nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Sat Jul 29 22:09:09 1995
 

Flugbl.: Antifa AK April 94

WJ in Hetendorf Pfingsten 1994

05.02.95-18:28:27

Nach wie vor Faschisten in Hetendorf

Hetendorf - ein kleines verträumtes Dorf in der Südheide, ca. 30

km nördlich von Celle

Hetendorf - ein Zentrum militanter Neonazis und Altfaschisten

aus der neuheidnisch-rassistischen Ecke

Nun steht Pfingsten wieder vor der Tür, das Datum, an dem die

Wiking-Jugend regelmäßig zu den "Tagen volkstreuer Jugend"

einlädt. Anläßlich dieser traurigen Tradition wollen wir erneut

auf Hetendorf und die Vorgänge im Haus Nr. 13 aufmerksam machen.

In dem knapp 200 Einwohner zählenden Hetendorf, auf dem

Grundstück Nr. 13, tummeln sich nach wie vor die Faschisten.

Das Gelände ist mit Stacheldraht und Natodraht umzäunt.

Neugierigen, wie es z.B. einer Journalistin der Hannoverschen

Allgemeinen Zeitung Anfang diesen Jahres passierte, wird

unmißverständlich nahegelegt zu verschwinden. Was passiert/e

eigentlich in diesem Faschisten-Zentrum?

Hetendorf - einer der bedeutensten Treffpunkte der Faschisten

1980 wurde das Gelände von den Faschisten erworben und zwar vom

"Freundeskreis Filmkunst e.V.", dem es heute zu zwei Dritteln

gehört, zu einem Drittel gehört es der "Gesellschaft für

biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung

e.V.". Träger der Anlage ist lt. Niedersächsischem

Verfassungsschutzberichts von 1992 der "Heide-Heim e.V.

Hamburg", der das Objekt als "Einrichtung aller Kultur- und

Jugendveranstaltungen des rechten Lagers" ansieht. Das Ehepaar

Koch hat dort Hausmeisteraufgaben - Frau Ilse Koch kandidierte

1990 für die NPD zur Landtagswahl im Wahlkreis Celle-Land und

Herr Otto Koch spielt schon mal zum Volkstanz auf, wenn die

Wiking-Jugend sich trifft.

Hetendorf ist regelmäßig Treffpunkt der Artgemeinschaft (eine

Organisation, die versucht Rassismus pseudowissenschaftlich zu

begründen), seit 1991 der jährlichen Hetendorfer Tagungswoche

und seit mindesten 1986 auch der Wiking-Jugend (WJ). Die

"Hetendorfer Tagungswochen" findet immer im Juni statt, mit

bekannten Revisionisten. Höhepunkt ist jeweils die

Sonnwendfeier. Ausrichter waren 1992 der "Heide-Heim e.V.", die

GfbAEV (= "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik

und Verhaltensforschung"), die "Gesellschaft für freie

Publizistik - Arbeitskreis Hamburg", der "Heinrich Anacker Kreis

e.V.", der "Nordische Ring e.V." und die "Northern League".

Die Wiking-Jugend führt in Hetendorf regelmäßig Herbst- und

Sommerzeltlager durch. Zu Pfingsten finden schon traditionell

die "Tage volkstreuer Jugend statt", zu dem die Wiking-Jugend

einlädt. Zu den Treffen der WJ kommen "Kameraden" aus dem Inund Ausland, auch Mitglieder anderer faschitischer Parteien und

Organisationen, wie FAP (=Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei,

1978 gegründet, Zitat aus ihrer Parteizeitung: "Das Maß ist

endgültig voll! Wir lassen uns nicht gefallen, daß Deutschland

vernegert. (...) Aber die Zeit der Duldung läuft ab. Der

Volkszorn erwacht! Asylanten werden mehr und mehr abgefackelt.

..."), NL (=Nationale Liste, 1989 gegründete Organisation mit

Christian Worch als Chef, tritt oft als Veranstalterin

rechtsextremer Veranstaltungen auf), Bund heimattreuer Jugend

und Wehrsportgruppen und NF. Die Nationalistische Front (NF)

führte in Hetendorf 1988 ihr drittes Ausbildungslager für

Kaderanwärter durch, mit Sport, politischer Schulung,

Geländekunde und einer 2-tägiger Abschlußprüfung. 1989 stellten

die Kader der NF den Schutz bei den "36. Tagen Volkstreuer

Jugend" in Hetendorf. 1992 führte die NF in Hetendorf ihren

letzten Bundesparteitag durch, danach wurde sie verboten.

