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Wed Sep  6 19:33:05 1995
 

KZ Buchenwald zur Kriegshetze missbraucht

Am Donnerstag, 27. Juli hat die Gesellschaft für Bedrohte Völkische das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald "besetzt", um mit dieser Aktion die Aufhabung des Waffenembargos gegen Bosnien zu fordern. Der Presse wurde ein Transparent gezeigt, auf dem behauptet wurde, "Hitler, Stalin, Karadzic und Milosevic" seien "Europas Totengräber".
Wir protestieren energisch gegen diesen Mißbrauch des KZ Buchenwald für Kriegspropaganda. Wir fordern den Rücktritt des Leiters der Gedenkstätte (Knigge)der diesen Mißbrauch nicht nur geduldet, sondern aktiv unterstützt hat. Wir kündigen an, daß wir die weite Reise nach Buchenwald demnächst auch kurzfristig unternehmen werden, um solche Mißbräuche in Zukunft unterbinden, wenn wir rechtzeitig davon erfahren.
Die Gesellschaft für bedrohte Völkische hat jahrelang gutmeinende Menschen der Bundesrepublik mit ihrem Einsatz für unterdrückte Menschen in anderen Kontinenten gewinnen können. Erst als ein führender Funktionär und Vordenker der "Neuen Rechten" Funktionen in der "Gesellschaft" ausüben durfte (gemeint ist Henning Eichberg), wurde Kritik an der "Gesellschaft" laut. Der Kurs dieser Leute wurde aber klar, als plötzlich "Deutsche" in der UdSSR und anderen Ländern des sogenannten Ostblocks als "unterdrückte Völker" den Indianern Lateinamerikas oder den Aborigines Australiens gleichgestellt wurden.
In der Wahl ihrer Bündnispartner sind die "Gesellschaft" und namentlich ihr Vorsitzender Zülch nicht pingelig. In der Hetze gegen Serbien gab es immer eine nach rechts offenen Flanke, insbesondere in gemeinsamen Erklärungen mit dem Antisemiten und Neofaschisten Rullmann. Zülch ließ es sich nicht nehmen, in Kroatien ein Denkmal für die faschistische Wehrmacht zu enthüllen.
Daß ausgerechnet das ehemalige KZ Buchenwald für die Kriegspropaganda der "Gesellschaft" herhalten muß ist ein Skandal. Die ehemaligen Häftlinge hatten dort anläßlich ihrer Selbstbefreiung geschworen, für eine Welt des Friedens einzutreten. Nachdem Neonazis die Gedenkstätte schon mehrfach geschändet haben, ist der Anschlag der Gesellschaft für bedrohte Völkische noch schlimmer. Es ist nicht schwer zu entscheiden, ob die Dummheit des Transparents oder die Frechheit des Mißbrauchs schwerer wiegt. Jedenfalls hätte eine verantwortliche Leitung der Gedenkstätte diese Schändung verhindern müssen. Die bisher geäußerte Kritik der Geschichtsfälschung (KZ ohne Faschismus) kann jetzt besser die Zielrichtung der neuen "Geschichtsauffassung" erkennen: indem das KZ von seinem gesellschaftlichen System künstlich getrennt wird, können die Faktoren, die Voraussetzung für das KZ waren, aus der Kritik herausgenommen werden. Deutsche Kriegsvor- bereitungen und deutsche Ostexpansion, die Antreiber, Finanziers und Nutznießer des Faschismus wurden aus der alten Ausstellung eliminiert und so der Weg freigemacht für eine neue Ostexpansion und erneute Kriegsvorbereitung. Die "technische Hilfe" der Nachfolgeorganisation der Wehrmacht bei den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Selbstbefreiung war ein Schritt in diese Richtung, den aber nur die AntifaschistInnen als solchen erkannt und kritisiert haben.
Fazit: Es ist gelungen, eine KZ-Gedenkstätte für Kriegspropaganda zu mißbrauchen, ohne daß die Verantwortlichen dafür zur Verantwortung gezogen wurden. Sie wurden hofiert. Ein weiterer Schritt in den Krieg. Die Stimmen des Friedens und der Demokratie können trotz der Formierung der Gesellschaft zur Volksgemeinschaft nicht unterdrückt werden. Der Antifaschismus ist ein störendes Element dieser Formierung. Herr Knigge und die jetzige Gedenkstättenleitung sind Teil dieser Formierung.