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Sat Nov 25 09:37:01 1995
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EINLEITUNG
Am 11. April 1945 befreiten sich die gefangenen Haeftlinge des
Konzentrationslagers Buchenwald aus eigener Kraft.
50 Jahre nach diesem Tag, ruft das Internationale Lager-Komitee die
ehemaligen Haeftlinge, ihre Familien und alle AntifaschistInnen auf, am
9. April 1995 gemeinsam den 50. Jahrestag der Selbstbefreiung zu
begehen und diesen Tag zu einem eindrucksvollen Symbol der Einheit und
Ausdruck des Willens zu machen, das Erbe der zehntausenden aus ganz
Europa und er Welt, die in diesem Lager fuer die Freiheit gestorben
sind zu verteidigen.
Das internationale Lager-Komitee warnt vor jedem eventuellen Versuch,
die Gedenkstaette zu missbrauchen, die allen Haeftlingen und Deprotierten
gehoert und seit Jahrzehnten in aller Welt als Mahnmal gegen die
Verbrechen des deutschen Faschismus gilt.
Mit der Broschuere die Ihr in der Hand haltet, wollen wir unseren
Beitrag zur Mobilisierung am 9. April 1995 nach Buchenwald leisten.
Wir finden es richtig und gut, gemeinsam mit den ehemaligen Gefangenen
und ihren Familien dafuer einzutreten, dass die Geschichte des
Konzentrationslagers Buchenwald ihren Antifaschistischen Charakter
behaelt. Einer Umgestaltung der Gedenkstaette und damit einer
Umschreibung der Geschichte, welche von den Herrschenden betrieben
wird, wollen wir mit dieser Mobilisierung entgegenwirken.
Wir rufen Euch alle auf, gemeinsam mit uns am 9. April 1995 nach
Buchenwald zu fahren um zusammen mit vielen anderen Menschen an der
vom Internationalen Lagerkomitee geplanten Manifestation teilzunehmen.
> SPENDENAUFRUF
Die Mobilisierungskampagne zur Manifestation nach Buchenwald kostet
eine Menge Geld. Sei es die Mobilisierungsbroschuere, die wir in hoher
Auflage haben drucken lassen und kostenlos an Euch weitergeben wollen,
oder sei es die Busfahrt nach Buchenwald, deren Preise wir fuer die/den
Einzelne/n so scharf kalkuliert haben, dass wir von vornherein davon
ausgehen, dass die Mobilisierungskampagne ein Zuschussgeschaeft wird.
Aus diesem Grund sind wir auf Eure Solidaritaet angewiesen und bitten
Euch die Mobilisierung nach Buchenwald zu unterstuetzen.
Bitte ueberweist Eure Spende auf folgendes Konto:
M. Kellermann ø BfG AG ø BLZ 212 101 11 ø Kto.-Nr. 2421789900
Stichwort: Manifestation
PROGRAMM
Wir werden gegen ca. 1o.oo Uhr in Buchenwald eintreffen.
Bis um 14.oo Uhr habt Ihr Gelegenheit Euch die Gedenkstaette oder etwas
anderes anzuschauen.
Ab 11.3o Uhr wird es auf dem Parkplatz Verpflegung geben.
14.oo Uhr Die Manifestation findet auf dem Appellplatz vor dem
Obelisk statt, der von den Haeftlingen am 19. April
1945 errichtet wurde
15.oo Uhr Die Spitzer-Ausstellung wird in der ehemaligen
Desinfektion von dem Nobelpreistraeger Elie Wiesel
eroeffnet.
16.oo Uhr Eroeffnung des neugestalteten, veraenderten Museums.
Sprecher auf der Manifestation sind:
Elie Wiesel, ehemaliger Buchenwald-Haeftling und
Friedensnobelpreistraeger - Pierre Sadreau, Ludger Aicher, Sohn der
Frau Aicher-Scholl, Schwester der ermordeten Hans und Sophie Scholl,
Pierre Durand, der Praesident des Internationalen Lagerkomitee.
Eine Spielgruppe aus Kindern und Jugendlichen aus Israel wird das
Buchenwaldlied spielen.
"Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsre
Losung.
Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit
ist unser Ziel."
aus dem Buchenwald-Schwur
Der Tag der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers
Buchenwald jaehrt sich am 11.4. 1995 zum 50. Mal.
Das KZ Buchenwald ist allen Rechten, Reaktionaeren und
Faschisten ein Dorn im Auge.
Sie koennen es nicht ertragen,
* dass KZ-Insassen nicht nur Opfer waren, sondern aktiv
Widerstand geleistet haben,
* dass Widerstand auch unter den schwersten Bedingungen
erfolgreich sein kann,
* dass dieser Widerstand von Kommunisten geleitet
wurde,
* dass die Erfahrungen der KZ-Haft zu dem nicht mehr zu
tilgenden Schwur von Buchenwald fuehrten, der zur Richtschnur
fuer Millionen von Menschen wurde, unabhaengig von
parteipolitischer Orientierung und Nationalitaet.
Zur Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald
Als Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, gab es auch
weiterhin viele Menschen in Deutschland - AntifaschistInnen,
KommunnistInnen, SozialdemokratInnen, GewerkschafterInnen -
die nicht bereit waren, einfach zu kapitulieren, wie es die
Reichstagsmehrheit getan hatte.
Diese Menschen wurden von Anfang an mit den bestialischen
Grausamkeiten der SA-Kommandos konfrontiert, die politische
Gegner in die Folterkeller verschleppten, deren Wohnungen
zerstoerten und schon in den ersten Tagen nach der
Machtuebergabe Hunderte von Menschen ermordeten. Ein Klima
des Terrors sollte jeden Widerstand im Keim ersticken.
Nach den Wahlen im Maerz 1933 , als immer noch mehr als 12
Millionen WaehlerInnen ihre Stimmen den Sozialdemokraten und
der KPD gaben, wurde der Terror offiziell und staatlich
organisiert: Anstelle der "wilden" Folterkeller der SA
wurden in vielen deutschen Orten die ersten
Konzentrationslager eingerichtet.
Die Konzentrationslager erfuellten von Anfang an eine
wesentliche Funktion als Instrument grausamer Unterdrueckung,
Isolierung und Vernichtung von GegnerInnen des Naziregimes
und anderer missliebiger Bevoelkerungskreise.
Nachdem im Juni 1934 die SA, die mit ihren Plaenen und
Forderungen der Industrie und Reichswehr-Generalitaet
unbequem geworden war, entmachtet und ihre Fuehrer ermordet
wurden, uebernahm die bis dahin zweitrangige SS die
Organisierung der KZ's.
Unter der Regie der SS wurden die KZ's zu einem System
entwickelt, dass weit ueber die Terrorisierung der NS-
GegnerInnen hinausging.
Wurden zu Beginn fast ausschliesslich politisch Verdaechtige
in den Lagern inhaftiert, so kamen ab 1934 verstaerkt
sogenannte "Kriminelle" und "Arbeitsscheue", Homosexuelle,
Angehoerige unerwuenschter Randgruppen wie Sinti und Roma,
Schausteller, Landstreicher hinzu.
Deutschland sollte von solchen Menschen "gesaeubert werden".
Die Einlieferung von JuedInnen in die Lager hatte zu Anfang
geringere Ausmasse, da es zuerst in der Hauptsache um die
Entrechtung und buerokratische Vorbereitung zur Vernichtung
ging.Die Massenverschleppung von Juden und Juedinnen begann
im Maerz 1938 nach dem Einmarsch in Oesterreich und nahm dann
immer schlimmere Formen an, die in den Massenmorden der
"Endloesung" endeten.
In den Konzentrationslagern wurden in 12 Jahren 18 Millionen
Menschen gepeinigt und ausgebeutet.
Fuer 11 Millionen Menschen gab es keine Rueckkehr in die
Freiheit. Sie wurden vergast, erschlagen , erhaengt oder
erschossen.
Entwicklung des KZ Buchenwald
Im Zusammenhang mit der Zentralisierung des Systems der KZ's
entstand im Juli 1937 in unmittelbarer Naehe Weimars in
Thueringen das Konzentrationslager Buchenwald.
Kleinere Lager wurden zugunsten groesserer Lager aufgeloest.
Buchenwald war nach dem 1933 errichteten KZ Dachau und dem
1936 geschaffenen KZ Sachsenhausen das 3. grosse Lager im
Deutschen Reich.
