Hetendorfer Tagungswoche 1994
05.02.95-18:29:50
Erneutes Faschistentreffen in Hetendorf
Dieses Jahr im Juni findet nun zum vierten mal die Hetendorfer
Tagungswoche statt.
An diesem Treffen werden wahrscheinlich wie im letzten Jahr an
die dreihundert Personen teilnehmen. Und ebenfalls wie im
letzten Jahr wird diesen Personen ein umfangreiches Programm
geboten.
Hiermit wollen wir zumindest ansatzweise auf die Inhalte und
die Beweggründe dieser Treffen eingehen von denen bisher ja noch
nicht sehr viel nach außen gedrungen ist.
Angefangen haben diese Treffen spätestens 1990. Seinerzeit gab
es ein Treffen, welches lediglich von der Artgemeinschaft
ausgerichtet wurde. Dieses Treffen muß wohl für die Faschisten
sehr positiv verlaufen sein, denn bereits im nächsten Jahr wurde
vom 15.-23. Juni ein Treffen durchgeführt, unter dem Namen
Hetendorfer Tagungswoche. Zu dieser Veranstaltung riefen neben
der Artgemeinschaft e.V. noch folgende Organisationen auf:
- Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und
Verhaltensforschung e.V.,
- Gesellschaft für freie Publizistik - Arbeitskreis Hamburg,
- Heinrich-Anacker-Kreis e.V.,
- Familienwerk e.V.,
- Nordische Ring e.V.,
- Northern League
- Freundeskreis Filmkunst e.V..
Auch dieses Treffen muß erfolgreich gewesen sein, denn seitdem
wurde es zur jährlichen Veranstaltung. Die zweite Hetendorfer
Tagungswoche fand vom 13.-21.06.1992 und die dritte vom
19.06.-27.06.1993 statt. Leider wissen wir den genauen Termin
für dieses Jahr noch nicht. Aber da diese Tagungswochen immer um
den Sommeranfang angesiedelt sind, wird sie wohl vom
18.-26.06.1994 stattfinden.
Glaube an "Nordische Rasse" schafft ideologische Verbundenheit
Die wichtigsten zur Tagungswoche aufrufenden Organisationen
orientieren sich, ebenso wie die Wiking-Jugend, an einer
fiktiven "Nordischen Rasse" und pflegen in deren Namen einen
Germanen- und Heidenkult. Laut dieser Ideologie ist "Nordland"
die geschichtliche und mystische Herkunft einer "germanischen
Rasse", die allen anderen Gruppen von Menschen überlegen und zur
Führung geboren sein soll. Geboren ist in diesem Fall wörtlich
zu nehmen, denn angeblich werden Menschen durch Gene und nicht
durch gesellschaftliche Einflüsse geprägt. Laut dieser Theorie
wird dem "nordischen Menschen" alles Gute und Edle und anderen
Rassen das Böse, die Dummheit und das Kriminelle vererbt. Es
wird ein Idealtypus des heldischen, nordischen Kämpfers
propagiert, welcher durch seine Abstammung, das "nordische
Blut", bestimmt und dazu auserwählt ist, zu herrschen, zu
führen und auch zu vernichten.
Die bessere, anpassungsfähigere und stärkere Rasse muß sich im
Kampf gegen die Schlechten durchsetzen, sich "reinerhalten" und
dazu andere vernichten. Das ist nach Ansicht der Faschisten das
"naturgegebene Schicksal" der nordischen Rasse und somit ihr
Auftrag und ihre Verpflichtung. Eine zentrale Rolle dieser
Ideologie ist die Reinerhaltung der nordischen Rasse, welche in
vielfältiger Form bedroht scheint: "geschieht die Vernichtung
des deutschen Volkes durch die bewußt gesteuerte
Geburtenverminderung (...) Durch Heirat mit Ausländern, Adoption
fremder Kinder, Einströmen von Asylanten und
Familienzusammenführung bei Ausländern wird die Vermischung
"geschieht die Vernichtung des deutschen Volkes durch die bewußt
gesteuerte Geburtenverminderung (...) Durch Heirat mit
Ausländern, Adoption fremder Kinder, Einströmen von Asylanten
und Familienzusammenführung bei Ausländern wird die Vermischung
des deutschen Volkes mit fremdem Erbgut planmäßig vollzogen
(...) Für eine weitere Vermischung der deutschen Substanz
sorgten die amerikanischen Besatzungssoldaten." (Neue
Anthropologie April/Juni 1988, Zeitung der Gesellschaft für
biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V.
