WJ in Hetendorf Pfingsten 1994
05.02.95-18:28:27
Nach wie vor Faschisten in Hetendorf
Hetendorf - ein kleines verträumtes Dorf in der Südheide, ca. 30
km nördlich von Celle
Hetendorf - ein Zentrum militanter Neonazis und Altfaschisten
aus der neuheidnisch-rassistischen Ecke
Nun steht Pfingsten wieder vor der Tür, das Datum, an dem die
Wiking-Jugend regelmäßig zu den "Tagen volkstreuer Jugend"
einlädt. Anläßlich dieser traurigen Tradition wollen wir erneut
auf Hetendorf und die Vorgänge im Haus Nr. 13 aufmerksam machen.
In dem knapp 200 Einwohner zählenden Hetendorf, auf dem
Grundstück Nr. 13, tummeln sich nach wie vor die Faschisten.
Das Gelände ist mit Stacheldraht und Natodraht umzäunt.
Neugierigen, wie es z.B. einer Journalistin der Hannoverschen
Allgemeinen Zeitung Anfang diesen Jahres passierte, wird
unmißverständlich nahegelegt zu verschwinden. Was passiert/e
eigentlich in diesem Faschisten-Zentrum?
Hetendorf - einer der bedeutensten Treffpunkte der Faschisten
1980 wurde das Gelände von den Faschisten erworben und zwar vom
"Freundeskreis Filmkunst e.V.", dem es heute zu zwei Dritteln
gehört, zu einem Drittel gehört es der "Gesellschaft für
biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung
e.V.". Träger der Anlage ist lt. Niedersächsischem
Verfassungsschutzberichts von 1992 der "Heide-Heim e.V.
Hamburg", der das Objekt als "Einrichtung aller Kultur- und
Jugendveranstaltungen des rechten Lagers" ansieht. Das Ehepaar
Koch hat dort Hausmeisteraufgaben - Frau Ilse Koch kandidierte
1990 für die NPD zur Landtagswahl im Wahlkreis Celle-Land und
Herr Otto Koch spielt schon mal zum Volkstanz auf, wenn die
Wiking-Jugend sich trifft.
Hetendorf ist regelmäßig Treffpunkt der Artgemeinschaft (eine
Organisation, die versucht Rassismus pseudowissenschaftlich zu
begründen), seit 1991 der jährlichen Hetendorfer Tagungswoche
und seit mindesten 1986 auch der Wiking-Jugend (WJ). Die
"Hetendorfer Tagungswochen" findet immer im Juni statt, mit
bekannten Revisionisten. Höhepunkt ist jeweils die
Sonnwendfeier. Ausrichter waren 1992 der "Heide-Heim e.V.", die
GfbAEV (= "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik
und Verhaltensforschung"), die "Gesellschaft für freie
Publizistik - Arbeitskreis Hamburg", der "Heinrich Anacker Kreis
e.V.", der "Nordische Ring e.V." und die "Northern League".
Die Wiking-Jugend führt in Hetendorf regelmäßig Herbst- und
Sommerzeltlager durch. Zu Pfingsten finden schon traditionell
die "Tage volkstreuer Jugend statt", zu dem die Wiking-Jugend
einlädt. Zu den Treffen der WJ kommen "Kameraden" aus dem Inund Ausland, auch Mitglieder anderer faschitischer Parteien und
Organisationen, wie FAP (=Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei,
1978 gegründet, Zitat aus ihrer Parteizeitung: "Das Maß ist
endgültig voll! Wir lassen uns nicht gefallen, daß Deutschland
vernegert. (...) Aber die Zeit der Duldung läuft ab. Der
Volkszorn erwacht! Asylanten werden mehr und mehr abgefackelt.
..."), NL (=Nationale Liste, 1989 gegründete Organisation mit
Christian Worch als Chef, tritt oft als Veranstalterin
rechtsextremer Veranstaltungen auf), Bund heimattreuer Jugend
und Wehrsportgruppen und NF. Die Nationalistische Front (NF)
führte in Hetendorf 1988 ihr drittes Ausbildungslager für
Kaderanwärter durch, mit Sport, politischer Schulung,
Geländekunde und einer 2-tägiger Abschlußprüfung. 1989 stellten
die Kader der NF den Schutz bei den "36. Tagen Volkstreuer
Jugend" in Hetendorf. 1992 führte die NF in Hetendorf ihren
letzten Bundesparteitag durch, danach wurde sie verboten.