Bei der Auswahl des Standortes Ettersberg/Weimar fuer das KZ
Buchenwald waren folgende Ueberlegungen der Nazis
entscheidend:
Seit den 20er Jahren hatte die Nazibewegung in Thueringen
einen staendigen Aufschwung erlebt. Nach Errichtung der
faschistischen Diktatur wurde Weimar "Gauhauptstadt", Sitz
des Reichstatthalters und der Thueringer Gestapo. Ein KZ in
Thueringen kam den Plaenen der Nazis entgegen, in der Naehe
Weimars starke SS-Verbaende zu stationieren. Aus
militaerstrategischen Gruenden war die Lage Thueringens in der
Mitte Deutschlands fuer die Fuehrung des Terrorapparates von
grosser Bedeutung.
Das neue Lager sollte "den Beduerfnissen des Krieges in
erhoehtem Masse" Rechnung tragen. Dazu gehoerten auch die
Ueberlegungen, die KZ-Haeftlinge in der nahe gelegenen
Ruestungsproduktion, wie z.B. in den Gustloff-Werken
einzusetzen.
Nicht unwesentlich waren auch die Erfahrungen aus der
Weimarer Republik mit einer gut organisierten, kaempferischen
Arbeiterbewegung in "Mitteldeutschland", die es fuer die
Nazis zu zerschlagen galt.
Nach den Plaenen der Nazis sollten in Buchenwald mindestens
8000 Haeftlinge untergebracht werden und im Zuge dieser
Massnahme 13000 Mann Bewachungspersonal dort stationiert
werden.
Mit den ersten Haeftlingstransporten , die fast
ausschliesslich aus politischen Gegnern der Nazis bestanden,
begann im Juli 1937 die besonders grausame Aufbauphase des
Lagers, die bis 1939 andauerte.
Unter unmenschlichen Muehen, bei 14-16 stuendiger schwerster
koerperlicher Arbeit, weitgehend ohne technische Hilfsmittel,
mussten die Haeftlinge das Lagergelaende roden, die Baracken,
Kasernen, Verwaltungsgebaeude und Fuehrervillen aufbauen -
immer von den SS-Schergen angetrieben, geschlagen und
geschunden.
Ab 1938 aenderte sich das Lagerbild im Hinblick auf die
Haeftlingszusammensetzung entscheidend:
Waehrend im ersten Jahr, vorwiegend politische Gegner der
Nazis, in Buchenwald interniert waren, aenderte sich im Laufe
der Vorkriegszeit die Haeftlingszusammensetzung durch
gezielte Massenverschleppung mehrfach. Zunaechst durch die
Einlieferung der heterogen zusammengesetzten Gruppe der
"Asozialen" im Rahmen der Aktion "Arbeitsscheu Reich" im
Fruehjahr 1938.
Nach der Reichspogromnacht im November 1938 erfolgte die
Verschleppung Tausender BuergerInnen juedischer Herkunft und
juedischen Glaubens, zum damaligen Zeitpunkt noch mit dem
Ziel, die forcierte Vertreibung der juedischen Bevoelkerung zu
erzwingen.
Mit der Entfesselung des Krieges durch Hitlerdeutschland
nahm die Einlieferung auslaendischer Haeftlinge immer mehr zu.
Nachdem bereits im September 1938 Haeftlinge aus dem
annektierten Oesterreich nach Buchenwald gebracht worden
waren, folgten im Herbst 1939 Transporte von Tschechen,
Polen und ab Mitte 1940 von Niederlaendern und Franzosen .
Nach Kriegsbeginn ging die SS zu systematischen
Massenmordaktionen an Polen und aus Wien stammenden
juedischen Haeftlingen ueber.
Nach dem Ueberfall Hitlers auf die Sowjetunion im Juni 1941
kamen ueber 2000 sowjetische Kriegsgefangene ins Lager. Die
sowjetischen Haeftlinge waren besonders heftigen Schikanen
durch die SS ausgesetzt. Eine Kontaktaufnahme zu diesen
Gefangenen war den anderen Haeftlingen streng untersagt
worden, das Bild vom "russischen Untermenschen" sollte auch
im Lager durchgesetzt werden. Die Haeftlinge widersetzten
sich diesem Befehl, indem sie die sowjetischen Gefangenen
mit Lebensmitteln, Zigaretten etc. versorgten. Mit dieser
Solidaritaetsaktion, die nicht unbestraft blieb, setzte die
illegale Widerstandsorganisation und viele Buchenwalder
Haeftlinge ein sichtbares Zeichen der Solidaritaet und der
Menschlichkeit.
Die Jahre 1942 bis 1945 sind gekennzeichnet durch den
sprunghaften Anstieg der Haeftlingszahlen. Das KZ entwickelte
sich mehr und mehr zum Durchgangslager. Grosse im Lager
eintreffende Transporte auslaendischer Gefangener wurden
unmittelbar in den Aussenkommandos zur Zwangsarbeit
eingesetzt.
Durch die riesigen Verluste der faschistischen Wehrmacht an
der deutsch-sowjetischen Front und den wachsenden Widerstand
in den besetzten Gebieten, waren die Nazis gezwungen, alle
materiellen Potenzen und alle verfuegbaren Arbeitskraefte fuer
die Ruestungsproduktion einzusetzen. Hatten die Nazis bisher
aus der begruendeten Furcht vor Sabotage nicht in grossem Stil
KZ-Haeftlinge in der Ruestungsindustrie beschaeftigt, so
aenderte sich dies ab spaetestens 1941 grundlegend.
Mit der Ueberfuehrung von Tausenden Haeftlingen in die
Ruestungsbetriebe wurde die faschistische Methode
"Vernichtung durch Arbeit" auch in Buchenwald zum
Hauptmittel des Terrors.
"Vernichtung durch Arbeit"
Seit der Gruendung des Konzentrationslagers Buchenwald
spielte die Zwangsarbeit bei der psychischen und physischen
Vernichtung der Haeftlinge eine vorrangige Rolle.
In der Phase von 1934 - 1941 diente die Zwangsarbeit in
erster Linie dem Aufbau der Lager selbst und war darueber
hinaus ein Mittel der Schikane und Misshandlung, um die Wuerde
und den Widerstandswillen der Haeftlinge zu brechen.
Ab 1941 bekamen die Konzentrationslager zunehmend die
Aufgabe, die Arbeitskraft der Gefangenen gewinnbringend
auszubeuten.
Ab 1943 begann der Grosseinsatz von Buchenwaldhaeftlingen in
den Ruestungsbetrieben "Mittel- und Westdeutschlands".
Die KZ's wurden zu Staetten des geplanten, systematischen
Massenmordes und zum Arbeitskraeftereservoir der deutschen
Grossindustrie.
Hunderttausende Haeftlinge wurden von der SS an die
Ruestungsindustrie und Grosskonzerne verpachtet.
Flick, Krupp und Thyssen, die IG-Farben, die Elektrokonzerne
Siemens und AEG gehoerten zu den groessten Geldgebern Hitlers.
Mit grossen Ruestungsauftraegen, hohen Dividenden, der
Bereitstellung von Arbeitskraeften aus den
Konzentrationslagern, mit der blutigen Niederhaltung der
deutschen ArbeiterInnenklasse diente der Faschismus seinen
Auftraggebern.
Die IG Farben beschaeftigte in ihren Betrieben Tausende KZ-
Haeftlinge. Ihre Ausbeutung trug zur ausserordentlichen
Steigerung der Gewinne bei.
1932 = 48 Mill. Mark Gewinn
1937 = 231 Mill. Mark Gewinn
1943 = 822 Mill. Mark Gewinn
Sklaven fuer Flick und Krupp, IG Farben und Stinnes, fuer
hunderte deutscher Konzerne waren die sogenannten
"Schutzhaeftlinge". Aus der unbezahlten Arbeit von 14 - 16
Stunden pro Tag, die die SS-Antreiber aus ihnen
herauspeitschten, wurden Milliarden an Gewinnen fuer die
Betreiber der Sklavenfabriken gezogen.
In Buchenwald schufteten die Haeftlinge z.B. fuer Friedrich
Flick, den reichsten Mann Deutschlands sowie fuer den Krupp-
Konzern.
1944 erhielt die SS fuer die Vermietung der Haeftlinge aus dem
KZ Buchenwald 60.624.229,70 Mark! Diese Gelder mussten an den
"Reichsrechnungshof" abgefuehrt werden und flossen auf diesem
Weg als Investitionen an die Konzerne zurueck.
Fuer die SS-eigenen Konzerne legte Himmler ein Tarif von RM
1,50 bis 0,30 fuer die Arbeit eines Haeftlings fest. Auf diese
Weise ergaunerte sich die SS-Fuehrung hohe Ueberschuesse.
Das KZ Buchenwald wurde zum Durchgangslager fuer
Massentransporte von Menschen fast aller europaeischer
Nationen.
In den Aussenkommandos mussten sie bis zum koerperlichen und
geistigen Zusammenbruch arbeiten.