GfbAEV). Den Frauen kommt bei der Reinerhaltung der Rasse eine
große Aufgabe zu, heißt es doch im Wikinger 1/87 "Die Frau ist
Trägerin neuen Lebens, die Bewahrerin des Blutes und der Art
ihres Volkes für die fernsten Geschlechter. Sie hat die Reinheit
des Blutes zu hüten, Zucht und die rechte Art zu wahren. -Ein
solches Mädel und eine solche Frau zu erobern und zu erhalten,
sei die Sehnsucht und der unbedingte Wille jeden Mannes. -Ein
Volk aber, in dem sich weibliche Anmut mit soldatischer Haltung
des Mannes vereint, wird ewig leben und blühen."
Heidnische Bräuche, germanische Riten und rassistische Referate
Während der neun Tage dauernden Veranstaltung wird auf dem
Gelände in Hetendorf all das praktiziert und gelehrt, was in
einer faschistischen Gesellschaft zum tragen kommen würde.
Ein Überblick gibt die Einladung zu der dritten Hetendorfer
Tagungswoche im letzten Jahr. So wird auf germanischen Riten und
Gebräuche eingeschworen. Dies geschieht unter anderem durch eine
Sonnwendfeier, die Besichtigung von Großsteingräbern, durch
Referate zur heidnischen Kunst (mit Lichtbildern) von Karlheinz
Baumgartl, zur Germanischen Verlobung und Trauung von Jürgen
Rieger und zum Thema: "Die germanische Seele des Deutschen
anhand von Geschichtsbeispielen" von Harry Radegeis. Gerhard
Seifert bemüht noch den "Dichter des Nordlandes - Gustav
Frenssen". Auch zu allen anderen erdenklichen Lebenssituationen
werden Vorträge gehalten, um das faschistische Weltbild zu
festigen und etablieren z.B.: Rauchen und Gesundheit, Kinderund Jugenderziehung heute, Zusammenhänge zwischen
Ernährungsreform sowie Politik und Religion, Eheleite, der
bodenständige Mensch.
Die Rolle der Frau ist auch klar definiert. So wird im
Einladungsschreiben festgelegt, daß die "Kinderbetreuung (...)
durch die Mütter und ältere Teilnehmer umschichtig im
Kinderspielzimmer und auf dem heimeigenen Kinderspielplatz
(erfolgt)." Und am ersten Sonntag fand morgens die "Morgenfeier
īMutter und Kind`, gestaltet von Imke Thomas" statt, mit
anschließender "Ehrung kinderreicher Mütter". In den Zeiten des
Nationalsozialismus wurden Frauen mit vielen Kindern durch das
Mutterkreuz ausgezeichnet.
Noch schlimmer wird es bei den Referaten von Johannes Ney über
"Rasse und Heimat", bei Heinrich Piebrock mit dem Thema:
"Völkertod und Völkerüberleben", bei Karl Bassler mit dem Thema
"Die Zerstörung des deutschen Volkes durch die
BRD-Ausländerpolitik, bei Jürgen Rieger zum Thema: "Multikultur
- die verhängnisvollste Utopie unserer Geschichte" und bei der
"Gesprächsrunde `Klärung wichtiger Begriffe`
(Nation-Staat-Volk-Rasse-Art / Körper-Geist-Seele /
Kultur-Zivilisation-Natur / Gemeinschaft-Gesellschaft) von G.
Henning und J. Rieger.
Die nachfolgenden Zitate von Jürgen Rieger sollen einen kurzen
Einblick geben, was wohl ungefähr auf solchen Referaten erzählt
werden dürfte.
* Abgesehen von der Belastung für unsere wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit muß ein verstärkter Zuzug zu verstärkter
Rassenmischung führen, was angesichts der damit verbundenen
vermehrten Krankheiten (Schizophrenie, Tuberkulose,
Hüftgelenksluxationen u.a.) vom anthropologischen Standpunkt aus
abzulehnen ist."
* Die Menschenrassen haben leider nicht das Glück, das Pferd und
Esel dadurch zuteil wurde, daß ihr Kreuzungsprodukt, das
Maultier, unfruchtbar ist. Wer sich nochnicht dadurch, daß
`Bastard` kein Kose- sondern ein Schimpfwort ist, überzeugen
ließ, sollte durch die dargestellten Tatsachen zur Meinung
gelangen, daß die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet
eingeschränkt werden muß."
