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Tue Oct 15 20:20:24 1996
 

Inhalt

Stadtpolitik im Jugendbereich. [4]

Wurzen-Broschüre.

Dokumentation

Die schönsten Verlautbarungen der Stadtverwaltung

Wer organisiert in Wurzen Gewalt und Demo’s?

Es ist gerade ein Jahr her, als ein gewisser PDS-Abgeordneter in Wurzen eine sogenante ANTIFA-Demo organisierte und zu Brand und Gewalt aufrief, von der sich allerdings die örtlichen PDS-Mitglieder distanzierten.
Vielfältige Initiativen von allen Stadträten, der Verwaltung und Wurzener Bürgern haben danach Freizeittreffs, wie das Kolping-Haus bzw. den Schweizergarten, entstehen lassen. Der Ausbau des Heizhauses der Nord-Schule für einen Schulclub steht noch im Sommer bevor und unter Regie von Frau Friedrich wird der Verein zur Förderung umweltbewußten und sozialen Handelns e.V. eine große Anzahl schwervermittelbarer Jugendlicher mit städtischer Unterstützung beschäftigen!
Die IG Rock
und andere Wurzener Bands werden im Kolping-Haus Proberäume erhalten.
Im Januar wurde ausführlich über die Jugendsituation unter Leitung der Stadtverwaltung diskutiert. Vom Vorsitzenden des Kreisjugendhilfeausschusses, Herrn Klohocker, über die Schulleiter Schmieder und Mannel oder dem Mitarbeiter des Kreisjugendamtes, Herrn Stör
, war am Ende eine einheitliche Sichtweise auf die Wurzener Jugendszene vermittelt worden.
All das sind kleine Initiativen mit und für Wurzener Jugendliche. Aber das ist den Medien zu ruhig, damit läßt sich keine Schlagzeile aufreißen.
Also begann die Wurzener Redaktion der LVZ am 02.04.96 mit einem Artikel über die rechte Szene. Der Autor wurde nicht genannt, aber er wußte etwas von einem Haus, von dem „keiner weiß, was dort wirklich vorgeht“! Er schrieb auch den Satz „Beweise liegen ... nicht vor“. Polizei oder Staatsanwaltschaft wurden nicht befragt. Das war nicht notwendig, denn die Überschrift war groß genug.
Und welch ein Zufall: Genau einen Tag später, am 03.04.96, berichtete das ZDF über rechte Gewalt in Wurzen. Wer hat die Filmleute aus dem ZDF in Mainz nach Wurzen geschickt? Und noch bevor sich Wurzener Bürger oder die Kreisverwaltung oder die Staatsanwaltschaft mit der Angelegenheit befassen konnten, kam aus Hamburg am 05.04.96 ein deutschlandweiter Aufruf für eine „Antifaschistische Spontan-Demonstration in Wurzen“. Und noch bevor die Polizei am Ostersamstag am Wurzener Bahnhof eintraf, stand die Presse schon zum Empfang der Demonstranten bereit und abends war der Videotext im Fernsehen fertig.
Und wie im letzten Jahr stand an der Spitze der Demo ein PDS-Landtagsabgeordneter, diesmal aber aus Sachsen-Anhalt!
Schlimm und bedauerlich, daß solche Vorfälle wie gewalttätige Auseinandersetzungen jeglicher Art überall im Lande immer wieder vorkommen, aber wenn bereits Eltern und Schule in der Erziehung Probleme haben, wie sollen dann Stadtverwaltung und Stadträte diese meist fremdgesteuerten Auswüchse korrigieren? Natürlich ist es leicht, dafür immer die Stadt verantwortlich zu machen.
Stadträte und Verwaltung, die zuständigen Rechtsorgane werden diese Vorfälle diskutieren und Schlußfolgerungen ziehen. Erpressen lassen wir uns aber nicht - weder von rechts noch von links und auch nicht von der Zeitung!

Dr. Jürgen Schmidt, (Technischer Beigeordneter, Rechte Hand von Pausch)


Interview mit Pausch
. MTZ vom 19.7.1995

Interview mit Anton Pausch, Bürgermeister der Stadt Wurzen

Frage: Herr Pausch, sogar der Jahresbericht des Verfassungsschutzes verweist auf rechtsextreme Zentren in Ihrer Stadt. Wie konnte sich eine rechtsorientierte Szene bei Ihnen eigentlich entwickeln?