Genuegte die Arbeitsleistung eines Haeftlings nicht mehr,
forderten die Konzerne Ersatz. Der/die Arbeitsunfaehige kam
zurueck nach Buchenwald. Der letzte Weg fuehrte dann fast
ausnahmslos ins Krematorium.
Seit Herbst 1944 steigerte sich die Zahl der Opfer um ein
Vielfaches.
Das Konzept hiess: Arbeit bis zur physischen Vernichtung -
hier trafen sich die Interessen der SS und der deutschen
Grossindustrie in einem fuer Zehntausende von Haeftlingen
toedlichem Pakt.
Die Aussenkommandos
136 Aussenkommandos gehoerten zum KZ Buchenwald. Hinter diesem
Begriff verbergen sich zumeist Sklavenlager mit Buchenwald-
Haeftlingen, die weitab von Weimar fuer deutsche Konzerne
schufteten. In Buchenwald waren ueber 100 Konzerne an der
Ausbeutung der Haeftlinge in den Aussenlagern beteiligt.
Mit das Grauenhafteste war das unterirdische Lager, das
unter der Tarnbezeichnung "Dora" gefuehrt wurde. Dieses im
Gebirgsstollen im Harz bei Nordhausen gelegene
Aussenkommando, unverwundbar durch gegnerische
Bombardierungen, wurde genutzt fuer die Produktion der
"Geheimwaffen" Hitlers, mit denen England vernichtet werden
sollte.
Die Haeftlinge mussten 12 Stunden im Schacht arbeiten und
kamen wochenlang nicht ans Tageslicht. Sie galten als
"Geheimnistraeger" und waren dem Tode bestimmt. Tausende von
Gefangenen wurden im wahrsten Sinne des Wortes
"verschrottet"; alle paar Wochen musste ein neuer Transport
aus Buchenwald nach "Dora" geschickt werden, um die bereits
toten Arbeitskraefte zu ersetzen.
Selbst unter diesen unmenschlichen Arbeits- und
Lebensbedingungen setzten Haeftlinge ihren Kampf fort und
sabotierten die Produktion. Viele nach England abgeschossene
V-Waffen waren Blindgaenger oder stuerzten vorher ab.
Seit Herbst 1944 unterstanden dem KZ auch
Frauenaussenkommandos aus dem Frauenkonzentrationslager
Ravensbrueck. Ueber 20.000 Frauen vieler Nationalitaeten waren
in diesen Kommandos aehnlich extremen Bedingungen wie in den
Maennerlagern ausgesetzt. Welche den physischen und
psychischen Tortouren nicht standhielt, der drohte die
Vernichtung. Unter den Frauen befanden sich Tausende
ungarischer Juedinnen und Polinnen. Sie mussten in den Werken
der Hugo-Schneider-AG, bei Krupp und bei Dynamit Nobel fuer
die Fortsetzung des verbrecherischen Krieges schuften.
Widerstand im KZ Buchenwald
Gegenseitige Hilfe und menschliche Solidaritaet waren die
elementaren Aeusserungen des Widerstandes gegen die SS. In der
Bereitschaft einander beizustehen, anderen zu helfen und
untereinander zu teilen, fanden Menschen vieler Nationen,
unterschiedlicher politischer , sozialer und religioeser
Praegung eine gemeinsame Sprache.
Taeglich musste sich diese Haltung im unmenschlichen
Lageralltag neu bewaehren, staendig bedroht durch den Terror
und die Spaltungsversuche der SS.
Der Widerstand fing mit dem Willen zur Selbstbehauptung an,
mit dem Willen, durchzustehen. Und: dem Willen, nicht auf
Kosten anderer zu existieren, nicht als Brotdieb und nicht
als Henkersknecht fuer die SS.
Das internationale Lagerkomitee (ILK)
Seit den ersten Haeftlingstransporten 1937 begannen
vornehmlich deutsche Kommunisten damit, ein Fundament zum
Aufbau eines engmaschigen, stabilen Netzes illegaler
Verbindungen, dass spaeter Antifaschisten verschiedenster
Nationen umfasste, zu legen.
Die vordringlichsten Aufgaben in der Aufbauphase waren:
Genossen sammeln, Kontakte herstellen. Dies konnte unter den
Verhaeltnissen eines Aufbaulagers nur ein langandauernder und
komplizierter Prozess sein.
Die von der SS gewollte politische und menschliche
Isolierung musste durch politische Arbeit und organisierte
Solidaritaet gebrochen werden, um den Kampfeswillen und den
Mut der Genossen zu staerken.
In der Aufbauphase ging es ausserdem um die Verbesserung der
Haftbedingungen. Dazu zaehlte neben der gegenseitigen
Unterstuetzung und der Vermittlung von Verhaltensweisen
gegenueber der SS, den starken Einfluss der "Gruenen"
(Kriminelle gefangenen in der Lagersprache) zu verringern
und der Kampf um Lagerpositionen sowie die Sabotage der SS-
Befehle.
Die skizzierten Aufgaben waren nur in ihrer Einheit loesbar.
Das faschistische Herrschaftssystem trat den Antifaschisten
im Lager in der konkreten Gestalt der SS gegenueber. Der
Kampf gegen die SS war nicht nur Ausdruck einer "Ueberlebens-
und Abwartepolitik", sondern vielmehr ging es auch darum,
unter den grausamsten Bedingungen des KZ mit den hier zur
Verfuegung stehenden Mitteln zum Sturz des Faschismus
beizutragen.
Im Konzentrationslager Buchenwald bildeten Kommunisten den
Kern dieser illegalen antifaschistischen Kampfgemeinschaft.
aus einem Bericht zur Geschichte der KPD Im KZ-Buchenwald, 1945:
" Unter den ersten politischen Haeftlingen, die im Juli und
August 1937 aus den Konzentrationslagern Lichtenburg,
Sachsenburg und Sachsenhausen in Buchenwald eintrafen,
befand sich eine Reihe von Mitgliedern der Kommunistischen
Partei Deutschlands. Sie begannen unmittelbar mit dem Aufbau
von Gruppen der KPD. Bei Einhaltung strengster konspirativer
Regeln schlossen sich die Mitglieder der Partei in Gruppen
von drei bis fuenf Mitgliedern nach Staedten und Laendern
zusammen. Ihre erste politische Taetigkeit im Lager
konzentrierte sich auf die Hilfe fuer kranke und aeltere
Antifaschisten, den Erfahrungsaustausch beim Kampf gegen die
SS und ihre Helfershelfer, die "Gruenen". An der Spitze der
ersten in Buchenwald gebildeten Parteigruppen standen
langjaehrige bekannte Funktionaere: Walter Stoecker, Theodor
Neubauer und Albert Kuntz."
Vertreter von neun kommunistischen Parteien gruendeten im
Sommer 1943 das illegale internationale Lagerkommitee.
Sabotage in der Ruestungsproduktion
Die Sabotage der NS-Ruestungsproduktion war unter den
Bedingungen der moerderischen Ausbeutung und des Terrors
sowohl Ausdruck der Kampfbereitschaft und des Lebenswillen
vieler (organisierter) Haeftlinge, als auch ihr unmittelbarer
persoenlicher Beitrag zur Beendigung des Krieges und zum
Sturz des Faschismus.
Die Formen der Stoerung und Sabotage waren vielfaeltig: Neben
dem Beschaedigen von Waffen, Kriegsgeraeten und Maschinen
brachte auch das langsame Arbeiten beachtliche Erfolge.
Von Anfang an war es das Bestreben der Haeftlinge in
verantwortlichen Position, die z.B. als Kapos, Vorarbeiter
oder Ingenieure eingesetzt worden waren, die Sabotagearbeit
systematisch zu steuern. Einzelaktionen, die drohten, leicht
aufgedeckt zu werden, wurden verworfen.
Jedes beschaedigte Gewehr, jedes defekte Fahrzeug war ein
Sieg der WiderstandskaempferInnen ueber die Faschisten und
eine Tat, die den Tag der Freiheit naeher brachte.
Militaerische Vorbereitung
Die Befreiung auch mit bewaffneten Aktionen zu erzwingen,
war das Bestreben der Widerstandskaempfer.
Die illegale Leitung der KPD im Lager beschloss bereits im
Sommer 1942 die Bildung einer Militaerorganisation fuer den
bewaffneten Aufstand. Zu diesem Zeitpunkt hatte die
Hitlerarmee fast ganz Europa vom Atlantik bis Stalingrad und
von Narvik bis Tunesien besetzt.
Unter Einsatz ihres Lebens und der permanenten Gefahr vor
Entdeckung begannen die organisierten Haeftlinge in muehsamer
Kleinstarbeit ueber Jahre auf den Zeitpunkt der
Selbstbefreiung vom Terror der SS hinzuarbeiten.
