nationalbank eröffnet denn auch in Kürze eine Filiale in Königsberg [...]. Die Warschauer Regierung ermuntert sogar ihre Landsleute, sich um Königsberg herum niederzulassen, bevor die Rußlanddeutschen kommen." In diesem Zusammenhang wird auch die Bundesregierung angegriffen, die nach Meinung eines H.T. "Warschaus Griff nach Königsberg" nicht genügend entgegensetzt und auch noch durch "erhebliche Unterstützung" in Form von Krediten "Polens Expansion" finanziert. Es wird der Regierung vorgeworfen: "Mit seiner selbstgewählten Untätigkeit läßt Bonn nicht nur die polnischen Expansionsbestrebungen geschehen. Auch verbaut die Bundesregierung den Wolgadeutschen eine entscheidende Alternative zur Aussiedlung ins Bundesgebiet, nachdem eine mögliche Wiederherstellung der Wolgarepublik allgemein als erledigt betrachtet wird" (8.2.1992). Als wahre Alternative zu den "polnischen Expansionsbestrebungen" wird am 1.2.1992 der Vorschlag von MdB Wilfried Böhm aufgegriffen, "Deutsche sollen nach Ostpreußen." "Böhm, der seit Jahren engen Kontakt zu den Rußlanddeutschen unterhält, zweifellos eine löbliche Ausnahme unter den Bonner Machern, die sich lieber über Feuerlandindianer und die klimatischen Bedingungen in Timbuktu unterrichten lassen", schlägt die "Schaffung einer russisch-deutschen Republik Königsberg vor." Von wem in dieser Richtung mehr Unterstützung zu erwarten ist, weiß Hans Heckel zu berichten. Auf der "Berliner Arbeitstagung" der Deutschen Burschenschaft 1992 in Berlin "wurde deutlich gemacht, daß man (die Burschenschaften, Anmerkung der Verf.) die Politik der Vertriebenen in vollem Umfang unterstütze und wünsche, daß sie weiter eine wichtige Rolle im politischen Leben Deutschlands spielten. [...] Man sei mit den Interessen der Vertriebenen solidarisch. Differenzen seien nicht vorhanden." Erfreut schreibt Heckel: "Was die übrigen Oder-Neiße-Gebiete angeht, so wollen die Verbindungsstudenten selbst aktiv sein und die dortigen deutschen Volksgruppen unterstützen." Litauens Vertreter auf einer Podiumsdiskussion wird von Heckel nur zu gerne zitiert, spricht er doch aus , was auch Heckel nicht besser denken könnte: "Litauen würde es sogar begrüßen, wenn wieder Deutsche in und um Königsberg siedelten. Diese seien fleißig und gut organisiert." Und außerdem seien es ja Deutsche gewesen, "die die Grammatik der litauischen Sprache einst abfaßten. Das litauische Liedgut sei von deutschen Poeten" (1.2.1992). Dieser Auffassung von der enormen Wichtigkeit deutscher Kultur schließt man sich im Ostpreußenblatt ohne zu zögern an. Und so wundert es nicht, wenn man unter der Überschrift "Preußisches Erbgut bewahrt" folgendes vorgesetzt bekommt: "Der deutsche Einfluß läßt sich in den osteuropäischen Anliegerstaaten nicht verleugnen. Wenn auch dieser Tatbestand von einem Teil der polnischen Intelligenz bestritten, verfälscht oder verdrängt wird, so gilt es doch gerade für Polen in hohem Maße. Auch die Existenz der baltischen Staaten, die Erhaltung ihrer Sprache und Kultur, ist trotz allem Anschein nach auf die damaligen politischen Auswirkungen des Deutschtums in diesen Ländern zurückzuführen. Sonst wären auch die Balten wie die Westbalten in Weißrußland [...] von den eindringenden slawischen Völkern unter Verlust ihrer eigenen Identität assimiliert worden. [...] doch das Volk der Aestier, Prußen oder Preußen bewahrte sich in einer glücklichen Synthese mit den deutschen Neuankömmlingen. Ihr stabiles Erbgut blieb gewissermaßen als Substrat und bewußte Identität in der ostpreußischen Bevölkerung bis zur Gegenwart erhalten." (11.12.93)