Offene Provokationen der WJ
Die Faschisten halten sich nicht immer versteckt hinter ihren
Stacheldrahtzäune: so hat z.B. am 31.05.93 aus einer
Veranstaltung der Wiking-Jugend mit 300 Teilnehmern heraus ein
Umzug von ca. 60 WJ-lern in Uniformen, mit Fahnen, Trommelwirbel
und Gleichschritt von Hetendorf nach Bonstdorf, dem knapp 2 km
entfernten Nachbardorf stattgefunden. Bereits 1990 fand
anläßlich des Pfingstlagers ein militärischer Aufmarsch zum
Dorfplatz mit anschließender Kranzniederlegung statt. Während
des Pfingstlagers kam es zu einer Messerattacke gegen einen
Journalisten von dem vermummten Rechtsradikalen Detlef Brühl,
Mitglied der WJ und FAP-Funktionär.
Irving trotz Einreiseverbot in Hetendorf
Erwähnenswert ist auch noch, daß im März 1992 der Revisionist
und Hobby-Historiker David Iriving als Redner auf einer
Veranstaltung der Hamburger "Nationalen Liste" auftrat, obwohl
Irving seit März 1990 Einreiseverbot in die BRD hat! Irving ist
ein eifriger Verfechter der sog. "Auschwitz-Lüge", so hat er vor
ein paar Jahren noch behauptet, Hitler hätte von der
Völkermordpolitik gegen die Juden nichts gewußt und sie somit
auch nicht angeordnet, mittlerweilen streitet er die Massenmorde
an den Juden ganz ab.
Wehrsportübungen
Von dem Faschistentreffpunkt heraus sollen auch schon
Wehrsportübungen auf dem nahegelegenen Truppenübungsplatz
stattgefunden haben.
Aus der Beantwortung einer Anfrage über "Wehrsportübungen von
Neonazis im Landkreis Celle" der Grünen vom Mai 1993 an die
Niedersächsische Landeregierung ging hervor, daß seit November
1990 mindestens acht Wehrsportübungen im und um den Landkreis
Celle stattfanden, davon zwei in Hetendorf. Die anderen fanden
in Suroide, Meißendorf, Eschede, Steinbeck/Evendorf statt. Die
beiden in Hetendorf fanden vom 23.11. - 25.11.1990 und am
08.08.1992 statt. Das Treffen vom 08.08.92 wird in der
Beantwortung folgendermaßen beschrieben: "Bekannt wurde ein
"Ordnerlager" unter Beteiligung Hamburger Neonazis (...) Etwa 25
Gesinnungsgenossen nahmen daran Teil. Zur Einweisung der
Beteiligten in "Ordnerfunktionen" sollten die Gebiete
Formalausbildung, Nahkampf, politische Argumentation, Umgang mit
Polizeibeamten, Durchsetzen von Ordneranweisungen angesprochen
werden." Geübt wurde für die "Rudol-Hess-Kundgebung"...
Zu diesen Übungen kommen noch die Übungen der Wiking-Jugend, die
die Landeregierung nicht zu den Wehrportlagern zuzählte, obwohl
auch dort sogenannte Wehrkämpfe durchgeführt werden.
Die Wiking-Jugend
Die Wiking-Jugend (WJ) ist hierzulande eine der größten
rechtextremen Jugendorganisationen. Charakteristisches Merkmal
ist die "Nordland-Ideologie" und eine extreme
Ausländerfeindlichkeit - ihr höchstes Ziel ist ein
großgermanisches "Nordland" . Die WJ enstand 1952 durch
Vereinigung der "Reichsjugend" (R.J. = Jugendorganisation der
1952 als NSDAP-Nachfolgeorga- nisation verbotenen SRP,
Sozialistischen Reichspartei), der "Deutschen Unitarier Jugend"
und dem "Vaterländischen Jugendbund", Walter Matthaei wurde
erster Bundesführer. 1954 wird Raoul Nahrath, der Vater von
Wolfgang Nahrath, Bundesführer, seitdem ist die WJ, was die
Führung angeht, im wesentlichen ein Familienunternehmen der
Familie Nahrath.
Verbindungen der WJ
Schon kurz nach der Gründung wird von der Familie Nahrath
Kontakte zur HIAG (ehem. Waffen-SS) und auch zu anderen
rechtsextremen Jugendbünden geknüpft. So ist die WJ nicht nur
bei Veranstaltungen von SS-Veteranen dabei, auch werden zu den
regelmäßig stattfindenden Lagern der WJ alte SS-Leute als Gäste
eingeladen. Gelegenheit sich mit Altnazis zu treffen bieten auch
immer wieder die Veranstaltungen der DVU. Die
"Heldengedenkfeiern" am sog. Volkstrauertag - z.B. in Essel bei
Allertal - feiern die WJ und Altnazis in trauter Eintracht mit
Anhängern weiterer militanter Neonazi-Gruppen, wie z.B. der FAP.