Aus dem Bericht eines ehemaligen Haeftlings:
"Es war im Jahre 1942, als ich die erste Diskussion mit
Albert Kuntz ueber Beschaffung von Waffen hatte. Nachdem mit
anderen Funktionaeren der Widerstandsbewegung die
Angelegenheit durchgesprochen war und man Zeitpunkt nicht
mehr als verfrueht betrachtete, gingen wir zur praktischen
Durchfuehrung ueber. Ich hatte Verbindung zu dem
oesterreichischem Kameraden Franz Bera, welcher in der
Waffenkammer der Kommandantur beschaeftigt war. Franz fing
dann an, Umschau zu halten, und brachte es auch bald fertig,
zwei Pistolen 08 verschwinden zu lassen. Ich war zu dieser
Zeit in der Fuehrerkueche beschaeftigt und hatte so die
Moeglichkeit, die bereitgestellten Pistolen bei ihm abzuholen
und sie nach einigen Tagen durch das Tor zu schaffen.
Pistolen und Munition wurden (...) unter allerhand
Schwierigkeiten in den Heizungsschacht zwischen Heizung und
Kueche eingemauert."
In enger Zusammenarbeit mit den nationalen
Widerstandskommitees wurden militaerische Kader erfasst,
Waffen beschafft, die Moeglichkeiten einer Befreiungsaktion
geprueft , Plaene fuer einen Aufstand ausgearbeitet und Stueck
fuer Stueck der Aufbau der internationalen Militaerorganisation
vorangetrieben.
Bis 1944 entstanden 11 nationale Kampfkader. Diese
militaerischen Sektionen wurden spaeter in 4 Sektoren
zusammengefasst. Im Maerz 1945 betrug die Gesamtstaerke 188
Gruppen mit ueber 900 Kaempfern.
Die wichtigsten Quellen fuer deren Beschaffung waren die
Gewehr- und Pistolenproduktion der Gustloff-Werke, wo viele
der Haeftlinge als Arbeitssklaven eingesetzt wurden.
Einzelteile und komplette Karabiner wurden ins Lager
geschmuggelt, wo sie von Haeftlingen zu Waffen
zusammengesetzt wurden.
Da das ILK viele Leute mit viel Geschick in
verantwortlichen Positionen gebracht hatte, konnten diese
Massnahmen treffen, wie z.B. die, dass Angehoerige der
Militaergruppen in die gleichen Baracken oder die gleichen
Arbeitskommandos eingeteilt wurden, um so jederzeit
"mobilisierbar" zu sein. Wie in anderen Lagern gab es auch
in Buchenwald eine "Haeftlingspolizei", die haeufig aus
Totschlaegern und Handlangern der Faschisten bestanden. In
Buchenwald entwickelte sich der Lagerschutz allerdings zur
Tarnorganisation der IMO .
Von der SS unbemerkt gelang es der IMO so, sich staendig
weiter zu formieren.
Die Befreiung
Anfang April 1945 fand die Auseinandersetzung zwischen der
SS und der illegalen Widerstandsorganisation ihre
dramatische Zuspitzung. Als die 3. US-Armee unter General
Patton nach Thueringen vorstiess, befahl Himmler die
Evakuierung des Lagers.
Aus dem Bericht eines Lagerhaeftlings:
"Als im Maerz die alliierten Armeen von Osten und Westen
immer tiefer in das Reichsgebiet eindrangen, steigerten sich
Ungeduld und Erwartung. In allen Baracken (...) wurde nur
noch eine Frage diskutiert: Was wird aus uns? Werden sie
versuchen uns zu evakuieren, zu liquidieren?
Wir hatten inzwischen von den nach Buchenwald gekommenen
Auschwitzer und Lubliner Kameraden erfahren, was die
Evakuierung eines grossen Konzentrationslagers bedeutet:
Weniger als die Haelfte der von dort evakuierten hatte lebend
das Lager Buchenwald erreicht. Die anderen wurden, auf
langen Fussmaerschen schwach geworden, von den begleitenden SS-
Mannschaften, Volkssturm- und Hitlerjugendmannschaften am
Strassenrand durch Genickschuss "erledigt". In den
Strassengraeben lagen die Leichen der ermordeten evakuierten
Haeftlinge und saeumten zu hunderten und Tausenden die
Marschstrassen der Evakuierten. Andere waren in
verschlossenen Viehwagen in wochenlanger Fahrt verdurstet,
verhungert oder erstickt und kamen nur noch als Leichen in
Buchenwald an.
Wir zogen als Buchenwalder Antifaschisten die einzig
moegliche Schlussfolgerung:
Wir lassen uns nicht evakuieren !"
Mit dem Beschluss, sich den "Todesmaerschen" zu verweigern
begann die Phase der Selbstbefreiung des KZ Buchenwalds.
Auf Anweisung des Kommandanten sollten von der Evakuierung
zuerst die juedischen Haeftlinge betroffen sein. Diese Absicht
konnte durch das solidarische Verhalten der Antifaschisten
teilweise verhindert werden.
aus einem Bericht des ehemaligen Haeftlings E. Carlebach:
"Hans Eiden, unser mutigster Lageraeltster, erreichte von der
SS einen Aufschub der Evakuierung bis zum naechsten Morgen.
In dieser Nacht verteilten sich Tausende juedischer Haeftlinge
auf andere Blocks, sie rissen auf Anweisung der illegalen
Widerstandsorganisation den Judenstern ab, und die
Blockaeltsten vernichteten ihre Karteikarten.(...).Die am
meisten gefaehrdeten wurden versteckt, so verbarg mich mein
Kamerad (...) unter dem Holzfussboden seiner Baracke, spaeter
erhielt ich die Haeftlingsnummer eines franzoesischen
Kameraden und wurde der SS als "verstorben" gemeldet. Am 5.
April fanden die SS-Wachen die Judenblocks leer, waehrend die
anderen Baracken eine unkontrollierbare Ueberbelegung
aufwiesen."
In den letzten Tagen vor der Befreiung schickte die SS immer
wieder Tausende Haeftlinge auf Todesmaersche. 46 bekannte
Gefangene, die auf der Todesliste standen, weil die SS sie
der Leitung des Widerstandes zurechnete, konnten unter dem
Schutz der internationalen Haeftlingsgemeinschaft versteckt
und so gerettet werden.
Der feste solidarische Zusammenhalt, das Bestehen einer
internationalen Organisation und das Wissen , nicht wehrlos
zu sein, gaben den Buchenwalder Antifaschisten in den ersten
Apriltagen den Mut, die Ausfuehrung von Befehlen der SS offen
zu verweigern.
Am 11. April nutzten die bewaffneten Kampfgruppen der
Haeftlinge den Angriff amerikanischer Panzerspitzen fuer die
Befreiungsaktion. Bewaffnete Haeftlinge besetzten das Lager
und nahmen mehr als 73 Bewacher und Wehrmachtsangehoerige
fest.
21 000 Ueberlebende aus den verschiedensten europaeischen
Laendern schworen am 19. April 1945 auf dem Appellplatz vor
dem Bunker des KZ-Buchenwald, dass sie den Kampf gegen den
Nazismus fortsetzen, fuer eine Welt des Friedens und der
Freiheit. Hier entstand der in aller Welt gehoerte und von
vielen Menschen aufgenommene "Schwur von Buchenwald".
50 Jahre nach dem Ende der faschistischen Herrschaft
> 5 Jahre nach der Annexion der DDR
> Ein kurzer Zwischenbericht ueber das Land der Taeter
Am 8. Mai dieses Jahres jaehrt sich zum 50. Mal die
militaerische Niederschlagung des Faschismus. Als "Tag der
Befreiung" wird der 8. Mai 1995 hierzulande keine Rolle mehr
spielen. Dieses Jahr soll endlich zum Abschluss kommen, woran
so lange gearbeitet wurde: die Historisierung
(Verwissenschaftlichung, Versachlichung, Normalisierung) des
Nationalsozialismus, und die sich daraus ergebende
Relativierung, die benoetigt wird, um die endgueltige
Beseitigung zukunftsbelastender deutscher Schuld zu
vollbringen.
Damit steht dann nichts mehr der Bezugnahme auf die
"positiven" Merkmale und Ziele des NS- Staates und deren
praktische Umsetzung, wenn auch in "modernisierter" Form- im
Weg.