Welche hervorragenden Tugenden den preußischen Menschen zugeschrieben und auch heute noch angestrebt werden, ist einem Beitrag von Helmut Kamphausen zu entnehmen: "Es (Preußen, Anmerkung der Verf.) war ein Vernunftstaat, Produkt der Staatsräson, ohne Charme und Eleganz, aber unerhört funktionstüchtig und leistungsstark. Er war immer Staat, nie Nation. Seine Tugenden hießen Ehre und Treue, sein alle - vom König bis zum letzten Tagelöhner - bindendes und als selbstverständlich anerkanntes Gesetz war das der Pflichterfüllung für das Ganze. [...] Geschichtslosigkeit zeichnet die Deutschen in der Bundesrepublik aus. Sie repräsentieren die Konsumgesellschaft, die den Egoismus auf die Spitze getrieben hat. [...] Die Tugenden Preußens: Pflichterfüllung und Akuratesse - also Genauigkeit, was das Ganze angeht, ist heute, für die Masse der Bevölkerung dieser Bundesrepublik Deutschland, eine unzumutbare Selbstverpflichtung. Die preußische Idee, das preußische Denken und Handeln ist bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bewußt ausgeklammert worden. Das lag im Interesse der Siegermächte." (26.2.1994) Kamphausen bedauert den "erzwungenen Abschied vom Staat Preußen" und macht damit deutlich, daß er diesen Staat mit seinen antidemokratischen, soldatischen und autoritären Strukturen jeder Demokratie vorziehen würde.

Und da dies nicht nur die Meinung einzelner AutorInnen des Ostpreußenblattes ist, sondern in dieser Zeitung immer wieder als Schwerpunkt auftaucht, ist klar, daß fortlaufend Kritik an den bundesrepublikanischen Verhältnissen geäußert wird. "Recht und Ordnung" liebend, schreibt Hans Heckel am 24.9.94: über den Polizeiskandal in Hamburg (der entbrannte, als öffentlich wurde, daß Polizisten mehrfach ausländische, insbesondere schwarzafrikanische Menschen mißhandelt hatten): "Die Jagd ist eröffnet. Künftig steht jeder deutsche Polizeibeamte unter dem Verdacht, heimlich im Keller seiner Dienststelle Ausländer zu verprügeln oder einer `rechtsextremen Organisation' nahezustehen." Konrad Freiberg, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, darf in dem Artikel betonen, daß "das Gespür für Recht und Unrecht bei seinen Kollegen besonders hoch ausgeprägt sei." Und im gleichen Tenor, daß die Polizisten nämlich nur ihre Pflicht taten, schließt Herr Heckel seinen Artikel mit der Aussage: "Es darf nicht so weit kommen, daß jede konstruktive Haltung und der aktive Einsatz für Recht und Gesetz als `verdächtig', die Verachtung unseres Landes und seiner Institutionen aber als `kritisch', `engagiert' oder gar `fortschrittlich' gilt."

Auch die Meinungsfreiheit sieht die Redaktion am laufenden Band unter Beschuß. So stellen sie in einem Kommentar deutlich dar, auf wessen Seite sie stehen: "Jetzt droht der Bundesminister Kanther (CDU) Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die Mitglieder der Republikaner sind, auch noch mit der Knute des "Radikalenerlasses". Damit wird Vertretern einer nach Bonner Sicht `falschen' Meinung mit der Vernichtung ihrer bürgerlichen Existenz gedroht. Mündige und angeblich freie Bürger werden einer Meinungsdiktatur ausgesetzt, die die bröckelnde Glaubwürdigkeit der Bonner Parteiendemokratie weiter unterhöhlen dürfte." (11.12.93) Eines der von ihnen besonders bedauerten Opfer der Meinungsdiktatur ist die Leiterin des Bundesinstitutes für Bevölkerungsforschung Prof. Charlotte Höhn. Zu den mehr oder weniger empörten öffentlichen Reaktionen auf die rassistischen Äußerungen der Professorin im Rahmen der Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung 1994 in Kairo, es sei zwar statistisch nachweisbar, daß es "Unterschiede in der Intelligenzverteilung" zwischen den Völkern gebe, aber man dürfe nicht darüber reden: "Zum Beispiel, daß man sagt, daß die durchschnittliche Intelligenz der Afrikaner niedriger ist als die anderer. Selbst das Wort Rasse darf man nicht mehr in den Mund nehmen.", liest man im Ostpreußenblatt: "Es ist dies ein weiterer Fall von Gefährdung der Meinungsfreiheit. Fast keine Woche vergeht, in der nicht das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Deutschland mit Füßen getreten wird. Prof. Höhn wurde diffamiert, weil sie Denkverbote beim Namen genannt hatte." Damit vertritt Herr Heckel nicht nur ein sehr verqueres Bild von Meinungsfreiheit, sondern schließt sich obendrein noch der rassistischen Ideologie Charlotte Höhns an.