Offene Provokationen der WJ

Die Faschisten halten sich nicht immer versteckt hinter ihren

Stacheldrahtzäune: so hat z.B. am 31.05.93 aus einer

Veranstaltung der Wiking-Jugend mit 300 Teilnehmern heraus ein

Umzug von ca. 60 WJ-lern in Uniformen, mit Fahnen, Trommelwirbel

und Gleichschritt von Hetendorf nach Bonstdorf, dem knapp 2 km

entfernten Nachbardorf stattgefunden. Bereits 1990 fand

anläßlich des Pfingstlagers ein militärischer Aufmarsch zum

Dorfplatz mit anschließender Kranzniederlegung statt. Während

des Pfingstlagers kam es zu einer Messerattacke gegen einen

Journalisten von dem vermummten Rechtsradikalen Detlef Brühl,

Mitglied der WJ und FAP-Funktionär.

Irving trotz Einreiseverbot in Hetendorf

Erwähnenswert ist auch noch, daß im März 1992 der Revisionist

und Hobby-Historiker David Iriving als Redner auf einer

Veranstaltung der Hamburger "Nationalen Liste" auftrat, obwohl

Irving seit März 1990 Einreiseverbot in die BRD hat! Irving ist

ein eifriger Verfechter der sog. "Auschwitz-Lüge", so hat er vor

ein paar Jahren noch behauptet, Hitler hätte von der

Völkermordpolitik gegen die Juden nichts gewußt und sie somit

auch nicht angeordnet, mittlerweilen streitet er die Massenmorde

an den Juden ganz ab.

Wehrsportübungen

Von dem Faschistentreffpunkt heraus sollen auch schon

Wehrsportübungen auf dem nahegelegenen Truppenübungsplatz

stattgefunden haben.

Aus der Beantwortung einer Anfrage über "Wehrsportübungen von

Neonazis im Landkreis Celle" der Grünen vom Mai 1993 an die

Niedersächsische Landeregierung ging hervor, daß seit November

1990 mindestens acht Wehrsportübungen im und um den Landkreis

Celle stattfanden, davon zwei in Hetendorf. Die anderen fanden

in Suroide, Meißendorf, Eschede, Steinbeck/Evendorf statt. Die

beiden in Hetendorf fanden vom 23.11. - 25.11.1990 und am

08.08.1992 statt. Das Treffen vom 08.08.92 wird in der

Beantwortung folgendermaßen beschrieben: "Bekannt wurde ein

"Ordnerlager" unter Beteiligung Hamburger Neonazis (...) Etwa 25

Gesinnungsgenossen nahmen daran Teil. Zur Einweisung der

Beteiligten in "Ordnerfunktionen" sollten die Gebiete

Formalausbildung, Nahkampf, politische Argumentation, Umgang mit

Polizeibeamten, Durchsetzen von Ordneranweisungen angesprochen

werden." Geübt wurde für die "Rudol-Hess-Kundgebung"...

Zu diesen Übungen kommen noch die Übungen der Wiking-Jugend, die

die Landeregierung nicht zu den Wehrportlagern zuzählte, obwohl

auch dort sogenannte Wehrkämpfe durchgeführt werden.

Die Wiking-Jugend

Die Wiking-Jugend (WJ) ist hierzulande eine der größten

rechtextremen Jugendorganisationen. Charakteristisches Merkmal

ist die "Nordland-Ideologie" und eine extreme

Ausländerfeindlichkeit - ihr höchstes Ziel ist ein

großgermanisches "Nordland" . Die WJ enstand 1952 durch

Vereinigung der "Reichsjugend" (R.J. = Jugendorganisation der

1952 als NSDAP-Nachfolgeorga- nisation verbotenen SRP,

Sozialistischen Reichspartei), der "Deutschen Unitarier Jugend"

und dem "Vaterländischen Jugendbund", Walter Matthaei wurde

erster Bundesführer. 1954 wird Raoul Nahrath, der Vater von

Wolfgang Nahrath, Bundesführer, seitdem ist die WJ, was die

Führung angeht, im wesentlichen ein Familienunternehmen der

Familie Nahrath.

Verbindungen der WJ

Schon kurz nach der Gründung wird von der Familie Nahrath

Kontakte zur HIAG (ehem. Waffen-SS) und auch zu anderen

rechtsextremen Jugendbünden geknüpft. So ist die WJ nicht nur

bei Veranstaltungen von SS-Veteranen dabei, auch werden zu den

regelmäßig stattfindenden Lagern der WJ alte SS-Leute als Gäste

eingeladen. Gelegenheit sich mit Altnazis zu treffen bieten auch

immer wieder die Veranstaltungen der DVU. Die

"Heldengedenkfeiern" am sog. Volkstrauertag - z.B. in Essel bei

Allertal - feiern die WJ und Altnazis in trauter Eintracht mit

Anhängern weiterer militanter Neonazi-Gruppen, wie z.B. der FAP.