Bereits 1991 gab der Herausgeber der liberalen
Wirtschaftswoche, Engels, einen kleinen Vorgeschmack auf
das, was die Perspektive deutscher Politik ist, in dem er
ueber die scheinbaren Vorzuege nationalsozialistischer
Oekonomie schrieb. Er forderte den Bruch des "Tabus der
Nazizeit", denn "die Wirtschaftsgeschichte der Nazizeit ist
von ganz besonderem Interesse... Die Wachstumsrate des
realen Sozialprodukts lag bei knapp 10%. Diese Zahlen sind
aufregend." Im Zuge der Diskussion um die sogenannte
Standortsicherung in Deutschland fragte er: "Koennen wir auf
Erfolgsrezepte nur deshalb verzichten, weil Adolf Hitler sie
angewandt hat?"
Dass es bei Vorueberlegungen dieser Art nicht geblieben ist,
wird konkret deutlich bei der Betrachtung deutscher
Aussenpolitik, die bestimmt ist durch voelkischen
Nationalismus und militaerischen Groessenwahn.
Dem Festhalten an der biologistischen deutschen Definition
von Staatsbuergerschaft und "Selbstbestimmungsrecht" folgt
die politische Konsequenz der ethnischen Destabilisierung
Osteuropas mit gleichzeitiger Vorbereitung militaerischer
Einsaetze, um als "Ordnungsmacht" wieder aufzuraeumen.
Dass die europaeische Union den deutschen Vorstellungen bei
der "Eingliederung der mittelosteuropaeischen Nachbarn" Folge
zu leisten hat, wird in Schaeubles Drohung mit dem deutschen
Sonderweg deutlich: "Ohne eine solche Weiterentwicklung der
(west-) europaeischen Integration koennte Deutschland
aufgefordert werden oder aus eigenen Sicherheitszwaengen
versucht sein, die Stabilisierung des oestlichen Europa
alleine und in der traditionellen Weise zu bewerkstelligen."
Deutschland ist auf dem Weg zur europaeischen Fuehrungsmacht,
auch wenn nicht alle Klartext reden. Die Argumentation-
gerade wegen Auschwitz und der sich daraus ergebenden
historischen Verantwortung muesse Deutschland intervenieren
und die "Menschenrechte" sichern helfen- laeuft aufs selbige
hinaus.
Die vorlaeufige aussenpolitische Bilanz nach nur sehr kurzer
Zeit der politischen und militaerischen Souveraenitaet ist
erschreckend:
erfolgreich wurde die Zerschlagung der Sowjetunion und
Jugoslawiens in einander bekaempfende voelkische Gruppen
forciert, wobei nicht vergessen wurde, das Feindbild ueber
Serbien neuaufzulegen und die Gelegenheit genutzt wurde,
eine aktualisierte russische "Bedrohung" zu konstruieren.
Die Erweiterung des deutschen Einflusses in internationalen
Organisationen (UNO-Einsaetze, Sitz im Welt- Sicherheitsrat)
konnte ebenfalls durchgesetzt werden.
Wenn es in dem Tempo und im deutschen Sinne weiter geht,
wird die Frage, "ob der Verzicht Deutschlands auf Atomwaffen
fuer alle Zukunft gilt" (Arnulf Baring) in nicht allzu weiter
Ferne mit `nein!` beantwortet werden. ...
Konsequenterweise wird der Tag der wirklichen Befreiung auf
den 3. Oktober 1990 datiert. Der Tag, an dem der Abzug der
Alliierten und die damit verbundene Option auf eine Rueckkehr
zu Geopolitik und deutschem Sonderweg sichergestellt war.
Auch im Inneren wurden kurz nach der Aufloesung der DDR die
Weichen gestellt. Gewalttaetigkeiten faschistischer Banden
gegenueber AuslaenderInnen wurden stimuliert. Die Reaktionen
der deutschen Bevoelkerung uebertrafen die Erwartungen. Nicht
nur, dass ein Teil begeistert eingriff, sondern, dass es
insgesamt kaum zu nennenswertem Widerstand kam, war das
Ergebnis.
Rassistische Pogrome und antisemitische Anschlaege sind
mittlerweile zur Alltaeglichkeit geworden. Die Abschiebungen
von Fluechtlingen in Folter und Tod gelten als normal und
sind nicht mehr der Rede wert.
Die Grundlage fuer die Wiederaufnahme revanchistischer
Grossmachtpolitik und fuer antisemitische und rassistische
Angriffe bildet der deutsche Geschichtsrevisionismus, der zu
keinem Zeitpunkt nur ein Streit ueber die Interpretation der
Geschichte war, sondern immer ein Streit ueber gegenwaertige
und zukuenftige Politik.
Denn ueber die Zukunft entscheidet, "wer die Erinnerung
fuellt, die Begriffe praegt und die Vergangenheit deutet",
prophezeite Kanzlerberater Michael Stuermer.
Die Totalitarismus- Theorie
Die Totalitarismus- Theorie ist die ideologische Basis des
Geschichtsrevisionismus und soll deswegen vorweg kurz
erlaeutert werden..
Der zentrale Inhalt dieser "Analyse" ist das Gleichsetzen
faschistischer und sozialistischer Systeme. Nach Zielen und
Inhalt politischer Systeme oder der Motivation politisch
Handelnder wird nicht gefragt, es bleibt bei Untersuchungen
ueber die Form- meist die der Unterdrueckung/ Repression-
stehen.
In Politik und Wissenschaft hat die Totalitarismus-Theorie
fast schon Ausschliesslichkeitsanspruch.
Wie erfolgreich die dadurch moegliche ideologische
Beeinflussung der Gesellschaft war, findet ihren Ausdruck in
den alltaeglichen Denkmustern. So werden z.B.
antifaschistische Aktionen ueber den staatskonformen
Gewaltbegriff von den Medien be- und verurteilt und mit
rassistischen oder faschistischen Aktivitaeten gleichgesetzt.
Geschichtsrevisionismus - "Wir machen den Weg frei!"
Worum es geht, ist die Rehabilitierung des
Nationalsozialismus, nicht etwa die der Opfer, sondern die
der Eliten, die ihn trugen und der breiten Masse , die sich
ihm begeistert anschloss.
Das, was in den Schreibstuben von einigen konservativen
Historikern Mitte der 80er begann, und damals zumindest
auf scharfe Kritik von Seiten der Fachkollegen stiess, wird
laengst von VertreterInnen aller Parteien propagiert, nichts
anderes ist der gesamten buergerlichen Presse zu entnehmen
und die deutsche Oeffentlichkeit ist erleichtert, geht es
doch darum, endgueltig mit der Geschichte ins reine zu
kommen.
Die Historikerdebatte
Die Kontroverse der sog. Fachwelt ist als Startschuss fuer
die umfassende Revision der Geschichte zu betrachten.
Ausgeloest wurde sie durch einen Artikel von Ernst Nolte,
der 1986 in der FAZ unter dem Titel "Vergangenheit, die
nicht vergehen will" erschien. Der angesehene Historiker
stellte darin die Frage, ob der Holocaust als eine Reaktion
auf die Taten des "Sowjetkommunismus" zu sehen sei: "War
nicht der Klassenmord der Bolschewisten das logische und
faktische Prius des Rassenmord der Nationalsozialisten?
(...)
Eine weitere These Noltes war die, dass die
nationalsozialistische Bewegung die angebliche
Vernichtungspraxis der Bolschewiken nur zu imitieren bzw. zu
uebertreffen versucht hat. Daraus ergab sich fuer Nolte die
Schlussfolgerung, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus
durchaus mit anderen Voelkerrechtsverbrechen zu vergleichen
sei.
Auch wenn Nolte der erste war, der die Einzigartigkeit des
Nationalsozialismus in Frage stellte, blieb er keinesfalls
auch der letzte. Die Saat ging einigen Herren nicht schnell
genug auf.
Joachim Fest, Mitherausgeber der FAZ, bedauerte ein
Vierteljahr nach der Veroeffentlichung von Noltes Thesen,
"dass die Oeffentlichkeit allen Ermunterungen von
publizistischer und wissenschaftlicher Seite zum trotz, aus
dem Schatten, den Hitler und die unter ihm veruebten
Verbrechen geworfen haben, noch lange nicht herausgetreten
ist und unvermeidlicher Weise faellt dieser Schatten nach wie
vor ueber alle ernsthaften Versuche historischer Eroerterungen
und Analyse."
Andreas Hillgruber, ein weiterer rechts-konservativer
Historiker, der an der Debatte beteiligt war, griff
forcierend ein, in dem er u.a. die konkrete Forderung nach
einer Identifikation mit den "deutschen Vertriebenen" und
den "opferreichen Anstrengungen des deutschen Ostheeres"
aufstellte. Dessen Aufgabe war naemlich, so Hillgruber, die
Bevoelkerung des deutschen Ostens vor den
"Massenvergewaltigungen, Morden und Deportationen" der Roten
Armee zu retten und die Flucht Richtung Westen zu
ermoeglichen.