Heckel hebt sich mit diesen Ausführungen in keinster Weise von der durchgängig rassistischen und ausländerfeindlichen Hetze im Ostpreußenblatt ab. Während für die drangsalierten Deutschen in aller Welt immer wieder in die Bresche gesprungen wird, werden Minderheiten in Deutschland aufs heftigste diffamiert. Die "Deutschen Konservativen" bekommen in der Zeitung ebenso Platz eingeräumt für Anzeigen mit dem Text: "Kriminelle Zigeuner sind wie eine Heuschreckenplage über Deutschland hergefallen. Sie nennen sich Asylanten, sind aber durchweg kriminell und kosten uns Milliarden" (31.10.1992), wie auch Manfred Ritter Gelegenheit gegeben wird, seine biologistische Propaganda zu verbreiten. Ritter ist Mitglied der rechten Vertriebenenorganisation "Witiko-Bund" und nimmt jede Möglichkeit wahr, seine Ansichten auszubreiten. "Wir können nur unter zwei Übeln das für uns kleinere auswählen, und dies war seit Anbeginn der Menschheit die Verteidigung des eigenen `Reviers' gegen die fremden Eindringlinge. [...] Es wäre daher naheliegend, sich nach Verbündeten umzusehen. Daß diese in erster Linie bei den weißen Völkern zu finden sind, versteht sich von selbst." (27.7.1991) Wieder einmal wird das deutsche Volk von jeder Schuld und Verantwortung befreit, da es ja nur seiner menschlichen Natur entspräche, sein Territorium gegen Besitzansprüche anderer zu verteidigen. Derselbe Manfred Ritter spricht unter der Überschrift "Wer profitiert von Hoyerswerda?" (1.2.1992) von einer "manipulierten Diskussion um angebliche `Ausländerfeindlichkeit' in Deutschland. In diesem Artikel werden AsylbewerberInnen selbst als die schuldigen Verursacher der Gewalttaten gegen sie dargestellt und den Linken die Verantwortung für die Verrohung unserer Gesellschaft zugeschrieben. Er fordert auf, der Linken in Deutschland, der ein "großer Haß auf unser Volk" bescheinigt wird, "ihre Gewaltbereitschaft als Spiegel vorzuhalten und ihr zu erklären, daß sie mit der Duldung politischer Gewalt jahrelang systematisch die demokratische Kultur in unserem Lande verdorben hat und daher die moralische Verantwortung für die unausbleiblichen Auswirkungen auf die rechtsradikale Szenen trägt....". Ritter vertritt in seinem seitenlangen, durchweg polemischen Artikel die Ansicht, daß die Gewalt gegen ausländische Menschen viel zu sehr betont wird und fragt "Ist in Deutschland wieder einmal der kollektive politische Wahnsinn ausgebrochen? [...] Nun haben unsere politischen Neurotiker ein neues Betätigungsfeld in der angeblichen Ausländerfeindschaft der Deutschen gefunden. Mit Hilfe ihrer Medienmacht gelingt es ihnen, auch konservative Politiker vor ihren Karren zu spannen. Anstatt daß diese sich auf den Standpunkt von `law and order' stellen, [...] lassen sie sich einschüchtern und warnen vor einer neuen Ausländerfeindlichkeit, die in Wirklichkeit gar nicht existiert. [...] Führt man sich deshalb so auf, als würden Hunderttausende von SA-Leuten durch die Straßen ziehen und Jagd auf alle Ausländer machen?" Er spricht von einer der "schlimmsten Hetz- und Verblödungskampagnen, die je in Deutschland abliefen" und stellt fest, daß die These " jeder, der sich gegen eine Masseneinwanderung nach Deutschland und Europa wende, sei ein Ausländerfeind, Rassist und Rechtsradikaler, an Verlogenheit und Primitivität aber auch wirklich nicht mehr zu überbieten" sei. Er rechtfertigt die Bemühungen, Deutschland und Europa gegen Flüchtlinge und ImmigrantInnen abzuschotten, mit der Gefahr, die für unseren Wohlstand und unsere Gesellschaftsordnung damit einherginge: "Der deutsche `Wohlstandskuchen' ist [...] nicht uferlos vermehrbar. [...] Der Sturz vom Wohlstand in die Armut wird selbst von den belastbaren und duldsamen Deutschen nicht widerstandslos hingenommen werden. [...] Die Folge wären Bürgerkriegsverhältnisse, die sich mit denen im Libanon oder in Ex-Jugoslawien messen könnten. [...] Zumindest ein `Erfolg', nämlich die Zerstörung unserer Gesellschaftsordnung, ist ihm (dem "Ausländerfreund", Anmerkung der Verf.) damit sicher."