Weitere Kontakte bestehen u.a. zur HNG (=Hilfsgemeinschaft für

nationale Gefangene), VAPO (=Volkstreue außerparlamentarische

Opposition), NPD, DFF (=Deutsche Frauen Front). Über

Schwesterorganisationen verfügt die WJ in Spanien, den

Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Australien,

Neuseeland, der Schweiz.

Die WJ ist streng hierarchisch organisiert. Kinder ab 6 Jahren

können schon die "Erziehung" der Faschisten "genießen": von "der

Brauchtumspflege, der Gesunderhaltung des Körpers durch gesunde

Lebenshaltung, Erziehung zur Hilfsgemeinschaft auf

Gegenseitigkeit", über "Willens- und Selbstzucht" bis hin zur

"Gesittungspflege der weiblichen Jugend und der Erziehung zum

Wehrwillen der männlichen Jugend" (Zitat W. Nahrath, Wikinger

1979).

Wehrsportübungen der WJ

Nun ist die WJ bei weitem keine braune "Pfadfinderorganisation",

sondern eine militante faschistische Organisation: lt. Nieders.

Landesregierung führte die WJ in den letzten Jahren regelmäßig

Veranstaltungen auf verschiedenen Privatgrundstücken im

Landkreis Celle durch. An diesen Treffen nahmen bis zu 300

Personen Teil, vorwiegend Kinder und Jugendliche im Alter von 10

bis 16 Jahren, teilweise in Begleitung ihrer Eltern. Es wurden

u.a. "Wehrkämpfe" durchgeführt, die einen 15-km-Orientierungsmarsch, die Bewältigung einer Hindernisbahn und Schießübungen

beinhalteten.

Es ist auch bekannt, daß die WJ für viele Faschisten die Basis

für ihre politische "Karriere" gebildet hat.

Hetendorf Nr.47 - Ein Ausbreiten der Faschisten im Dorf wurde

verhindert

Am 17.01.1990 wurde im Amtsgericht Celle ein großes Gutshaus in

Hetendorf Nr. 47 mit 800 qm Grundstück versteigert. Die

"Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und

Verhaltensforschung", Vorsitzender ist der Nazi-Anwalt Jürgen

Rieger aus Hamburg, bot mehr als alle Mitbewerber. Die

Gesellschaft erhielt aber nicht den Zuschlag, die Bank bot sich

eine Woche Bedenkzeit aus, als sie von den Hintergründen erfuhr.

Die Hetendorfer und Hermannsburger Bevölkerung übte u.a. durch

Unterschriftenlisten, LeserInnenbriefe Appelle im Dorf und

Landtag so starken Druck aus, daß ein Verkauf an die Faschisten

verhindert werden konnte.

Was 1990 so wichtig war und auch gelang - das Verhindern des

weitern Ausbreitens der Faschisten in Hetendorf - ist heute

immernoch genauso aktuell und angesichts des Erstarken der

Faschisten wichtiger denn je...

Den Behörden sind angeblich die Hände gebunden, solange aus dem

Faschistentreff heraus keine Straftaten passieren. Aber das soll

und kann uns nicht hindern, weiterhin gegen faschistische

Zentren vorzugehen!

Schlimm genug. daß Hetendorf 13 schon seit vielen Jahren ein so

bedeutender Treffpunkt der Faschisten ist, es darf jedoch nicht

zur Selbstverständlichkeit werden. Im Gegenteil! Ee muß alles

getan werden, was möglich ist, um die Faschisten zu behindern

und ihre Treffen zu verhindern: die Faschisten beobachten, ihre

Aktivitäten offentlich machen und verurteilen, die

PolitikerInnen und Behörden in die Pflicht nehmen, LeserInnenbriefe schreiben, Informieren, Demonstrieren, einfach

alles, was ein Klima schafft, das die Verantwortlichen zum

Handeln zwingt und die Faschisten zum Verschwinden.

ANTIFASCHISTISCHER ARBEITSKREIS CELLE

c/o Celler Zündel, Postfach 1591, 29205 Celle

V.i.S.d.P.: H.Klingemann, Celle April 1994


FLUGBLATT: Antifaschistischer Arbeitskreis Celle April 1994

SYSOP

----------------------------------------------------------------------------