1987 uebernahm der Nolte-Schueler Rainer Zitelmann die neue
Hauptrolle in der Debatte. In dem Jahr veroeffentlichte der
Klett- Cotta- Verlag seine Dissertation, die den Titel
traegt: "Hitler. Selbstverstaendnis eines Revolutionaers".
Darin bearbeitet Zitelmann aus verschiedenen schriftlichen
Aufzeichnungen von und ueber Hitler- egal welcher Herkunft-
das Denksystem des "NS- Diktators", mit dem Interesse,
Hitler als Revolutionaer seiner Zeitepoche darzustellen.
In seiner 5jaehrigen Taetigkeit am Zentralinstitut fuer
sozialwissenschaftliche Forschung der FU Berlin wurde
Zitelmann zur Kristallisationsfigur einer Gruppe junger
Revisionisten. Gemeinsam geben sie 1990/91 umfangreiche
Sammelwerke zum Thema Historisierung und Modernisierung des
Nationalsozialismus heraus.
Zitelmanns Hauptthese lautet, dass der Nationalsozialismus
eine Modernisierung der deutschen Gesellschaft bewirkt habe,
die das beabsichtigte Resultat einer an sich
rueckwaertsgewandten "Blut- und Boden"- Ideologie gewesen sei.
Die zentralen Ziele Hitlers und der Mehrheit der NS-
Fuehrungsschicht seien "Chanchengleichheit, Wohlstand und
Sozialstaatlichkeit " gewesen.
Modernisierungs- und Revolutionsbegriff werden bei
Zitelmann von politischen und sozialen
Emanzipationsvorstellungen abgespalten und auf
sozialtechnischen "Fortschritt" reduziert.
Die Historikerdebatte hat den Weg fuer eine umfassende
Revision der Geschichte geebnet.
Seit der Annexion der DDR vollzieht sich auf politischer und
gesellschaftlicher Ebene eine Weiterfuehrung des
Geschichtsrevisionismus, dessen Inhalt eine neue Stufe in
der Relativierung des Nationalsozialismus darstellt.
An der Neukonzeption fuer KZ- Mahn- und Gedenkstaetten in der
ehem. DDR konkretisiert sich eine Entkriminalisierung des
Nationalsozialismus unter anderem dadurch, dass auf dem
Gelaende der ehemaligen Konzentrationslager gleichzeitig der
Opfer des Faschismus und der dort nach der Befreiung von
faschistischer Herrschaft in sowjetischen
Internierungslagern Inhaftierten gedacht wird.
Zur Umgestaltung der Mahn- und Gedenkstaetten in der ehem.
DDR am Beispiel Buchenwald
1958 wurde auf dem ehemaligen KZ- Gelaende die Mahn- und
Gedenkstaette Buchenwald mit einer historischen Ausstellung
und dem ersten antifaschistischen Mahnmal auf deutschem
Boden von der DDR errichtet.
Gewidmet war sie ausschliesslich der Geschichte des KZ
Buchenwald und den Opfern des Nationalsozialismus.
Nach der Annexion der DDR wurde schnellstmoeglich mit der
Demontage der DDR- Ausstellung in der Gedenkstaette begonnen,
sowie mit der Erarbeitung neuer Konzepte. Zu diesem Zwecke
wurde eine "Expertenkommission" einberufen.
Buchenwald wurde zwischen 1945 und 1950 als
Internierungslager fuer Nazi- und Kriegsverbrecher von der
Sowjetunion zur Entnazifizierung genutzt. Die
Internierungslager, die auch in den westlichen
Besatzungszonen auf Gelaenden ehemaliger KZ errichtet wurden,
z.B. in Dachau und Neuengamme, entstanden in Umsetzung
alliierter Vereinbarungen zur Befreiung von Faschismus und
Krieg, wie sie sich in den Potsdamer Beschluessen, den
Richtlinien der Londoner Viermaechtekonferenz vom 8. August
1945 sowie der Kontrollratsdirektive 38 vom 12. Oktober 1946
ueber die "Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern,
Nationalsozialisten und Militaristen und Internierung,
Kontrolle und Ueberwachung von moeglicherweise gefaehrlichen
Deutschen" niedergeschlagen hat.
Den Inhaftierten wird heute eine eigene Ausstellung
gewidmet, weil die "Expertenkommission" davon ausgeht, dass
hauptsaechlich "Unschuldige", aufgrund willkuerlicher
Beschuldigungen und Denunziationen interniert worden sind,
naemlich "Klassenfeinde, Sozialdemokraten, undogmatische
Linke, Kinder und Jugendliche": Auf einer Tafel der
Ausstellung liest sich das so: "Auf Grund alliierter
Beschluesse kam es 1945 in den vier Besatzungszonen zu
massenhaften pauschalen Internierungen zum Zweck der
Entnazifizierung und zum Schutz der Besatzungsmacht. Auch
unter den in der sowjetischen Zone Internierten befanden
sich Deutsche, die auf Grund von Denunziationen eingeliefert
wurden. Tausende starben an Hungeroedemen, Tuberkulose und
Typhus. Nach langjaehriger Verdraengung stellt sich nunmehr
die Nationale Mahn- und Gedenkstaette Buchenwald der Aufgabe,
die Geschichte des "Speziallagers 2" aufzuarbeiten..."
Ausser Acht gelassen wird dabei voellig, dass vor allem
Funktionstraeger des Nationalsozialismus in den
Internierungslagern inhaftiert waren.
Die Nichterwaehnung der Tatsache, dass der Hungertod kein
Spezifikum der Inhaftierten war, sondern dass auch ausserhalb
der Lager massenhaft Menschen dem Hungertod erlegen sind,
vor allem in der Sowjetunion,- dieses Jonglieren mit Zahlen
und Fakten verschleiert komplett den Blick auf den
Gesamtzusammenhang, vor dem die Internierungslager zu
betrachten sind.
Trotz, so die Historikerkommission, des "ungenuegenden
Forschungsstandes", "weitgehend fehlende(r) Sachzeugen...,
nicht vorhandene(r) Orginalfotos, und - sehr
eingeschraenkte(r) sonstige(r) Moeglichkeit der
Visualisierung..." soll diese Ausstellung weiter ausgebaut
werden. Die "objektiv vorhandene(n) Dokumentationsprobleme"
muessen entsprechend "kompensiert" werden. Das sieht in der
vorlaeufigen Ausstellung so aus, dass auf langgestreckten
Tischen mehrseitige Berichte einiger "Unschuldiger"
ausliegen. Beispielsweise von einem Hans Hammer aus Gera,
der aufgrund seiner koerperlichen Behinderung als
Wehruntauglicher seine "Treue zu Fuehrer und Vaterland nicht
an der Front beweisen" durfte und dadurch in "seelische
Noete" geriet, die er durch seine Mitgliedschaft bei der
Hitler- Jugend zu lindern suchte. Oder einer Inge Leonhardt
aus Halle, Sachbearbeiterin bei der Gestapo, die ueberhaupt
nicht wusste, "was Staatspolizei bedeutete". Auch von
Buchenwald wusste sich nichts. Sie wird fuer ihre Internierung
heute berentet.
Als einzige Ausstellungsgegenstaende sind in Vitrinen ein
gestrickter Pullover, gehaekelte Socken, ein handgefertigter
Messingbecher, ein gesticktes Massband... zu sehen. Als
Erklaerung zu diesen Gegenstaenden ist zu lesen. "Die in den
Vitrinen gezeigten Gegenstaende stammen aus dem Besitz von
ehemaligen Internierten und wurden der Gedenkstaette in den
letzten Monaten zur Verfuegung gestellt. Sie zeugen von den
Anstrengungen der Internierten, die primitiven
Lebensbedingungen im Lager zu verbessern und der laehmenden
Atmosphaere der Untaetigkeit entgegenzuwirken."
Die nur als katastrophal zu bezeichnende Ausstellung
verhoehnt die Opfer des Faschismus, wo sie nur kann.
Diese provisorische Ausstellung ist gleich nach Aufloesung
der DDR installiert worden, und zwar im Ostfluegel der
Gedenkstaette.
Entsorgt wurden dafuer die Abschnitte der vorherigen
Ausstellung:
Die Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus
Internationale Manifestation in Buchenwald 1950/55
Mahnung und Verpflichtung
Die Nazi- und Kriegsverbrecher vor den Gerichten der Voelker-
Nuernberg 1945/46
Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch
Sie beinhalteten die Darstellung der Geschichte nach dem
Krieg und speziell die Entnazifizierung in der DDR am
Beispiel des Landes Thueringen.