* es sei "durchaus fraglich, ob auch nur ein Jude an Hunger im
(Warschauer) Ghetto gestorben wäre, wenn es mehr Solidarität
unter den Juden gegeben hätte".
* "Es ist unbestreitbar, daß einige Rassen mehr zu Verbrechen
neigen als andere."
* "Es kann festgestellt werden, welche Rasse für bestimmte
Aufgaben besonders geeignet ist (die Weißen z.B. in den Berufen,
wo Intelligenz verlangt wird, die Neger im Showbusiness)."
Weiterhin finden Mitgliederversammlungen der einzelnen an der
Tagungswoche teilnehmenden Organisationen und Vereine statt.
Neben Gedichtslesungen, Filmvorführungen, Gefallenenehrung
nehmen gemeinsame Gesangs- und Volkstanzveranstaltungen einen
breiten Rahmen ein.
Im Jahr 1993 gab es wie schon im Jahr davor "Lieder von und mit
Frank Rennicke". Rennicke, Mitglied der Wiking-Jugend, ist in
Hetendorf besonders aufgefallen, als er beim Pfingsttreffen der
WJ dieses Jahr, Reporter und Fotographen mit einem Schild, mit
der Aufschrift "Die Presse lügt" an ihrer Arbeit gehindert hat.
Ansonsten trat er schon bei verschiedensten rechten
Organisationen als Liedermacher auf u.a. bei der
Nationalistischen Front (NF), dem mittlerweile verbotenen
Deutschen Kameradschaftsbund (DKB), der Wi- king-Jugend (WJ),
den Jungen Nationaldemokraten (JN), der Deutschen Liga (DL) und
der Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und
deren Angehörige (HNG).
Finanzielle Angelegenheiten
Die Teilnahme an der Tagungswoche kostete 1993 pro Tag 10.- DM,
die Übernachtung im Mehrbettzimmer ("jugendherbergsmäßig") 12.DM, das Früh- stück 6,50 DM, das Mittagsessen 10.- DM, Kaffee
und Kuchen 8.- DM und Abendessen 8.- DM.
So kostete die Teilnahme einer erwachsenden Person an allen neun
Tagen gut 450.-DM.
Wenn die Person lieber auf dem Grundstück zeltet statt im Haus
zu übernachten und auf Kaffee und Kuchen verzichtet so beträgt
die Summe bei neun Tagen immernoch gute 350.-DM.
Rief die GfbAEV 1988 noch zu Spenden auf, um durch ein Ausbauen
des Zentrums später auch mal Tagungen von der Dauer eine Woche
durchführen zu können (siehe Abschrift "Sonderspende
Hetendorf"), so ist dieses Ziel bereits drei Jahre später mit
der ersten Hetendorfer Tagungswoche verwirklicht worden. Doch
sind auch jetzt weitere Um- bzw. Ausbaumaßnahmen zu beobachten.
Förderlich ist dabei sicherlich, daß der jetzige Trägerverein
Heide-Heim e.V. als gemeinnützig anerkannt ist und somit Spenden
an diesen Verein steuerlich absetzbar sind. Aber auch jetzt
können noch nicht alle Teilnehmer der Tagungswoche auf dem
Zentrum untergebracht werden und so heißt es in der Einladung
"Da die Bettenzahl im Heideheim beschränkt ist, kann eine
Unterbringung nicht garantiert werden. In diesem Fall erfolgt
Informationen. Wer nicht im Heideheim untergebracht werden kann
oder möchte, suche sich bitte Quartier (...) über das
Fremdenverkehrsamt in Hermannsburg (...). In Hetendorf selbst
gibt es keine Fremdenzimmer. Die nächsten Betten sind 2-5 km
entfernt."
Sonderspende Hetendorf
Über eine Erbschaft haben wir einen Anteil an einem Jugend- und
Freizeitheim in Hetendorf erworben. Die Gebäude dort sind in
einem baulich schlechten Zustand und derzeit für Tagungen
unserer Gesellschaft noch nicht zu nutzen. Wir wollen die Räume
so gestalten, daß sie für Tagungen geeignet sind. Ein Ausbau
dieser Räume und Übernachtungsmöglichkeiten würde uns die
Möglichkeit geben, auch einmal eine ganze Woche lang eine Tagung
durchzuführen. Sie würde ferner die Möglichkeit geben, die
jungen Mitglieder und Leser der Neuen Anthropologie einmal zu
Tagungen zu bekommen, da es sich gezeigt hat, daß für diese die
Übernachtungen in Hotels oftmals zu teuer ist. Wir rufen deshalb
hier erstmals gezielt zu einer Spende für das Tagungsheim
Hetendorf auf. Bedenken Sie bitte, daß heute die Handwerkerlöhne
sehr hoch sind, und wir die Räume ansprechend gestalten wollen.