Auch nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen betätigt sich Ritter als wahrer Kenner des ansonsten so geduldigen deutschen Gemüts und macht eine "neue Radikalisierung" in der Bevölkerung aus: "Der offene oder zumindest versteckte Beifall großer Volksgruppen, die normalerweise keinerlei Sympathie für Unruhe und Gewalt haben, sollte für unsere Politiker ein ernsthaftes Warnsignal sein. Auch dem einfachen Wahlbürger platzt inzwischen offenbar der Kragen, wenn er sieht, wie Deutschland, das mit der Wiedervereinigung große Probleme hat, von einer Einwanderungslawine [...] überschwemmt wird." (7.11.92)

Im Ostpreußenblatt ist dann natürlich auch zu lesen, das die Straßen Deutschlands durch diese "Flut" immer unsicherer werden, wenn dort getitelt wird: "Ausländer-Kriminalität steigt explosiv" (15.2.1992). Jan Bremer führt an dieser Stelle aus, daß "insbesondere Asylbewerber durch eine explodierende Zahl von Gesetzesübertretungen" hervortreten (natürlich ohne anzumerken, daß ein Großteil der ihnen zur Last gelegten `Vergehen' direkt mit dem Asylverfahren und den restriktiven Gesetzen in Verbindung stehen) und "international arbeitende Banden, die sich die offenen Grenzen in Europa zunutze machen , alle Bereiche der Gesetzesübertretung abdecken." Aber nicht nur die `kriminellen Ausländer' sind nach Ansicht der Schreiberlinge nicht geeignet, in unserer Gesellschaft zu leben. Denn im gleichen Maße, wie die deutsche, insbesondere preußische Kultur belobhudelt wird, wird den ausländischen Menschen eine jede Kultur aberkannt. So schreibt ein P.F. (vermutlich Peter Fischer, 28.8.1991): "Doch nicht nur die Führungsschichten der Länder, aus denen Asylsuchende zu uns strömen, sind anzuprangern, der Flüchtling befreit sich selbst von der jedem Menschen auferlegten Pflicht, seinen Kampf ums Dasein würdevoll bestehen zu können. Damit begibt er sich selbst in die Niederungen des menschlichen Daseins, wird in seiner Entwurzelung und Entfremdung von seinem Heimatboden zum beliebig manipulierbaren Massentypus, der nie oder selten den Anschluß an die Gepflogenheiten des Gastvolkes finden will oder kann."

Zusammenfassend bleibt uns wohl nur zu sagen, daß das Ostpreußenblatt, wie ein Leser höchst befriedigt in einem Leserbrief artikulierte, "eine wirklich unabhängige" Zeitung ist.

Dies scheint auch die Bundesregierung zu finden, die auf eine kleine Anfrage der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke am 24.6.1991 auf fast alle Fragen nach rechtsextremen Bestrebungen und Verbindungen des Ostpreußenblattes stereotyp antwortete: "Hierüber liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne der §§ 3, 4 BVerfSchG sind nicht bekannt; eine systematische Auswertung der Zeitschrift durch den Verfassungsschutz kommt deshalb aus rechtsstaatlichen Gründen nicht in Frage."

In Frage kommt statt dessen eine regelmäßige finanzielle Unterstützung des Ostpreußenblattes mit Bundesmitteln. So wurden zwischen 1984 und 1990 jährlich zwischen 12.240 und 23.000 DM gewährt. Die laut Bundesregierung beabsichtigte Einstellung der Förderung ab 1992 ist bisher noch nicht wahr geworden. So wurde auch eine Tagung der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen mit dem Titel "Der deutsche Osten - Perspektiven im neuen Jahrtausend" (und was `deutscher Osten' bedeutet, dürfte inzwischen klar sein) vom 16.-20.11.1994 im Hause der Kölner Burschenschaft Germania von der Bundesregierung finanziell unterstützt. Auf Anfrage Ulla Jelpkes teilte die Regierung mit, daß die Tagung als eine "Maßnahme der kulturellen Breitenarbeit im Sinne des § 96 BVFG" mit 7340 DM gefördert worden sei, da "das Tagungsthema kein Anlaß zu Beanstandungen" gegeben habe.

Literatur:

- diverse Ausgaben des Ostpreußenblattes, das jeweilige Datum ist den Zitaten hinzugefügt

- "Fritz" vom November 1992

- Junge Freiheit, 5/95, 3.2.1995

- Antifaschistische Nachrichten,13/94 und 1/95

- S. Jäger: Rechtsdruck, 1988

- Kleine Anfrage der PDS/Ulla Jelpke und Antwort der Bundesregierung vom 24.6.1991

[Aus: Antifaschistische Informationen, Rechte Organisationen in Hamburg, Nummer 1; Erscheinungsdatum: 2. Juni `95; Herausgegeben von: Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten, c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg; e-mail: kfdf@krabat.nadir.org]