Auch die Frage: "Was passierte mit den Taetern?", wurde
frueher hier beantwortet und jetzt nicht mal mehr gestellt.
Die Veraenderungen der Lagerausstellung nach den Vorschlaegen
der "Expertenkommission" bedeutet, die Taeter von einst
posthum zu Opfern , naemlich des angeblichen
"stalinistischen" Internierungslagers zu machen und heisst
auch den Nationalsozialismus mit dem Sozialismus zu
vergleichen. Die Relativierungsabsichten sind zwar mehr als
offensichtlich, wurden aber von der Kommission noch
schriftlich bestaetigt: "Die NS- Verbrechen duerfen weder
durch die Verbrechen des Stalinismus relativiert werden,
noch die Verbrechen des Stalinismus mit Hinweis auf die NS-
Verbrechen bagatellisiert werden."
Es gab von Anfang an scharfe Kritik seitens der
Opferverbaende sowohl an der Neukonzeption als auch an den
vorgenommen Aenderungen in den Gedenkstaetten. Ein Buendnis
verschiedener Lagergemeinschaften sprach sich bereits im
September 1991 gegen den Versuch aus, die Gedenkstaetten "in
Erinnerungsstaetten gegen den Totalitarismus" umzuwandeln,
weil durch die Gleichsetzung politischer Verhaeltnisse in der
ehemaligen DDR mit dem NS- Staat der nationalsozialistische
Terror relativiert wuerde.
Wenn auch nicht ueberraschend, so ist die Ignoranz der
zustaendigen Politiker und Historiker gegenueber den Protesten
der Opferverbaende doch erschreckend.
Zu offensichtlich ist die Tatsache, dass es offenbar der Zeit
ueberlassen werden soll, bis sich die Sache mit den
Ueberlebenden "erledigt" hat...Eine Auseinandersetzung, in
der die ZeitzeugInnen ernst genommen werden findet nicht
statt.
Und so wird dann auch fuer die Zukunft munter weiter
geplant.: "Die Kommission empfiehlt, die politische
Vorgeschichte und Geschichte der Nationalen Mahn- und
Gedenkstaette Buchenwald 1950-1990, ihre Gestaltung durch die
DDR, ihre Verwendung zum Zweck der Staatspropaganda und ihre
politische Instrumentalisierung in einem weiteren Kontext
durch eine Dokumentation sichtbar zu machen."
Diese soll im Bereich des Mahnmal- Gelaendes gezeigt werden,
so dass dessen Bedeutung neutralisiert wird.
Die geplante Ausstellung, dessen praegendes Element die
Diffamierung der DDR sein wird, ist der konsequente
Abschluss der Umgestaltung.
Zum Widerstandsbegriff - Widerstand="anti-totalitaer" ?!?
Die Kommunisten und insbesondere der durch sie organisierte
Widerstand sollen weitgehend aus der Ausstellung verbannt
werden. In der Auflistung der Kommission "Handlungen und
Handelnde des Widerstandes" werden die Kommunisten nicht
mehr genannt. Die von den Historikern geforderte "korrekte
Darstellung des Widerstandes" ..."ohne die in der DDR
uebliche Ueberhoehung" soll offensichtlich in der Ausloeschung
der Erinnerung an den organisierten kommunistischen
Widerstand bestehen, bzw. in dessen Kriminalisierung.
Widerstandskaempfer des KZ- Buchenwald werden als Moerder
denunziert. Gefunden wurden Akten aus dem Archiv der SED,
aus denen hervorgeht, dass Untersuchungen durchgefuehrt
wurden, inwieweit KPD- Haeftlinge in Buchenwald ihre Stellung
im Widerstand ausgenutzt haben, sich zu Bereichern oder gar
an Grausamkeiten beteiligt waren. Die Tatsache dieser
Untersuchungen und einiger Verurteilungen durch
Parteigerichte der SED sollen nun beweisen, dass Kommunisten
Verbrechen begangen haben, gegen die die Verbrechen der
Nazis geradezu harmlos erscheinen.
Ueberraschend ist es nicht, dass das Bild "des Widerstands"
zwischen 1933 und 1945 nach der Aufloesung der
sozialistischen Staaten, die sich selbst als
antifaschistisch definierten, revidiert werden soll.
Das Verhaeltnis zum Widerstand waehrend des
Nationalsozialismus ist nicht nur Ausdruck des politischen
Selbstverstaendnis Einzelner, sondern auch Gradmesser fuer die
politische Kultur einer Gesellschaft.
Es geht darum, einen Widerstandsbegriff festzulegen, der
"anti-totalitaer" ist und Ausschliesslichkeit besitzt. Die
Geschichte des Widerstands wird deswegen aufs Unpolitische
und bloss Moralische reduziert- mit zukunftsweisender
Wirkung.
Buchenwald Was wollen wir am 50. Jahrestag der Selbstbefreiung
dort?
Als allererstes:
Der Jahrestag in Buchenwald ist fuer uns ein
durch und durch positiver Gedenktag an die Befreiung der
Konzentrationslagerinsassen aus eigener Kraft -
Selbstbefreiung!
8 Jahre lang lief die Toetungsmaschine der Nazis in
Buchenwald - ohne das fuer die im KZ eingepferchten Menschen
die Chance bestand, dieser Maschinerie ein Ende zu setzen,
ihr zu entkommen, ausser, wie die SS-Schergen in grenzenlosem
Zynismus zusagen pflegten - durch den Kamin, durch das
Krematorium.
Toetliche Umwelt
8 Jahre lang mussten die in Buchenwald konzentrierten
politischen, rassistisch Verfolgten, religioes Verfolgten,
sexistisch Verfolgten, Kriegsgefangenen, "kriminellen",
"asozialen" Inhaftierten eine Realitaet ertragen, die jede
Vorstellung, die Mensch sich in seinen
bundesrepublikanischen Alltagsverstand so machen kann,
sprengt. 60.000 Menschen wurden in Buchenwald durch die
verschiedenartigsten Toetungsmethoden ermordet. Verhungern
lassen in Dunkelhaft ist nur eine davon. Da die
Konzentrationslager sozusagen auch staatlich organisierte
Intensivschulungen fuer Massenmoerder waren, werden wir uns
verkneifen, auch nur an eine Auflistung der verschiedenen
Mordvarianten zu denken, es sind zu viele und eine Mordart
ist genauso aussagekraeftig wie alle anderen. Dazu wurden
alle dem Sadismus entsprungenen psychologischen und
physiologischen Kriegsfuehrungsstrategien angewandt, um den
Haeftlingen jegliche Hoffnung auf ein Ende der Hoelle zu
nehmen. Alle Haeftlingsinitiativen mussten sich auf das
Ueberleben bzw. das Organisieren vom Ueberleben konzentrieren.
Nur relativ wenige der Haeftlinge hatten die Kraft und die
Gelegenheit, an weitergehende Ziele zu denken und zu
handeln.
Vorbedingungen fuer die Befreiung
Als erste Aktion ueberhaupt, wir beziehen uns auf Aktionen,
die fuer das ganze Lager bestimmend wirkten, musste die
Herrschaft der Gruenen im Lager gebrochen werden. Die SS
bediente sich der skrupellosesten Figuren unter den
"kriminellen" Haeftlingen, um den Lageralltag zu einem Kampf
- jeder gegen jeden - unter allen Haeftlingen zu machen. Es
hat lange und harte Auseinandersetzungen gegeben, bis die
"gruene" Herrschaft im Lager gebrochen war und auch die SS
einsehen musste, dass die politischen Haeftlinge (Kennzeichen:
rotes Dreieck) den Lageralltag bestimmten. Unter absoluter
Konspiration musste eine illegale Lagerleitung gebildet
werden, die in der Lage ist, die minimalen Moeglichkeiten,
die die Realitaet des Konzentrationslagers hergibt, zu nutzen
und fuer die Inhaftierten zu verwenden. Unter dem Schutz der
illegalen Lagerleitung konnte sich sogar eine internationale
Militaerorganisation bilden, die selbst in einer scheinbar
aussichtslosen Situation die Perspektive des bewaffneten
Aufstandes entwickelte. 7 Kriegsjahre lang mussten die
Insassen der Konzentrationslager auf ihren Moment warten. In
diesen 7 Jahren mussten erst die Menschen und Land
vernichtende Kriegsmaschinerie des deutschen Faschismus zum
Stehen gebracht, zermuerbt und zurueckgeschlagen werden, bis
die Moeglichkeit zum offensiven Handeln gegeben war. Die
deutsche Militaermaschine war der Schutzwall, hinter dem die
Konzentrationslager funktionierten, ohne dass die Haeftlinge
die Chance auf Gegenwehr bekamen. Millionen Alliierter
Soldaten sind bei der Zerstoerung der nazistischen
Kriegsmaschine getoetet worden. Hunderttausende von
Partisaninnen und WiderstandskaempferInnen mussten ihr Leben
lassen bis der Faschismus am Boden lag. Das Leben von 50
Millionen ZivilistInnen wurde durch den faschistischen
Eroberungkrieg ausgeloescht. Erst nach dieser
Massenschlaechterei bekamen die Insassen des
Konzentrationslagers die Gelegenheit, der SS Paroli zu
bieten. Erst wurden durch passive Resistenz tausende von
Menschenleben gerettet, dann wurde das Lager gestuermt und 73
SS-Schergen festgenommen. Nachdem die Haeftlinge das Lager
befreit und die SS vertrieben haben, kamen alliierte Truppen
auf den Ettersberg, die damit sicher stellten, dass kein
Nazischerge die ehemaligen Insassen wieder anfassen wird.