Überweisen Sie Ihre Zahlungen bitte auf unsere angegebene Konten
und vermerken als Zweck "Sonderspende Hetendorf". In der
Hoffnung, keine Fehlbitte getan zu haben, dankt Ihnen der
Vorstand der Gesellschaft.
Abschrift aus Neue Anthropologie Nr.1/88
Führender Kopf des Hetendorfer Nazi-Zentrums: Jürgen Rieger
Eine der schillernsten Figuren der bundesdeutschen
Neo-Nazi-Szene stellt sicherlich der Rechtsanwalt Jürgen Rieger
dar. Geboren wurde Rieger am 11. Mai 1946 in Blexen bei
Oldenburg. Heute wohnt er in einem festungsähnlichen Haus in
Itzehoe bei Hamburg, welches mit Infrarot-Sensoren im Garten,
Fenstern aus Panzerglas und elektronischen Schlössern geschützt
ist. Seine Rechtsanwaltsbüro befindet sich seit 1975 in Hamburg.
Rieger ist Funktionär zahlreichender Organisationen, die zur
Hetendorfer Tagungswoche einladen. So ist er bereits seit 1972
Vorsitzender der Gesellschaft für biologische Anthropologie,
Eugenik und Verhaltensforschungung und ist Chefredakteur der
GfbAEV-Zeitung Neue Anthropologie. Er ist Vorsitzender der
Artgemeinschaft und ihm obliegt auch die Schriftleitung der
Nordischen Zeitung (Organ der Artgemeinschaft). Darüberhinaus
ist er führendes Mitglied des Nordischen Rings und der
britischen Rassistenorganisation Northern League. In der
Celleschen Zeitung vom 22.10.93 heißt es, "Rieger habe zudem mit
der Bildung des `Heide-Heim e.V.` (1990) seine Aktionen neu
geordent." So wird er wohl auch in dieser Organisation, welche
seit mindestens 1993 auch zur Hetendorfer Tagungswoche einlädt
und Trägerin der dortigen Anlagen ist, eine führende Rolle
spielen.
Daneben ist er Mitglied der Wiking-Jugend, der jetzt verbotenen
Nationalen Front und des Arbeitskreises Volkstreuer Verbände
(AVV). Er referiert bei einer Vielzahl unterschiedlicher rechter
Gruppierungen und verteidigt Neonazigrößen genauso wie
vermeindliche unbedeutende Skinheads. Er klagt gegen die
Parteinverbote von der Nationalistischen Front, der Deutschen
Alternative (DA) und der Nationalen Offensive (NO).
Weitere Proteste nötig
Nachdem es in diesem Jahr anläßlich des neunten Pfingsttreffens
der rechtsradikalen Wiking-Jugend in Hetendorf viele Proteste
und ein großes Medienecho gab, sind die Faschisten hier im
Landkreis erheblich in die Defensive gedrängt worden. Aber das
reicht noch nicht. Dabei darf es nicht stehen bleiben. Das
Zentrum muß geschlossen werden! Um langfristig darauf
hinzuwirken, ist es notwendig, es immer wieder in die
Öffentlichkeit zu bringen und dagegen anzugehen. Mit diesem
Flugblatt wollen wir ein kleines Stück dazu beitragen und
hoffen, daß sich wieder viele Leute finden, die nicht tatenlos
zusehen wollen, wie hier im Landkreis die Hatz auf alle
Menschen, die nicht in das Gesellschaftsbild der Faschisten
passen ideologisch vorbereitet und praktisch geübt wird.
ANTIFASCHISTISCHER ARBEITSKREIS CELLE
c/o Celler Zündel, Postfach 1591, 29205 Celle
V.i.S.d.P.: K.Lehnnartz, Juni 1994
Wer Interesse an unseren aktuellen Flugblättern hat und in
unseren Verteiler aufgenommen werden möchte, sollte sich bitte
an unsere o.g. Anschrift wenden.
SYSOP
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