A.P.: Das kann ich ihnen nicht beantworten. Ich weiß nur, daß die linke Szene wiederhohlt in der Stadt gegen rechts demonstriert hat. Wie rechts sich entwickeln kann, übersteigt meine Vorstellung. Von seiten der Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsbehörden geht gegen die Szene in Wurzen im Moment nicht eine Ermittlung und es ist auch nicht eine Person verurteilt wegen rechtsextremistischer Straftaten.

Frage: Aber es ist doch komisch, daß der Verfassungsschutzbericht... In dem steht, ich zitiere: „Regionale Schwerpunkte sind (...) Wurzen (...)“. Das steht hier schwarz auf weiß.

A.P.: Das steht dort, ja bitte schön. Das ist auch durchaus im Bereich des Möglichen der Einschätzung. Nur ich kann das nicht bestätigen.

Frage: In Wurzen gibt es ein Haus, in dem sich rechtsorientierte Jugendliche ziemlich ungestört aufhalten können. Sind da Vorfälle, wie die vom Wochenende (Überfall auf die Spanier im Juli 1996 - d.Red.) praktisch vorprogrammiert?

A.P.: Ich kann ihnen weder das Haus bestätigen noch diese Vorprogrammierung.


Bürgermeister Pausch
Frage: Ein Team des ZDF hat aber dort sogar gedreht. Es wurden sogar neofaschistische Materialien aufgefunden.

A.P.: Von Seiten der Ermittlungsbehörden ist keine Hausdurchsuchung anberaumt worden.

Frage: Wann wird dieses Haus geschlossen?

A.P.: Das ist gar nicht offen. Das ist ein Privatgrundstück, auf dem sich Jugendliche aufhalten, leider. Und wir als Stadt können auch so, wie Sie das meinen, nicht schließen, weil das privatrechtliche Probleme sind und da können wir nicht ohne weiteres einsteigen.

Frage: Also das Haus ist Ihnen offensichtlich doch bekannt?

A.P.: Mir ist die Käthe-Kollwitz-Straße bekannt, als Treffpunkt von Jugendlichen. Aber ganz gewiß. Und daß das nicht in Ordnung ist, ist ein Problem - bitte - der Ermittlungsbehörden.

Frage: Haben Sie eigentlich persönlich auch Angst vor Rechtsextremen?

A.P.: Da muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen: nein. Jedenfalls nicht in Wurzen.

Frage: Es hört sich so an, als würden Sie die Probleme nicht sehen wollen.

A.P.: Welche Probleme bitte?

Frage: Entschuldigen Sie, jetzt muß ich doch wirklich mal lächeln. Fälle, wie die vom Wochenende, sind nicht zum ersten Mal passiert. Muß jetzt nicht langsam die Stadt Wurzen aktiv werden? Was werden Sie denn ändern?


Landratsamt Wurzen
A.P.: Alles, was gesetzlich möglich ist, werden wir tun. Alles was gesetzlich möglich ist.

Frage: Und was heißt das im Klartext?

A.P.: Was das im Klartext heißt? Wenn wir Ausschreitungen feststellen, werden wir entsprechende Anzeige erstatten. Wenn wir Beschädigungen feststellen, werden wir das gleiche tun. Wenn wir nazistische Bewegungen in dieser Stadt feststellen, werden wir auch Anzeige erstatten. Und wenn Sie das feststellen, müssen Sie das als Reporter auch tun.

Frage: Was für Konsequenzen ziehen Sie denn aus den Vorfällen vom Wochenende?

A.P.: Das obliegt den Ermittlungsbehörden. Da kann ich keine Konsequenzen nennen, bevor mir die Unterlagen nicht vorliegen.

Frage: Vor einiger Zeit haben Sie in Interviews noch behauptet, Rechtsextreme gäbe es nicht in Ihrer Stadt. Hat sich Ihre Meinung jetzt geändert?

A.P.: Es gibt ganz bestimmt Leute, die unterschiedliche Gedanken haben und die sich ganz bestimmt nach allen Seiten hin bewegen, auch kleiden und anziehen. Aber einen Rechtsextremismus nachzuweisen, das obliegt ja nun nicht der Behörde und der Verwaltung. Und der Nachweis ist leider noch niemandem gelungen.

Frage: Vielen Dank, Herr Pausch.

A.P.: Ja, bitte.

(gesendet vom Uniradio Mephisto am 23. Juli 1996)


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