Bevor die ehemaligen Insassen des Konzentrationslagers
Buchenwald in den Alltag der rauhen imperialistischen
Weltordnung und in das zerstoerte Europa, nach Israel, in die
USA gingen, schworen sie sich noch auf dem Appellplatz des
Konzentrationslagers den beruehmten Schwur von Buchenwald,
der bis heute darauf wartet erfuellt zu werden.
Geschichte wird gemacht, es geht zurueck
Denn: Der Nationalismus feiert seine Auferstehung. Seine
Vertreter von Faschismus bis zu nationalistischen
Sozialdemokraten waehnen sich oben auf und bekaempfen mit
militanter werdender Schaerfe alles, was ihnen nicht passt.
Haupttraeger der nationalistischen Umdeutung der Geschichte
(Revisionismus) sind ohne Frage zur Zeit die
Regierungsparteien der Bonner Koalition und ihre
Regionalfuersten in den Bundeslaendern.
Das macht die nationalistischen Umtriebe in den anderen
Parteien, in Verbaenden und Organisationen um nichts
ungefaehrlicher. Die Konzentrationslager sind der materielle
Beweis, dass der deutsche Nationalismus, erst ein mal
entfesselt, vor keiner moralischen, politischen, rationalen
Grenze halt macht. Die Konzentrationslager belegen
eindrucksvoll, dass Nationalismus und Vernichtung in
Deutschland die gleiche Bedeutung besitzen. Jeder und jede,
die den Nationalismus propagiert, muss ueber kurz oder lang
auch die Konzentrationslager, auf den Begriff gebracht durch
Auschwitz, als politisches Konzept vertreten! Die Geschichte
des Endes der Weimarer Republik stellt eindeutig klar, wie
problemlos sich alle nationalistischen Formationen der
Vernichtungspolitik der Faschisten angepasst haben.
Weil die nationalistischen Vordenker wissen, was sie tun,
ist ihnen die Existenz der Gedenkstaetten mit ihrer
aufklaererischen Funktion ein so schwerer Klotz am Bein, dass
sie aus der Geschichte verbannt oder zumindest ihrer
Geschichte beraubt werden muessen. Dabei ist ihnen keine
Provokation zu offensichtlich. Schon in den 50iger Jahren
versuchte die Adenauer-Regierung, Auschwitz dadurch zu
relativieren, dass in einem "deutschen Raum" auf der
Gedenkstaette die Vertriebenen mit den 100000den in Auschwitz
ermordeten Menschen gleichgesetzt werden.Dieser Versuch ist
allerdings gescheitert. Die Konzentrationslager sollen
historisch planiert weden, sie sind ihnen im Wege. Nichts
anderes haben die andauernden Angriffe auf die Gedenkstaetten
zum Zweck.
Antikommunismus
Die Gedenkstaette Buchenwald hat in den Angriffen auf
saemtliche Gedenkstaetten eine besondere Stellung, weil
Buchenwald dafuer steht, dass Widerstand auch unter den
schlimmsten nur denkbaren Bedingungen und Umstaenden
erfolgreich sein kann. Und Buchenwald steht auch dafuer, dass
dieser Widerstand unter der Hauptverantwortung von
Kommunisten stattgefunden hat, die dafuer gekaempft haben und
gestorben sind, im Lager Formen gemeinsamen Ueberlebens zu
organisieren und dem Terror ein Ende zu bereiten.
In der Bundesrepublik, deren erklaerte Staatsdoktrin der
Antikommunismus ist, darf diese Gedenkstaette, die auch ein
Zeichen fuer kommunistische Menschlichkeit ist, so nicht
weiterexistieren. Die Organisatoren bundesdeutscher Macht
moechten Buchenwald auf den Muellhaufen der Geschichte werfen,
um ihre expansionistischen Unterwerfungsstrategien zu
vollstrecken ohne die noch klar zu erkennenden Konsequenzen
staendig leugnen zu muessen.
Die Gedenkstaette in Buchenwald ist seit dem Untergang der
DDR staendigen Angriffen der Regierungen und ihrer Handlanger
ausgesetzt, die bis jetzt nur durch die Mobilisierung der
gesamten erreichbaren internationalen Oeffentlichkeit in
ihren Auswirkungen abgefedert werden konnten.
Der Jahrestag
Der Gedenktag zur Selbstbefreiung aus dem
Konzentrationslager ist einer der wenigen Tage, wo die
Haeftlingsvertretungen nicht mit der Abwehr von geplanten
Geschichtsverfaelschungen und Verzerrungen beschaeftigt sind,
sondern wo sie selber zu sagen haben.
Es ist ihr Tag.
Wir wollen am 9.4.1995 mit den Haeftlingen solidarisch sein,
indem wir uns hinter ihre Kaempfe stellen, in denen versucht
wird, groessere nationalistische Geschichtsfaelschungen zu
verhindern. Der Kampf der internationalen
Haeftlingsorganisationen entspricht unserem Interesse, die
Geschichte der nazistischen Konzentrationslager, die
Geschichte von Buchenwald, so nah wie moeglich an der
historischen Realitaet zu erhalten.
Dazu muessen die Angriffe der Geschichtsrevisionisten
gestoppt werden.
Es gibt nicht viele Moeglichkeiten, ausserhalb des politischen
Alltags solidarisch in diese Auseinandersetzung
einzugreifen. Der 50. Jahrestag gibt uns die Gelegenheit
dazu. Wir koennen an diesem Tag zeigen, dass es viele Menschen
gibt, denen die Gestaltung der Gedenkstaette nicht am "Arsch"
vorbei geht, wir koenne den Anwesenden Ueberlebenden des
Lagers zeigen, die in grosser Zahl und aus aller Welt zu
dieser Manifesttation kommen, dass es auch in der BRD eine
grosse Zahl von Menschen gibt, die mit ihrem Kampf
solidarisch sind, die ihren Schwur nach der Befreiung des KZ
aufgenommen haben und bereit sind, fuer eine Welt zu kaempfen,
in der Nationalisten, Rassisten und Faschisten nichts mehr
zu melden haben.
Wir wollen den Regierungsvertretern und ihren Handlangern
deutlich machen, dass sie ihre Plaene zur Vertuschung
deutscher Eroberung - Vernichtungspolitik nicht ohne unsere
Gegenwehr durchsetzen koennen. Wir rufen alle
AntifaschitInnen dazu auf, am Tag der Manifestation nach
Buchenwald zu kommen. Wir werden dafuer Busse zur Verfuegung
stellen. Da der Rahmen der Manifestation zu grossen Teilen
durch die Planungen der Haeftlingsorganisationen, der
beteiligten Regierungen und der Museumsleitung schon
vorgegeben ist, wird sich unser politischer inhaltlicher
Beitrag zur Manifestation in der Hauptsache durch das Zeigen
von Transparenten und Parolenrufen zeigen.
Also: oelt die Stimme, malt gute Transparente, bringt eine
gute Kondition mit, es wird anstrengend.
Kein Fussbreit fuer Antikommunisten und Faschisten auf dem
Ettersberg
Die Gedenkstaette und die Art ihrer Gestaltung in die
Verantwortung von AntifaschistInnen
Reaktionaere, Geschichtsrevisionisten - Eure politischen
Ziele werden wir oeffentlich machen, Eure moerderische
Vergangenheit in Erinnerung behalten - keine Chance den
Weisswaeschern des deutschen Imperialismus
Diese Mobilisierung-Broschuere zur Manifestation am 09. 04.
1995 nach Buchenwald wurde von einigen Menschen aus
Rendsburg und Neumuenster erstellt.
Kontaktadresse:
Projekt
Informationsdienst
Schleswig-Holstein
Bahnhofstr. 44
24534 Neumuenster