Weitere Kontakte bestehen u.a. zur HNG (=Hilfsgemeinschaft für
nationale Gefangene), VAPO (=Volkstreue außerparlamentarische
Opposition), NPD, DFF (=Deutsche Frauen Front). Über
Schwesterorganisationen verfügt die WJ in Spanien, den
Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Australien,
Neuseeland, der Schweiz.
Die WJ ist streng hierarchisch organisiert. Kinder ab 6 Jahren
können schon die "Erziehung" der Faschisten "genießen": von "der
Brauchtumspflege, der Gesunderhaltung des Körpers durch gesunde
Lebenshaltung, Erziehung zur Hilfsgemeinschaft auf
Gegenseitigkeit", über "Willens- und Selbstzucht" bis hin zur
"Gesittungspflege der weiblichen Jugend und der Erziehung zum
Wehrwillen der männlichen Jugend" (Zitat W. Nahrath, Wikinger
1979).
Wehrsportübungen der WJ
Nun ist die WJ bei weitem keine braune "Pfadfinderorganisation",
sondern eine militante faschistische Organisation: lt. Nieders.
Landesregierung führte die WJ in den letzten Jahren regelmäßig
Veranstaltungen auf verschiedenen Privatgrundstücken im
Landkreis Celle durch. An diesen Treffen nahmen bis zu 300
Personen Teil, vorwiegend Kinder und Jugendliche im Alter von 10
bis 16 Jahren, teilweise in Begleitung ihrer Eltern. Es wurden
u.a. "Wehrkämpfe" durchgeführt, die einen 15-km-Orientierungsmarsch, die Bewältigung einer Hindernisbahn und Schießübungen
beinhalteten.
Es ist auch bekannt, daß die WJ für viele Faschisten die Basis
für ihre politische "Karriere" gebildet hat.
Hetendorf Nr.47 - Ein Ausbreiten der Faschisten im Dorf wurde
verhindert
Am 17.01.1990 wurde im Amtsgericht Celle ein großes Gutshaus in
Hetendorf Nr. 47 mit 800 qm Grundstück versteigert. Die
"Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und
Verhaltensforschung", Vorsitzender ist der Nazi-Anwalt Jürgen
Rieger aus Hamburg, bot mehr als alle Mitbewerber. Die
Gesellschaft erhielt aber nicht den Zuschlag, die Bank bot sich
eine Woche Bedenkzeit aus, als sie von den Hintergründen erfuhr.
Die Hetendorfer und Hermannsburger Bevölkerung übte u.a. durch
Unterschriftenlisten, LeserInnenbriefe Appelle im Dorf und
Landtag so starken Druck aus, daß ein Verkauf an die Faschisten
verhindert werden konnte.
Was 1990 so wichtig war und auch gelang - das Verhindern des
weitern Ausbreitens der Faschisten in Hetendorf - ist heute
immernoch genauso aktuell und angesichts des Erstarken der
Faschisten wichtiger denn je...
Den Behörden sind angeblich die Hände gebunden, solange aus dem
Faschistentreff heraus keine Straftaten passieren. Aber das soll
und kann uns nicht hindern, weiterhin gegen faschistische
Zentren vorzugehen!
Schlimm genug. daß Hetendorf 13 schon seit vielen Jahren ein so
bedeutender Treffpunkt der Faschisten ist, es darf jedoch nicht
zur Selbstverständlichkeit werden. Im Gegenteil! Ee muß alles
getan werden, was möglich ist, um die Faschisten zu behindern
und ihre Treffen zu verhindern: die Faschisten beobachten, ihre
Aktivitäten offentlich machen und verurteilen, die
PolitikerInnen und Behörden in die Pflicht nehmen, LeserInnenbriefe schreiben, Informieren, Demonstrieren, einfach
alles, was ein Klima schafft, das die Verantwortlichen zum
Handeln zwingt und die Faschisten zum Verschwinden.
ANTIFASCHISTISCHER ARBEITSKREIS CELLE
c/o Celler Zündel, Postfach 1591, 29205 Celle
V.i.S.d.P.: H.Klingemann, Celle April 1994
SYSOP
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